Berufung und Tätigkeit in Graz
Die Berufung nach Graz
Am 30. April 1875 ergeht ein Schreiben des Ministeriums an
die Grazer Fakultät, diese möge einen Besetzungsvorschlag für die durch die
Pensionierung von Anton Lubin frei gewordene Stelle vorlegen. Die Philosophische
Fakultät setzt daraufhin eine Kommission ein, der unter Leitung des
Indogermanisten Johannes Schmidt der Germanist Anton Schönbach und der
Klassische Philologe Max Ritter von Karajan angehörten. Am 8. Juli 1875 legt
diese Kommission der Fakultät eine ausführliche Begründung für einen unico-loco Vorschlag vor, mit
Schuchardt als Einziggereihtem. Schon vor der Endredaktion des
Kommissionsberichtes und natürlich vor Beschlussfassung der Fakultät bzw. des
Professorenkollegiums am 15. Juli 1875 setzte sich Schmidt mit Schuchardt am 24.
Juni in Verbindung, um dessen prinzipielle Bereitschaft zur Übernahme der Stelle
bzw. die daran geknüpften Bedingungen auszuloten (HSA Brief
02-10094).
Es kam zu einem raschen Briefwechsel zwischen Schuchardt und Schmidt, von dem wir
leider nur die Schreiben Schmidts kennen, die im Nachlass Schuchardt aufbewahrt
sind. Schuchardt muss auf die erste Anfrage sehr zügig und positiv interessiert
geantwortet haben, denn Schmidt begrüßt in seinem zweiten Schreiben nur vier
Tage später am 28. Juni diese Entscheidung. Er zeichnet darin ein detailliertes
und auch unabhängig vom gegenständlichen Verfahren lesenswertes Bild der Grazer
Fakultät, der Universität Graz und vom Leben eines Deutschen in Österreich. Über
Schuchardts Reaktion ist er außerordentlich erfreut (HSA Brief
03-10095). Die Geschwindigkeit der epistolarischen Abwicklung ist durchaus
beachtlich. Wiederum wenige Tage später (am 1. Juli 1875) bittet Schmidt
Schuchardt um ein Curriculum vitae und eine
Publikationsliste (HSA
Brief 04-10096), was dieser offenbar wieder postwendend erledigt, wie
wir dem Umstand entnehmen können, dass die Kommission den Besetzungsvorschlag am
8. Juli 1875 in mehrseitiger Form, ausführlich begründet und mit einem solchen
Publikationsverzeichnis versehen, vorlegt. Weitere Briefe Schmidts an Schuchardt
aus den ersten Julitagen des Jahres erklären zusätzliche Details über Besoldung
und Bedingungen. Zwischenzeitlich erkundigte sich Schuchardt, sehr zum
Missfallen Schmidts, auch bei Mussafia. Schuchardts Brief ist nicht erhalten,
wohl aber Mussafias ausführliche Antwort (HSA Brief
19-07642), in dem dieser dem Freund Schuchardt offen abrät, die Grazer
Stelle anzunehmen. Ob dahinter freundschaftliches Denken oder Loyalität
gegenüber anderen Personen stand, ist nicht klar auszumachen. Das
Professorencollegium der Philosophischen Fakultät legt jedenfalls am 8. Juli dem
Ministerium den Commissionsbericht in Angelegenheit der Besetzung der Lehrkanzel
für romanische Philologie vor.
Nach kurzem Zögern lehnt Schuchardt in einem Schreiben vom 10. August 1875 den an
ihn ergangenen Ruf ab. Die unmittelbare Reaktion des
Ministeriums ist nicht erhalten. Johannes Schmidts Briefe an Schuchardt sind zu
jedem Zeitpunkt von klarer strategischer Offenheit geprägt, insofern war nach
Schuchardts Absage ein unverhohlen vorwurfsvoller Brief zu erwarten, wie jener,
den Schmidt ihm am 24. August schreibt, in dem er ihm in unmißverständlichen
Worten den Schaden vorhält, den Schuchardt mit seinem Verhalten der Grazer
Fakultät und den Verhandlungsstrategien mit dem Ministerium zugefügt hat (HSA Brief
08-10101). Bereits mit Datum 26. August teilt das Ministerium der
Universität offiziell das Scheitern der Verhandlungen mit Schuchardt mit und
fordert die Erstellung einer neuen Liste.
Die nämliche Kommission unterbreitet am 20. Dezember 1875 einen neuen Vorschlag,
der auf die Namen Mall, Suchier und Stengel lautet, deren Begründungen im
Einzelnen aber zu verstehen geben, dass keiner der genannten Kandidaten
tatsächlich den Wünschen des Kollegiums entspricht (Universitätsarchiv Graz,
PhilFak. Zl. 792 ex 1891-92).
Das Ministerium nimmt die Verhandlungen mit Schuchardt daraufhin wieder auf, denn
bereits wenige Wochen später, nämlich am 15. Januar 1876 ergeht ein neuerliches
Rufangebot an Schuchardt, das dieser am 2. Februar in allen
wesentlichen Teilen annimmt. Vom 4. April datiert ein Antrag des Ministeriums an
den Kaiser, der alle Wünsche Schuchardts enthält und mit 8. April 1876 folgt die
kaiserlichen Entschließung. Dem Wunsch Schuchardts, die Veröffentlichung seiner
Berufung nach Graz aus taktischen Gründen hinauszuzögern wird
stattgegeben.
Im Jahre 1887 unternimmt Schuchardt zu Studienzwecken eine mehrmonatige Reise ins Baskenland, (s.u. Gewährung der Freistellung etc.) was ihm ein sehr fruchtbares Arbeitsfeld eröffnen sollte. Diese Reise wurde auch durch das Ministerium durch Freistellung und finanzielle Förderung unterstützt, doch sind die einschlägigen Akten im Österreichichschen Staatsarchiv skartiert.
1990 erhält Schuchardt einen Ruf an die Universität Leipzig, den er aber nach Bleibeverhandlungen und einer finanziellen Besserstellung ablehnt.
Mit Wintersemester 1876-77 tritt Schuchardt seinen Dienst an der
Universität Graz an.
Aufforderung des Ministers für Besetzungsvorschlag
Zahl 6031.
Seine k. und k. Apostolische Majestät haben mit der Allerhöchsten Entschließung
vom 20. April l.J. die Versetzung des ordentlichen öffentlichen Professors für
italienische Sprache und Literatur an der Universität in Graz, Dr. Anton Lubin in den bleibenden Ruhestand mit Schluß des laufenden
Studienjahres unter Belassung seines vollen Activitätsgehaltes jährlicher Zweitausend zweihundert Gulden allergnädigst zu
genehmigen und demselben bei diesem Anlaße in Anerkennung seines vieljährigen
sehr eifrigen und ersprießlichen Wirkens im Lehramte das Ritterkreuz des
Franz-Josef-Ordens huldvollst zu verleihen geruht.
Hievon setze ich das Decanat in Erledigung des Berichtes vom 12. März l.J., Z.
473, mit dem Ersuchen in die Kenntniß, dem genannten Professor das sammt
Ordensdecoration, Statutenbrief und Revers im Anschluße mitfolgende ##
aushändigen zu wollen.
