Karl Wiesinger

Digitale Edition der Tagebücher (1961–1973)

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Tagebuch von 1963

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1963

11.1.

mahagonny mit ihr gehört, geraucht, getrunken. bis sie sagte: ziehen wir uns aus. selbst für mich verblüffend. sie ist schön, ihr körper untadelig. der verkehr mit ihr eine lust und wonne. [47] ihr gefäss eng. sie vernascht gern männer. sie kann atemlos spielen und mit geschlossenen augen verröcheln.

typisch für linz, sagte kubovsky: da waren bilder von lange, schanovsky und anderen künstlerbündlern, aber keines von dir oder eisenreich oder klinger.

nette party bei kurt. fast halben liter rum, teilweise mit wasser, ausgetrunken. unterhaltsam bis drei uhr.
walter hat kub. wieder ein bild abgekauft. er handelte ihm einen hunderter herunter und schreibt es von der steuer ab. millionäre können das.

koller verfasste offenen brief an lassl und sagte zu zemme: halte dich bereit, ich werde intendant.

totofieber. durch jeden unsinn lässt dieses volk sich aufputschen.

wie andererseits der krämergeist nichts kennt als sich, wie ie in moskau. da sass er handelnd in seinem zimmer, und die ganze welt, ganz moskau war uninteressant geworden, weil es um etwas verdienen ging. wie ekelhaft und niedrig das ist. damit wird der kommunismus schluss machen.

[...]

16.1.

eva war statt mir in einem vortrag. sie stösst sich ständig an der geflissentlichen eifrigkeit der kleinen spiesser, die sich in ewig gleichen phrasen abhaspeln. kommt einer zu spät, stöhnt man schon von der schon lange nicht mehr wahren akademischen viertelstunde. kommt ein neger auf die bühne, geht schon ein oh und ah durch die reihen.

wieder ee. ein gesundes, lebhaftes, schönes weib mit 23 jahren.
‚wir wollten doch heute unser liebesfest feiern.‘ und das taten wir denn auch.

chr. in ostdeutschland. blendende rede gegen den krieg.

kukli wurde von stroux hinausgeschmissen und kehrt angeblich nach wien zurück. zur zeit sitzt er bei der frankfurter allgemeinen als kritiker. welchen seltsamen kurs er einschlägt.

[...]

spiel zu zweit: (ee) beim austöten der zigarette sagte er: siehst du, ich bin wieder früher fertig geworden. sie lächelte fein, ganz dame, und zog die beine an. bei der nächsten zigarette machte sie es wie vorher, wurde fertig, und nochmals, und als er endlich so weit war, spielte sie mit ihm, dass sie nochmals, im rhythmus, fertig würde. [48] siehst du, sagte sie. so soll es immer sein. du mach nur dein teil, für mich sorge ich schon.

rudolf war wieder da. er ist wie immer sehr geschäftig und hat wie immer ‚wahnsinnig viel zu tun‘.
rt sagte zu koller, nach dessen niederlage mit albees stück: ‚warum müssen sie denn auch einen amerikanischen juden spielen?‘ mittelschulprofessor, sozialist. und im grund ein kleiner spiesser. was alles sich sozialist nennt, da müssen die marxisten sehr arbeiten, um das kulturelle und geistige niveau wieder zu markieren, das der letzte marxist haben muss, um sich von dieser engstirnigen brut abzugrenzen.

das krankheitsbild der paranoia trifft auf rl zu. er täuscht alle welt, kann sehr vernünftig reden, aber alles ist irreal. völlige verantwortungslosigkeit.

die andere eh war auf der strasse, im wald, im besetzten zug, immer und überall bereit, sich mir hinzugeben. sie kniete sogar auf der dämmerigen landstrasse nieder, damals, als wir uns kaum noch kannten, um den ersten stock aufzumachen und zu sehen, was sich da täte, ihn zu küssen und in den mund zu nehmen als versprechen für den nächsten besuch. aber auf das sinnlose versprühen sind sie alle eifersüchtig. wenn, dann in sie, nur in sie, und wäre es der süsse mund.
so weigerte sich im kino, es mit der hand zu tun. sie hat recht. schade drum.
unklar welche ? das ist nun auch wirklich nicht mehr wichtig. diese zwei fliessen ineinander.

bei rw gewesen. plötzlich machte er mir, nervös werdend, vorwürfe, dass ich kommunist sei. dabei ist das sehr schwer. ich muss sozusagen mit angezogenen bremsen diskutieren, während er die phrasen der westdeutschen konzernpresse nur so aus dem ärmel schüttelt. schliesslich beruhige ich ihn. der kommunismus wäre keine gefahr mehr, wir schieden in frieden, wie gut, dass sie so selbstbewusst sind.
er meinte, der mensch wäre ja kein tier, das alles vorgeschrieben bekäme, sondern er wolle für sich selber sorgen. erschütternde vorstellungen haben sie. gerade im kommunismus werden an initiative und mut grosse anforderungen gestellt. tierhaft lebt der mensch im kapitalismus, wo einige tausend als ausbeuter herrlich leben, während alle andern vegetieren, ohne es zu erkennen. man hat ihnen die gehirne gewaschen und sie beten brav nach: so lustig wie hier ist es nirgends, und so frei wie hier bin ich auch nirgends.
natürlich kann man einen menschen wie ihn, der vom mehrwert etwa 1000 arbeiter und angestellter lebt, nicht überzeugen, dass es gut wäre, diesen mehrwert der öffentlichkeit zu überlassen.

[49] wie man nur so denken kann. heri wollte mitkommen in die provence. ‚aber das benzingeld bekommst du erst nachher, sonst steh ich dann da.‘ wie der schelm ist? nein, er ist nicht einmal so. oder doch?
und eine andere sorge war: ‚hoffentlich habt ihr (golob und ich) genügend geld, damit ich nicht immer einspringen muss.‘
das sind sorgen.

[...]

non-stop-tour: vorigen samstag mit mischka am schlepp (und mit putsch) von 10 uhr vormittags bis acht uhr abends.
diesen samstag, 2. februar, in kurts buchhandlung. nach der lesung mit kubovsky weiter. zwei steindrucke nach hause gebracht. schöne arbeiten von ihm.

mir fiel auf, dass manche damen sich ungern nachher waschen, als wäre es ihnen wert, lange behalten zu werden.
von eh geträumt, nach zusammensein mit ee. enttäuschend an ihr ist die kindliche vulva, aber der übrige körper ist ein wunder an ebenmass.
die fadesten waren am in wien und in linz die üppigste gi. die grössten könnerinnen ap und eh. die beständigste mit den schönsten und doch grossen brüsten it, die immer wieder kommt. wir stimmen sehr zusammen. seit ihrem vierzehnten lebensjahr haben wir miteinander übung.

es bedarf einer gewaltigen eigenständigen intelligenz, wenn man bei diesem massiven einsatz der massenmedien nicht völlig verblöden will.

mit dem frühschoppen geht es los. die erbschleichersendung, die pfaffen-sendungen mit ihrem kindlichen geschwätz. alltagsweisheiten, sprich banalitäten. und so wird alles nivelliert im verein mit katholischen horten, kindergärten, schulen und universtitäten. der mittelmässige mensch ist der triumph der kapitalistischen demokratie. umso sicherer ist die herrschaft der ausbeuter, der kapitalisten, der ‚schlauen burschen‘, die sich wie drohnen am volk mästen.
(badespass mit badedas – so was lernt man. oder mach mal pause.)

nicht viel erfolg.
nein, nicht viel erfolg. ich kann zuwenig, andererseits muss ich durchhalten. bei der stange bleiben, lernen und besser werden. bedenk ich doch mein handikap. nichts gelernt. aus faulheit und geldgeiz des vaters. die andern haben mir alle zumindest matura voraus. ich habe nichts dergleichen. und spät angefangen. mein leben war bis 1950 zu sehr zerrissen für systematische arbeit. da war ich schon 27.

