Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Originaltitel: Sammlung verschiedener Bauern=Lieder meistens von Rev. D. Pater Maurus [mit Bleistift von späterer Hand ergänzt: Lindemayr], Ordinis Sti Benedicti im Kloster Lambach, und Pfarrer zu Oberneukirchen. Siegmundi Diemberger [f. 2r]
Typus: Handschrift
Herausgeber: Schreiber: Siegmund Diemberger
Entstehungszeitraum: 1790 - 1810
Entstehungsort: Ardagger
Standort: Wienbibliothek
Varianten:
Kommentar:

Diese bislang in der Forschung noch unbekannte, sehr sorgfältig gestaltete Liedersammlung wurde 1932 von der Wienbibliothek aus dem Nachlass des Direktors der Wiener Universitätsbibliothek und Literaturhistorikers Rudolf Wolkan angekauft. Verfasst wurde sie nach 1785 vom Schullehrer und Organisten Siegmund Diemberger aus Ardagger. Wie den Aufzeichnungen seines Sohns Carl aus dem Jahr 1879 zu entnehmen ist, erhielt Diemberger seinen ersten Unterricht als Sängerknabe im niederösterreichischen Kollegiatstift Ardagger, wo er anschließend als Tenor aufgenommen wurde. Die Einführung der allgemeinen Schulpflicht durch Kaiserin Maria Theresia Ende 1774 und der dadurch entstehende Bedarf an qualifizierten Lehrern im Trivialschulbereich veranlassten Diemberger, eine entsprechende Ausbildung anzustreben. 1775 ging er deshalb nach Ebelsberg (heute Linzer Stadtteil) und fand 1776 – nach bestandener Organistenprüfung – eine Anstellung an der dortigen Volksschule. 1778 absolvierte er die vorgeschriebene Lehramtsausbildung am Linzer Lyzeum und bewarb sich im folgenden Jahr erfolgreich um die erste öffentliche Lehrerstelle in seinem Geburtsort. Wenige Monate später wurden ihm auch der Chordienst und das Mesneramt in Ardagger übertragen. Als ‚Musterlehrer‘, der in Linz bereits die neue Pflichtlehrmethode des ‚Tabellarisierens‘ erlernt hatte, oblag ihm auch die Instruktion der Lehrerschaft in den umliegenden Schulen. Nach der Aufhebung des Stifts 1784 wurde er zudem mit der statistischen und topographischen Erfassung der neu geschaffenen ‚Staatsherrschaft‘ Ardagger beauftragt. 54 Jahre lange sollte Siegmund Diemberger als Schulleiter, später unterstützt von seinen Söhnen, in seinem Heimatort tätig sein, ehe er 1833 hochbetagt starb.
Die Lieder der Gebrüder Lindemayr wird der ausgebildete Sänger und Musiker wohl schon in seiner Oberösterreich-Zeit kennengelernt haben. Wie er allerdings zu seinen Vorlagen, die aufgrund der Quellentreue wohl aus dem weiteren Umfeld der Autoren stammten, kam, wissen wir nicht. In der Verschriftlichung des Dialekts geht Diemberger dabei zum Teil eigene Wege; so verzichtet er auch auf die Markierung des hellen ‚a‘ mit ä. Auffällig ist zudem, wie viele seiner Liedfassungen mit einer in der Forschung bislang noch unbekannten Melodie versehen sind – auch wenn uns von anderer Seite bereits bis zu vier weitere Vertonungen erhalten sind, darunter zwei Originalkompositionen in gedruckter Form. Dies legt die Vermutung nahe, dass Diemberger hier bei Werken, die ihm offenbar nur im Text vorlagen und deren Melodie ihm nicht schon von früher her bekannt war, selbst als Komponist tätig wurde.

Papier: 28 Bll., 30,5 x 21,5 cm; häufig am rechten Rand angeklebte, eingeschlagene Zettel im Seitenformat bzw. kleiner für zusätzliche Strophen (viele heute lose und beigelegt); Papier einer nicht identifizierten Papiermühle mit einem wenig aufschlussreichen Wasserzeichen (nach oben zeigender Pfeil auf doppelter Basis); zeitgenössische Vorsatzblätter aus der Papiermühle Schöndorf bei Vöcklabruck (Hauptlieferant des Stifts Lambach im 18. Jahrhundert); drei leere Blätter am Ende unbeschrieben; zwei Blätter verschiedener Herkunft und von anderer Hand geschrieben sind beigelegt

Lagen: 1 + (III + 2/2) + (III + 2 + 2/2) + (IV + 1+ 6/2) + (IV + 1 + 4/2) + IV + 1

