Paraphrasieren Sie den Ausgangstext!
Der Fuchs durchstöbert die Werkstatt
eines Bildhauers und stößt dabei auf die Maske eines Tragödienschauspielers. Er
betrachtet diese und stellt fest, dass diese einen ansehnlichen Kopf darstelle, dem
jedoch das Gehirn fehle. Die Fabel ist auf Menschen gemünzt, die zwar äußerliche
Schönheit besitzen, denen es aber an Verstand mangelt.
Gliedern Sie den Ausgangstext nach dem (typischen) Aufbau einer Fabel! Welche
Besonderheiten fallen Ihnen auf?
Gliederung:
Ἀλώπηξ […] διερευνῶσα: Exposition
ὡς […] ἔχει: Actio
Πρὸς […] εὔκαιρος: Epimythion
Es handelt sich um eine auffallend
kurze Fabel mit minimaler Exposition und nur einem Akteur, wodurch es nicht zum
fabeltypischen Wechsel zwischen Actio und Reactio kommt – vielmehr liegt eine
einseitige Kommunikation mit einem unbelebten Gegenstand vor. Handlungsauslösendes
Element ist nämlich die Maske, die den Fuchs zu seinem Kommentar inspiriert; dieser
Kommentar stellt gleichzeitig die einzige Actio dar. Es folgt das Epimythion, das eine
allgemeine Interpretation für den Ausspruch des Fuchses bietet.
Finden und kennzeichnen Sie folgende Stilmittel: Chiasmus, Paronomasie! (Bei der
Paronomasie handelt es sich um ein Wortspiel mit verwandten oder zufällig ähnlich
klingenden Wörtern bzw. Wortformen, z.B. ‚das Buch der Bücher‘, aber auch ‚Wer rastet,
der rostet‘). Welchen Effekt hat der Einsatz dieser Stilmittel im Text?
Chiasmus: μεγαλοπρεπῆ μὲν σώματι –
κατὰ ψυχὴν δὲ ἀλόγιστον
Durch den Chiasmus (und zusätzlich
durch die Verwendung der Korrelativpartikeln μὲν – δὲ) wird die Gegenüberstellung des
Gegensatzpaares Körper/Geist, die den zentralen Gedanken der
Fabel darstellt, mit den dazugehörigen Adjektiven wunderschön/unvernünftig sprachlich realisiert.
Paronomasie: κεφαλὴ ἐγκέφαλον
Dieses Wortspiel erzeugt eine sehr
einprägsame Formulierung: Der Fuchs spottet über einen Kopf (κεφαλή), dem gerade das
fehlt, was ‚im Kopf‘ (ἐγ-κέφαλος) enthalten ist bzw. sein sollte. So wird dieser
Widerspruch besonders pointiert dargestellt.
Die Handschrift
G überliefert statt des Adjektivs
ἀλόγιστον im Epimythion
ὀλιγοστὸς (
ὀλιγοστός,-ή,-όν: ‚einer, -e, -es von wenigen‘).
Erläutern Sie, was für oder gegen diese Lesart spricht! Inwiefern ist die Entscheidung
hier bedeutungstragend?
Die in G
überlieferte Lesart ὀλιγοστὸς ist mit dem grammatischen wie auch mit dem inhaltlichen
Kontext nicht vereinbar: Das Adjektiv mit der Nominativendung -ος stimmt im Gegensatz
zu ἀλόγιστον nicht mit ἄνδρα (Akkusativ) überein, sondern könnte sich nur auf ὁ λόγος
beziehen – wodurch sich nicht nur ein fragwürdiger Sinnzusammenhang ergeben, sondern
vor allem auch dasjenige Wort fehlen würde, das beschreibt, wie der durch die Maske
repräsentierte Menschentypus ‚hinsichtlich der Seele‘ beschaffen ist. So lässt sich
weder syntaktisch noch inhaltlich ein vollständiger Satz konstruieren, und das für die
Deutung der Fabel zentrale Element der Unvernünftigkeit geht überdies verloren. Es
handelt sich wohl um einen Abschreibfehler.