[50] am 6.1.63 wurden das notstandsgesetz und lebensmittelmarken in der brd beschlossen. vorwärts zum krieg.

ee ist ein bezaubernder kumpan. was sie verspricht, hält sie, auch wenn inzwischen überraschend die monatliche unsauberkeit kommt. wir waren in leonding im gasthaus, kleines, kaltes zimmer, wärmten uns an uns selber und arbeiteten schwer bis nach mitternacht.

mit köttel bei putsch am schlepp hendlessen. mischka war da. nette leute, diese putsch. aber fanatisierte ‚demokraten‘. noch mit dem bettelstab in der hand verteidigen sie das privateigentum. sie haben nichts, aber sie ‚sind zufrieden, sind zufrieden‘, wie die massenmedien es einträufeln.

elende luft in linz. man lebt wie unterm bauch einer giftigen kröte.

in der budweis mit ee. wie die verrückten waren sie alle nach ihr und wein wurde aufgefahren. nachher ging ich mit ihr weg. haselgraben. abstellplatz. kleines techtelmechtel. etüden sozusagen, um in übung zu bleiben.
keine nachricht aus wien.

gerhards möchte einakter. kommt aber nicht in frage. dieser junge mensch ist zu oberflächlich und forsch, als dass ich ihm künstlerische arbeiten zutraute.
und überhaupt mit dem dilettanten zemme zusammen.

bei yk gewesen. er und ein anderer pfeilkreuzler, horthy-faschist, waren da. sie marschieren wieder nach oben und identifizieren sich jetzt charakterstark mit amerika und einem europa nach ihren köpfen. hatʼs mit dem adolf nicht geklappt, wirdʼs doch mit den demokratischen dösköppen klappen.
yk hat bilder von seiner weltreise vorgezeigt und überall natürlich nur das beste und schönste gesehen. seltsam. nur in den oststaaten fällt ihnen armut auf, wo es keine gibt, sonst sehen sie überall nur glanz, glück und reichtum. weil man ihnen eben nichts anderes zeigt, und wenn, dann nur als kuriosum. ein aufdecken der morschheit des kapitalistischen weltsystems wäre ja schon kommunistische propaganda. ausserdem oberflächliche betrachtungsweise dieser ökonomisch und marxistisch nicht geschulten menschen, für die sie selber der inbegriff des mensch-seins sind.

interessant der panama-kanal in seinem verlauf. schwer bewacht, eine ‚mauer‘. der kanal führt, wenn man von osten nach westen fährt, von westen nach osten.

mit ee im büffet. sie ist eine charmante plauderin.

kain und fliesser kopieren einander, so dass sie mir schon auf die nerven zu gehen beginnen.
endlich wird es wärmer. dschingl in köln. schmidinger in anstalt.

[51] man sagte hebbel keine bühnenwirksamkeit und schwachen eindruck nach. agnes bernauer wäre das bedeutendste, aber es lässt kalt wie alle hebbelschen tragödien. er hatte für die liebe kein verständnis. darum scheint die liebe herodes-marianne künstlich aufgebläht. sie reden aneinander vorbei, er verwendet wunder zur schürzung des
knotens. in vielen beziehungen aber wäre er genial.
mit maria magdalena glaubte hebbel, selbst über schiller hinausgekommen zu sein.

[...]

majakovski:
erschein ich einst
in lichter zukunft
vorm parteigericht
über der bande
dichtender betrüger,
schreiber, kriecher
heb ich
als bolschewistisches parteibuch
hoch ins licht
all meine hundert
gut parteigebundnen
bücher

19.2.

und wieder schnee, schnee, schnee.

grims karl war da. der denkt gern, aber er frisst noch lieber, was natürlich zu lasten des geistes geht. und da er sehr abhängig ist von geld (vom geld seines weibes), fällt einem chruschtows sprichwort ein: wovon träumt die gans? von körnern.

22.2.

ee besuch. kein verkehr wegen geisseltierchen, die sie angeblich in ihrer scheide herumführt. sie treibt es eben zu sehr. dafür liest sie mir vor aus weigels 1001 premiere. seltsam, wenn man diese lobhudeleien über klinger und opel heute hört. was wurde aus diesen belobhudelten? nicht viel.

kein marxismus-zirkel mehr zu machen. entweder müssen sie zum mainzer karneval oder zu einem sogenannten ,heringschmaus‘. restlos glücklich sind die tiere an der gefüllten krippe. dazu aus dem radio ein neues schlummerlied für sozialpartner: ,danke für jeden neuen morgen, danke für deinen arbeitsplatz, danke, dass die sonne scheint‘ und und so weiter. kurzum, der arme hund soll dankbar sein, dass er am leben ist. umso lieber lässt er die grossen herren in ruhe.

[52] ee sagt, sie wäre mir sicher.
schön, wennʼs so bliebe. sie ist eine dankbare und praktische geliebte.

ekkehard dietrich inszeniert und denkt (wie er meint) nur noch politisch.
anschliessend metropol mit ee. dann zwei sekunden budweis, dann bis drei uhr früh bei bp, der seit tagen in trance ist durch seinen mühlviertler genever. eine menge leute sind da. die krankenschwester, le, ye, rf usw. allgemeines geschmuse. party dauerte drei tage. 12 liter wein, 4 liter genever. anschliessend auto-petting in aubergstrasse bei zwanzig grad unter null. kurz, aber herzlich.

asche und diamant – ein requiem auf polens ehemalige reaktionäre schicht. und auf einen kommunisten, der opfer eines fememörders wird, der aber auch nicht weiss, was er tut. erschütternd der schwere kampf in der seele des jungen, der den alten kommunisten killen soll.

mutter courage – eine für linz ganz vorzügliche aufführung, gleissner sass stumm ergriffen, als der schlusssong kam. lebhafter beifall. ein zeitloses werk, das den krieg anpangert und die, die ihm dienen, weil sie glauben, daran gewinnen zu können. er frisst sie und die ihren. warum organisiert sich die kirche nie für den frieden? weil die christenheit aus lauter kanonenfutter und kanonenlieferanten besteht.
wagner, der mitwirkende, sohn der courage, sah den film des berliner ensembles. daraufhin betrank er sich und wollte nicht mehr spielen. DAS kann man nicht nachmachen. benesch musste ihn suchen.
die gollmann als courage war sehr gut, trotz üppigkeit des leibes.
begegnung mit ee im garderobenraum des theaters. sie kam, rothaarig, strahlend auf mich zu, ging vorbei, nach einem kuss mit den augen. einige tage später schimpfte sie über jemanden: dieses arschloch. ich: ich finde dieses wort und das objekt so schön, besonders an einem mädchen, dass es mir nicht geeignet scheint als schimpfwort für einen dodel.
sie: da hast du recht. ich habe auch ein süsses. (ja, sie hat es mir schon gezeigt. es ist süss.)

[...]

nun fallen sie geeint über hochhuth her, der das zwielichtige wesen des papstes aufgedeckt hat (und des christentums).

[53] nachtzug: polnischer film, erregend eingefangene atmosphäre im zug, der durch die nacht an die see fährt. missverständnis um einen gesuchten mörder. liebesgeschichte im schlafabteil. am morgen löst sich alles auf.

freitag im ländlichen hotelzimmer anfang märz. leonding, tiefe ruhe, stiller friede. halbschlaf, alkohol, zigarettenrauch, sehnsucht, dicke klebliche vorfreude, um elf uhr kommt sie endlich. schreckliche nachricht: unwohl. aber es geht auch anders, doch so geht es auch. spät früh dann noch café tomaselli, müde und glücklich, langsam im tanz noch leib an leib, umgeben von jugendlichen. sie ist ein reizendes, charmantes, liebes und natürliches mädchen.
grosser seufzer: warum nur versteht man in der jugend so wenig von liebe. diese grosse kunst müsste gelehrt werden, dieses auskosten jeder pore des andern, leib an leib und kein ende in hunderttausend variationen.

