Titel | Geschichte des Peloponnesischen Krieges |
Autor | Thukydides |
Zeitangabe | 5., 4. Jh.v.Chr. |
Originaltext |
οὐ γὰρ δὴ εὔλογον τὰς μὲν ἐκεῖ πόλεις ἀναστάτους ποιεῖν, τὰς δὲ ἐνθάδε κατοικίζειν, καὶ Λεοντίνων μὲν Χαλκιδέων ὄντων κατὰ τὸ ξυγγενὲς κήδεσθαι, Χαλκιδέας δὲ τοὺς ἐν Εὐβοίᾳ, ὧν οἵδε ἄποικοί εἰσι, δουλωσαμένους ἔχειν. […] ἡγεμόνες γὰρ γενόμενοι ἑκόντων τῶν τε Ἰώνων καὶ ὅσοι ἀπὸ σφῶν ἦσαν ξύμμαχοι ὡς ἐπὶ τοῦ Μήδου τιμωρίᾳ, τοὺς μὲν λιποστρατίαν, τοὺς δὲ ἐπ’ ἀλλήλους στρατεύειν, τοῖς δ’ ὡς ἑκάστοις τινὰ εἶχον αἰτίαν εὐπρεπῆ ἐπενεγκόντες κατεστρέψαντο.
|
Quelle |
H. S. Jones, J. E. Powell, Thucydidis historiae, Bd. 2, Buch V-VIII.
|
Übersetzung |
Denn es ist doch ungereimt, [dass die Athener] die Städte drüben zu entvölkern und die hier neu zu gründen, und den chalkidischen Leontinern wegen der Stammverwandtschaft alle Liebe zu erweisen, aber ihrer Mutterstadt Chalkis auf Euboia in Knechtschaft zu halten. […] Führer der Ionier und der von ihnen abstammenden Verbündeten auf deren eigenen Wunsch, wie es hieß, zur Rache an Persien, haben sie den einen Dienstverweigerung, den andern gegenseitige Kriege vorgeworfen, und was sich jedesmal an schönklingenden Anklagen bot, und haben so einen um den andren unterworfen.
|
Quelle der Übersetzung | P. Landmann, Thukydides: Geschichte des Peloponnesischen Krieges, Bd. 2, Buch V-VIII. |
Kommentar |
Diese Rede des Syrakusaners Hermokrates in Karmania entstammt den thukydideischen Beschreibungen der Sizilischen Expedition. Hermokrates spricht hier vor einer Versammlung in Karmania, die er gegen die athenischen Ansinnen aufbringen will, da diese ebenfalls bei diesem Treffen zugegen waren. Der sizilische Staatsmann und General wirft den Athenern die ungleiche und ungerechte Behandlung von anderen Ioniern vor, wodurch ihr Argument, sie hülfen auf Sizilien lediglich ihren Stammesbrüdern (3,86,2-3), an Glaubwürdigkeit verliere.
Bei seinen Beschreibungen der Ereignisse vor und während der Sizilianischen Expedition (Buch 6 und 7) spricht Thukydides immer wieder von der Instrumentalisierung von Stammverwandtschaft bei Ioniern/Athenern (vgl. 6,6,1-2; 9,1; 46,2; 50,4; 82,2-3; 84,2-3) wie Dorern/Lakedaimoniern (vgl. 3,86,2; 4,64,3-5; 61,2-4; 6,6,2; 76,2-4; 80,3; 7,5,4; 57,1-58,3), was, wie hier, vor allem in Reden der Protagonisten Ausdruck findet. Wie Diodor betrachtet Thukydides jedoch die Argumentation der Athener, den Leontinern wegen der Verwandtschaft zu helfen, jedoch lediglich als Vorwand (Diod. 12,54,1; Thuk. 6,6,1-2). Diodor liefert auch zu dem hier erhobenen Vorwurf, die Athener würden nur vermeintlich ihren Stammesbrüdern – anderen Ioniern – helfen, eine Parallele: Er lässt Gylippos gegen die Athener sprechen und dabei als Argument das Vorgehen der Athener gegen Skione anführen (Diod. 13,30,6-7).
Eine gemeinsame ethnische Zugehörigkeit zählt auch bei Anaximen. 2,26 = Aristot. rhet. Alex. 1425a als eine legitimierende Maßnahme für militärische Auseinandersetzungen im Allgemeinen.
|
Belegstellen | Diod. 12,53,1; Diod. 12,54,1; Diod. 12,83,1-3; Diod. 13,30,6-7; Thuk. 3,86,2-3; Thuk. 4,64,3-4; Thuk. 4,61,2-4Thuk. 6,6,1-2; Thuk. 6,9,1; Thuk. 6,46,2; Thuk. 6,50,4; Thuk. 6,82,2-3; Thuk. 6,84,2-3; Thuk. 7,5,4; Thuk. 6,57,1-58,3 |
Schlagwort | Siedlungsgeschichte, Kriegsbündnis |
Geographische Zuordnung | Sizilien, Chalkis, Athen |
Ethnische Gruppen | Ionier |
BearbeiterIn | Anna Trattner-Handy |
Permalink | https://gams.uni-graz.at/o:ethnos.307 |