Vergleichen Sie Aisop. 27 P. mit der Vergleichsstelle Aisop. 12 P. und nennen Sie
formale sowie inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Fabeln!
Legen Sie dar, welches Ideal der Leopard und der Fuchs jeweils vertreten und welche
Schlüsse im Epimythion daraus gezogen werden! Inwiefern ähneln sich die Aussagen der
beiden Fabeln, inwiefern weichen sie voneinander ab? Was lässt sich durch diesen
Vergleich für die Aussageabsicht des Ausgangstextes gewinnen?
Gemeinsamkeiten |
beide Prosafabeln |
Kürze |
Epimythion |
ähnliche Thematik: körperliche/äußere Schönheit
und Verstand |
Unterschiede |
Aisop. 27 P.: nur eine Actio, Aisop. 12 P.: je eine
Actio und eine Reactio |
Aisop. 27. P.: Fuchs als einziger Akteur und
Theatermaske, Aisop. 12 P.: Fuchs und Leopard |
In beiden Fabeln der collectio Augustana tritt als Protagonist der Fuchs auf, der als
verständig charakterisiert wird. Die oberflächliche Schönheit, die vom Fuchs
kommentiert und in Opposition zum Verstand gesetzt wird, ist aber in Aisop. 12 P.
nicht durch einen unbelebten Gegenstand wie die Maske symbolisiert. Stattdessen tritt
mit dem Leoparden ein zweiter Akteur auf, der sich aufgrund seines prächtigen Fells
für überlegen hält. Formal ähneln sich die beiden Prosafabeln hinsichtlich ihrer
Kürze, insbesondere der sehr knappen Exposition, auch schließen beide mit einem
Epimythion. Allerdings weist Aisop. 12 P. im Gegensatz zu 27 P., wenn auch in
komprimiertester Form, die typische Actio-Reactio-Struktur auf (Actio: das Argument
des Leoparden; Reactio: die Entgegnung des Fuchses). Die beiden Tiere stehen in einer
Art Wettbewerb, in dem der Fuchs den Sieg davonträgt. Insofern geht Aisop. 12 P. mit
seiner Aussage einen Schritt weiter, da in der Erwiderung des Fuchses sowie im
Epimythion innere Werte im Vergleich mit körperlichen Vorzügen ausdrücklich als
‚schöner‘ (καλλίων) und ‚edler‘ (ἀμείνων) bezeichnet werden. Während Aisop. 27 P. zwar
einen Kommentar über ‚leere Köpfe‘ enthält – die Vorstellung einer schönen äußeren
Hülle ‚ohne etwas dahinter‘ ist durch die Maske anschaulich illustriert –, wird
dennoch die Schönheit nicht ausdrücklich abgewertet. Aisop. 27 P. nimmt also, wie
anhand dieses Vergleichs besonders deutlich wird, keine moralische oder sonstige
Beurteilung menschlicher Eigenschaften vor, sondern äußert sich lediglich über einen
Status quo: Die Feststellung des Fuchses im Hinblick auf eine Theatermaske lässt sich
auf einen bestimmten Menschentypus umlegen. Diese Feststellung lässt sich als
spöttisch interpretieren – man möchte meinen, ein Kopf, der von außen so schön
aussieht, müsse auch innerlich etwas zu bieten haben, dies ist aber offenkundig nicht
der Fall. Als Verhaltensrichtlinie könnte man daraus ableiten, dass man sich von einem
schönen Äußeren nicht täuschen lassen sollte, da die ‚Hülle‘ nichts über den ‚Inhalt‘
aussagt. Dies wird jedoch nicht explizit zum Ausdruck gemacht; das Epimythion von
Aisop. 27 P. beschränkt sich auf die nüchterne Beobachtung, dass es Menschen gibt, die
beschaffen sind wie eine Maske, eine Wertung wie in Aisop. 12 P. bleibt aus.