13.3.

vor 25 jahren okkupation durch deutschland. und das grauen begann, da schauten die österreicher blöd aus der wäsche, als es kanonen statt butter gab und die monopolindustrieherren den kleinen arbeitern das tanzen nach der kapitalspfeife lehrten.
dieser betrug mit ‚national-sozialistisch‘.
und die nazis: wasseräugig, bartlos, schwammig im gesicht.

kubovsky wieder schriftführer im maerz. vereinsmeier.

unsere reise nach nimes rückt näher.

was ich zur okkupation vor 25 jahren zu sagen habe, steht alles im roman die drachensaat.
im radio heute von elf bis 11.15 schubert, gedenkminuten mit schärf-rede und hymne.
und schuberts deutsche tänze entwendeten das österreichische wieder, weil es wieder die unglückselige gedankenverbindung bei einfachen menschen ‚das ist alles eins‘ herstellt.
und ich werde vierzig.
was erreicht? jedenfalls ein schweres, ständig um luft und anerkennung ringendes leben.

14.3.

bei jalkotzy. diskussion mit höfer, der konservativer als je ist. morgen kommt eewieder, von 5–6, sie will es knieend probieren. die jugend heute praktiziert den geschlechtsakt wie eine sportveranstaltung. das ist ungeheuer praktisch. man kann sich sogar ‚einschreiben‘ lassen, also voranmelden, wie einst zum tanz. und bei manchen mädchen hat man den eindruck, sie ergreifen jede gelegenheit zum verkehr, um abzumagern. geschlechtsverkehr als abmagerungskur.

[54] zum x-tenmal. sie liebt es, während des klimax gepeinigt zu werden, sie liebt obszöne bezeichnungen für ihre schönen details, da verdreht sie die augen und vibriert mit ihrem zentrum. lebhaft mit ihren 22 jahren.

nun haben sie wieder ihren mord an einer elfjährigen ballettschülerin. nun ist die ‚bürgerliche moral‘ wieder aus dem häuschen, die massenverbrechen so gleichgültig hinnimmt, wenn sie an fortschrittlichen elementen begangen werden, die aber in tränen ausbricht, wenn ‚a klaans maadl‘ von einem kranken menschen ermordet wird. sicher auch traurig, aber die zweiseitigkeit dieses mitleids ist so ekelhaft. sie haben jedes gefühl für recht und moral ohnehin verloren. oder besser, für jedes recht und moral als das bürgerliche. und die ist pervers entartet, einseitig, totalitär.

rg. er ist klüger geworden. natürlich, er hat ja den professor gemacht. aber er ist konservativ bis in die knochen. dieser den menschen so demütigende zustand, wenn man ihn doch operativ beseitigen könnte wie eine krebsgeschwulst. und wie denn anders ist sie als eine solche: nämlich tödlich für das menschliche im menschen.
‚wir sind halt nicht für revolutionen, sondern nur für evolution, darin hat goethe uns bestärkt.‘ immer dieser goethe, den man auch von der gegenteiligen seite zitieren kann. sie glauben an ihre unveränderliche gartenlaubenwelt und halten krampfhaft daran fest.
und rg, als professor, wird seinerseits wieder hunderte seiner schüler systematisch verknöchern. krank machen, böse, lebensfremde, weil konservative tiere aus ihnen machen.

erinnerungen: vor 25 jahren. reden, aufmärsche, musik im radio. selbst friedrich heer aber unterdrückt das wort ‚kommunisten‘, die damals die grössten opfer gebracht haben, am weitesten sahen, die klügste politik vorschlugen, nämlich die heute praktizierte, die den nazis keinen boden lässt: koaliton der roten mit schuschnigg und seinen leuten, also der VF.
sie reden also salbungsvoll im fernsehen, aber kein hartes oder eindeutiges wort verlieren sie. das bundesheer steht stramm, kinder hopsen hinter den neugierigen ‚liabm wienern‘ herum und keine dokumentaraufnahme von damals, wie man alte frauen, greise, kinder quälte, demütigte, bespuckte, mit fusstritten malträtierte. das wäre zuviel (lassts do di vagangenheit ruhn).
unsere marionetten, die österreicher, haben nur stroh im hirn.
‚hier geht es aufwärts, hier ist gut sein, in diesem schlaraffenland, dieser schlachtschüssel.‘ geistigen auseinandersetzungen, schon dem konsum von büchern oder anders gerichteten zeitungen gehen sie aus dem weg. bier her oder i foi um. so weit kann eine massenbeeinflussung die menschen bringen, zum genormten einheitsbürger. diktate der wirtschaft nehmen sie hin wie blödiane. teuerung, zinserhöhung, alles geht ‚in urdnung‘.

[55] bald beginnt die reise nach nimes. ee wollte mitfahren. hätte zwar eine stange geld gekostet, hätte sich aber andererseits bezahlt gemacht durch freien konsum nach wunsch und wahl. leider aber sagt sie plötzlich ab.
sie macht mich rasend mit ihrem gehabe, als hätte sie täglich ‚einen andern‘. die augen hinter dunklen brillengläsern verborgen, damit man die lustschatten nicht sieht. andererseits zeichen starker anhänglichkeit. und worte wie: wenn ich nicht mitfahre, komme ich natürlich vorher zu dir, denn zwei wochen, das ist doch zu lang. sie fühlt sich also zum sexualdienst verpflichtet mir gegenüber. meint sie es ehrlich? lügt sie?

betrachte klingers ‚steilen aufstieg‘ mit la sera. wie weit ist management für autoren wichtig? er wurde dramaturg, um in theaterkreisen zu sein und so die möglichkeit zu haben, seine stücke durchzusetzen. dann fiel ihm nichts mehr ein.
mir fällt immer noch was ein, bin fleissig, mache gute, interessante arbeiten, die durch mehr aufführungen besser werden könnten (meine art zu arbeiten), aber ich habe nicht die verbindung, also?
kukli nützt auch beredsamkeit und klugheit nichts. bis jetzt ist nur la sera draus entstanden, eine bearbeitung.
ich bin zu sehr auf die meinung festgelegt, dass kunst sich von selber durchsetzt, wahre kunst und wahres können.

von einem gewissen maas erschien vor ostern in den o.ö.n. ein artikel bzw. eine kritik über eine anthologie von milo dor. darinnen stünde nur, was man ohnehin von vielen anthologien kennt. und es wäre dies eine clique, um verlage und um sich selber geschart. und ‚es fehlten leute wie wiesinger, kain und heinz.‘ naja, heinz mussten sie ja wirklich nicht dazunehmen. im grunde sind das alles gemeinheiten, wie doderer sagen würde.

[...]

orgie zur feier des grossgasteiger buben. das sind noch so rudimente feudaler vergangenheit. der thronerbe wird gefeiert, und ist der vater doch nur ein konditormeister. die leut haben keine massstäbe vor einfachheit. als wäre es ein persönliches verdienst, wenn es ein bub wird. die männer heulen, weiber ringen die hände, und alle besaufen sich ‚vor glück‘. das dienstmädchen hatte alkoholvergiftung und merkte nicht, dass ich ihr im beisein der schwager das innere blosslegte. wir starrten alle drauf wie auf ein wunder. (und ist doch jede ähnlich.)

das war schon nach der nimes-fahrt. auf dem rückweg in ibk. kurt fuhr mit zug bis linz weiter, die provence-reise war ein erlebnis. ein [56] (26.3.) wunderschönes land. nizza, am strand. die camargue-durchquerung. avignon und arles. marseille und monaco.
nach rückkehr erste reise mit ee ins mühlviertel. drohende stimme: ich habe dir was zu sagen.
gespräch über kindersegen. (wenn das ein segen ist. sie ist aus allen wolken. ich auch.)
man wird was tun. verzweiflung gross. scherereien ohne ende stehen bevor. man wird einmal unerwünschte kinder in krippen abgeben können, und weder mutter noch vater haben mehr last zu tragen als die der
zeugung und die des austragens. kinder gehören ohnehin allen, sind staatseigentum so oder so, früher oder später. einst und morgen.

stadtgespräche im fernsehen. ein eigenbrötler mit büchel fällt auf, in das er immer mit todernster miene notizen macht. bedauerlich zu wissen, dass man einmal selber so ein gschaftelhuber war.
schaumschlägerei das alles.

