Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Geburtsjahr: 1735
Sterbejahr: 1764
Kategorie: Autor
Biographie:

Philipp Hafner, auch unter den Pseudonymen Kilian Fiedelbogen, Johannes Wurstius oder Phakipinpler produktiv, gilt als der „Vater der Wiener Volksdramatik“ (s. z.B. Blümml 1922, S. 16; vgl. auch Aust/Haida/Hein: „Hafner gibt einem Schema den Wiener Inhalt“ (Aust/Haida/Hein 1989, S. 69)).

Über seine Biograpie ist kaum etwas bekannt; über die eher anekdotenhaften Angaben in der ersten, von Joseph Sonnleithner 1812 herausgegebenen Werkausgabe hinaus haben auch akribische Archivrecherchen - insbesondere durch Ernst Baum (1914/15) und E.K. Blümml (1922) - nur spärliche Daten zutage fördern können, die sich eher auf seine Herkunft denn auf sein eigenes Leben beziehen:

Hafners Vater, Philipp Wilhelm Hafner, stammt ursprünglich aus Unterfranken, kommt aber 1724 nach Wien, wo er zunächst als Extraordinari-Kanzleidiener der Reichshofkanzlei, ab 1731 als zweiter Rollist und Kanzleidiener in der Judizialregistratur tätig ist. Im Februar 1730 heiratet er Maria Anna Taig. Die desolaten ökonomischen Verhältnisse prägen die Familie ebenso wie eine rasche Aufeinanderfolge von Geburten, Krankheiten und Todesfällen (vier Kinder können großgezogen werden, weitere sterben kurz nach der Geburt).
Philipp Hafner wird am 27. September 1735 in Wien geboren. Wie sich seine schulische und berufliche Ausbildung gestaltet, ist nicht genau bekannt. So ist weder der Besuch des Akademischen oder des Jesuitengymnasiums nachweisbar, noch wird er in den Matrikeln der Universität geführt. Da er allerding juristische Kenntnisse aufweist und dann als Assessor (und im Übrigen auch Amtsschreiber) am Wiener Stadtgericht tätig ist, was ein vorausgegangenes Rechtsstudium voraussetzt, ist zu vermuten, dass er an der Universität studiert hat.
Ab 1760 wirkt Hafner als Gelegenheitsdichter und Komödienschreiber, wobei er allerdings kein festes Verhältnis zum Hoftheater hat. Durch die finanzielle Unterstützung von Gönnern (maßgeblich von dem Stadtrichter Bellesini, dem Abt Thomas von Melk und dem Aristokraten Graf Thun) ist es ihm dennoch möglich, während der Zeit seiner schriftstellerischen Tätigkeit ohne Anstellung auszukommen. Am 30.7.1764 stirbt Hafner an Schwindsucht (vgl. Blümml 1922, S. 3ff.; Sonnleitner 2001, S. 424ff.; Rieder 1966, S. 464; Eyer 1986, 4ff.).