Indem ich mich wegen Einstellung der Activitätsbezüge Lubin’s und Anweisung des Ruhegenußes desselben vom 1. August l.J. an,
|2| gleichzeitig an den Herrn Statthalter wende, fordere ich das
Professoren-Collegium auf, für die erledigte Lehrkanzel einen
Besetzungsvorschlag in der Richtung baldigst zu erstellen, daß sich die
Lehrbefähigung des hierfür zu Nominierenden auf das Gebiet der romanischen Philologie überhaupt zu erstrecken hätte, da für das Fach
der italienischen Sprache und Literatur zunächst durch Bestellung eines zu
remunerierenden Lectors Vorsorge getroffen werden könnte.
Wien am 30. April 1875.
Der Minister für Cultus und Unterricht
Stremayr
Abschrift: Commissionsantrag für die Besetzung der Lehrkanzel der romanischen
Philologie
Die Aufforderung des hohen k.k. Ministeriums vom 30. April d. J. Z. 6031,
„einen Besetzungsvorschlag für die erledigte Lehrkanzel der italienischen
Sprache und Litteratur in der Richtung zu erstatten, dass sich die
Lehrbefähigung der hierfür zu Nominierenden auf das Gebiet der romanischen
Philologie überhaupt zu erstrecken hätte,“
ist von der Facultät mit
lebhafter Freude begrüsst worden. Die grossen Fortschritte, welche die
historisch-philologischen Wissenschaften in den letzten Jahrzehnten gemacht
haben, beruhen wesentlich darauf, dass man jede Erscheinung in ihrem
geschichtlichen Zusammenhange auffasst. Ein akademischer Lehrer der
italienischen Litteratur wird den Anforderungen der Gegenwart nur dann genügen,
wenn er dieselbe in ihrem historischen Zusammenhange sowohl mit den Litteraturen
des Alterthums als mit denen der übrigen romanischen Völker begreift. Ebenso
kann die italienische Sprache nur unter stäter Berücksichtigung ihrer römischen
Mutter und ihrer romanischen Schwestern erforscht werden. Eine akademische
Körperschaft kann also bei Besetzung einer Professur für italienische Sprache
und Litteratur heute einzig und allein solche Gelehrten ins Auge fassen, welche
das weitere Gebiet der romanischen Philologie und der romanischen Sprahen
beherrschen, dabei aber das italienische zum Mittelpunkte ihrer Studien gemacht
haben. Die unterzeichnete Commission hat nun zunächst im Inlande Rundschau
gehalten. Prof. Mussafia in Wien ist den Wünschen des Grazer
Professorencollegiums leider ganz unerreichbar. Dr. Wendelin Förster hat sich
bisher nur mit dem Französischen beschäftigt, kann also für unsre Lehrkanzel,
welche einen Italianisten erfordert, nicht geeignet erscheinen. Außerdem ist er
erst vor kurzem zum Professor in Prat ernannt. Wollte man ihn aus seiner dort
kaum begonnenen Wirksamkeit herausreissen und für unsere Professur vorschlagen,
so würde dadurch nur die Lücke unseres Lehrkörpers auf den Prager übertragen,
|2| nicht wirklich ausgefüllt werden. Ausser diesen beiden Gelehrten
besitzt aber Österreich gegenwärtig keinen anerkannten Vertreter der romanischen
Philologie. Denn Prof. Demattio in Innsbruck hat sich ausschliesslich mit der
neueren italienischen Sprache, und auch mit dieser nur innerhalb sehr enger
Grenzen beschäftigt. Man würde daher aus den eingangs dargelegten Gründen selbst
dann Bedenken tragen müssen ihn vorzuschlagen, wenn es sich darum handelte einen
Vertreter nur der italienischen Litteratur an unserer Universität zu ernennen.
Da die Comission jedaoch laut Ministerialerlasses einen Vertreter der
romanischen Philologie vorzuschlagen hat, kann Demattio überhaupt nicht in
Betracht kommen. Die Commission war also gezwungen ihre Blicke ins Ausland zu
richten.
In Deutschland ist der Mangel an tüchtigen Romanisten ebenso gross wie die
Nachfrage nach ihnen. An den meisten deutschen Universitäten sind in letzter
Zeit Lehrstühle für romanische Philologie neu errichtet worden, tüchtige
Extraordinarien oder Privatdocenten, welche für den hiesigen Normalgehalt zu
gewinnen wären, also gar nicht vorhanden. Unter diesen Umständen war die
Commission darauf gefasst einen Romanisten in jedem Falle nur mit Überschreitung
des systemmässigeen Gehaltes gewissen zu können.
Ruft man sich die Namen der noch in jüngeren Jahren stehenden Romanisten vor das
Gedächtniss, so wird jedem zuerst Prof. Hugo Schuchardt in Halle einfallen, als
der genialste, vielseitigste und fruchtbarste unter den jüngeren Vertretern der
romanischen Philologie. Würde er schon wegen dieser persönlichen Eigenschaften
bei Besetzung einer Professur an jeder Universität, liege sie wo sie wolle, zu
allererst in Betracht kommen, so lässt ihn das Gebiet seiner Hauptstudien
geradezu als den einzigen Candidaten für die Grazer Professur erscheinen.
Zufolge der geographischen Lage unserer Hochschule wird unter allen romanischen
Sprachen hier immer das italienische im Vordergrund stehen, und gerade das
Italienische mit seinen Dialekten ist es, dem Schuchardt seine Arbeit
vornehmlich zugewandt hat, während die übrigen jüngeren Romanisten sich
vorwiegend oder ausschließlich mit dem französischen beschäftigen.
|3|
Hugo Ernst Mario Schuchardt, geb. am 4. Febr. 1842 zu
Gotha, studierte 1859-62 auf den Universitäten Jena (unter Göttling, Nipperde,
M. Schmidt) und Bonn, wo damals noch Friedr. Ritschl, der erste Kenner des
altlateinischen und Friedr. Diez, der Begründer romanistischer Studien in
Deutschland zusammenwirkten. Diesem Zusammenwirken ist es zu verdanken, dass
Sch. der sich anfänglich allein der classischen Philologie gewidmet hatte, mit
den romanistischen Studien bekannt ward. Doch blieb er auf der Universität noch
hauptsächlich der classischen Philologie zugewandt und war zwei Semester
hindurch ordentliches Mitglied des unter Ritschls und O. Jahns Leitung stehenden
Seminars für classische Philologie. So gewann er eine Grundlage für seine
Studien, breitree als sie die Jünger der romanischen Philologie zu haben
pflegen. Dass er auch der Mann war auf dieser Grundlage etwas tüchtiges zu
bauen, wollte sich bald zeigen. Im Jahre 1864 ward er zu Bonn auf Grund einer
Dissertation ‘de vocalibus sermonis plebeii latini’ promoviert. Das mit dieser
Abhandlung betretene Gebiet bearbeitete er in den nächsten Jahren weiter und
veröffentlichte die auf demselben gewonnenen Resultate 1866-68 in seinem
dreibändigen ‘Vocalismus des Vulgärlateins’. Damals lag
die periode der romanischen Sprachgeschichte, in welcher sich der Übergang vom
sogenannten classischen Latein in die neueren romanischen Sprachen allmählich
vollzogen hat, so gut wie ganz im Dunkel. Die kaiserliche Akademie der
Wissenschaften in Wien hatte am 30. Mai 1860 einen Preis auf die Bearbeitung des
Vulgärlateins gesetzt, es gieng jedoch nur eine nicht preiswürdig befundene
Abhandlung ein (S. Almanach 1863, S. 49f.). Drei Jahre später begann Schuchardts
Werk zu erscheinen, welches die gelehrte Welt durch die mit nie dagewesener
Beherrschung der römischen Sprachgeschichte vom Beginne der ältesten
inschriftlichen Überlieferung nicht nur bis auf die heutigen romanischen
Sprachen sondern bis in deren einzelne Dialekte hinein in Staunen setzte.