Einband: bestoßener Kartonumschlag der Zeit mit rot-grün ornamentiertem Schmuckpapierüberzug

Schreiber, Schrift, Ausstattung: Handschrift durchgängig von einer Schreiberhand in sorgfältiger Kursive der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, (z. T. falsche) Ergänzung des Autornamens mit Bleistift durch Wolkan bei den Liedern 3, 5, 6, 7, 8, 10, 13, 14, 15, 16, 18, 19, 20, die bereits in Pius Schmieders Lindemayredition von 1875 abgedruckt waren; Titel und Tempobezeichnungen in lateinischer Schrift

Inhalt:
1.     Bauernlied Vom H. Philipp Hafner (He lusti fein frisch!) [f. 2v-3r, mit Melodie, korrekte Autorangabe]
2.     Die zwey wüchtigsten Dinge (Was braucht’s denn das Fratscheln) [f. 3v-4r, mit Melodie]
3.     Die Hex (Mit der Ofagabl fahrt mein Muta) [f. 4v-5r, mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
4.     Die Cantores (Um d Kantor ist’s wohl recht a wunderlichs Thier) [f. 5v-6r, Melodie]
5.     Die Stempel (Das denkt niemd in hundert Jahr’n) [f. 6v-7r (+ halbe Seite), mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
6.     Das Stadtlebn (Sagnt allweil vom Stadtlebn) [f. 7v-8r (+ halbe Seite), mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
7.     Der polnische König (Fert’n in Hörist, hibsch spat um Martini) [f. 8v-9r (+ halbe Seite), mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
8.     Die Schlosser (Wer d’Maister und d’Gsell’n affrontirt) [f. 9v-10r (+ halbe Seite), mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
9.     Der Schmied und Mayer zu Neukirchen (Wer selb’n für sih niht hausen kann) [f. 10v-11r (+ halbe Seite), mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
10.     Uiber die Mariasch Kaiser Josephs IIten mit der bayerischen Prin-zesinn bei der Durchreise durch Lambach, im Jahre 1765, von R.P. Maurus. (Losts Nachbarn, hörts läuten) [f. 11v-12r mit Melodie]
11.     Urlaublied einiger oberennsischer Bauern an Ihre königl. Hoch-heit, die Durchlauchtigste Prinzesinn von Oest. Maria Antonia, vermählte Dauphine, da in der Reise nach Frankreich zu Kloster Lambach das 3te Nachtlager gehalten wurde, den 2ten Apr. 1770 (Bi vor 8 Tagen in Wochamarkt gwesen) [f. 12v-13r (+ 2 Seiten), mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr; eigene Schreibweise]
12.     Uiber eben vorige Mariasche Von R. P. Maurus (Es hat ma mein Nachba da Krama) [f. 13v-14r (+ halbe Seite), mit Melodie, falsche Autorangabe]
13.     Die verkehrte Welt (Ih wais niht, was ma jetzund habn) [f. 14v-15r (+ eine und drei halbe Seiten), mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
14.     Die alten und neuen Zeiten (Is das niht mein Aichel) [f. 15v-16r, mit Melodie]
15.     Das harte Bauernleben (Ih kann mir’s unmöglih mehr denka) [f. 18v-19r, mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
16.     Der unzufriedne Bauer (Wann da Baur Hand’l hat und Keyerey) [f. 19v-20r (+ halbe Seite), mit Melodie, Autor: Maurus Linde-mayr]
17.     Der unzufriedne Bauernknecht (So gar vateufelt schlecht) [f. 20v-21r, mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
18.     Der Bauer in der Aderlaß. (Dort schier um sanct Jöring aui) [f. 21v-22r, mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
19.     Der kranke Bauer. (Hants ist denn kai Dokter anz’kemma) [f. 22v-23r, mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
20.     Das Nebeljahr 1783 (Hants Leutl! sagts ma doh) [f. 23v-24r (+ eineinhalb Seiten), mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]
21.     Wider die itzige Frauentracht (Itzt halt ih auf d’Sybilla weis) [f. 24v-25r (+ halbe Seite), mit Melodie]
Der vergnügte Bauernknecht (Juhe! wie lusti ists nit auf der Bäu-er) [beigelegtes Einzelblatt mit Melodie]
Der Bauer in der Aderlaß. (Dort schier um sanct Jöring aui) [beigelegtes Einzelblatt mit Melodie, Autor: Maurus Lindemayr]

Literatur:
Zuletzt geändert:am: 8.5.2015 um: 10:18:31 Uhr