Hafner wendet sich gegen die zu seiner Zeit verbreitete Stegreifkomödie, die er für unfruchtbar hält, er lehnt das Extemporieren ab, erteilt aber auch dem inhaltslosen Formalismus der Gottsched-Anhänger eine Absage und missbilligt Bestreben, das Theater zu didaktischen Zwecken im Sinne einer Tugendschule zu nutzen. Ihm ist das Natürliche, das Urwüchsige, das Heimische ein Anliegen. Seine Stücke bilden in weiten Teilen das Auslaufen der Theatertradition des Barock ab; so sehen ihn auch Aust/Haida/Hein in seinem Werk als Zeitgenosse der Aufklärung ausgewiesen (vgl. Aust/Haida/Hein 1989, S. 69). Seine Stücke sind charakterisiert durch eine vollständige Ausformulierung, in welcher dem Stegreif kaum Raum bleibt, durch geordnete und witzige Dialoge, eine kohärente Handlung, raffinierte Verwicklungen wie überraschende Wechsel, durch Individualisierung der Figuren gegenüber der teils üblichen Typisierung und in diesem Sinne auch natürliche Charaktere (vgl. Sonnleitner 2001, S. 426ff.; Blümml 1922, S. 16ff.; Aust/Haida/Hein 1989, S. 69; Rieder 1966, S. 464)
Sonnleitner weist auch auf den grundsätzlich veränderten Habitus der lustigen Figur bei Hafner hin: Der Hanswurst übernimmt meist die Rolle des Dieners, doch ist diese in ein bürgerliches Milieu platziert. Dabei ändert sich das Gleichgewicht zwischen dem Herrn und dem Diener zugunsten des letzteren, was sich auch darin wiederspiegelt, dass die Distanz zwischen beiden in Bezug auf Sprache und Verhalten reduziert ist und eine teils vertrauliche Beziehung zwischen Herrn und Diener besteht. Zudem finden bei Hafner – wenn auch oft noch nur in Nebenrollen - erstmals Figuren aus den Unterschichten (wie Friseure, Kutscher, Köche, Bäcker u.a.) Eingang in die Texte, wobei zugleich ein neuer, natürlicher Umgangston geprägt wird (vgl. Sonnleitner 2001, S. 428). Allgemein sind die Nebenhandlungen häufig auf satirische Weise als Kontrast zur höfischen Hauptaktion gestaltet (vgl. Sonnleitner 2001, S. 422); dem Hofmann, der sich „durch exzessive Selbstkontrolle und implizite Verstellung zu bewähren hat, steht die exzessive Körperlichkeit des Hanswurst gegenüber“ (Sonnleitner 2001, S. 422), dieser „konterkariert […] das repressive Normengefüge und fungiert damit als psychosoziales Ventil für das adelige Publikum“ (Sonnleitner 2001, S. 423).
Seine Lieder sind nach Blümml inhaltlich von einer Entwicklung beeinflusst, die in Wien schon im 17. Jahrhundert einsetzte. Hafner holt sich die Melodien zu großen Teilen aus dem Bestand der Instrumentalmusik seiner Zeit und stützt sich auf allgemein verbreitetes Gut, wobei die textliche Einpassung laut Blümml teils Härten oder aber versetzte Betonungen entstehen lässt und manche Unstimmigkeit zwischen sprachlichem und musikalischem Akzent hervorbringt (vgl. Blümml 1922, S. 52ff.). Die Lieder, die sich großer Beliebtheit sowie ansehnlicher Verbreitung erfreuten, wurden mehrfach neu aufgelegt (vgl. Rieder 1966, S. 464).
Hafners Werk hat nachwirkend nicht nur Einfluss auf spätere Schriftsteller (wie etwa Raimund, Nestroy oder Anzengruber), er spielt auch im Allgemeinen eine bedeutende Rolle für die poetologischen Veränderungen im Bereich des Dramas (vgl. Rieder 1966, S. 464; Sonnleitner 2001, S. 423).

Die dialektalen Anlagen einiger Figuren in seinen Stücken wären noch näher zu untersuchen, so etwa der Hausmeister in 'Der Furchtsame', dessen Arien deutliche Wienerische Einschläge aufweisen, vgl. die nachgebunden Singeinlagen (S. 111ff.):
http://data.onb.ac.at/ABO/%2BZ136718009

Kommentar:

Kommentare zur Literatur zum Autor:
Rieder (1966, S. 464): Der NDB-Eintrag zu Hafner beinhaltet biographische Informationen sowie Bemerkungen zu Wirken und Werk des Dichters.
Blümml (1922, S. 3-81): Blümml liefert hier in der Einleitung seiner Reprint-Ausgabe von Hafners ‚Scherz und Ernst in Liedern‘ einige Ausführungen zu Hafners Leben und Wirken sowie zu dessen Liedern.
Aust/Haida/Hein (1989, S. 67-80, S. 109-110 et pass.): In diesem Überblickswerk zur Gattung ‚Volksstück‘finden sich immer wieder Bezüge und Verweise zu Hafner sowie auch ausführlichere Bemerkungen zur Bedeutung des Autors für die Gattungskonzeption und Ausführungen zu einzelnen Werken.
Sonnleitner (2001, S. 419-446): Im Nachwort zu Hafners gesammelten Komödien liefert Sonnleitner einigermaßen ausführliche Informationen zu Leben und Werk.

Werke:
Literatur:
Zuletzt geändert: am: 7.8.2015 um: 14:20:01 Uhr