Schuchardt beobachtet die römische Volkssprache, welche neben der aus ihr
entwickelten Schriftsprache herläuft, und führt den Nachweis, daß eine ganze
Reihe von Erscheinungen, welche man bisher als Entartungen |4| der
Schriftsprache betrachtete, vielmehr directe Fortsetzungen der archaischen
Volkssprache sind. Er zeigt, wie diese Volkssprache allmählich die aus ihr
früher hervorgegangene Schriftsprache wieder verdrängt. Für die Übergangszeit
vom Latein zu den romanischen Sprachen hat er aus Inschriften und Handschriften
ein ganz enormes Material gesammelt und eine ganz aussergewöhnliche Vertrautheit
mit römischen Litteraturdenkmalen, welche den verschiedensten Gebieten
angehören, an den Tag gelegt. So ist denn dies Werk gleichmässig von Latinisten
wie von Romanisten geschätzt, beiden ein unentbehrliches Hilfsmittel. Als die
Académie des inscriptions et belles lettres im Jahre 1867 den Werken von
Schleicher und Vullers (Compendium der vergleichenden Grammatik und Thesaurus
linguae Persicae) den prix Volney verlieh, liess sie neben den beiden gekrönten
Arbeiten noch dem Vocalismus des viel jüngeren Schuchardt eine ‘mention
honorable’ zu Theil werden. Von nun an widmete sich Sch. ganz den im engeren
Sinne sogenannten romanistischen Studien. Im Frühjahr 1867 reiste er auf 7
Monate nach Genf, um sich im französischen zu vervollkommnen, von da nach
Italien, wo er 15 Monate blieb und das italienische besonders in seinen
Volksmundarten studierte. Er sammelte reiche Materialien zu einer Darstellung
des römischen Dialektes, die er bis jetzt noch nicht verarbeiten konnte. Im
Frühjahr 1870 habilitierte er sich für romanische Philologie in Leipzig und
wurde im Nov. 1872 als ordentlicher Professor dieses Faches nach Halle berufen,
wo er bis heute wirkt. Während dieser Zeit machte er verschiedene Reisen nach
Piemont, dem Engadin und Paris und veröffentlichte folgende Arbeiten, deren
Titel schon die Vielseitigkeit des Verfassers zur Genüge bezeugen:
Ritornell und Terzine Halle 1875, 4°. 147 Seiten.
In
Kuhns Zeitschrift f. vergl. Sprachforschung:
Zur albanesischen Grammatik (20 S.).
Albanesisch und Romanisch (62 S.).
Romanische Sprachwissenschaft (27 S.).
Lateinische und romanische Declination (37 S.).
|5| In der Romania zu Paris:
Über die Orthographie des Rumänischen (8 S.).
Über die syntaktischen Veränderungen des consonantischen
Anlauts in den Mundarten (20 S.).
Miscellen und Recensionen in Kuhns Zeitschrift, den Jahrbüchern f. roman. u.
engl. Litteratur, der Romania, Herrigs Archiv, dem literarischen
Centralblatte.
Aufsätze in Zeitschriften allgemeineren Charakters:
Über das italienische
Ballspiel (Globus). | |
|
|
Die Novelle von den drei
Ringen.
Romanischer und deutscher Reim und Rhythmus.
Virgil im Mittelalter.
| →Im Neuen Reich. |
|
|
G.G. Belli und die römische
Satire.
Das französische im neuen deutschen
Reich.
Pompeji und seine
Wandinschriften.
Giovanni Pontano.
Die Herkunft der
Rumänen.
Zu Lindau’s Molière.
Lodovico Ariosto.
| →Augsburger Allgem. Zeitung |
|
|
u.A. | |
Von diesen Schriften sei hier nur die über das Ritornell hervorgehoben, da sie
eine vollkommene Beherrschung der italienischen Litteratur von Dante bis auf die
neueste Zeit, und zwar nicht allein der Kunstpoesie sondern auch der Volkspoesie
bekundet.
Überblickt man die lebenden Sprachen, mit welchen Schuchardt sich beschäftigt hat: französisch, italienisch mit seinen
Dialekten, churwälsch, die ladinischen Mundarten von Tirol und Friaul, das
Rumänische, das Albanische, so findet man unter ihnen die im österreichischen
Kaiserstaate gesprochenen romanischen Dialekte sämmtlich. Einen anderen
Candidaten für unsere Lehrkanzel, dessen Studiengebiet dieselbe Ausdehnung
hätte, weiss die Kommission weder im Inlande noch im Auslande zu nennen. Die
vollkommene Beherrschung des italienischen im mündlichen Verkehre befähigt ihn
als Prüfungscommissar für italienische Unterrichtssprache zu fungieren, durch
persönliche Einwirkung die hier studierenden Dalmatiner zu romanistischen
Studien heranzuziehen, eventuell auch Vorlesungen in italienischer Sprache |6| zu halten. Durch Schuchardts Berufung wird also das von dem hohen
Ministerialerlasse als Ergänzung der Professur in Aussicht genommene Lektorat
für italienische Sprache erspart. Endlich wäre es für die Ausbildung der
Lehramtskandidaten sehr wünschenswerth, dass an unserer Universität ein Seminar
für romanische Philologie errichtet würde. Dass Schuchardt die geeignete
Persönlichkeit zur Leitung desselben ist, versteht sich nach dem Gesagten von
selbst und wird zum Überflusse durch den Umstand bestätigt, dass die preußische
Regierung ihn gegenwärtig mit der Errichtung eines solchen Seminars in Halle
betraut hat.
Die unterzeichnete Commission war daher keinen Augenblick in Zweifel darüber,
dass Prof. Schuchardt unter den jüngeren Gelehrten der einzige ist, welcher die
hiesige Lehrkanzel so, wie es den speciellen Aufgaben gerade unserer Hochschule
entspricht, ausfüllen kann und glänzend ausfüllen wird. Sie hegte nur die eine
Besorgniss, dass Schuchardt nicht geneigt sein würde seine dermalige ordentliche
Professur in Halle, in unmittelbarer Nähe seiner in Gotha lebenden Eltern mit
der hiesigen Professur zu vertauschen. Auf eine an ihn gerichtete Anfrage gab
Sch. die kaum erhoffte von der Commission freudig begrüsste Antwort, dass er
bereit sei einem Rufe nach Graz Folge zu leisten, sobald ihm eine Verbesserung
seiner pecuniären Lage zugesichert werde. Seine Einnahmen in Halle belaufen sich
auf 1600 Thaler, und die Commission glaubt annehmen zu dürfen, dass er durch ein
Angebot des hohen Ministeriums von mindestens 2500 Fl. Gehalt und 480 Fl.
