Freiheit der Kunst 2018 Institut für Germanistik, Universität Wien Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System Creative Commons BY-NC 4.0 2018 Graz o:kofler.w3.nachrede.412 Werner Kofler - Kommentar zur Werkausgabe Projektleitung Wolfgang Straub

born digital

Diese Plattform zum Prosawerk des österreichischen Schriftstellers Werner Kofler (1947–2011) gibt den Stellenkommentar wieder. Die Primärtexte sind urheberrechtlich geschützt und nicht für eine Online-Edition vorgesehen. Sämtliche Seitenangaben, die im jeweiligen Eintrag unter »Textausschnitte« angeführt sind, beziehen sich daher auf die 2018 im Sonderzahl Verlag erschienene dreibändige gedruckte Werkausgabe. Die Website folgt der Anordnung der Texte in drei Bänden.

Kommentierte Werkausgabe Werner Kofler

Das Projekt begleitet die gedruckte und kommentierte Werkausgabe (Prosa) des österreichischen Schriftstellers Werner Kofler. Es ergänzt den gedruckten Stellenkommentar um vertiefende Materialien und einen mehrschichtigen Zugang zu den vorhandenen Inhalten.

Deutsch Werke Werk 3 Üble Nachrede Ereignisse
Freiheit der Kunst Freiheit der Kunst 1982 wurde dem Artikel 17 des österr. Bundesverfassungsgesetzes, der die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre festlegt, der Artikel 17a hinzugefügt: „Das künstlerische Schaffen, die Vermittlung von Kunst sowie deren Lehre sind frei.“ (www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000006, 15. 3. 2018) [...] Aber um den Privatankläger Jeanescu ein weiteres Mal verächtlich zu machen und herabzusetzen, mich weiter, nur weiter jetzt und guten Mutes, über geschützte Rechte Dritter rücksichtslos hinwegzusetzen, hätte ich, mit den Mitteln des Musil-Stipendiums, in meiner Denkschrift, meinem ROMAN OHNE EIGENSCHAFTEN, mit besonderer Heimtücke und zu einem noch feststellbaren Zeitpunkt die unwahre Tatsachenbehauptung aufgestellt, die tatbildliche Äußerung begangen, daß der Sensationsreporter Jeanescu ja nicht nur einem rumänischen, sondern auch einem bulgarischen und einem holländischen Kleinkind sein gewaltiges Glied in den Mund gesteckt habe, und daß das holländische Kleinkind seither nur noch ungarisch spreche, um mich dann, post delictum, durch eine vorsorglich offengehaltene Hintertüre zurückzuziehen und hinter der Barriere der Kunstfreiheit, hinter der Barrikade der Freiheit der Kunst [...] [...] Den Privatanklägern und Privatanklagevertretern, den Privatanklägern und Romanfiguren hätte ich die Ehre abgeschnitten, sämtlichen Romanoder Kunstfiguren, die sich in Privatanklä- ger zurückverwandeln, zurück in die Niederungen des Alltäglichen und Gewöhnlichen, und sämtlichen Privatanklägern, die ich durch den Kunstgriff der Ehrabschneidung und der üblen Nachrede in Romanund Kunstfiguren verwandelt hätte, emporgehoben zur Freiheit, zur Freiheit der Kunst [...] [...] Wozu, hätte ich ausgeführt, wozu sollten die Kunstförderung und die verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Kunst sonst gut sein, als mit den Mitteln jener und im Namen dieser andere in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise verächtlicher Eigenschaften und Gesinnungen oder eines unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens zu zeihen, um sie bloßzustellen und herabzusetzen? Ist ein angenehmerer Zeitvertreib denkbar, in nächtlichen Mußestunden, als im Namen der Freiheit, im Namen der