Paraphrasieren Sie das Iuvenal-Zitat (Iuv. 10,356) und setzen Sie es in Beziehung
zum Epimythion des Ausgangstextes! Finden Sie Gemeinsamkeiten und/oder Unterschiede:
Wären Iuvenal und der aesopische Fuchs einer Meinung?
Es ist wünschenswert, neben einem
gesunden Körper auch einen gesunden Geist zu haben. Obwohl bei Aesop nicht direkt von
körperlicher und geistiger Gesundheit, sondern von körperlicher Schönheit im Gegensatz
zum Verstand die Rede ist, zielt Iuvenals Aussage in dieselbe Richtung wie das
Epimythion von Aisop. 27 P.: Ein gesunder Körper (ein schönes Äußeres) sollte im
Idealfall einen gesunden, also vernünftigen Geist beherbergen. Der Fuchs würde Iuvenal
wohl zustimmen.
Vergleichen Sie Aisop. 27 P. mit der Parallelstelle bei Phaedrus (Phaedr. 1,7) und
nennen Sie formale sowie inhaltliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede! Stellen Sie
fest, in welchen Worten die Maske jeweils charakterisiert wird, und vergleichen Sie
insbesondere die in den beiden Epimythien gebotenen Deutungen! Was lässt sich durch
diesen Vergleich für die Aussageabsicht des Ausgangstextes gewinnen?
Vergleich Aisop. 27 P. – Phaedr. 1,7
Gemeinsamkeiten |
beide Fabeln |
Kürze |
Epimythion |
Fuchs als einzelner Akteur wird durch
Theatermaske zu Aussage inspiriert |
Paronomasie κεφαλή/ἐγκέφαλος und
Gegenüberstellung species/cerebrum
|
Unterschiede |
Aisop. 27 P.: Prosafabel, Phaedr. 1,7:
Versfabel |
Aisop. 27 P.: Exposition mit Angabe des
Schauplatzes, Phaedr. 1,7: direkter Einstieg in die Handlung |
Aisop. 27 P.: Maske symbolisiert körperliche
Schönheit, Phaedr. 1,7: Maske symbolisiert unverdientes Ansehen |
Die Phaedrus-Fabel unterscheidet sich
formal vor allem durch die Versform von der Prosabearbeitung in der collectio Augustana. Hinsichtlich Struktur und Prägnanz sind sich die beiden
Versionen ähnlich. Während allerdings in Aisop. 27 P. eine Exposition vorhanden ist,
in der die Rahmensituation skizziert wird, steigt Phaedrus direkt in die Handlung ein;
so findet der Ort, an dem der Fuchs die Maske findet, keine Erwähnung. Bei Phaedrus
sind somit die eigentliche Fabel und das Epimythion mit je zwei Versen genau gleich
lang. Auffallend ist darüber hinaus, dass im Lateinischen das Wortspiel mit κεφαλή
(‚Kopf‘) und ἐγκέφαλος (‚Gehirn‘) wegfällt und stattdessen durch die Wortwahl species (‚Anblick, Anschein‘) einerseits der schöne Anblick
betont wird, den die Maske bietet, andererseits aber auch der leere Schein, für den
sie steht (vgl. Gärtner 2015, 131). Die Handlung in beiden Fällen ist im Wesentlichen
dieselbe, ein auffallender Unterschied besteht jedoch zwischen den in den Epimythien
nahegelegten Deutungen: Phaedrus’ Version bezieht, anders als die aesopische, die
Aussage des Fuchses nicht auf äußerlich schöne Menschen, denen es an Vernunft fehlt,
sondern auf solche, denen zufällig (durch das Wirken der fortuna), also ohne Eigenleistung, honos und gloria zuteilgeworden sind, ohne dass sie auch nur über gesunden
Menschenverstand verfügen würden – von Vernunft im Allgemeinen ist jedoch nicht die
Rede. Die aesopische Bearbeitung hingegen stellt durchaus plakativ und daher umso
eindrücklicher eine Opposition zwischen körperlichen Vorzügen und geistiger Kapazität
her, zwischen dem Äußeren, für das die Maske steht, und dem Inneren (ἐγ-κέφαλος:
wörtl. ‚das im Kopf Enthaltene‘) her. Phaedrus thematisiert eine gewisse
Ungerechtigkeit des Schicksals, denn Ruhm und Ansehen sollte man sich durch Leistung
verdienen, sie sollten nicht nur ‚schöner Schein‘ sein. Aus der aesopischen Fabel
lässt sich nichts dergleichen ableiten – diese äußert sich lediglich darüber, dass
nicht jeder schöne Kopf (ein solcher ist schließlich die Maske) auch ein kluges Gehirn
beinhaltet. Aus dieser Beobachtung kann man eine Warnung herauslesen, nicht vom
äußeren Anschein auf innere Werte zu schließen, aber kein moralisches Urteil.