Activitätszulage zur Übernahme unserer Lehrkanzel zu bewegen sein wird. Die
Commission wagte beim Beginne ihrer Arbeit nicht zu hoffen, dass es möglich sein
würde, für eine unter den obwaltenden oben dargelegten Verhältnissen so gering
Summe überhaupt einen romanischen Philologen, geschweige denn eine Kraft ersten
Ranges zu gewinnen. Zwar überschreitet das Gehalt von 2500 Fl. die systemmässige
Summe, auf welche Prof. Schuchardt nach eventueller zweijähriger Dienstzeit in
Österreich Anspruch hätte |7| ––– er ist im Nov. 1872 in Halle zum
Ordinarius ernannt, würde also bei voraussichtlich auszubedingender Anrechnung
der Hallenser Dienstzeit für seinen Übertritt in den österreichischen
Staatsdienst im Nov. 1877 in den Genuss der ersten Quinquennalzulage treten –––
, um 500 Fl. Bringt man jedoch in Anschlag, dass im Falle von Schuchardts
Berufung die Errichtung eines Lectorates, welche bei der Berufung eines jeden
anderen nothwendig werden und sicher wohl einen grösseren Aufwand als 500 Fl.
erfordern würde, weg fällt, so ergiebt sich, daß Schuchardts Berufung der
Staatscasse geringere Opfer auferlegen wird als die Berufung eines jeden
anderen. Denn da jeder der ausser Sch. in Betracht kommenden Candidaten
ebenfalls Ordinarius an einer deutschen Universität ist, wird nicht anzunehmen
sein, dass einer derselben sich mit einem geringeren Gehalte begnügen werde,
ausserdem würden aber die Kosten des dann nothwendigen Lectorates dem Staate zur
Last fallen. Sähe man also von Schuchardt ab, so würde man einen den Aufgaben
gerade unserer Universität weniger gewachsenen Mann nur mit grösseren Opfern
gewinnen können als Schuchardt, der eine Zierde unserer Hochschule sein
würde.
Schuchardt ist also nicht nur der tüchtigste unter den jüngeren Romanisten, der
einzige welcher die speciellen Aufgaben, die dem Romanisten unserer Hochschule
zufallen, ihrem ganzen Umfange nach zu lösen im Stande ist, sondern auch
derjenige, dessen Berufung den geringsten Aufwand an Mittelen erfordert. Keine
Universität darf, wenn ihr, wie uns gegenwärtig, die Gelegenheit geboten wird,
eine so hervorragende Kraft unter so ausserordentlich günstigen Bedingungen zu
gewinnen, diese Gelegenheit vorübergehen lassen ohne sie sich, so viel an ihr
ist, zu Nutze zu machen.
|8|Daher sieht sich die unterzeichnete Commission zu dem Antrage
veranlasst:
Das verehrte Professorencollegium wolle
1. dem hohen
Ministerium an erster und einziger Stelle Herrn Prof.
Schuchardt in Halle als Candidaten für die hiesige Lehrkanzel der
romanischen Philologie vorschlagen und dessen Berufung auf das allerwärmster
befürworten,
2. das hohe Ministerium ersuchen Prof. Schuchardts Berufung wo
möglich so schnell eintreten zu lassen, dass er seine Lehrthätigkeit mit dem
Beginne des Wintersemesters eröffnen kann, da wegen der Beurlubung des Prof.
Lubin hier schon seit zwei Semestern keine romanistischen Vorlesungen gehalten
sind.
Graz, den 8 Juli 1875.
Johannes Schmidt.
Dr. M. R. v. Karajan
Schönbach
Ablehnung des Rufes durch Schuchardt
Gotha 10. 8. 75.
Hochverehrter Herr!
Auf die an mich unterm 4. d.M. erlassene verehrliche Zuschrift, meine Berufung
als ordentlicher Professor der romanischen Sprachen an die Universität raz
betreffend, habe ich die Ehre Foldendes zu erwidern.
Ich für meinen Theil war durchaus entschloßen, die ehrenvolle Auszeichnung,
welche Sie mir anboten, anzunehmen, wie ich ja schon auf eine vorhergehende
Anfrage aus Graz mich dazu geneigt erklärt hatte. Wenn ich nun dennoch dem Rufe
nicht Folge leisten zu können – unter Versicherung meines lebhaftesten Dankes –
bedaure, so liegt die Ursache davon in den mir von meinen Eltern gemachten
Vorstellungen. Die Zuschrift traf mich nicht mehr in Halle, sondern in Gotha,
meiner Vaterstadt. Meine Eltern drangen in mich, nicht nach Graz zu gehen,
einmal wegen der großen Entfernung, die mich von ihnen trennen würde, alsdann
wegen der Verschiedenheit der östreichischen von den preußischen
Pensionsbestimmungen. In der That be|2|halten die preußischen
Professoren, auch bei eintretender Unfähigkeit zu lehren, ihren vollen Gehalt
einschließlich des ###zuschußes. Ich selbst wäre übre dies Bedenken
hinweggekommen; allein ich hatte die Verpflichtung, auch meinen Eltern Gehör zu
geben, deren eigene Vermögensverhältnisse, durch die schlimmste Eventualität,
hätte berührt werden können.
Indem ich hoffe, daß Sie diese Entschuldigung für meine ablehnende Antwort als
berechtigte anerkennen werden und indem ich wiederhole, daß Ihre Anfrage mich
mit der größten Genugtuung erfüllt hat, verharre ich
in ausgezeichneter Hochachtung
Ew. Hochwohlgeboren
ergebenster
Hugo Schuchardt
Ministerialakt nach Rufablehnung 1875
Akt 12217 10./13. August 1875
Universitätsprofessor Dr.
Hugo Schuchardt in Halle lehnt z.Z. 11.154. 1875 den
Ruf an die Universität in Graz für die Lehrkanzel der romanischen Philologie
hauptsächlich aus dem Grunde ab, weil die preußischen Pensionsbestimmungen für
## Professoren günstiger als die österreich. lauten.
[Entwurf des Schreibens an Schuchardt:]
Herrn Universitätsprofessor in Halle
Dr. Hugo Schuchardt
(derzeit in Gotha)
(In Briefform)
## geehrten Schreiben com 10. d.M. habe ich mit lebhaftem Bedauern entnommen,
daß E. H. ein ernstes Bedenken tragen, der Einladung, die Lehrkanzel für
romanische Philologie an der Universität in Graz zu übernehmen, Folge zu
leisten. ## ich E.H. die Zusicherung gebe, dass ich diesen Entschluss so umso
mehr beklagen müßte, als E.H. selbst zugeben, durchaus entschlossen gewesen zu
sein, den Ruf an die Grazer Universität anzunehmen; glaube ich doch das
geäußerte Bedenken, für dessen offene Mittheilung ich E.H. zu Dank verpflichtet
bin, für mich so gewichtig halten zu sollen, als daß es für die Gewinnung E.H.
für die Grazer Hochschule, auf welche, wie ich wiederhole, der herr Minister
hohen Wert legt, ein wesentliches Hinderniß bilden sollte.
Wie ich mir in meinem Schreiben vom 4.d.M. zu bemerken erlaubte, sollte hiemit,
nur zunächst eine Grundlage für die von ihren amtlichen Verhandlungen zu
gewinnen, E.H. die Gelegenheit geboten werden, Sich ohne Rückhalt über alle ##
Bedingungen auszusprechen, unter denen sich E.H. die Übernahme der besagten
Lehrkanzel in Graz als erwünscht vorstellen würde.
Wenn Familien-Rücksichten, deren Einfluß auf die Entscheidung E.H. ich vollkommen
anerkenne, so E.H. nicht räthlich erscheinen lassen, sich durch Übertritt in den
österreichischen Staatsdienst den für preußische Universitätsprofessoren
günstigeren Pensionsbestimmungen zu entziehen, so bin ich in der Lage, E. zu
versichern, ## dem H. Minister würde bei Seiner k.k. apost. Majestät den Antrag
zu stellen |3| dass gleich bei Ihrer Übernahme in den österreichischen
Staatsdienst E.H. eine zehnjährige als in als in die
seinerzeitige Pensionsbemessung anrechenbare Dienstzeit zugestanden würde,
wodurch E.H. sofort noch Antritt des Lehramtes in
Österreich den gesetzlichen Anspruch auf ein Drittheil und nach fünf
zurückgelegten Jahren den Anspruch auf die Hälfte des vollen Gehaltes als
Pension erworben haben.
