Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Typus: Handschrift
Entstehungszeitraum: 1785 - 1795
Entstehungsort: Lambach Umgebung / Gaspoltshofen
Standort: Oberösterreichisches Volksliedwerk
Varianten:
Kommentar:

Die ältere Handschrift HL 379a umfasst heute eine Lage von 16 Doppelblättern (21 x ?cm) unbestimmbarer Herkunft mit einem angeklebten ersten Blatt; schon früh wurden 3 Blatt zwischen f. 22 und f. 23 ausgeschnitten (Lagenzählung: 1 + (XVI-3)). Ursprünglich dürfte es sich wohl um ein Liederheft aus 17 losen Doppelblättern gehandelt haben, das zunächst keinen Einband aufwies. Derart ungeschützt löste sich beim Gebrauch das unbeschriebene Blatt f. 34 vom deutlich abgegriffenen und zerschlissenen Blatt f. 1, das man um 1810 fachgerecht restaurierte und auf f. 2 montierte. Anschließend wurde das Heftchen in einen zeittypischen blauen Kleisterpapierumschlag eingebunden, versehen mit einem Vorsatzdoppelblatt aus der Kremsmünsterer Papiermühle. Spannend daran: das dabei verwendete Papier entspricht exakt jenem der zweiten Handschrift HL 379b. Kein Zufall, immerhin hinterließ deren Schreiber auch in HL 379a seine Spuren, wie noch zu zeigen sein wird. Entgangen allerdings war dem Bearbeiter, dass er – da eine originale Seiten- oder Blattzählung fehlte – bei der Fadenbindung das innerste Doppelblatt verkehrt eingelegt hatte. So sind bis heute f. 17 und f. 18 vertauscht, ohne dass die (vermutlich von Eichinger stammende) plumpe heutige Paginierung 1-54 (f. 1r-27v) dies berücksichtigen würde.

Inhalt:
Der Hauptteil dieser großteils mit Melodien versehenen Sammlung (f. 1r-19v) wurde um 1785 im Hausruckviertel niedergeschrieben und bietet eine Mischung aus 1) populären, auch überregional durch Flugschriften dokumentierten standardsprachlichen Liedern, 2) aus weniger verbreiteten Liedern, die sich oft auch in weiteren Überlieferungsträgern aus dem Lindemayr-Umfeld belegen lassen, und 3) aus Dialektgesängen, die zu einem Gutteil aus der Feder des Lambacher Konventualen Maurus Lindemayr (1723-1783) stammen und sich zur Zeit der Niederschrift in teils schon recht zersungenen Fassungen in Oberösterreich noch großer Bekannt- und Beliebtheit erfreuten. Die einstimmigen Melodien für unterschiedliche Stimmlagen (Violin-, Diskant-, Bassschlüssel) sind jeweils ohne Textzeile den (zumeist titellosen) Liedern vorangestellt und scheinen allgemein bekannt gewesen zu sein; heute allerdings ist die Textverteilung zuweilen unklar. Ausgebildeter Musiker kann der erste Schreiber nicht gewesen sein, sonst wären ihm bei der Notierung der Melodien nicht so viele gravierende Fehler passiert; die Palette erstreckt sich von falscher Schlüssel- und Tonartwiedergabe über fehlerhaft gesetzte Noten und Pausenzeichen bis hin zu harmonisch absurden Vorzeichen. Von der Hand des ersten Schreibers eingetragen sind folgenden Lieder:

-     Alles kommt zu seinem Ende [f. 1r-v, 4 Str. mit Melodie]
-     Ach was quellen mich meine Gedanken [f. 1v-2v, 4 Str. mit Melodie]
-     Was mach denn ich noch auf der Welt [f. 2v-3v, 6 Str. mit Melodie]
-     Nix ist übern Baurn=Stand [f. 3v-5r, 14 Str. mit Melodie]
-     Mein Endl hat längst prophezeicht [f. 5r-6v, 5 Str. mit Melodie]
-     Liebe Rupfen Laß dich zupfen [f. 6v-7r, 5 Str. mit Melodie]
-     Wann dä Baur Händl hat, und Keyerey [f. 7v-8v, 7 Str. mit Melodie]
-     I kann mär unmöglich nöt denkä [f. 9r-10v, 8 Str. mit Melodie]
-     Brüedä seits lusti, frisch, und rund [f. 10v-11v, 12 Str. mit Melodie]
-     Lasset andere immer scherzen [f. 12r-13v, 8 Str. mit Melodie]
-     Morgen Frueh bey kühlen Tauen [f. 13v-14r, 5 Str. mit Melodie]
-     Der Bund ist gmacht, s’Jawort gegeben [f. 14v-15r, 3 Str. mit Melodie]
-     Es wär in meinem Bett ä schon gut schlafen [f. 15r-16r, 5 Str. mit Melodie]
-     Weis du wohl, was mein Ergötzen [f. 16v (1. und 3/4 der 2. Str.) und 18r (1/4 der 2. Str., 3. und 4. Str.), mit Melodie; bei der Kollationierung für eine Lindemayr-Liedersammlung um 1810 wurden die beiden Strophen auf f. 18r aufgrund der falsch eingelegten Doppelseite zunächst als Fortsetzung von 17v verstanden; die Zählung wurde entsprechend korrigiert, dann aber wieder revidiert]
-     Wahre Freundschaft, süsses Leben [f. 18v (1. und 2. Strophe) und 17r (3. und 4. Strophe), mit Melodie]
-     Ich fühle eine Peyn [f. 17r-17v (1.-3. und Hälfte der 4. Str.) und 19r (2. Hälfte der 4. und 5. Str., Strophenzählung 5 fälschlich zu 3 korrigiert); mit Melodie]
-     Die veränderte Zeiten ( Ih waiß nöth, waß mä jezund ham) [f. 19r-22v, 13 Str. mit Melodie]

Nach der zweiten Strophe des 17. Lieds bricht der erste Schreiber ohne ersichtlichen Grund mit seiner Niederschrift ab. Fortgeführt wird das Lied einige Zeit später durch eine zweite Hand. Was dieser Schreiber auf den nächsten Seiten notierte, belanglose Alltagseinträge oder doch freizügigeres Poetisches, das spätere Bedenken eliminierten – wir wissen es nicht. Denn die drei folgenden Blätter wurden säuberlich herausgeschnitten. Mit einem Totenlied setzt die Sammlung fort:
-     Toden=Gesang Von der Thoman Tochter Anna Maria zu Fäding (Secht, wie bald, wer hät diß glaubet) [f. 23r-24r, 10 Str. ohne Melodie]
Der Totengesang erlaubt uns auch eine ungefähre räumliche Zuordnung und Datierung dieser Fortsetzung. Fading ist eine Ortschaft in der Gemeinde Gaspoltshofen, in der seit 1780 mit Dechant Peter Andreas Lötsch ein Freund Maurus Lindemayrs wirkte (der drei Jahre später auch sein Begräbnis leitete). Zwar haben sich die Totenmatrikeln dieser Jahre nicht erhalten, doch findet sich im (brandbeschädigten) Taufbuch unter Februar 1773 ein Geburtseintrag für Anna Maria, der Tochter Simon Neuwirths, Thomabauer zu Fading. Zählt man die „neunzehn einhalb“ (HL 379a, f. 23v) Jahre hinzu, die als Sterbealter des Mädchens im Lied angegeben sind, wird das Lied im Frühherbst 1793 für die Trauerfeier entstanden und wenig später in das Liederheft eingetragen worden sein. Dass unser zweiter Schreiber zugleich auch der Autor des Lieds sein könnte, ist naheliegend; üblicherweise wurden diese Totenlieder gegen ein kleines Entgelt vom Schullehrer und/oder Mesner verfasst (für unseren Zeitraum käme der ab 1794 belegte Tobias Heberlein in Frage). Abschließend trägt der Schreiber noch zwei populäre Lieder des älteren Lindemayr ein.
-     Der mit mancherley Krankheit behaftete p. (Hänz! ist den kain Doctä anzkemä) [f. 24v-25v, 7 Str. ohne Melodie]
-     Ein anders Liedt, im Thon: ih kan mäs unmöglä nöt denkä p. (Ih hiets nöt glaubt vä funfzgst Jahrn) [f. 25v-27r, 10 Str. ohne Melodie]

Nur wenige Jahre nach diesen abschließenden Einträgen wechselte schließlich das Liederheft erneut seinen Eigentümer, der nun im Kolophon einen ungelenken Besitzvermerk sowie seinen Namen, Ort und Datum dazusetzt:

Liebes Biechel laß dier sagen
Wenn dich einer weg tr wiel
tragen So Sprich laß mich mit Ruh.
Ich ker den
Ferdinand Wambel.
zu Lambach den 12ten November ‹1›800. (HL 379a, f. 27r)
Die letzten drei Blätter und das hintere (wasserfleckige) Vorsatzblatt sind unbeschrieben.

Zuletzt geändert:am: 8.5.2015 um: 14:15:03 Uhr