Universität Graz
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GrazMuseum

Über den Bestand

Hier erhalten Sie einen Überblick über Schwerpunkte der Postkartensammlung des GrazMuseums. Finden Sie hier Anregungen, sich bestimmte Bestandsteile durch Suchanfragen genauer anzusehen.

Der wesentlichste Anteil des Bestandes besteht aus topografischen Ansichtskarten. Dabei ist vor allem für die Zeit zwischen der Jahrhundertwende und dem Ende des Ersten Weltkriegs eine vergleichsweise Motivfülle zu konstatieren. In diesem Zeitfenster, in dem fotografische Ansichten deutlich kostenintensiver und schwerer zugänglich und das private Knipsen erst in Anfängen entwickelt war, erfüllten Postkarten eine Reihe von Funktionen, die sie später an andere Formate abgaben. Gerade in der Erfassung von Topografie gab es einen geradezu enzyklopädischen Anspruch. Viele kleine und kleinste Straßen, Gassen und Plätze, Kirchen und öffentliche Gebäude finden sich in dieser Periode abgebildet. Allerdings in durchaus asymmetrischer Verteilung. So sind die verschiedenen Stadtbezirke keineswegs gleichwertig repräsentiert.

In der Zwischenkriegszeit, besonders aber ab den 1950er-Jahren, kam es jeweils zu einer schubweisen Reduktion von Motiven. Stärker als zuvor wurden Postkarten auf ihre touristischen Funktionen festgelegt; stärker als zuvor wurde das Stadtzentrum in den Blick gerückt, während andere Teile der Stadt immer weniger als „bildwürdig“ galten.

Blicke auf die Stadt

Ein wesentlicher Schwerpunkt innerhalb der topografischen Ansichtskarten besteht aus Überblicksaufnahmen, die von der Jahrhundertwende bis etwa in die 1940er-Jahre populär waren. Dass der Blick auf „Graz vom Süden“, von Norden, Osten oder Westen oder auf „Graz vom Reinerkogel“, „von der Hilmwarte“ oder „vom Ruckerlberg“ nach dem Zweiten Weltkrieg verschwindet, hat auch mit Veränderungen des Reisens und der Annäherung an die Stadt zu tun. So wurden die zahlreichen Ausflugsorte an den Rändern der Stadt zusehends von neuen Formen des innerstädtischen Tourismus abgelöst. Das prägte auch den Postkartenblick auf die Stadt. Die „panoramatische“ Gesamtschau gab es fortan nur mehr als Blick aus dem Zentrum, auf das Häusermeer innerhalb der Stadt.

„Alt-Graz“

Ein nicht unwesentlicher Teil des Bestandes besteht aus so genannten „Alt-Graz“-Ansichten. Damit wurden die Veränderungen der städtischen Topografie thematisiert, die im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einen Höhepunkt erreicht hatten. Unter dem Begriff „Alt-Graz“, der uns auf Postkartenserien der Jahrhundertwende und bis zum Ersten Weltkrieg immer wieder begegnet, wurde die Auseinandersetzung mit dem verschwundenen Stadtbild gesucht. So legte etwa Leopold Bude, Hoffotograf und Dokumentarist der Stadtumgestaltung, um 1900 eine Reihe von Fotografien als Postkarten auf, die er teilweise bereits Jahrzehnte zuvor aufgenommen hatte. Die Ansichten von zum Abbruch bestimmten Häusern, die Bude ab den 1870er-Jahren fotografiert hatte, wurden mit dem Begriff „Alt-Graz“ versehen. Interessant scheint generell, in welchen Zeiträumen die „alte Stadt“ wichtig wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg etwa versiegte das Interesse der Postkartenverleger an diesem Sujet. Es tauchte erst in den späten 1920er-Jahren wieder auf. Besonders das Jahr 1928 mit den Jubiläumsfeierlichkeiten zu 800 Jahre Graz war Anlass dafür, sich mit dem historischen Werden des urbanen Raums auseinanderzusetzen. Danach war das Konzept „Alt-Graz“ auf Postkarten kaum mehr relevant.