Desgleichen ist hiedurch auch Ihrer Frau sofort der
Anspruch auf die gesetzliche Witwenpension von 500 Gulden gesichert.
Indem ich mich der sicheren Erwartung hingebe, daß E.H. den einmal gefaßten
Entschluß wieder aufnehmen und einem Ruf nicht unbedingt ablehnen werden, in
welchem E.H. die Anerkennung Ihrer bisherigen ausgezeichneten wissenschaftlichen
und lehrämtlichen Leistungen erblicken wollen, zeichne ich, einer baldigen
geneigten Rückantwort entgegensehend als E.H.
. . . .
Wien, 12 August 1875
Rückgabe der Berufung an die Fakultät nach Ablehnung durch
Schuchardt
Ministerium Cultus und Unterricht
13341
Mit Beziehung auf den Bericht vom 19. Juli d.J., Z. 908, finde ich bei dem
Umstande, als die mit dem Professor Dr. Hugo Schuchardt
in Halle, wegen Übernahme der Lehrkanzel für romanische
Philologie geführten Verhandlungen nicht zu dem gewünschten Resultate geführt
haben, das Professoren-Collegium aufzufordern, einen neuerlichen
Besetzungsvorschlag für diese Professur zu erstatten.
Der Comissionsantrag folgt zurück.
Wien am 26. August 1875.
Für den Minister für Cultus
und Unterricht [Unterschrift]
Rufannahmeschreiben Schuchardt vom 2. Februar 1876
Eurer Excellenz
verehrtes Schreiben vom 15. Januar, welches mir erst jetzt zugekommen, erlaube
ich mir sofort zu beantworten. Zunächst spreche ich Eurer Excellenz meinen
ehrerbietigsten Dank dafür aus, daß ich bei der Besetzung des Lehrstuhls für
romanische Philologie an der Universität Graz in wiederholte Berücksichtigung
gezogen worden bin.
Die mir gemachten Anerbietungen sind so günstiger Natur, daß ich sie im
Wesentlichen annehme. Wenn ich es wage, Eure Excellenz um einige Modifikationen
zu ersuchen, von denen ich dem Herrn Sektionschef Dr. Heider in meinem
neuerlichen Briefe schon Andeutung gemacht habe, so werden dieselben nicht
schwer genug in's Gewicht fallen, um ein Zustandekommen der Uebereinkunft zu
vereiteln.
|2|Was die pekuniäre Frage anlangt, so bin ich nicht von dem Gedanken
ausgegangen, meine jetzige Lage zu verbessern, sondern von dem, in Gratz nur ein
Aequivalent für das zu gewinnen, was ich hier aufgebe. Wenn nun allerdings der
mir in Aussicht gestellte Gehalt etwas höher ist als das, welches ich zur Zeit
empfange, so kommt doch als sehr wesentlich in Betracht, daß der letztere wie
ich schon früher hervorgehoben habe, mir in allen Fällen ungeschmälert
verbleibt, daß nicht einmal der Wohnungszuschuß bei eintretender
Dienstuntauglichkeit wegfällt. Dazu gesellt sich ein anderer Umstand, auf den
ich die Aufmerksamkeit Eurer Excellenz zu lenken mich erdreiste, obwohl er ein
rein privater ist. Als ich im vorigen Herbst den an mich ergangenen Ruf
ablehnte, so geschah es einzig und allein, indem ich den dringenden
Vorstellungen meiner bejahrten Eltern, deren einziges Kind ich bin und die das
Bedürfnis haben, uns öfters zu sehen, nachgab. Wenn ich ihnen von Graz aus auch
nur zweimal jährlich meinen Besuch abstatte, so ist die Entfernung zwischen dort
und meiner Heimath Gotha doch eine so beträchtliche, daß der Kostenpunkt dabei
kein ganz gleichgültiger ist. In Hinblick auf diese beiden Umstände hatte ich
eine Erhöhung des vorgeschlagenen Gehaltes um 500 Fl. ergebenst nachgesucht.
Nach der Mittheilung Eurer Excellenz finde ich es nun vollständig gerechtfertigt
daß meine Besoldung die Summe von 2800 Fl. nicht überschreite. Indessen könnte
nun vielleicht bei meinem Uebertritt nach Oesterreich |3| ein
Extraordinarium bewilligt werden. Bei uns pflegt ein Professor, der einem Rufe
folge leistet, unter dem Titel “Umzugskosten” einen ziemlich ansehnlichen Betrag
(100, 200 rTh) zu erhalten. Ob diese Gewohnheit auch in Oesterreich besteht,
weiß ich nicht. Die Kosten der Uebersiedelung von Halle nach Gratz würden nicht
unbeträchtlich sein, wenn man, wie es doch billig ist, alles damit Verbundene,
wie die plötzliche Lösung eines Mietsverhältnißes, in Erwägung zieht. Würde sich
auf dieser Basis ein Extraordinarium für mich erwirken lassen?
Einer formellen Verpflichtung, 6 Jahre im oesterreichischen Staatsdienste zu
verbleiben, sähe ich mich, wenn irgend möglich, gern überhoben. Einerseits hege
ich den alleraufrichtigsten Wunsch, in Gratz und überhaupt in Oesterreich nicht
bloß auf kurze Zeit zu leben – denn ich bin überzeugt, daß ich mich dort wohl
befinden werde; anderseits würden thatsächlich so gut wie keine Absichten für
mich vorhanden sein, innerhalb des angegebenen Zeitraums von Gratz nach Preußen
oder in’s deutsche Reich zurück¬berufen zu werden. Dennoch kann uns die Zukunft
so unvorhergesehene Dinge bringen, daß ich es nicht über mich gewinne, nach
dieser Richtung hin mich vollständig zu binden. Würde Eure Excellenz sich nicht
an der Versicherung genügen lassen, daß mir ganz dringende Gründe, solche welche
auf meine Lebensverhältniße von größtem Einfluß wären, mich zum Aufgeben |4| des österreichischen Staatsdienstes bestimmen könnten?
Seien Ew. Excellenz überzeugt, daß die Wünsche, welche ich Eurer Excellenz so
eben vorzutragen mich erkühnt habe nicht etwa aus einer Ueberschätzung meines
eigenen Werthes der auf jeden Fall zu gut belohnt sein wird, und ebenso wenig
aus der Sucht eine günstige Sachlage nach Kräften auszubauen hervorgegangen
sind, sondern aus dem sicherlich berechtigen Streben, mir und den Meinigen die
Aussicht in die Zukunft möglichst sorgenfrei zu gestalten. Seien Ew. Excellenz
ferner überzeugt daß ich Alles aufbieten werde um das in mich gesetzte Vertrauen
zu rechtfertigen und daß ich meiner neuen Heimath Liebe und Zuversicht
entgegenbringen werde.
