Die Werner-Kofler-Forschungsplattform

Die Onlineplattform streicht zwei grundlegende Qualitäten des Kofler’schen Œuvres hervor. Zum einen hat Kofler mit seiner Literatur »auf eigenwillige und überzeugende Weise so etwas wie ein Resümee der österreichischen Geschichte und Kulturgeschichte« (Wendelin Schmidt-Dengler) erarbeitet. Diese Leistung einer umfassenden Chronik und kritischen Kommentierung wird über den Stellenkommentar (und exemplarisch über »Koflers Ereignisse«) transparent gemacht. Zum anderen ist Koflers Werk wie wenige andere dazu angetan, Fragen der Intermedialität zu analysieren. In seinen Texten und Radioarbeiten wird eine genau komponierte Polyphonie hör- und lesbar; das Phänomen Stimme steht seit den lyrischen Anfängen und dem ersten Hörspiel (stimmen, 1969) im Mittelpunkt seiner Poetik. Dabei macht Kofler stets transparent, dass Stimmen immer medialisiert sind und unsere Rezeption immer eine medial vermittelte ist. Kofler arbeitete dabei intensiv mit Medienwechseln (Medientransfers): Ein Ziel der Plattform ist es, die enge Vernetzung des Kofler’schen Werks über Gattungsgrenzen hinweg aufzuzeigen und die Arbeiten für Radio, Theater und Film gleichberechtigt neben Koflers Prosaarbeiten zu stellen. Daher freut es uns besonders, dass die Produktionsfirma (Extrafilm, Bernd Neuburger) die Veröffentlichung von Koflers Film Im Museum (1991) und die Erbengemeinschaft die Veröffentlichung der dazugehörigen »Filmpartitur« erlaubt haben.

Kofler kommentieren

Das Projektteam hat sich dafür entschieden, all jene Stellen zu kommentieren, die für eine/n heutige/n Leser:in erklärungsbedürftig sein könnten, die das intertextuelle und intermediale Verfahren des Autors belegen bzw. die im Werk Koflers eine spezifische, singuläre Bedeutung aufweisen. Der daraus entstandene ausführliche Stellenkommentar ist durchsuchbar und durch 23 Kategorien quer durch die einzelnen Werke erschließbar. Der Schwierigkeit, das »Kommentierungsbedürftige« definitorisch festzulegen, sowie der Gefahr, einer »Überkommentierung« zu erliegen, sind wir uns ebenso bewusst wie der fließenden Grenzen zur Interpretation. Wir waren daher bemüht, unsere Kommentarsprache möglichst zurückhaltend zu gestalten.
Dem Kommentar geht es nicht um eine »Identifizierung« der erwähnten Personen und Zeitgeschehnisse etwa im Sinne eines Belegs der Authentizität des Geschilderten – hierin deutlich unterschieden von Kommentaren zu Briefen oder Tagebüchern. Vielmehr soll der Kommentar die »sekundäre Dunkelheit«, die sich aus der zeitlichen oder kulturellen Distanz zum Primärtext ergibt, aufhellen, also »das Verstehensumfeld zur Zeit oder am Ort der Entstehung eines Textes präsent machen, [...] den Kultur- und Bildungshorizont des Autors bzw. des zeitgenössischen Lesers rekonstruieren« (Fuhrmann 1985, 40).

Hörspiele

Die Werner-Kofler-Forschungsplattform liefert einen Beitrag zur österreichischen Hörspielgeschichte und stellt der Hörspielforschung Grundlagenmaterial zur Verfügung. Dabei ist zu betonen, dass Koflers Hörspielschaffen nicht als ein genuin österreichisches gesehen werden kann, es gab viele Koproduktionen mit deutschen Sendern und einige deutsche Eigenproduktionen. Unser Unterfangen will einen Ausgleich schaffen zwischen textbasierten und medienspezifischen Untersuchungen. Zum einen werden in Band IV der Werkausgabe 19 der 23 bekannten Hörspieltexte abgedruckt und über den Kommentar erschlossen. Zum anderen ist uns sehr bewusst, dass mit dem Abdruck der Textvorlagen nur ein Teil eines Hörspiels repräsentiert werden kann, der andere Teil wird erst in der Produktion im Hörspielstudio und der Rezeption durch die/den Hörer:in realisiert. Unsere Plattform macht dank dem Entgegenkommen des ORF und der beteiligten Koproduzenten 15 der insgesamt 29 Hörspielproduktionen anhörbar.

Forschung

Zwei der Hörspiele präsentieren wir in digitaler Edition und ermöglichen eine synoptische Gegenüberstellung von Text und Audio: Neben der segmentierten Audiodatei ist das Typoskript und der Lesetext einsehbar sowie das Renotat des Audios. Die Renotation erfolgte am Institut für Signalverarbeitung und Sprachkommunikation der Technischen Universität Graz. Darüber hinaus haben wir für die Präsentation der Forschungsergebnisse drei Visualisierungswerkzeuge herangezogen: kartenbasierte Navigation, einen Zeitstrahl und eine netzanalytische Darstellungsform. »Koflers Geografie« erschließt als Beitrag zum Literary Mapping sämtliche geographische Daten und stellt sie in einer Karte (DARIAH Geobrowser) dar. »Koflers Textnetzwerke« präsentiert die häufigsten und wichtigsten Textbausteine im Gesamtwerk und macht intermediale Bezüge sowie die »Wege« und Transformationen von Textelementen und -inhalten durch die Medien darstellbar. »Koflers Ereignisse« schließlich zeigt eine Auswahl an für das Kofler’sche Werk wichtigen historischen Ereignissen auf einem Zeitstrahl (Werkzeug: timeline JS).

Die Werner-Kofler-Forschungsplattform entstand im Rahmen von zwei durch den Forschungsförderungsfonds FWF geförderten Projekten: Durch die Publikationsförderung PUD 1-G23 konnte der im FWF-Projekt 27418 (2015–2018) erstellte Kommentar zu Koflers Prosa als Online-Version realisiert werden. Im FWF-Projekt 31557 (2018–2022) folgte der Kommentar der Bände IV und V der Printausgabe und seine Online-Implementierung.

Zitiervorschlag

Werner Kofler: Forschungsplattform. Hrsg. v. Wolfgang Straub und Claudia Dürr unter Mitarbeit von Helmut Klug, Carina Koch und Elisabeth Raunig. hdl.handle.net/11471/1050.10, 2019-2022.