Kunst andere auszurichten, öffentlich hinzurichten, herabzusetzen und verächtlich zu machen, ihre Verächtlichkeit öffentlich, öffentlich zugänglich zu machen? Im Namen der Kunst das Volk auszurichten? Wird nicht auch die Kunst vom Volk fortwährend ausgerichtet? Aber anders als die Freiheit der Kunst und ihrer Lehre hat die Freiheit des Volkes und seiner Lehre keinen Verfassungsrang, und der Kronenzeitung paßt das gar nicht [...] [...] Kunst? Welche Kunst, wessen Kunst? Herr Doktor Haider, wessen Kunst, welche? Einem rumänischen Kleinkind sein gewaltiges Glied in den Mund zu stecken, genauer, von einem anderen, um ihm die Ehre abzuschneiden, zu behaupten, er habe sein gewaltiges Glied in den Mund eines rumänischen Kleinkindes gesteckt m – du meine Güte, was für ein Schläger! –, das wäre Kunst, das würde Kunst gewesen sein, Kunst, die Sie meinen, Doktor Haider? Kunst, oder Freiheit, oder Freiheit der Kunst? Auf dem Marktplatz sich zu entblößen, genauer, von einem anderen in einem Kunstwerk – Kunstwerk! – solches zu behaupten – Kunst? Die Scheußlichkeit der Beine und der haarlose Hinterkopf, der von nichts als von Perversität rhythmisierte Gang, das, und anderes mehr, vom Lampersberg, in der Kunstfigur des Auersberger, zu behaupten, das wäre Kunst, Doktor Haider? Die widernatürliche Beziehung des Komponisten Lampersberg zum Dichter Bernhard – die Zukunft Österreichs ? Die Zukunft Österreichs hier begraben? Doktor Haider, Koberg am Apparat, die Zukunft Österreichs hier begraben?? Wie?, nicht begraben, im Gegenteil, frei, freigelegt, offengelegt, gefilzt, entfilzt, durchfilzt der rotschwarze Filz, die Entfilzung des Filzes, das wird die Kunst sein, oder die Zukunft, oder beides? Aber Doktor Haider, Beuys hat immer mit grauem Filz, mit Naturfilz gearbeitet, mit Fett und Filz, und die Beschädigung eines Beuyskunstwerkes, etwa ins FETTNÄPF- CHEN zu treten, oder gar zu springen, kann teuer kommen, sehr teuer, Dieter Rot kann ein Lied davon singen [...] [...] Grenzen der Freiheit, Grenzen der Freiheit der Kunst erst recht [...] [...] rungen des Gerichtes über die Grenzen der Freiheit der Kunst wage ich, Doktor Morant, Spiegelgasse 19, Wien I [...] [...] (Nein, wie taktvoll umschrieben; Was war denn dort, wurde den Insassen täglich einer abgewichst? Wurden gewaltige Glieder in die Münder deutscher Kleinkinder manövriert, wurde den Wachmannschaften übel nachgeredet?) Er stelle nun die Frage, ob, bezogen auf die heutige Gesetzeslage, eine Beschlagnahme solcher Kunstwerke, in denen zu Haß, Mord, ja sogar Völkermord aufgerufen wird, nur deshalb verpönt wäre, weil eine solche Maßnahme dem Grundsatz der Freiheit der Kunst widerspräche? (Die Dummheit, hätte ich, hätte ich denn, geschrieben, die Dummheit und ihre Lehre sind offenbar frei, da hilft kein Staatsanwalt, keine Anrufung; von Beleidigung und übler Nachrede über Spott und Verachtung zu Mord und Schändung, ja Völkermord; Von der Gentzgasse über deutschen Boden 1945 weiter nach Auschwitz, hätte ich, in einem Exkurs über die verschlungenen Pfade der Freiheit der Kunst, angemerkt, Bernhard Ehrenburg Harlan – Ein Vergleich, hätte ich geschrieben, das ist die Wahrheit [...] [...] Frierend ob meiner Untat, meiner tatbildlichen Äußerungen, hätte ich hinter der Barriere der Freiheit der Kunst Schutz gesucht, Zuflucht, Ausflucht, mich hinter jene zu retten versucht, vergebens [...]