Sollte meine Uebersiedelung nach Gratz, wie es auch mir sehr wünschenswerth wäre,
schon für Ostern in’s Auge gefaßt werden, so würde sich dies allerdings nur
durch die äußerste Beschleunigung der Angelegenheit bewerkstelligen lassen. In 4
Wochen etwa endet unser Semester und aus Rücksicht gegen die Regierung und gegen
die Fakultät, welche sofort Vorschläge in betreff eines Nachfolgers von mir zu
machen haben würde möchte ich meinen Weggang von hier nicht im allerletzten
Augenblicke zur Anzeige bringen. Könnte nicht nötigenfalls eine Verständigung
über die schwebenden Punkte durch den Telegraphen erfolgen? Sobald ich dann
entweder eine wirkliche Bestallung oder ein Ministerialnachricht in welcher mir
angezeigt wird, daß Seine k.k. Majestät meine Anstellung unter den und den
Bedingungen allerhuldreichst genehmigt hat, kurz irgend eine feste Bürgschaft
von Wien erhalten haben werde, werde ich meine Entlassung aus dem preußischen
Staatsdienst nehmen, die mir ja nicht verwehrt werden kann.
Mit dem Ausdruck vollkommenster Ehrerbietung
bin ich Euer
Excellenz
allerergebenster
Hugo Schuchardt
Halle a/S. 2. Febr. 1876
Antrag an den Kaiser und kaiserliche Entschließung zur Berufung
Schuchardts im April 1876
[Antrag an den Kaiser:]
Allergnädigster Herr !
Die Vertretung der romanischen Philologie, für welches Fach an den deutschen
Universitäten wenigstens je eine ordentliche Lehrkanzel besteht, ist nicht nur
vom allgemein wissenschaftlichen Standpunkte, sondern auch deßhalb notwendig,
weil im Hinblick auf den neuen Lehrplan für die Realschulen, den Universitäten
die Verpflichtung erwachsen ist, für die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrer
der französichen Sprache an diesen Anstalten Sorge zu tragen.
Gleichwohl sind an den österreichischen Universitäten dermalen für romanische
Philologie nur Ein ordentlicher Professor in Wien und zwei außerordentliche
Professoren in Prag und Czernowitz thätig, von denen der letztere mit diesem
Fache gleichzeitig auch die historischen Hilfswissenschaften zu vertreten
hat.
Ich habe deßhalb, als Eure Majestät mit Allerhöchster Entschließung vom 30. April
1874? die Versetzung des ordentlichen Professors für italienische Sprache und
Literatur an der Universität in Graz Dr. Anton Lubin in den bleibenden Ruhestand
allergnädigst zu genehmigen geruhten, keinen Anstand genommen, das
philosophische Professoren-Kollegium dieser Universität unter dem 30. April 1875
aufzufordern, einen Besetzungsvorschlag für die hierdurch erledigte Lehrkanzel
in der Richtung zu erstatten, daß sich die Befähigung der dießfalls zu
Nominierenden auf das Gebiet der romanischen Philologie überhaupt zu erstrecken
hätte, da für das Fach der italienischen Sprache und Literatur zunächst durch
Bestellung eines Lektors Vorsorge getroffen werden könnte.
Das Professoren-Kollegium hat nach Inhalt der ehrerbietigst angeschlossenen
Berufungsakte an erster und einziger Stelle den Professor Dr. Hugo Schuchardt in Halle für die
Lehrkanzel der romanischen Philologie vorgeschlagen und die Berufung dieses
anerkannten Gelehrten auf das Wärmste empfohlen. Ich habe diesen Vorschlag erst
in weitere Verhandlung genommen, nachdem ich mir durch eine sorgfältige Umschau
über die im Inlande vorhandenen Lehrkräfte für romanische Philologie die
Überzeugung verschafft hatte, daß die Berufung eines ausländischen Gelehrten auf
die fragliche Lehrkanzel unbedingt nothwendig sei. Da dermalen ein Privatdozent
dieses Faches, oder auch nur ein Lehramtskandidat, welcher sich für dasselbe
ausbilden möchte, an keiner Universität vorhanden ist und dennoch auch, falls
daran gedacht werden sollte, einen der außerordentlichen Professoren in Prag
oder Czernowitz nach Graz zu versetzen, was jedoch bei dem Umstande, als
dieselben erst seit kurzem im Lehramte thätig sind, im Interesse des
Unterrichtes zu vermeiden wäre, ein Ersatz für dieselben nur wieder im Auslande
gefunden werden könnte, so erübrigte mir nichts, als an Professor Schuchardt die Anfrage zu stellen, unter welchen
Modalitäten er die Lehrkanzel in Graz übernehmen würde. Ich habe mir
allerunterthänigst erlaubt, Eure Majestät seinen noch im
vorigen Jahre treugehorsamst in vorläufige Kenntniß zu setzen.
Schuchardt hat sich auf Grund der mit ihm gepflogenen
Verhandlung endlich bereit erklärt, dem Rufe an die Grazer-Universität Folge zu
leisten, wenn ihm ein Jahresgehalt im Betrage von 2800 fl nebst der
systemmässigen Aktivitätszulage gewährt, die Zahlung der Diensttaxe nachgesehen,
eine zehnjährige Dienstzeit behufs der seinerzeitigen Pensionsbemessung
zugestanden, sowie eine Übersiedlungspauschale bewilligt würde.
Die Gewährung dieser Wünsche erscheint mir in der Billigkeit begründet, da die
angesprochenen Bezüge das darmalige Einkommen Schuchardts
von jährlich 1830 Reichsthaler nur um etwas überschreiten würde und der
systemisierten höchsten Besoldung von Grazer-Universitäts-Professoren
gleichkommen, die Gewährung einer zehnjährigen Dienstzeit und die Nachsicht der
Diensttaxe, beziehungsweise deren Übernahme auf den Credit für die
Grazer-Universität aber Begünstigungen sind, welche bei Berufungen aus dem
Auslande in der Regel zugestanden werden. Was die Bewilligung eines
Übersiedlungspauschales betrifft, so würde ich dieses Ansuchen nach Herablangung
(?) der zu erhoffenden Allerhöchsten Entschließung im eigenen Wirkungskreise zu
erledigen mir vorbehalten.
Hugo Ernst Schuchardt, geboren 4. Februar 1842 zu Gotha,
studierte in den Jahren 1859 - 1862 an den Universitäten in Jena und Bonn.
Dem Zusammenwirken Friedrich Ritschl’s, damals des ersten
Kenners des altlateinischen und Friedrich Dietz’s, des
Begründers der romanistischen Studien in Deutschland, an der Bonner Universität
ist es zu verdanken, daß Schuchardt welcher sich anfangs
allein der klassischen Philologie gewidmet hatte, mit den romanischen Studien
vertraut wurde. Im Jahre 1864 wurde er in Bonn auf Grund einer Dissertation de vocalibus sermonis plebeii latini promoviert, und
widmete sich von da an ganz den im engeren Sinne sogenannten romanistischen
Studien. 1867 reiste er auf 7 Monate nach Genf, um sich im Französischen zu
vervollkommnen und von da nach Italien wo er 15 Monate blieb und das
Italienische insbesondere in seinen Volksmundarten studierte.
Im Frühjahr 1870 habilitierte er sich für romanische Philologie an der
Universität in Leipzig und wurde im November 1872 als ordentlicher Professor
dieses Faches nach Halle berufen.
