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Europa in der atlantischen Welt der Neuzeit

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Wissen, Kommunikation (1650-1750)

Janusköpfig stellt sich das Jahrhundert zwischen 1650 und 1750 in Hinblick auf die gesellschaftlichen Wissensbestände und deren Vermittlung dar. Es ist einerseits gekennzeichnet durch die Konsolidierung von Entwicklungsprozessen, die in die Vergangenheit zurückweisen, andererseits durch die Anfänge des geistes- und sozialgeschichtlichen Prozesses, der mit dem Begriff der „Aufklärung“ gefasst wird.

Nur geringfügig veränderten sich die Formen, in denen gesellschaftliches Wissen transportiert wurde, auch wenn, zuerst in Frankreich und England, neue Formen von Medien entstanden – die Gelehrtenzeitschrift (Journal des Savants, 1665) und die Moralischen Wochenschriften (The Tatler, The Spectator im England der Jahre um 1710). Und ebenso stieg der Stellenwert weiter, den die gesellschaftlichen Eliten der gelehrten Bildung zuwiesen. Die Gründung von wissenschaftlichen Akademien, die ein europaweites Kommunikationsnetzwerk der Gelehrten entstehen ließ und zugleich auf diesem aufruhte, ist der sinnfälligste Ausdruck dieser Entwicklung. Im Bereich der „Gelehrtenrepublik“ kam schließlich auch die zukunftsweisende Veränderung in Gang, die im nächsten Jahrhundert die europäischen Gesellschaften und ihre Vorstellungen von Gott und der Welt grundlegend verändern sollten: Mit dem beginnenden Aufstieg der Naturwissenschaften begann ganz allmählich der Prozess, den Max Weber als „Entzauberung der Welt“ beschrieben hat. Rationalisierung und Säkularisierung, beide freilich von durchaus gegenläufigen Entwicklungen begleitet, begannen sich am Horizont abzuzeichnen (Wissen, Kommunikation, Medien).

Wie sehr freilich das In-der-Welt-sein der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung auch noch in diesem Jahrhundert von altüberkommenen und nunmehr erst zu voller gesellschaftlicher Wirkmächtigkeit gelangenden konfessionellen Sinnstiftungsangeboten geprägt war, dafür steht das Phänomen der „Barockfrömmigkeit“. Insbesondere in der Ländern des Hauses Österreich entwickelte sich die vom Herrscherhaus gezielt geförderte „pietas austriaca“ (A. Coreth) zum Fundament einer durch und durch heterogenen Gesellschaft: Eine Ausdrucksform dieser Frömmigkeit sind die Wallfahrten. Sie gingen mit der Erbauung von Wallfahrtskirchen einher, die – auch mit Blick auf den hohen Prozentsatz an Analphabeten – mit reicher Emblematik („Gemäldepoesie“) ausgestattet sind (Glauben – gesellschaftlich/individuell).

Kirchenreform war ein Thema der Zeit. In katholischen Ländern Europas existierte mit dem sog. Jansenismus (so genannt nach dem Yperner Bf Cornelius Jansenius (1585-1638)) zwar eine kirchliche Reformbewegung, die die bestehende kirchliche Organisation zur Disposition stellte, die jedoch, vom Papst bereits 1643 als Ketzerei verurteilt, räumlich auf die südlichen Niederlande begrenzt blieb und im Frankreich Ludwigs XIV. energisch bekämpft wurde (1709/10 Zerstörung des Zentrums der jansenistischen Glaubensrichtung in Frankreich, Abtei Port Royal in der Nähe von Paris). In den Ländern mit protestantischen Staats- oder Landeskirchen entfaltete der Pietismus hingegen eine weiterreichende Wirkung. Obwohl primär auf eine erneuerte Frömmigkeit der Gläubigen zielend, veränderte er das überkommene Miteinander von weltlicher und geistlicher Obrigkeit. Vor allem in Brandenburg-Preußen entwickelte er sich zu einer staatstragenden Form protestantischen Bekennens. Ähnlich geartete staatskirchliche Tendenzen lassen sich im katholischen Europa erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ausmachen (Religion & Konfession – institutionell-normativ).

Weitere kurze Informationen zu den einzelnen thematischen Aspekten finden sie, angereichert um weiterführende Literaturhinweise und Quellen – neben den hier präsentierten Lernmaterialien – für dieses Jahrhundert und die Zeit bis 1789 unter:

http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/ (Akademien, Wissenschaftsverständnis)

GHM, MR