Mensch, Umwelt, Gesellschaft (1550-1650)
Die Durchsetzung der neuen imperialen Ordnung änderte das soziale Gefüge Altamerikas. Bei der sich im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts herausbildenden gesellschaftlichen Stratifikation verbanden sich ökonomische, rechtliche und kulturelle Kriterien. An der Spitze der kolonialen Hierarchien standen in Europa geborene Männer, die über Reichtum und politischen Einfluss oder über ein von den europäischen Verwaltungen verliehenes Amt verfügten. In der öffentlichen Einschätzung folgten ihnen europastämmige wohlhabende Amerikaner, die in den Quellen ebenfalls Europäer, bzw. Spanier, Portugiesen, Engländer oder Niederländer genannt werden. In Hispanoamerika wurden diese europäischen Amerikaner als Kreolen bezeichnet.
Die vor allem in Hispanoamerika zunehmend wichtigere Vermittlungsposition zwischen den verschiedenen Ethnien nahmen die Mestizen ein, Nachkommen indigener Mütter und europastämmiger Väter. Sie wohnten ebenso wie die Eliten in den größeren Städten, die nach europäischem Recht gegründet worden waren. Da die städtische Bevölkerung ein höheres Ansehen als die ländliche genoss, wurden auch die in den Städten lebenden afrikanischen Sklaven mehr geachtet als auf dem Lande arbeitende freie Indios. Die ländliche Bevölkerung, die in den nach indigenem Recht verwalteten ländlichen Gemeinden lebte, wurde den indigenen Ethnien zugerechnet. Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts stellten sie die umfangreichste Bevölkerungsgruppe Amerikas dar.
Zwischen 1550 und 1650 verschoben sich die Gewichte zwischen den verschiedenen Ethnien. Durch die weiterhin wütenden Epidemien sank die ländliche Bevölkerung auf einen Bruchteil ihrer früheren Größe. Hinzu kam eine stetige Abwanderung in die Städte. Diese wuchsen nicht nur durch die Zuwanderung von indigener und mestizischer Bevölkerung, sondern auch durch die europäische Einwanderung und den transatlantischen Sklavenhandel. Wobei Letzterer vor allem zur Wiederbesiedlung des karibischen Raumes führte und die europäische Herrschaft im atlantischen Amerika stärkte.
Mit der weitgehenden Durchsetzung europäisch-christlicher Normen erfolgte auch der Aufbau europäisch geprägter Familienstrukturen und Geschlechterverhältnisse. Soziale Aufstände waren im Vergleich zur damaligen Situation in Europa eher selten, zumal es zu keinerlei militärischen Auseinandersetzungen innerhalb Hispanoamerikas kam und die wirtschaftliche Situation ungeachtet der insgesamt sinkenden Bevölkerung stabil blieb.
RP
- Die Entwicklung der Indianergemeinden, in: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1, S. 575-596
- Die sozialen Strukturen im Wandel, in: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1, S. 454-504
- Die demographische Entwicklung, in: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1, S. 313-328
- Das portugiesische Amerika (1549-1695). Die sozialen Strukturen, in: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1, S. 633-648
- Das portugiesische Amerika (1549-1695). Die demographische Entwicklung, in: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1, S. 597-605