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Europa in der atlantischen Welt der Neuzeit

Mensch, Umwelt, Gesellschaft (1450-1550)

Mit dem Eintreffen der Europäer auf dem amerikanischen Kontinent veränderten sich einige, aber wesentliche Merkmale der altamerikanischen Gesellschaften. Zunächst setzte seit 1493 auf den Antillen das durch die Epidemien der alten Welten verursachte Massensterben ein. Die Epidemien erreichten noch vor den europäischen Söldnertrupps den amerikanischen Kontinent und breiteten sich dort mit großer Geschwindigkeit und hohen Todesraten aus. Diese Entwicklung, die mit der Wende zum 16. Jahrhundert begann, fand erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ihren Abschluss.

Aber bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war die Zahl der Bewohner auf den Antillen um zwei Drittel zurückgegangen und auf dem Kontinent dürfte sie sich gemäß heutiger Einschätzung etwa halbiert haben. Zum Zusammenbruch der altamerikanischen Bevölkerungen trugen vor allem im karibischen Raum auch die Kriege und Sklavenjagden der Eroberungszeit bei.

In den Gebieten der altamerikanischen Großreiche veränderte sich die gesellschaftliche Ordnung in diesen ersten Jahrzehnten der Eroberung und der Kolonialzeit vor allem auf der Ebene der Eliten. Die altamerikanische Priesterschaft wurde entmachtet, ebenso erging es dem gegen die neue imperiale Herrschaft opponierenden indigenen Adel. Jene Adelsgruppen und Eliten, die sich mit dem neuen Regime arrangierten, behielten innerhalb der indigenen Körperschaften ihre Stellung und erhielten den Rang eines niederen kastilischen Adeligen innerhalb der neuen imperialen Ordnung zugesprochen. Die Spitze und neue Elite der sich nun herausbildenden Gesellschaftsordnung bildeten zunächst die aus Europa stammenden Encomenderos. Hierbei handelte es sich um Söldner und Abenteurer, denen indigene Gemeinden zugeteilt wurden, von denen Abgaben und Robotleistungen eingefordert werden konnten (Encomiendas). Im Unterschied zu europäischen Grundherren verfügten die Encomenderos aber nicht über die Gerichtsbarkeit in den ihnen zugewiesenen Gemeinden. Ebenfalls zur Elite gehörten die aus Europa eintreffenden königlichen Beamten, Kleriker und größere Kaufleute sowie der indigene Adel, der die Eroberer unterstützte. Die mittleren und unteren sozialen Schichten setzten sich aus der indigenen ländlichen Bevölkerung und den nicht privilegierten, einfachen Bewohnern der neu gegründeten europäischen Städte zusammen.

RP


  1. Der Mensch und seine Umwelt - ein historisch-geographischer Überblick, in: Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, Bd. 1, S. 23-40
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