[...]

hotel scharmüller, herrliche nächtliche stunde. sie lag, ich sass vor ihr, eingekoppelt. lange so, bis zum klimax. dann ich liegend, sie reitend, mit gummi. die luft ist schwül, die nacktheit begeisternd, die liebesgenüsse zerreissend. man möchte stöhnen und sterben vor glück. wie schön so ein mädchenleib ist. der frühling kommt.
noch einmal, geliebte.

grims war wieder einmal da. wir gingen ins froschberg-kino. goldrausch. unübertrefflich und unübertroffen.

18.4.

frau grims war zu besuch. nette ältere dame geworden. ihr otti ist noch immer ihr herzkratzerl. beim gespräch über die nazizeit, unsere haftzeit (wegen zersetzung der naziwehrmacht), unsere gerichtsangelegenheiten und dergleichen hält sie auch heute noch in einfältiger verkennung der zeiten daran fest, dass ihr otti unschuldig war. als lauerten heute noch nazispione an den türen. wir wussten damals als 18-jährige ganz genau, dass wir die andern aufhetzten gegen einen verhassten staat und seine verhassten vertreter, scharführer, obersturm und so weiter. als schämte sich diese thumbe frau heute noch, dass ihr sohn gegen den nazismus war. manche menschen lernen nie dazu. ihr sohn war ein kleiner held, sie macht einen dummkopf aus ihm.

19.4.

ilse und inge waren da. netter abend bis zwei uhr früh mit enzensberger-platte. presley und vivaldi. ilse ist noch reifer und [57] hübscher geworden, eine anziehende dame.

[...]

gorki: der sozialistische realismus zeigt im gegenwärtigen das kommende.

hollitscher: nicht ob man abstrahiert, sondern von was ist die frage. (!!!)

körnerpreis an eisenreich (!!!), den ultraschwarzen, und rudolf.
die schwarzen sind nicht so grosszügig mit ihrer preisvergabe.
wahl am sonntag.

24.4.

walter empfahl salhumin.

[...]

welch ein leidensweg, von arzt zu arzt. die kleine frau in falladas roman: kleiner mann – was nun? man muss sich bei hundert ärzten entblössen, ehe einer was tut. überhaupt schöne frauen.
lohnt sich das?

[...]

hollitscher-vortrag:
4einhalb bis zweitausend millionen jahre dauerte es, bis sich aus ozongasen in elektrizität und u-strahlen in der sogenannten ur-bouillon die ersten coazervat-tröpfchen bildeten. derartige versuche in glasballons wurden bereits gemacht. es entstanden aminosäuren, die die grundlage der eiweissbildung sind.
bei diesem vorgang wurde wasserstoff frei, der dann für die bildung des atmosphärenmantels diente. und sauerstoff.
es gibt viele sterne, die ‚planetenverdächtig‘ sind. der nächste planet, der proximocentaurus, ist drei lichtjahre entfernt.
mit hilfe von laser wird man signale senden können.

29.4.

die wahl des bundespräsidenten ist vorbei. schärf wurde mit 55% der stimmen gewählt, die zahl der ungültigen ist gestiegen.

die steyrer sache ist vorbei. kostete 1500 ös und viele fahrten mit der schwangeren und mit der operierten zwischen den städten hin und her.

edlinger, ein bonze der spö, war es, der mir den weg zur dentisterei verlegte. aber ich bin ihm nicht böse. freue mich nach wie vor, dass ich dem arroganten dummkopf meine meinung sagte. er ist gewohnt, dass junge dentisten auf dem bauch zu ihm gekrochen kommen, weil ja ohne kassen keiner leben kann. da wurde er wütend, weil einer (ich) offen [58] und unbekümmert (frech nennen sieʼs) mit ihm redete, bekam einen roten kopf und warf mich hinaus.
von so einem hinge man als dentist ab. schauderhaft.
dabei hat er meines vaters kassenberechtigung schon an ein weib weitergegeben.

ein vorstandsmitglied der metallindustrie in der brd verdient im jahr 350.000 dm.

[...]

die österr. sozialdemokraten verlieren mehr und mehr das profil. sie sind bald alles und nichts mehr, je mehr sie ihre reihen öffnen und von der kaderpartei abgehen. kunz ist ein amerikofaschistischer fanatiker, der von arbeiterleben keine ahnung hat. sie werden stimmen verlieren.
mich widert dieser ganze österreichische zirkus schon an.

was wird nicht alles hineingeheimnisst: macht der triebe, gewalt der sexuellen wünsche, allerlei metaphysisches und mystisches.
die sache ist viel einfacher: man gebrauche irgendein organ nicht, und es verkümmert. jedes organ für sich drängt zur beschäftigung, auch das sexualorgan. man sollte es so natürlich und gerne und oft gebrauchen wie die zähne zum kauen, die hände zum greifen, die ohren zum hören.
natürlicher, durch keine spiesserischen (neidvollen) vorurteile getrübter verkehr, wann immer man lust hat. dazu gehörte auch die promiskuität, denn zwangsmässiger verkehr mit immer dem gleichen partner stumpft ab.

30.4.

kubovsky ist dagewesen. auch er gibt sich empört über die art, in der bei uns preise verteilt werden.
man müsste preise bekommen, meint er, weil sonst das selbstbewusstsein des künstlers erlahmt. möglich. mich betrifft das nicht. mein selbstbewusstsein ist gross genug, oder mein wissen um die gesellschaftlichen zusammenhänge, die mich klar erkennen lassen, was für ein dreckiges spiel da getrieben wird, ich arbeite auch ohne preis weiter.

wahlerfolg der kommunisten in italien. um mehr als 5 prozent haben sie mehr stimmen bekommen auf 27,5 prozent der gesamtstimmen. mit den linkssozialisten haben sie gemeinsam vierzig prozent aller stimmen.
ich muss den italienern abbitte leisten. sie sind ein feines volk.

[1] (Anm.: Nummerierung beginnt hier von Neuem)