Die modernisierte Stadt

Der Blick auf die Stadt changierte zwischen einer Thematisierung des Verschwindenden und Verschwundenen ebenso wie des Neuen und Aktuellen. Das zeigt sich einerseits in der vermehrten Abbildung jeweils neuer Architekturen. Um 1900 waren das etwa die Oper oder die Herz-Jesu-Kirche, um 1910 das entstehende Landeskrankenhaus, Anfang der 1930er-Jahre das aufsehenerregende Verwaltungsgebäude der städtischen Gas- und Elektrizitätswerke am Andreas Hofer-Platz, später die Neue Technische Universität oder der Hauptbahnhof. Es zeigt sich andererseits aber auch darin, wie die Konsumkultur ins Blickfeld rückt, wie Autos und Verkehrsmittel als Bildelemente vorgeführt werden oder die Elektrifizierung des urbanen Raums dokumentiert wird. Ein kleiner Bereich des Bestandes etwa besteht aus Nachtaufnahmen, die in den 1920er-Jahren populär wurden und in denen sich Diskurse von Technisierung und Modernisierung des urbanen Raums bündeln.

Der politisierte öffentliche Raum

Teile des Bestandes zeigen, wie Postkarten zu einer Politisierung des öffentlichen Raums der Stadt beitrugen. Dazu zählen etwa Serien mit deutschnationalen Symbolen und Aufschriften, die um die Jahrhundertwende verausgabt wurden. Aber auch die Repräsentation von Denkmälern im Stadtbild (Rosegger, Jahn, Hamerling, etc.) lässt sich unter dem Aspekt einer Verhandlung öffentlicher Erinnerungskulturen betrachten. Daneben waren es vor allem so genannte Ereignispostkarten, die zur Dokumentation öffentlicher Veranstaltungen mit vorwiegend politischer Relevanz zum Einsatz kamen. Vor allem für den Zeitraum der Zwischenkriegszeit finden sich öffentliche Aufmärsche oder Aktionen festgehalten. Auch öffentliche Sportveranstaltungen wie etwa ein Schwimmbewerb des akademischen Turnvereins 1924 wurden per Postkarte verbreitet. Für den Zeitraum der NS-Zeit finden sich im Bestand vor allem Ansichten des beflaggten Graz, das in zahlreichen Postkarten in Umlauf gebracht wurde.

Lebenswelten

Postkarten hielten nicht zuletzt historische Lebenswelten fest. Etwa Orte des Konsums und der Freizeit, von denen sie auch mit Vorliebe verschickt wurden (Grazer Messe, lokale Märkte, Ausflugsziele, Gasthäuser, Gastgärten und Parks). Besonders im Zeitraum bis zum Ersten Weltkrieg, als es noch kaum Bilder in Tageszeitungen gab, transportierten Postkarten auch visuelle Lokalnachrichten – etwa Ansichten der Hochwasserkatastrophe 1913 im Stiftingtal und am Leonhardbach. Teile einer Serie des Amateurfotografen Oskar Lenhart dokumentieren die Jahre am Ende des Ersten Weltkriegs und die Versorgung der Grazer Bevölkerung im Rahmen öffentlicher Ausspeisungen. Zugleich waren Postkarten auch eine Plattform für die Selbstdarstellung unterschiedlicher Grazer Vereine und Verbände, für Gesangsvereine oder Schülerklassen. Grazer Gewerbetreibende nutzen Postkarten zur Bewerbung ihrer Verkaufslokalitäten oder Produkte – von Großunternehmern wie Kastner & Öhler bis zu Kleinbetrieben wie dem Tapezierermeister Rudolf Pintaritsch am Griesplatz. Die inhaltliche Bandbreite ist bis etwa 1918 erheblich, reduziert sich in der Zwischenkriegszeit zusehends und ist nach dem Zweiten Weltkrieg so gut wie verschwunden. Ab den 1950er-Jahren profilierte sich die Postkarte im Wesentlichen nur noch als touristischer Bildträger, der weniger für die Grazerinnen und Grazer, sondern für die Besucher/-innen der Stadt von Interesse war.