Doktor Haider 2018 Institut für Germanistik, Universität Wien Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System Creative Commons BY-NC 4.0 2018 Graz o:kofler.w3.nachrede.422 Werner Kofler - Kommentar zur Werkausgabe Projektleitung Wolfgang Straub

born digital

Diese Plattform zum Prosawerk des österreichischen Schriftstellers Werner Kofler (1947–2011) gibt den Stellenkommentar wieder. Die Primärtexte sind urheberrechtlich geschützt und nicht für eine Online-Edition vorgesehen. Sämtliche Seitenangaben, die im jeweiligen Eintrag unter »Textausschnitte« angeführt sind, beziehen sich daher auf die 2018 im Sonderzahl Verlag erschienene dreibändige gedruckte Werkausgabe. Die Website folgt der Anordnung der Texte in drei Bänden.

Kommentierte Werkausgabe Werner Kofler

Das Projekt begleitet die gedruckte und kommentierte Werkausgabe (Prosa) des österreichischen Schriftstellers Werner Kofler. Es ergänzt den gedruckten Stellenkommentar um vertiefende Materialien und einen mehrschichtigen Zugang zu den vorhandenen Inhalten.

Deutsch Werke Werk 3 Üble Nachrede Personen Autoren Fiktive Figur Haider Hans Haider Bernhards Auersberger Gerhard Lampersberg Medien Zeitung/Zeitschrift Literarische Referenzen
Doktor Haider Doktor Haider Hans Haider (* 1946), österr. Kulturjournalist, seit 1974 Mitarbeiter der Tageszeitung Die Presse (s. Eintrag ›kein Haider, welchen Vornamens immer‹). Haider hatte vom Suhrkamp Verlag Druckfahnen von Bernhards Holzfällen erhalten und bei der Lektüre in einigen Figuren reale Personen wiederzuerkennen geglaubt, etwa in der Figur Auersberger den Komponisten Gerhard Lampersberg, den er daraufhin kontaktierte. [...] Eine Bahre, eine Bahre! Zurück ins Reich des Politischen, des Trans-, des Tagespolitischen, durch die Sümpfe der Metaphorik, zurück zur Rotkreuzstation, zur Freiheitlichen, das schöne F, das schöne P, das schöne Ö über dem Zelteingang, wie im Zirkus! Zurück ins blaue Feldlazarett, zu Primarius Haider, Schwester Heide, zu Schwester Schmidt, Oberin Trattnig, die Unbestechlichen, sie werden uns behandeln, ein Feldtelefon, ein Feldtelefon! Heilen Sie mich, Doktor Haider, von meiner Anschlußangst! Noch etwas Salz in die Wunde, Schwester Schmidt! Oh, dringen Sie ein, Dr [...] [...] Hätte ich ihn geschrieben, hätte ich, den Inhalt betreffend, die Nachricht, das Gerücht, in Umlauf gebracht, in meinem neuen Werk auf gerichtsnotorische Weise über Vertreter der sogenannten Wiener Gruppe, über konkrete Poesie und Jazz mich hergemacht und bestimmten Einzelpersonen, auch dem Minister und Kriegstreiber Mock, auf das Übelste nachgeredet zu haben, so daß es bald schon, sehr bald, dem Doktor Haider zu Ohren gekommen wäre, der daraufhin, wie schon bei HOLZ- FÄLLEN vonThomasBernhard,vomVerlagdieDruckfahnen sich besorgt hätte, um nach der Lektüre, aber noch vor dem Erscheinen vom Verleger oder auch von mir die Streichung dieses Namens, die Unterlassung jener Passage zu verlangen, zu erbitten, wie der Doktor Haider es umschrieben hätte – vergeblich freilich, zumindest so weit es mich betroffen hätte [...] [...] Kunst? Welche Kunst, wessen Kunst? Herr Doktor Haider, wessen Kunst, welche? Einem rumänischen Kleinkind sein gewaltiges Glied in den Mund zu stecken, genauer, von einem anderen, um ihm die Ehre abzuschneiden, zu behaupten, er habe sein gewaltiges Glied in den Mund eines rumänischen Kleinkindes gesteckt m – du meine Güte, was für ein Schläger! –, das wäre Kunst, das würde Kunst gewesen sein, Kunst, die Sie meinen, Doktor Haider? Kunst, oder Freiheit, oder Freiheit der Kunst? Auf dem Marktplatz sich zu entblößen, genauer, von einem anderen in einem Kunstwerk – Kunstwerk! – solches zu behaupten – Kunst? Die Scheußlichkeit der Beine und der haarlose Hinterkopf, der von nichts als von Perversität rhythmisierte Gang, das, und anderes mehr, vom Lampersberg, in der Kunstfigur des