Unter seinen Publikationen nimmt das in drei Bänden abgefaßte Werk “Vokalismus
des Vulgärlateins” 1866-1868 den ersten Platz ein. In demselben, welches in der
gelehrten Welt durch die noch nicht dagewesene Beherrschung der römischen
Sprachgeschichte von dem Beginn der ältesten inschriftlichen Überlieferung bis
auf die heutigen romanischen Sprachen und deren einzelne Dialekt hinein Aufsehen
erregte und auch in Frankreich öffentlich anerkannt wurde, führt Schuchardt den Nachweis, daß eine ganze Reihe von
Erscheinungen, welche man bisher als Entartungen der Schriftsprache betrachtete,
direkte Fortsetzungen der archaischen Volkssprache sind. Seine Schrift über das
“Ritornell und Terzine” Halle 1875 bekundet eine vollkommene Vertrautheit mit
der italienischen Literatur von Dante bis auf die neueste Zeit. Sein in Kuhn’s Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung in
der “Romania”, in den Jahrbüchern für romanische und
englische Literatur in der Augsburger Allgemeinen Zeitung und in andern
Zeitschriften publizierten Arbeiten zeigen, daß sich Schuchardt mit allen Dialekten des Italienischen, mit Churwälsch, den
ladinischen Mundarten in Tirol und Friaul, mit dem Rumänischen und dem
Albanischen, somit mit sämtlichen in Österreich gesprochenen romanischen
Dialekten gründlich vertraut gemacht hat. Nach all diesem dürfte kaum daran zu
zweifeln sein, daß dieser hervorragende Gelehrte die Lehrkanzel für romanische
Philologie in Graz mit dem besten Erfolge vertreten werde und daß derselbe unter
verhältnißmäßig sehr günstigen Bedingungen gewonnen wurde.
Da nun auch die im dipolomatischen Wege nach Inhalt der ehrerbiethigst
anverwahrten Zuschrift eingeholten Auskünfte über die politische und moralische
Haltung desselben durchaus günstig lauten und in derselben insbesonders betont
wird, daß er für politische Fragen weder Interesse noch Verständniß besitze, so
erlaube ich mir in Übereinstimmung mit Eurer Majestät
Finanzminister, welcher seine Zustimmung zu meinem Vorhaben im kurzen Wege
ausgesprochen hat, den allerunterthänigsten Antrag zu stellen, Eure Majestät wollen allergnädigst zu gestatten geruhen, daß der
ordentliche Professor in Halle Dr. Hugo Schuchardt mit
einem fixen Jahresgehalte von Zweitausend achthundert (2800) Gulden, der
systemmässigen Aktivitätszulage, mit Nachsicht der Diensttaxe bei der ersten
Anstellung, sowie mit Anrechnung seiner zehnjährigen Dienstzeit behufs der
seinerzeitigen Pensionsbemesssung als ordentlicher Professor der romanischen
Philologie an die Universität in Graz berufen und demselben der Gehalt sammt
Aktivitätszulage mit dem Zeitpunkte seines Dienstantrittes flüssig gemacht
werde. Für das Jahr 1876 tritt eine Mehrauslage nicht ein, weil der ganze
Jahresgehalt der erledigten ordentlichen Professur für italienische Sprache und
Literatur zur Verfügung steht.
Wien am 4. April 1876
Ich genehmige, daß der ordentliche Universitätsprofessor in Halle, Dr. Hugo
Schuchardt, mit einem fixen Jahresgehalte von zweitausend achthundert
Gulden, der systemmässigen Aktivitätszulage, mit Nachsicht der Diensttaxe
bei dieser ersten Anstellung, sowie mit Anrechnung einer zehnjährigen
Dienstzeit behufs der seinerzeitigen Pensionsbemessung als ordentlicher
Professor der romanischen Philologie an die Universität in Graz berufen u.
demselben der Gehalt sammt Aktivitätszulage mit dem Zeitpunkte seines
Dienstantrittes flüßig gemacht werde.
Wien, am 8. April 1876
Franz Joseph
[Schreiberhand,
Originalunterschrift]
Wunsch Schuchardts zum Hinauszögern der
Rufveröffentlichung
Euer Hochwohlgeboren
theile ich den Empfang der Depesche mit, nach der meine Ernennung unter den von
mir gewünschten Modalitäten erfolgen werde. In Bezug auf den einen Punkt, die
“Umzugskosten”, hatte ich allerdings keinen
bestimmten Antrag gestellt, sondern einen Vorschlag erwartet; ich richte daher
an Ew. Hochwohlgeboren das ergebenste Ersuchen, mich darüber zu unterrichten, in
welcher Höhe man mir dieselben zu vergüten gedenkt.
So gern ich – wie ich mehrfach hervorzuheben Gelegenheit hatte – schon zu Ostern
nach Graz übergesiedelt wäre, ist doch nun der Beginn des |2|
Sommersemesters zu nahe herangerückt, als daß die Rücksicht, welche ich der
hiesigen Universität schuldig bin, mir noch erlauben daran zu denken. Ich werde
mein bisheriges Verhältniß erst im Herbst lösen können.
Ich wage vorauszusetzen, daß die Veröffentlichung meiner Ernennung nicht
stattfinden wird, ehe ich meine förmliche Entlassung aus dem preußischen
Staatsdienste genommen habe. Nun wünschte ich aber diesen Schritt möglichst
hinauszuschieben und dadurch eine mir einigermaßen peinliche Lage möglichst zu
verkürzen; denn ohne Zweifel wird man mir es hier verdenken, daß ich dem einmal
abgelehnten Rufe nach der Universität Graz doch schließlich Folge leiste. Es
würde sich also fragen, ob ein hohes k.k. Kultusministerium, in Anbetracht der
ganz besonderen Umstände, geneigt wäre, meine offizielle Ernennung (sei es durch
Mittheilung an die Fakultät der Universität Graz, sei es durch Bekanntmachung
durch die Presse) etwa erst gegen |3| die Mitte des Semesters eintreten
zu lassen. Für den Fall, daß dieselbe zunächst durch ein an mich gerichtetes
Bestallungsschreiben vollzogen würde, verpflichte ich mich unmittelbar nach
Empfang desselben meine diesseitige Entlassung zu nehmen.
Indem ich Ew. Hochwohlgeboren ersuche, Sr. Excellenz dem Herrn
Kultusminister meinen tiefgefühlten Dank auszusprechen, verharre ich
unter der Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung Euer
Hochwohlgeboren ergebenster
Dr. Hugo Schuchardt
ord. Prof. an der Universität
Halle -
Wittenberg. 10. April. 1876.
Gewährung der Freistellung und Unterstützung für die
Baskenreise Schuchardts
Im Frühjahr 1887 unternimmt Schuchardt eine mehrmonatige Forschungsreise ins
Baskenland (nocheinmal die genauen Daten erheben) und stellt einen
entsprechenden Antrag auf Freistellung und finanzielle Unterstützung ans
Ministerium. Die einschlägigen Unterlagen wurden im Österreichischen Staatsarchiv skartiert, was insofern schade ist, weil insbesondere die wissenschaftliche Begründung Schuchardts für die Beschäftigung mit dem Baskischen für die Forschungsgeschichte von Relevanz wäre.
Das Ergebnis dieses Ansuchens wird Schuchardt über die steiermärkische
Statthalterei (Zahl 220 ex 1886-87 der Philosophischen
Fakultät, Universitätsarchiv Graz) durch den Dekan mitgeteilt.
k.k. steiermärkische Statthalterei Graz, den 12. Jänner
1887
Z. 606
Der Herr Minister für Cultus und Unterricht hat mit dem Erlasse vom 7. Jänner l.
