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Aristot. mirab. 845b

TitelMirabilia
AutorAristoteles
Zeitangabe4. Jh.v.Chr.
Originaltext Ἐν Θεσσαλίᾳ φασὶ τὸν ἱερὸν καλούμενον ὄφιν πάντας ἀπολλύειν, οὐ μόνον ἐὰν δάκῃ, ἀλλὰ καὶ ἐὰν θίγῃ. διὸ καὶ ὅταν φανῇ καὶ τὴν φωνὴν ἀκούσωσι (φαίνεται δὲ σπανίως), φεύγουσι καὶ οἱ ὄφεις καὶ οἱ ἔχεις καὶ τἆλλα πάντα θηρία. τῷ δὲ μεγέθει οὐκ ἔστι μέγας ἀλλὰ μέτριος. ἐν Τήνῳ δέ ποτέ φασιν αὐτὸν τῇ πόλει κατὰ Θετταλίαν ἀναιρεθῆναι ὑπὸ γυναικός, γενέσθαι δὲ τὸν θάνατον τοιόνδε. γυναῖκα κύκλον γράψασαν καὶ τὰ φάρμακα θεῖσαν εἰσβῆναι εἰς τὸν κύκλον, αὐτὴν καὶ τὸν υἱόν, εἶτα μιμεῖσθαι τὴν φωνὴν τοῦ θηρίου· τὸ δ’ ἀντᾴδειν καὶ προσιέναι. ᾄδοντος δὲ καταδαρθεῖν τὴν γυναῖκα, καὶ ἐγγυτέρω προσιόντος μᾶλλον, ὥστε μὴ δύνασθαι κρατεῖν τοῦ ὕπνου. τὸν δ’ υἱὸν παρακαθήμενον ἐγείρειν τύπτοντα, κελευούσης ἐκείνης, καὶ λέγειν ὅτι ἐὰν μὲν καθυπνώσῃ, ἀπολεῖται καὶ αὐτὴ καὶ ἐκεῖνος, ἐὰν δὲ βιάσηται καὶ προσαγάγηται τὸ θηρίον, σωθήσονται. ὡς δὲ προσῆλθεν ὁ ὄφις εἰς τὸν κύκλον, αὖον εὐθὺς γενέσθαι αὐτόν.
Quelle I. Bekker, Aristotelis opera, Bd. 2.
Übersetzung In Thessalien soll die sogenannte heilige Schlange alle zugrunde richten, nicht nur durch ihren Biß, sondern auch durch die bloße Berührung. Wenn sie sich zeigt und man ihr Zischen hört, was freilich nur selten geschieht, so fliehen aus diesem Grunde Schlangen, Vipern und alle übrigen Tiere. Sie ist nicht von besonderer, sondern nur von mittlerer Größe. In Tenos, einer Stadt in Thessalien, soll einmal eine (solche Schlange) von einer Frau umgebracht worden sein. Der Tod (der Schlange) sei so geschehen: Die Frau habe einen Kreis beschrieben, ihre Zaubermittel hineingelegt und sei selbst mit ihrem Sohn eingetreten, dann habe sie das Zischen des Tieres nachgeahmt. Dieses habe geantwortet und sei herangekommen. Während des Zischens (des Tieres) sei die Frau schlaftrunken geworden, und als das Tier näher herankam, in einem noch stärkeren Maße, so daß sie sich des Schlafes nicht erwehren konnte. Der neben ihr sitzende Sohn habe sie durch Anstoßen wachgehalten, wie sie ihm befohlen hatte, und er habe gesagt, wenn sie einschliefe, dann sei sie und er selbst verloren, wenn sie aber dem Tier zusetze und es heranlocke, dann würden sie heil davonkommen. Als nun die Schlange in den Kreis eintrat, sei sie sogleich verdorrt.
Quelle der ÜbersetzungH. Flashar, Aristoteles: Mirabilia, Bd. 18/II.
Kommentar Hier schildert Aristoteles (Theophast bzw. bei Theophrast überlieferter Pseudo-Aristoteles) die magische Beschwörung einer heiligen Schlange, die durch eine Frau zu Tode gebracht werden kann. Schlangen in Verbindung mit Thessalien finden sich bei Aristoteles des Öfteren, so beschreibt er in mirab. 846b eine sehr anpassungsfähige Schlangenart, die am Berg Orthys beheimatet ist. In Aristot. mirab. 832a liefert er eine Begründung für die thessalische Eigenart, den Mörder eines Storches ebenso zu bestrafen wie den Mörder eines Menschen. Dies sei üblich, da in vergangener Zeit die Thessaler wegen der übermäßigen Vermehrung der Schlangen beinahe auswandern hätten müssen, wären diese Schlangen nicht von den Störchen verfolgt worden. Die hier beschriebene heilige Schlange wird von Aristoteles in der Tierkunde (607a) detaillierter dargestellt.
BelegstellenAristot. mirab. 832a; Aristot. mirab. 846b.
SchlagwortKult
Geographische ZuordnungThessalien
Ethnische GruppenThessaler
BearbeiterInAnna Trattner-Handy
Permalinkhttps://gams.uni-graz.at/o:ethnos.101