Vergleichen Sie den Ausgangstext mit der Bearbeitung von Gotthold Ephraim Lessing
(Fabeln 2,14) und nennen Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in formaler sowie in
inhaltlicher Hinsicht! Beachten Sie besonders das Epimythion: Für welchen
Menschentypus bzw. welche Charakterschwäche steht die Maske bei Lessing im Gegensatz
zur Fabel in der
collectio Augustana und bei Phaedrus? Was
lässt sich durch diesen Vergleich für die Aussageabsicht des Ausgangstextes
gewinnen?
Vergleich Aisop. 27 P. – Lessing 2,14
Gemeinsamkeiten |
beide Fabeln |
Kürze |
Epimythion |
Fuchs als einzelner Akteur wird durch Maske zu
Aussage inspiriert |
Unterschiede |
Aisop. 27 P.: Exposition mit Angabe des
Schauplatzes, Lessing 2,14: Exposition mit Zeitangabe |
Aisop. 27 P.: Verhältnis von Schönheit und
Verstand, Lessing 2,14: Schwätzer |
Epimythion: Aisop. 27 P.: allgemein/sachlich,
Lessing 2,14: Epimythion an Schwätzer gerichtet |
Lessings Version ist wie die der collectio Augustana eine Prosafassung, die sich durch ihre Kürze
und Prägnanz auszeichnet. Die Exposition ist nur ansatzweise vorhanden, wobei die
Fabel nicht wie in der aesopischen Bearbeitung räumlich verortet, sondern nur auf die
‚alten Zeiten‘ verwiesen wird, in denen die Geschichte sich zugetragen habe. Wo der
Fuchs die Maske findet, wird also wie bei Phaedrus ausgelassen; die Zeitangabe soll
wohl auf die lange Tradition des Stoffes verweisen. Ansonsten ähnelt die Struktur
jener der aesopischen Vorlage: Der Fuchs bleibt alleiniger Akteur, dessen einzige
Actio darin besteht, dass er die Maske findet, betrachtet und kommentiert, und an den
Ausspruch des Fuchses schließt ein Epimythion an. Trotz dieser grundlegenden
Gemeinsamkeiten setzt Lessing in seiner Bearbeitung deutlich eigene Akzente,
angefangen von der Beschreibung der Maske: Neben deren fehlendem Gehirn betont Lessing
die klaffende Mundöffnung. Letztere ist von Bedeutung, weil Lessing das Bild der Maske
statt auf Menschen, die mit Schönheit, aber nicht mit Vernunft begabt sind, auf die
‚Schwätzer‘ bezieht: die Vielredner, die immerzu ohne ‚Hirn‘, also ohne Sinn und
Verstand, reden. Bemerkenswert ist, dass diese Übertragung auf die Menschenwelt schon
in der Rede des Fuchses stattfindet (‚Sollte das nicht der Kopf eines Schwätzers
gewesen sein?‘) und im Epimythion nur noch bestätigt wird (‚Dieser Fuchs kannte
Euch‘), was in Aisop. 27 P. nicht der Fall ist. Hier äußert sich der Fuchs lediglich
über den Anblick, der sich ihm bietet, die Deutung aber bleibt dem Epimythion
vorbehalten. Zudem ist diese Deutung in der aesopischen Version als nüchterne
Feststellung formuliert: Die Beobachtung des Fuchses bezüglich der Maske sei anwendbar
auf gewisse Menschen. Lessing dagegen richtet in seinem Epimythion direkt das Wort an
die schon vom Fuchs thematisierten ‚Schwätzer‘ (Pronomen der 2. P. Pl.: ‚Euch‘,
‚Ihr‘), und zwar in unverkennbar anklagendem Ton. Durch den Vergleich mit der
Lessing’schen Version und ihrer Tirade gegen die „Strafgerichte des unschuldigsten
unserer Sinne“ wird augenfällig, dass Aisop. 27 P. sich keiner derartigen
Anschuldigungen bedient. Vielmehr liegt ein schlichter Kommentar über die Menschen
vor, wie sie bzw. manche von ihnen eben sind – möglicherweise mit einer impliziten
Warnung, sich nicht von Äußerlichkeiten blenden zu lassen –, aber kein Wunsch, dass
die Welt anders sein möge, und keine moralische Be- oder Verurteilung des durch die
Maske charakterisierten Menschentypus.