nach eintritt in partei vor einem oder zwei jahren (ungefähr) mehr und mehr versuche der agitation und dadurch unweigerliche konfrontation mit dem heutigen österreichischen menschen, der nur noch sprachrohr der grossen boulevardblätter ist, die regierungsparteien gehören und entsprechend gelenkt sind. ein masse-mensch ohne eigenes denken. er betet die zuckerknute an und findet alles gut und vertretbar, wenn es nur die usa oder ein pfaffe machen.
oder ein terrorist des bsa, pardon, bas, befreiungsaktion südtirol. immerhin einmal eine reise nach provence bzw. in die provence.
mit kurt.
er war krank. beinahe hätte er nicht mitkommen können. aber an einem sonntag ende april etwa um halb zehn – er kam natürlich wieder verspätet zum treffpunkt, der weichling und egozentrist – fuhren wir gemütlich los. kalter regen, nebeldunst. autobahn bis salzburg. erste blasenentleerung bei schloss klessheim, in dem lange zeit amerikaner ihr unwesen trieben. etwa halb eins station in rosenheim bei paula in ihrem verschimmelten milieu mit dem emigrierten russen. diese emigranten, man könnte sie durchweg gesindel schimpfen, wenn nicht ein gelinder prozentsatz von ihnen, manchmal, positive seiten zeigte.
paula nun lebt mit ihrem russen in einem proletenmilieu der dreissiger jahre. viele leben so in western germany, nur merken sie es nicht, weil sie vorm haus meist ein auto stehen haben, ein gebrauchsmittel, das für ihre verhältnisse teuer ist, für kapitalistische verhältnisse aber billig und leicht zu erwerben, und das ihnen darum ‚wohlstand‘ und ‚besitz‘ vorgaukelt.
paulas kinder sprechen deutsch UND russisch. er kaum deutsch, obwohl seit 20 Jahren in deutschland (seit seinem 16. lebensjahr). in diesem block wohnen nur russen mit ihren frauen. sie haben angst vor gedrucktem aus der ddr oder der su, denn die polizei überwacht diese blocks regelmässig und genau. er darf nichts östliches lesen, und das nennen sie ‚freiheit‘ – überhaupt ist alles auf krieg eingestellt. der aufmerksame reisende merktʼs. panzer, amikolonnen, verkehrstafeln, auf militärfahrzeuge spezialisiert. – weiterfahrt.
bei dachau strich ein ‚witzbold‘ das c im wort durch. das heisst nun da hau, und ist lustig (?). makabre scherze der urgermanen, die sicher manchem übermenschen ein lachen entlocken aus freier breiter brust.
schneestürme.
[2] nach augsburg zehn zentimeter hoch schneematsch. uns überholende autos liegen bald links und rechts in den gräben oder an den leitschienen, auf wiesen und wäldern. viele dutzende. eingebeult, zerdrückt, verkeilt, umgekippt.
wir flüchten von der autobahn nach zusmarshausen. weiterfahren hätte keinen sinn. selbst wenn wir selber nicht rutschen, könnte unschwer ein anderer auf uns aufrutschen und die fahrt in die provence wäre beendet.
abends beim essen (und bier) bibelforscherin mit mann kennen gelernt. wir vier agitieren aneinander vorbei. sie spricht drohend vom armageddon. schliesslich vergnügt zu bett. wir haben etwa 400 km hinter uns gebracht.
anderntags von ulm ab erst um etwa halb elf, denn wir waren beide müde vom alkohol. elender frühstückskaffee. was verstehen die piefkes eigentlich von kaffee oder unter kaffee?
in tuttlingen rast. die gegend, die wir durchfuhren, war in den bauernkriegen 1522–1525 heftig bewegt von bränden und verfolgungen. und es waren die kleriker und adligen, die ihre brutalsten mordinstinkte an den naiven und vertrauenden bauern austobten, die nur im überschwang brutal wurden oder im rausch. die mordlust der rechten ist ihr inhärent. die morde der linken sind immer bittere notwendigkeit oder zufall. das kann man durch die ganze geschichte verfolgen, wobei links – wie logisch – für die fortschrittlichen kräfte steht und rechts für die bremsenden kräfte.
nach der halsentzündung hat sich zu kurts krankheit eine nierenschmerzen-geschichte gesellt. in tuttlingen rast um 13.00. wir lassen ihm nierentee bereiten.
auf der fahrt manchmal donau sichtbar. ein klaanes bacherl. dichter nebel nach fribourg.
an der grenze. der franzose fragt, was wir in marseille wollen. komische frage. keine gepäckskontrolle.
weiter nach süden, die grenze entlang, auf der französischen seite.
mülhausen liegt im zwielicht. wie ein bild eines impressionisten malt sich die bunte reklamebeleuchtung, elektrisches licht, verkehrsampeln mit grün und rot auf dem hellgrauen dunst der dämmerung ab.
bezaubernd. die menschen bewegen sich. ich sehe sie undeutlich aus dem fahrenden wagen, da ich auf den verkehr achten muss, der heftig ist um diese ladenschlusszeit.
bei einem auto-caravaning stellen wir uns ran und kampieren im auto. das wohnwagenlager stellt sich als zigeunercamp heraus. es nieselt.
360 km gefahren. das ist ja sehr gemütlich.
dienstag ist ein herrlicher tag. weiter mit schwung und froher laune nach süden. die luft ist mild, kurt geht es gut.
[3] starker eindruck von belfort. marschierende und exerzierende soldaten da und dort zwischen starkem, bemoostem mauerwerk.
wie unsinnig heute forts sind, wie unsinnig überhaupt kriege.
rhonetal, ein autostopper wird mitgenommen.
rast in besancon am hauptbahnhof. erste karten nach linz. herrliche strassen, hier in france. die luft kräftig und doch lind. die preise sind hoch und wir noch neulinge in diesem land.
um 15.00 weiter von besancon. in st. villard wird getankt, der tankwart hatte einen österr. kriegsgefangenen, der ihn im letzten jahr besuchte. lyon. Nun sind wir auf der sonnenstrasse. in lyon wilder wirbel, wüster betrieb, ein geradezu manischer verkehr. man könnte angst bekommen vor den links und rechts vorüberrasenden tankern und anderen fahrzeugen.
route du soleil. in vienne einkaufen.
wir suchen nach campingplatz. erste schaumflächen des rosaroten mandelbaums, der blüht. welche düfte in dieser luft. ich liebe dieses land.
links ab, etwas plötzlich, nach chateau du senaud. rechts, an der rhone liegen andance und andancette.
ein netter campingplatz in diesem schloss auf den schlossterrassen, auf die man gelangt durch einen dicht bestandenen alleeweg. fast feudal. etwas teurer als sonst, aber schön und praktisch und bequem mit aufenthaltsraum, kochraum und dergl. 413 km haben wir hinter uns gebracht.
zelt aufstellen, auto herrichten für die nacht. spaziergang. abkochen. schlafen.
anderntags bei herrlichem sonnenschein weiter, es ist mittwoch. kurt leidet nun an verstopfung.
hier beginnt nun also die provence. kleine braune häuser mit grau-roten ziegeldächern, buchsbaum und färben überall. im sommer ist hier alles rotbraun verbrannt.
abstecher nach pont d’esprit.
eine schöne alte brücke. uralte häuser. alte festung. der schmutz rinnt auf der strasse, in den ‚rinnsteinen‘. darum heissen sie ja so. direkt aus den häusern heraus. zwei mineure sammeln für den bergarbeiterstreik im alsace für den streikfonds. wir geben jeder einen neuen francs. sie tragen ihre minenhelme und bekommen überall. eine gruppe jugendlicher sammelt ebenfalls. dieses volk hält zusammen.
in einer alten kirche ist eine autoreparaturwerkstatt eingerichtet. sicher gibt es das auch im osten, da kirchen mehr und mehr entbehrlich werden. nur wird es dort durch jeden westlichen reisenden und antikomm. propagandajüngel aufgeputscht.
[4] mittag in orange. besichtigen erregt das alte römertheater. aber was sind schon zweitausend jahre altes leben? kultiviertes leben.
weiter nach avignon, wo wir gegen zwei uhr eintreffen. ich mache stadtbummel mit kurt, er besucht dann den papstpalast, während ich mich am rhone-ufer strecke und tee koche. die sonne brennt nieder. besuch der alten brücke, die im bekannten lied besungen wird, die rhone ist hier schon ein gewaltiger strom.
mächtig und eindrucksvoll erhebt sich der palast der päpste, die hier blutige rache an ungläubigen genommen haben, an ketzern, herätikern, an den albigensern, waldensern und katharern. gerade in der provence hat die inquisition (unter richelieu) blutbäder ohnegleichen angerichtet.
durchs zigeunerviertel.
weiter nach nimes. neben der arena parken. schwierig parkplätze zu finden. wir suchen die polizei auf und fragen nach theodore. er hat geheiratet und ist in den pyrenäen.
beeindruckt vom amphitheater, der stadt und ihrem leben und nachdem wir spiritus für unsere kocher gekauft haben, weiter auf suche nach einem schönen zeltplätzchen. so gelangen wir schliesslich wieder gegen sieben nach arles. eine bezaubernde kleine stadt, die stadt van goghs, auf den campingplatz des rosiers. 260 km.
nach dem abendessen spaziergang. in der stadt pastis, in einem vorstadtbeisel noch ein gutnachttrunk. man isst artischoken mit der den franzöischen arbeitern eigenen eleganz. ein kultiviertes volk. der kantineur hat den moskauer sender eingeschaltet. hier haben arbeiter würde, selbst- und klassenbewusstsein, nicht jenes lächerliche kleinbourgeoisehafte, das stinkt nach möcht gern und kann nicht.
kurt ist allemalen entsetzt über die bierpreise, zumal das bier in winzigen fläschchen kommt. trotzdem ist er von seinem ihm lieben brauch nicht abzubekommen.
donnerstag ruhetag im camp des rosiers in arles. das tut gut. wir liegen am vormittag in der sonne, ordnen unsere sachen und gehen nachmittags auf stadtbummel.
kurt hat eine mücke entdeckt, das bringt ihn fast zur raserei. er ist ein unterhaltsaner reisebegleiter.
(oje, mücken, de hab i scho gfressen.)
