Platz des Widerstandes 2018 Institut für Germanistik, Universität Wien Zentrum für Informationsmodellierung - Austrian Centre for Digital Humanities, Karl-Franzens-Universität Graz GAMS - Geisteswissenschaftliches Asset Management System Creative Commons BY-NC 4.0 2018 Graz o:kofler.w2.schreibtisch.251 Werner Kofler - Kommentar zur Werkausgabe Projektleitung Wolfgang Straub

born digital

Diese Plattform zum Prosawerk des österreichischen Schriftstellers Werner Kofler (1947–2011) gibt den Stellenkommentar wieder. Die Primärtexte sind urheberrechtlich geschützt und nicht für eine Online-Edition vorgesehen. Sämtliche Seitenangaben, die im jeweiligen Eintrag unter »Textausschnitte« angeführt sind, beziehen sich daher auf die 2018 im Sonderzahl Verlag erschienene dreibändige gedruckte Werkausgabe. Die Website folgt der Anordnung der Texte in drei Bänden.

Kommentierte Werkausgabe Werner Kofler

Das Projekt begleitet die gedruckte und kommentierte Werkausgabe (Prosa) des österreichischen Schriftstellers Werner Kofler. Es ergänzt den gedruckten Stellenkommentar um vertiefende Materialien und einen mehrschichtigen Zugang zu den vorhandenen Inhalten.

Deutsch Werke Werk 2 Am Schreibtisch
Platz des Widerstandes Platz des Widerstandes InBielefeld nannte man 1983 den Bahnhofsvorplatz „Platz des Widerstandes“, um an Verfolgte und unbekannte Widerstandskämpfer während der nationalsozialistischen Herrschaft zu erinnern. 1990 kehrte man zum Namen „Bahnhofsplatz“ zurück, da „eine Ortsbezeichnung, die der Orientierung dient“, vorzuziehen sei. (vgl. Pollmann 1990) Diese Benennung blieb die einzig bekannte. [...] Aber wie denn stillgelegt, wenn ich darin wohnte? Ich ging doch durch die Drehtür, aus der halbdunklen Halle tauchte plötzlich ein Portier in schwarzer Livree auf, das Hoheitszeichen der gekreuzten goldenen Schlüssel an den Rockaufschlägen, selbst der Aufzug war in Betrieb, und ein Frühstück wurde mir serviert? Andrerseits, die stillen, menschenleeren Flure, die dunklen Speisesäle und Bridgezimmer, die kalte Zentralheizung im Januar? Und doch mußten außer mir noch andere Gäste im Hause sein, denn als ich einmal verspätet ins Hotel zurückkehrte, kam der Portier gelaufen und sagte mit einem vorwurfsvollen Unterton: Schnell, schnell! Wo sind Sie nur so lange gewesen? Herr Arbeitsdienstführer Hierl und Herr Wehrwirtschaftsführer Oetker erwarten Sie schon! – Nein, das mußte mir geträumt haben; in bestimmten deutschen Hotelzimmern muß ich immer, eine Art Zwangsvorstellung, an durchreisende SAoder SS-Chargen denken, wie sie sorgfältig die Uniform in den Schrank hängen oder über den Stuhl legen, wie sie sich, mit hinabhängenden Hosenträgern, rasieren am Morgen und die Haare naß kämmen, bereit zu neuen Taten, oder wie sie – genug jetzt! – vor dem Verlassen des Zimmers noch einen Blick aus dem Fenster werfen etwa auf den Platz der Volkserhebung, so wie ich manchmal vom Hotelzimmerfenster auf den Platz des Widerstandes hinuntersah [...]