In seiner um 400 n.Chr. entstandenen Bearbeitung der Phaedrus-Version (Rom. 44
Th.) setzt Romulus anstelle des Fuchses einen Wolf als Akteur ein. Erläutern Sie,
welche Charakteristika dem Fuchs in der Fabel gewöhnlich zugeschrieben werden und ob
ein Wolf als Protagonist gleich gut zur Handlung passt! Thiele (1910, 133–135) führt
Romulus’ Abweichung von der Vorlage auf ein Missverständnis zurück: „Hierbei darf
fraglich erscheinen, ob persona vom Romulus überhaupt noch als Maske verstanden wurde
und nicht als Person. […] Im Zusammenhang hiermit erklärt sich vielleicht auch die
Einführung des Wolfes statt des Fuchses. Der Wolf, als Raubtier, das auch
Menschenleichen nicht verschmäht, findet die Leiche eines Schauspielers auf dem Felde.
Der Vorstellung vom Wolfe liegt also wahrscheinlich die römische, an Wolffabeln reiche
Volksanschauung zugrunde […].“ Es spricht also einiges dafür, dass Romulus unter der
persona, die der tierische Protagonist vorfindet, einen
(toten) Menschen und keine Theatermaske versteht. Erläutern Sie anhand des Vergleichs
mit der Romulus-Stelle, wie die Maske bei Aisop. 27 die Aussage illustriert und ob die
Leiche eines Schauspielers dieselbe erzählerische Funktion erfüllen kann!
Der Fuchs wird in der Fabel
üblicherweise als schlau, oft auch als hinterhältig, aber jedenfalls als mit Verstand
begabt dargestellt; er erreicht durch Listen, Vorwände oder geschickte Überredung sein
Ziel und erweist sich so meist als überlegen. Der Wolf hingegen gilt nicht unbedingt
als Inbegriff der Klugheit. Somit kommt es viel eher der Figur des Fuchses zu,
scharfsinnige und pointierte Aussagen über Verstand und Vernunft zu treffen, als dem
Wolf. Wie Thiele (1910, 133–135) vermutet, dürfte Romulus aber unter persona die Leiche eines Schauspielers verstehen, wozu der Wolf
als ein dem Menschen gefährliches Raubtier offenkundig besser passt. Trotz dieser
Abweichungen in der Handlung übernimmt Romulus aber das Epimythion fast unverändert
von Phaedrus, sodass dieses sich mit seiner Bearbeitung der Fabel nicht mehr
vereinbaren lässt: Während eine Maske den schönen äußeren Anschein sehr anschaulich
illustriert, erscheint es wenig sinnvoll, dass ein toter Schauspieler unverdienten
Ruhm in Kombination mit mangelndem Verstand symbolisieren soll. In dieser verzerrten
Rezeption verliert die Fabel also vollständig den Sinn, der in der aesopischen Version
vorliegt.