nach dem mittagessen ausflug in die camargue. st. marie de la mer ist verlassen, um diese zeit, es liegt am strand, am meer, mit einem süssen kleinen wallfahrerkirchlein, von dessen dach aus man weithin über das mündungsgebiet der rhone sieht. die camargue, die mehr aufwald-charakter hat und von flamingos bewohnt ist, von wilden stieren durchwandert wird und von schafen, die mit ihrem schmutzigen graubraun wie felsen aussehen.
[5] schäfer im dichten pelz, sitzend am wegrand, sinnierend. pferdestationen, in denen man pferde mieten kann um 8 fr die stunde. aber die armen dürren klepper tun einem leid.
kleines fischerstädtchen, das kaum einige hundert einwohner zählt, im sommer aber auf tausende anwächst durch die fremden und im mai durch die zigeunerwallfahrt. es gibt prächtige villen und viele buden mit vielem kitsch. man ist hier auf nepp eingestellt. cowboyhüte, hosen und jacken vor allem. die gut gewachsenen mädchen zwängen gerne ihre bezaubernd prallen gesässe in so enge hosen, als wollten sie locken: schau, was ich da hinten hab, eingang zum paradies. so promenieren sie dann mit wippenden hintern und brüsten, mütter und töchter.
unmittelbar am meer campinglatz, aber mit erst neu gesetzten bäumchen, die kaum schatten spenden.
wir fahren direkt durch die camargue auf verdammt miesen wegen, eigentlich pisten, mit turmtiefen schlaglöchern. über die rhone, nein, das ist nur ein nebenarm, das kann nicht die rhone selber sein. die rhone fliesst zudem hier überhöht durchs land, das links- und rechtsufrig tiefer liegt als der fluss. wir sehen eine herde wilder stiere mit ihren wächtern, den lanzenreitern. die tiere werden hier für die stierkämpfe aufgezogen. wir überholen eine autokolonne mit uralten amerikanern an den lenkrädern. ein us-altersheim auf europatrip.
gegen 18.00 zurück.
nach dem abendessen ins abendliche arles. lokalsitzen, leut anschaun. 107 km.
nachts gewitter und heftiger regen.
freitag wieder weiter. 5. april. wir fahren gegen 12 uhr ab nach marseille. kurze rast in aix. platzregen. kaffee. um halb drei in marseille ein bezaubernder kleiner und ein imponierender grosser hafen und draussen ile d’if. in der altstadt am vieux port im hotel meridian bekommen wir quartier, in der rue paradiso. abendbummel, einkaufen, manchmal getrennt. immer aneinanderkleben ist widerlich auf die dauer. sparen müssen wir beide schon. es langt nur für eine fischsuppe in einem nobelrestaurant. wage kaum brot zu nehmen, parkplatzsorgen. das also ist der alte hafen von topace, marius und panisse, fanny.
kino: wer war die dame?
samstag: regen. mit autobus hinaus auf corniche. dort wirft das erregte meer schwarzbraune schlammfluten auf die dämme und an den strand.
nachmittag mit auto hinauf auf notre dame du gard, so weit wir den weg finden. es ist kompliziert. in der kirche stehle ich zwei ruder von den votiven der gläubigen. man hat eine herrliche aussicht von hier oben. der hafen und die vielen schiffe, dann in den park du pharo. dann auf den bahnhof, geld wechseln. und dann gegen abend in [6] grosskaufhaus kleine einkäufe für unsere frauen. vor allem die winzigen französischen slips kaufen wir immer wieder gern in den appetitlichen zuckerlfarben. als wäre mit dem in-händen-halten so eines winzigen dings schon der wunsch erfüllt, auch den inhalt zu befühlen. leider nein. wir haben doppelbetten und es wäre belebter drin mit einem weib wenigstens.
fremdenlegionärskaserne im park du pharo, und wissenschaftliche institute.
abendessen – wir haben wieder geld – im chez alvette. es kostet 6 francs, die franzosen sagen immer sechshundert, weil sie sich von der alten währungseinheit nicht trennen können. verwirrend.
sonntag endlich sonne.
fischmarkt am hafen. nous sommes en route. es macht spass, wieder zu fahren durch ein unbekanntes land.
und wir sind heil rausgekommen aus dem marseiller verkehr. auch ein glück.
die fischer tragen alle grellgelbe oder grellrote südwester.
abfahrt 10 uhr.
ich hatte mich verfahren, verirrt, dadurch gerieten wir auf einer unglaublich schlechten uferstrasse durch immer enger werdende gassen schliesslich in ein winziges fischerdorf in einer winzigen bucht.
die boote sind alle auf eigenen gleitvorrichtungen auf den etwas steilen strand hochgezogen. ein autobus steht auf dem kleinen hauptplatz. zehn oder elf häuschen. nur eingeweihte finden hierher.
st. tropez.
hier treffen sich die verrücktesten und sehnsüchtigen. dieses kleine, unbedeutende fischernest in nicht einmal besonders schöner lage ist überschwemmt von hysterischen damen jeglichen alters, die hier das ‚grosse glück‘ suchen oder sonstwas. vielleicht auch nur ein kleines abenteuer.
prachtvolle yachten stehen im hafen.
bb hat dieses nest bekannt und berühmt gemacht. der name allerdings ist in sich werbewirksam. er zergeht auf der zunge und hat exotischen reiz. st. tropez. der name ist genial.
die damen sind entsprechend aufgedonnert, wie sie glauben, dass es sich für so einen celebren ort gehört. sie haben ja ihre bildung meist aus illustrierten, von denen in der woche in westdeutschland 20 millionen erscheinen. dazu gibt es 12 millionen fernsehgeräte, die die ‚politische bildung‘ übernommen haben, und nur 360.000 theaterplätze. aber zurück zur cote d’azur. die preise sind hier sehr sehr hoch, klar, wer vom film entdeckt werden will, zahlt sie fleissig. wir aber fliehen bald wieder.
wie die franzosen auto fahren, ist weltbekannt. gut, vorzüglich, gentlemanlike.
[7] sie haben nicht den ehrgeiz der deutschen, die schnelleren, stärkeren oder gar ‚klügeren‘ sein zu wollen.
st. raphael, st. vallerie, pardon vallauris. mit einer riesigen tafel an der abzweigung: zu picasso. hier kommt viel geld vorbei. rast in le rayol. nizza in sicht, wir zweigen ab ans meer, und neben einer schutthalde mit verdrecktem zigeunernest und barackenspelunken für zigeuner ist eine liebliche kleine oase von einer deutschsprechenden dame als campingplatz eingerichtet. camp au flot bleues. das alles ist auf einer aufschwemmung der var.
drüber der var ist ein flugplatz. man hört in regelmässigen abständen das dröhnen landender oder aufsteigender passagiermaschinen. nachts ist gott sei dank etwas ruhe, gegenüber der grossen bucht ist das hellerleuchtete nizza zu sehen, ein erlebnis. spaziergang durchs lagerfeuererhellte zigeunerlager. sie werfen steine nach uns, wir ziehen uns diskret zurück.
die bucht ist eine strahlende perlenkette.
300 km.
die flugzeuge landen wie dicke brummer, senken schwer sich nieder, müssen noch über dem wasser sehr niedergehen. stelle mir vor, wie schwierig die landung auf solchem flugplatz ist.
ohne es zu wissen, wählten wir auf der herfahrt eine route, die uns etwas ins dicht bewaldete innere führte. eine romantische, kühle, serpentinenreiche kleingebirgsgegend.
montag, ruhetag in nizza am strand. nachmittags besuch nizzas. wagen abschmieren lassen, einkaufen. bummeln. wir kämen sonst zu bald nach hause.
am strand erklärt mich die kleine, dreijährige, süsse annesophie zu ihrem liebling und klettert ungeniert auf mir herum. die kleine ist so süss, dass ich kindervazahra verstehen könnte. der opa ist schon sehr eifersüchtig.
in nizza neben service auch geld wechseln. das macht ein russe, der sehr freundlich ist und zur chefin gospodina sagt.
hier stinkt alles nach geld. ein uraltes ehepaar mit einem ford 1916 fattert stolz durch nizza. beide schwarz gekleidet, er mit strohhut, sie mit schleier.
abends wieder spazieren am ufer. der anblick nizzas ist zu herrlich, die franzosen sind originell mit ihrer vornehmen schlamperei.
dienstag ungewisses wetter. etwas windig, aber sonnenschein.
schwerer abschied von unserer kleinen sophie. sie weint in meinen armen und möchte, dass ich bleibe. so gross, dass sie mit mir ginge, ist die liebe auch wieder nicht. abfahrt um neun.
nizza, monaco, san remo, san menton, hier stinkt alles nach geld, ich muss es wiederholen. die corniche la bas, en haut und an dazwischen.
[8] eben, en moyen.
langer aufenthalt an der grenze zu italien. dann zweihundert km uferstrasse bis genua. es regnet. zehntausend lastwagen sind zu überholen, sie stinken, schlingern und blockieren die strasse.
in genua – sparsam – spaghetti. kurt lässt seine baskenmütze liegen, obwohl er mich ersuchte, ihn zu erinnern, ich vergass auch.
ich vergass auch, toulon zu erwähnen, den imposanten kriegshafen.
mit den vielen usa-schiffen, der polyp amerika hat seine krallen über die ganze welt ausgestreckt.
milano. mautstrasse. 25 ös für 100 km. wir sind empört, aber es nützt uns nichts. weiter, weiter. regen, regen, nacht, hunger. wir essen schnell im auto eine kleinigkeit. milch, brot, bananen. kurt möchte wieder geld verschwenden in einem gasthaus. ich bleibe hart.
am gardasee, nachts, auf einem kleinen rastplatz machen wirʼs uns im auto bequem. der regen trommelt auf das dach. wir schlafen herrlich. als wir erwachen, ist der neue tag da. gestern 488 km.
sonnenschein. gardasee entlang, orangenplantagen, erste früchte, gelbsonnig, werden angeboten.
in bozen pasta asciutta.
weiter zum brenner. an gebirgsfluss rasiert, gewaschen, zivilisiert und gekocht.
bei innsbruck starker föhnsturm, der das auto rüttelt wie ein flugzeug. innsbruck. 277 km.
kurt fährt mit bahn nach hause.
es war eine herrliche reise. nur den duft seiner c bringe ich lange nicht mehr aus dem wagen.
zwei tage noch mit den verwandten. ich habe so wenig beziehung zu ihnen. öde und fad.