J. Z. 25151 über Ansuchen des ordentlichen Professors der romanischen Philologie
an der kk. Universität Graz, Dr. Hugo Schuchardt,
demselben zum Behufe einer im Frühlinge dieses Jahres zu unternehmenden
wissenschaftlichen Reise nach Südfrankreich eine Subvention im Betrage von
Vierhundert (: 400:) Gulden zu bewilligen gefunden.
Ich ersuche daher das Dekanat, den Genannten Herren mit dem Beifügen zu
verständigen, daß er um die Flüssigmachung dieser Subvention sowie um
Bewilligung des erforderlichen Urlaubes rechtzeitig vor Antritt seiner Reise
einzuschreiten haben wird.
Für den kk. Statthalter: [Unterschrift unleserlich]
Verhandlungen zur Abwehr eines Rufes nach Leipzig und
Zustimmung des Kaisers
Allerunterthänigster
Vortrag
des treugehorsamsten
Ministers
für Cultus und Unterricht.
Paul Freiherrn
Gautsch von
Frankenthurn
wegen einer Gehaltserhöhung für den ordentlichen
Universitätsprofessors in Graz, Dr. Hugo Schuchardt.
Mit der allerhöchsten Entschließung vom 8. April 1876 haben Eure
Majestaet auf den ehrerbietigst wieder anverwahrten alleruntertänigsten
Vortrag meines Vorgängers im Amte vom 4. April 1876 allergnädigst zu genehmigen
geruht, dass der damalige ordentliche Universitätsprofessor in Halle, Dr. Hugo
Schuchardt als ordentlicher Professor der romanischen
Philologie an die Universität in Graz mit einem Jahresgehalte von 2.800 Gulden
berufen werde.
Schuchardt, welcher nunmehr seit vierzehn Jahren eine
gleich ausgezeichnete lehramtliche und wissenschaftliche Thätigkeit entfaltet,
bezieht auch dermalen den gleichen Gehalt, der das Ausmaß des um die
Quinquennien erhöhten systemmäßigen Gehaltes eines ordentlichen
Universitätsprofessors an den kleineren österreichischen Universitäten nicht
übersteigt.
Derselbe hat nun in diesen Tagen in vollkommen glaubwürdiger Weise, und zwar
durch Vorweisung des Originalschreibens des Ministers Gerber vertraulich zu meiner Kenntnis gebracht, daß er seitens der
sächsischen Regierung einen Ruf an die Universität Leipzig unter äußerst günstigen Bedingungen erhalten hat und sich im
Falle der Annahme dieses Rufes abgesehen von den weit höheren Collegiengeldern
an der Universität Leipzig und der größeren Frequenz der
Studierenden mit Rücksicht auf die in Aussicht gestellte Gewährung eines fixen
Jahresgehaltes von 8000 Mark gegenüber seinem jetzigen fixen Jahreseinkommen die
materielle Stellung wesentlich verbessern würde.
Dessenungeachtet hat Professor Schuchardt mir die
bestimmte Erkärung abgegeben, daß er entschlossen sei, unter Ablehnung des an
ihn ergangenen Rufes den ihm lieb gewordenen Wirkungskreis an der Universität
Graz nicht aufzugeben, falls ihm ein mäßiger Ersatz
für die ihm aus der Berufung an die Universität Leipzig
erwachsenden materiallen Vortheile geboten würde.
Unter den obwaltenden Verhältnissen dürfte es meines ehrerbietigsten Erachtens in
der Billigkeit gelegen sein dem Professor Schuchardt eine
angemessene Aufbesserung seiner Bezüge zu Theil werden zu lassen, und habe ich
die Erwirkung einer Gehaltserhöhung um den Betrag von 1000 Gulden, d.i. auf den
Betrag von 3.800 Gulden jährlich allunterthänigst in Aussicht genommen.
Ich erlaube mir hiebei, indem ich mich zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
Ausführungen des allunterthänigsten Vortrages vom 4. April 1876 B. 5297
ehrerbietigst beziehe, nur neuerlich hervorzuheben, dass Schuchardt gegenwärtig zu den hervorragendsten Vertretern der
Disziplin der romanischen Philologie zählt, wie dies der
soeben an ihn ergangene Ruf der sächsischen Regierung unter sehr günstigen
Bedingungen beweist. Sein Abgang an die Universität Leipzig würde einen schwer zu ersetzenden Verlust nicht bloß für die
Universität Graz, sondern für die Wissenschaft der romanischen Philologie in
Österreich überhaupt bedeuten, und ein annähernd entsprechender Ersatz für den
selben wäre ebenfalls nur im Wege der Berufung, jedoch gewiss unter
ungünstigeren finanziellen Verhältnissen zu erlangen.
In Berücksichtigung dessen hat dann auch der Finanzminister, mit welchem ich im
kurzen Wege das Einvernehmen gepflogen habe, mir seine Zustimmung zur
beabsichtigten Gehaltserhöhung um 1000 Gulden jährlich ertheilt, und erlaube ich
mir was die Bedeckung dieses Mehrerfordernisses betrifft, ehrerbietigst zu
bemerken, dass ich mir eventuell vorbehalten würde, den Statthalter für
Steiermark zu beauftragen, für das Jahr 1891 die virementmäßige Bedeckung des
gedachten Betrages von 1000 Gulden innerhalb des zu gewärtigenden ordentlichen
Gesammtcredites der Universität Graz nach Thunlichkeit
anzustreben, vom Jahre 1892 aber hiefür die specielle präliminarmäßige Vorsorge
zu treffen.
Indem ich schließlich ehrerbietigst beifüge, dass Professor Schuchardt sich mir gegenüber in bestimmter Weise verpflichtet hat, im
Falle der Gewährung einer Aufbesserung seiner Bezüge, innerhalb der nächsten
fünf Jahre eine Berufung in das Ausland weder anzustreben noch einen etwa an ihn
ergehenden Ruf anzunehmen erlaube ich mir den allerunterthänigsten Antrag zu
stellen:
Geruhen Eure Majestaet allergnädigst zu genehmigen, daß
der Gehalt des ordentlichen Professors der romanischen Philologie an der
Universität Graz, Dr. Hugo Schuchardt vom Jahre 1891 ab auf den Betrag jährlicher dreitausendachthundert
|: 3.800 :| Gulden erhöht werde.
[Seitenanmerkung:] Ich genehmige, daß der Gehalt des ordentlichen Professors der romanischen
Philologie an der Universität Graz, Dr. Hugo Schuchardt vom Jahre 1891 ab auf
den Betrag jährlicher dreitausend achthundert Gulden erhöht werde.
Wien, 8. Dezember 1890.
Franz Joseph
[Schreiberhand, Originalunterschrift]
1897 Freistellung aus Gesundheitsgründen
Schuchardt hat im Herbst 1897 für das Wintersemester 1897/98 eine Freistellung
aus gesundheitlichen Gründen direkt beim Ministerium beantragt und diese vom
Minister auch erhalten (Zahl 72 ex 1897-98, Philosophische
Fakultät, Universitätsarchiv Graz):
Auf ein von dem ordentlichen Professor der romanischen Philologie an der
Universität in Graz Dr. Hugo Schuchardt unter dem 10.
October l. J. unmittelbar anher überreichtes Gesuch bewillige ich demselben
behufs Wiederherstellung seiner Gesundheit einen Urlaub für die Dauer des
Wintersemesters 1897/8.
Hiervon wolle das Decanat den genannten Professor in Kenntnis setzen.
Wien, am 13. October 1897.
Der Minister für Cultus und
Unterricht Gautsch