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Europa in der atlantischen Welt der Neuzeit

Mensch, Umwelt, Gesellschaft (1650-1750)

Die Eliten Hispanoamerikas und Brasiliens wurden im Verlauf des 17. Jahrhunderts immer unabhängiger vom europäischen Mutterland. Sie kontrollierten nun nicht mehr nur die inneramerikanischen Handels- und Finanzströme, investierten in Landbesitz und Bergbau, sondern übernahmen über die Praxis des Ämterkaufs innerhalb Amerikas wichtige politische Funktionen und Verwaltungsposten. Damit wurde die Spitze der sozialen Hierarchie in Iberoamerika, an der sich die aus Europa kommenden einflussreichen Kaufleute und Amtsträger hätten befinden sollen, nun tatsächlich von in Amerika gebürtigen europastämmigen Kaufleuten und niederen Adeligen gebildet. Durch die starke Ausweitung des afrikanischen Sklavenhandels und dem Wiederanstieg der indigenen Bevölkerung sowie der Erweiterung des Anteils und der Zahl der Mestizen verbreiterte sich die soziale Basis in Hispanoamerika.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam es dann vermehrt zu sozialen Auseinandersetzungen und Aufständen vor allem in Brasilien und in den Randgebieten Hispanoamerikas. In Brasilien, der Karibik und den südlichen englischen und französischen Kolonien Nordamerikas entstanden vorwiegend afrikanisch geprägte Gesellschaften, bei denen unter Umständen mehr als die Hälfte der Bevölkerung versklavt waren. Den Piraterie betreibenden Randgruppen auf den karibischen Inseln und dem Festland, zu denen entflohene Sklaven, englische indenture servants und andere marginalisierte Europäer zählten, wurde Ende des 17. Jahrhunderts die politische Unterstützung durch die Engländer entzogen, und damit lösten sich diese Gemeinschaften entweder auf oder wandelten sich in koloniale Gesellschaften um.

In Brasilien entstanden kurzlebige Gemeinwesen entlaufener Sklaven (Quilombos), die sich teilweise auch Rückhalt bei der seminomadisierenden Bevölkerung des Amazonasgebietes holten. Den in den Grenzgebieten des kontinentalen Hispanoamerika errichteten jesuitischen Missionsstationen gestand die Krone eine weitgehende Autonomie zu (Reduktionen). Die bekanntesten Reduktionen, die Guaraní-Missionen, lagen im Grenzgebiet des heutigen Paraguay und Brasilien. Sie wurden regelmäßig von Sklavenjägern aus São Paulo überfallen, die akkulturierte Guaraní als Sklaven für die Zuckerrohrplantagen an der brasilianischen Küste verschleppten.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte sich eine von Region zu Region sehr unterschiedliche Gesellschaft in Amerika herausgebildet, die von den Quäkern und Plantagensklaven Nordamerikas über die seminomadisierenden Viehzüchter in der Pampa, den Gauchos, bis zu den Bergwerksarbeitern im Andenraum und in Neuspanien reichte und die von einer kleinen wohlhabenden, zumeist bürgerlichen Oberschicht kontrolliert wurde.

RP


  1. The Dutch in the Atlantic Slave Trade 1600-1815
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  2. Brasilien, in: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1, S. 789-806
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  3. Hispanoamerika, in: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1, S. 751-788
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