2.5.

spaziergang auf dem pöstlingberg. es tut ihr leid, was mit dem hartig alles war, sagt sie. aber sie findet keinen anderen, weil er soviel geduld hat und sexuell so ausgiebig ist. das liebt sie an ihm. trotzdem beschluss für kleine orgie nächste woche.

4.5.

grosser wahlsieg der kommunisten in italien. aber die regierung lehnt öffnung nach links ab. das freut die engstirnigen.
party bei kubovsky. robert gross in fahrt, neuer slogan. keine feier ohne meier. eigentlich mayr.
kubovsky negiert alles, was er nicht versteht. das gibt ihm das (fl)air eines klugen, fixen denkens, ist aber in wahrheit nur selbstschutz. nichts einfacher als alles abzulehnen, was an einen herangetragen wird. und was man nicht versteht, in frage zu stellen, und dafür in kompensation die eigene weisheit, und wäre sie noch so klein, zu servieren.
er nimmt prinzipiell keine äusserung des gesprächspartners auf, sondern [9] denkt schon an eigene entgegnung, während der spricht.
kleine orgie. anfangs er mit nacktem unterleib und sie mit nacktem oberkörper, dann beide ganz nackt. zuerst melange, dann doppel.
die lehrer verderben ganze völker, indem sie die schuljugend verderben: indem sie dieser beibringen, dass sie in einer vollkommenen welt leben. sie glauben es. müssen es glauben, denn daheim ist meist doch alles in ordnung. und was nicht stimmt, nicht richtig ist, sozial falsch, das wird vor ihnen verborgen. so wachsen sie auf und werden treue apologeten des ekelhaften systems kapitalistischer herrschaft.
42 millionen organisierte kommunisten auf erden stehen 12 millionen sozialdemokraten gegenüber. das sind sozialisten ohne perspektive und unter kapitalistischer gängelung.
und die so erzogene schuljugend hält einen kommunisten für einen abschaum und massenmörder.
klassen sind ökonomische gruppen, bei denen nicht die höhe des einkommens, sondern die art des einkommens massgebend ist (marx.
unten die breite schicht der arbeiter und angestellten, die arbeiten, darüber die beamten, die befehle der herrschenden weitergeben.
dann die selbständigen und gewerbetreibenden, heutzutage schon arme teufel, die das grosse monopolkapital aufsaugt, sukzessive.
darüber die hochfinanz, das grosskapital, die hohe industrie, die internationalen monopole und konzerne.

wieder keinen körnerpreis bekommen. abgelehnt.

5.5.

nachts rufe ich: ee, komm endlich. eva ist deshalb beleidigt.
neun tage eines jahres, sowjetischer film von intellektueller kühle und moderner thematik. sehr sehenswert.
ilja sagt, nachdem mitja ihn wegen seiner güte gerühmt hat: im übrigen wird der kommunismus von gütigen und geduldigen menschen errichtet.

6.5.

der geschlechtsverkehr ist eine so natürliche sache, dass jede einmengung durch moralische, ethische oder andere gesetze nur widernatürlich sein kann. überhaupt alles geschlechtliche, auch das, was dem scheinbar normalen abnormal vorkommt. nur eine falsche erziehung führt menschen so weit, dass sie aus eifersucht morden oder gift sprühen können. es gibt keine verpflichtung zu sexueller treue. jeder mensch hat das recht, seine triebe zu befriedigen, wie er kann und mag.
ein brief, der nie ankam. ein erregender film um geologen in sibirien, die in tundrabrand umkommen.
le meldete sich wieder einmal, schaut aber nichts bei raus.
scheidung auf italienisch. der film bringt vor allem die jugendlichen in einen taumel. der film wurde auch gut vorbereitet, aber es sind [10] nur geschmacklose mordszenerien. hervorragend jedoch der hauptdarsteller marcello mastroianni.
den film ein brief, der nie ankam nennen sie ‚edel und ideal‘, dabei schildert er nur die natürlichen gefühle von vier aufeinander angewiesenen normalen (menschlichen) menschen. hierzulande und überhaupt, im christlichen, freien abendland, kann man sich nur noch monstren, bestien, banditen und verbrecher vorstellen, so sehr zeichnet die allmacht film die bewohner der hemisphäre. und das bleibende menschliche wird auf den kitschsektor verdrängt. die landserherzen hierzulande, die verfetteten kleinen spiesser, ihnen imponiert nur die macht der supermans. menschliches ist ihnen verdächtig. das haben sie vom führer nicht gelernt. nicht anerkennen gelernt, und selber fehltʼs ihnen doch auch. obwohl sie gute christen sind. seltsam, dass das christentum in zwei jahrtausenden trotz terror und durchgehender gehirnwäsche und diktatorischer propagandaregie nicht mehr erfolge hatte. weil es auch ihr letzten endes immer um den profit war, und nicht um die ideale, weil auch die kirche, genau betrachtet, nur ein instrument der bereicherung ist für einen mächtig aufgeblähten apparat von demagogen.
man sieht immer weniger krüppel in den strassen. die kriegskrüppel sterben aus, gott sei dank, und neue kommen hoffentlich nie wieder nach. nie wieder krieg, so die amis wollen.
ee ist die erste frau, die unverblümt bekannte, ein nackter mann wäre was herrliches. sie träumt oft von fellatio und friktionen. ihr körper ist eine pracht. wenn sie sich auszieht, zieht sie alle register.