Auersberger, zu behaupten, das wäre Kunst, Doktor Haider? Die widernatürliche Beziehung des Komponisten Lampersberg zum Dichter Bernhard – die Zukunft Österreichs ? Die Zukunft Österreichs hier begraben? Doktor Haider, Koberg am Apparat, die Zukunft Österreichs hier begraben?? Wie?, nicht begraben, im Gegenteil, frei, freigelegt, offengelegt, gefilzt, entfilzt, durchfilzt der rotschwarze Filz, die Entfilzung des Filzes, das wird die Kunst sein, oder die Zukunft, oder beides? Aber Doktor Haider, Beuys hat immer mit grauem Filz, mit Naturfilz gearbeitet, mit Fett und Filz, und die Beschädigung eines Beuyskunstwerkes, etwa ins FETTNÄPF- CHEN zu treten, oder gar zu springen, kann teuer kommen, sehr teuer, Dieter Rot kann ein Lied davon singen [...] [...] Aber warum so ungenau, Doktor Haider, die Zukunft Österreichs ist unsere Kunstgewerbe, warum nicht diese klare Aussage, unsere Kunstgewerbe, Nominativ, warum nicht diese Klarheit? Oh, Sie wollten auch einmal geistreich sein, mehrdeutig, ich verstehe [...] [...] Doctores Haider, oder, volkstümlicher, denn die Zukunft Österreichs ist unsere Kunstgewerbe, diese Doktor Haiders! Nun, ein Haider ist so gut wie der andere [...] [...] es ist Ihnen zu Ohren gekommen? Wie erklären Sie, Doktor Haider, daß die vorliegende Sache gerichtsanhängig hat werden können; bloß wegen der Unterstellung eines gewaltigen oder kindlichen Gliedes? Wegen des Gliedes gewiß nicht, ein Glied wäre so gut wie das andere? Sagen Sie das nicht, Doktor Haider, sagen Sie das nicht, nicht Sie [...] [...] den Vorwurf der Abartigkeit ebensowenig? Sie können mit Sicherheit sagen, kein Verhältnis mit dem Privatankläger gehabt zu haben ? Sie haben auch nie ein Angebot bekommen? Sie haben den Lampersberg ein einziges Mal betrunken gesehen, anläßlich einer Silvesterfeier in Ihrem Hause? Sie glauben, das sei verständlich ? Sie haben dem Lampersberg ein Gutachten zur Verfügung gestellt, des Inhalts, daß der geile Schriftstellerverschlinger in der Figur des Auersberger erkennbar sei? Sie haben an einem künstlerischen Abendessen nie teilgenommen? Schade, Doktor Haider, sehr schade [...] [...] Verständigung des Staatsanwaltes In einem als BEKANNTGABE bezeichneten Schriftsatz hätte ich, in meinem Roman ohne Eigenschaften, fortgesetzt, führt der Privatankläger Lampersberg, angestiftet vom Doktor Haider, weiter aus: In einem Programmheft des Bochumer Schauspielhauses, das anläßlich eines Gastspiels auch im Wiener Akademietheater vertrieben worden sei, sei ein Aufsatz des Beschuldigten abgedruckt gewesen, der vor Beschimpfungen und Beleidigungen nur so strotze [...] [...] Eine Schreibkraft, allein gelassen Aufgerufen wird Zeuge Doktor Haider [...] [...] In einem weiteren als Bekanntgabe ausgewiesenen Schriftsatz hätte ich geschrieben, genauer: aus den mir zugespielten Gerichtsakten abgeschrieben, führt der Privatankläger und Bühnenkomponist Lampersberg – Darsteller Rechtsanwalt Morant, Spielleitung Doktor Haider – aus: Schon im Jahr 1977 sei anläßlich eines Bernhard-Symposions in Triest Professor Sigurd Paul Scheichl, Innsbruck, zum Schluß gekommen, man finde in den Werken des B [...] [...] Dienstmarke und den Worten Observationsauftrag sich Zutritt verschaffte, um mir, immer in Notwehr, und begleitet von Äu- ßerungen wie Es ist genug oder, flötend vorgetragen, Oh, dringen Sie ein, Doktor Haider, in den Schußkanal, mit Ihrer dünnen Rute, nicht unbeträchtliche Verletzungen zuzufügen, damit auch ich einmal verspürte, wie es ist, fortwährend verletzt zu werden, ohne daß die Gerichte einschritten; wie könnten sie denn, in dubio pro arte, würde er flöten, die Zeichen sind nicht die Bedeutung, flötete er, und wie die Zeichen, eine geballte Faust, eine erhobene Hand – immer in Notwehr – die Bedeutung, der Schmerz, die Spuren im Gesicht des Betroffenen sein können, würde er mir nach und nach eingetrichtert haben [...]