und in den usa zerschmettert die polizei negern und kindern mit wasserwerfern die knochen. das ist alles natürlich, dagegen wird kein dicker österreicher das wort erheben, aber wenn in berlin an der ‚ schandmauer‘ ein altes mutterl hustet oder ein jugendlicher strolch ein weib entführt, dann heulen sie auf, als wäre ihnen jemand auf den schwanz getreten.
klassisch wird gefunden, was auf höhere art die belange des durchschnittsmenschen ausdrückt (musil). so war thomas mann nicht ausdruck einer gesellschaft oder partei, sondern einer unpolitischen geistesdurchschnittlichkeit. deshalb für alle, deshalb der eigentliche klassiker
ee bedeutet lieben und nacktsein alles, aber sie kann sich nicht darin vergessen wie eh oder gi. sie isst leidenschaftlich schlagoberstorten, aber nur wenn sie darauf lust hat, ist sie leidenschaftlich. meist ist auch sie es – wenn sie lust hat –, die sagt: ziehen wir uns aus; egal wo wir sind, ee wünscht und tut. eh [11] tat nur und wünschte nur. gi wünschte nur und tat nicht, wartete immer erst auf den befehl, wie das gros der frauen, was sie weibliche scham nennen. aber dann konnte sie sich nicht schnell genug die kleider vom leib reissen.

die ehe ist eine klassenerscheinung, um das erworbene vermögen an einen sicheren erben übergeben zu können. man hat diese gesetzmässigkeit gerne gebrochen, z. b. der nürnberger kreistag 1650, als nach dem krieg die bevölkerung deutschlands geschrumpft war auf vier millionen menschen, davon 2,5 frauen und nur 1,5 männer. da erliess man gesetze, die jedem mann zwei frauen gestatteten, um die biologische substanz wieder zu erhöhen. mehr und mehr aber wurde die ehe eine angelegenheit der sicherheit für die frau. im kommunismus, da für jedes wesen gesorgt ist und zum vererben ohnehin nichts ist als der tägliche konsum, wird die liebe zur wahren und edelsten beschäftigung werden, ohne jede zweideutigkeit und prüderie. ansätze in moskau sind schon da, sagt rusch. mädchen sprechen männer an, um von ihnen ein kind zu erbitten, ganz natürlich.

einladung in märz. fussenegger las aus einem ihrer im d.t.v. erschienenen bücher, alles etwas antiquiert.
dieser märz, eine seltsame gesellschaft. eine klubleiche. lauter sterile mitglieder. der einzig aktive, kubovsky, bewegt sich auf geleisen von gestern, naiv und treu dem staatsvolk. der leichenklub bzw. die klubleiche wird künstlich am leben erhalten, sicher von den malern, damit ihnen die architekten nahe sind.

heinrich kam anschliessend in budweis. lao tses these, dass jede aktivität von übel ist, hat ihn am meisten beeindruckt. auch ein phantast.

nachts mit ee im haselgraben, mit einer überfliessenden, überquellenden, strotzenden, allzu bereiten. ein uhr nachts, vollmondschein.
gespenstische naturkulisse in allen schwarzen grünschattierungen, milchiges licht. bachrauschen, bleiche brüste im mond.

samstag mit heri nach bad hall. leichte gartenarbeit, unter anhören uralter anekdoten. kleine politische diskussion, ohne erregung, ohne engagement. er ist ein fanatischer antikommunist.

kalt, regen.

immer heftiger wird der wunsch, all das zivilisatorische gelumpe abzustossen, vor allem diese cliquen hier in linz, die so bescheiden ihre täglichen parolen hersagen, wie sie ihnen fernsehen, tageszeitung und radio servieren.
es wird soviel geschrieben, und manche haben so leichte erfolge mit so seichtem werk, vielleicht stehe ich doch zwischen irgendwelchen zeiten oder klassen. bleibt immerhin die rolle des verbindenden.

[12] ruhm und ehre? wozu, von wem? von diesem staatsvolk hier? christenvolk? beamtenvolk?
die phantasie ist genau noch so da wie einst, nur der verstand ist schärfer geworden und lässt weniger passieren.

14.5.

grosser staatsakt um ein kleines windei in der autofahrersendung. das ist heute das allgemeine niveau, wenn es wo um die wahl einer miss geht oder um die autofahrer-unterwegs-sprecherin. das sind massenidole. dafür kann man die massen organisieren, auf die beine und auf die palme bringen. um nichtigkeiten muss es gehen, dann sind sie alle da, die wunderkinder. gerührt, begeistert, heulend, beifall klatschend, weinend, gefühlvoll, fanatisch. aber ein ernstes wort zu einer ernsten angelegenheit – die inflation, die rüstungsgefahr, kriegsgefahr, und sie verstummen bösen blicks.
und somit heisst die mit stimmenmehrheit, also ‚demokratisch‘ gewählte neue sprecherin christa krones. reden, blumen, tränen, beifall. armes volk.

kleine feier bei kubovsky. nachher im zaubertal. im auto grosses geschrei, unkontrollierbare wonnen. ihr geschlecht war aufgelöst.

15.5.

friedensrat. mit verschiedenen, immer gleichen problemen herumgeschlagen. an einem nebentisch zemme mit razinger. der zemme macht sich doch überall ran, und ist doch so steril.

22.5.

irving berlin, in amerika, aus russland eingewandert, jüdischer religion, schuf eine ungeheure anzahl populärer melodien. 20 millionen platten allein von white christmas. gründete eigenes verlagshaus, war eigener verleger, drucker, komponist und texter. die millionen flossen nur so.
was ist das geheimnis der volkstümlichkeit? sicher oft die haarscharfe nähe zum kitsch. eine gewisse einfachheit, primitivität. irving konnte nicht einmal noten selber schreiben. er kannte sie nicht. folgerichtigkeit der handlung, durch keinerlei studierte komplikationen verwischt. das gefällt den menschen, zumindest den amerikanischen. er schuf aus seiner zeit und aus seiner lebenssphäre das beste, was daraus zu schaffen war (i’ll be loving you, always. – you’ll be my lucky star).

traudl hecher wird gefragt. in naiver ländlicher unschuld: na, da sport entaurtet nit. das gute kind weiss sicher nicht, was entaurten heisst, was im sport vorgeht.

frau er hat angerufen. ich soll ihr armes kind (22) in ruhe lassen. ich habe die ganze familie ins unglück gestürzt. sehr originell. sie, die alte, hat meinetwegen schon einen herzfehler. der ruf ist dahin. wer wird das arme mädel noch heiraten.

[13] tausende neger werden in den usa z. z. eingekerkert, verhaftet, ungerecht behandelt, verfolgt, gefoltert und ermordet. schweigen hierzulande. vor einiger zeit wurden in moskau grössenwahnsinnige religiöse fanatiker abgehalten, die us-botschaft zu betreten. da hat man hierzulande von unfreiheit gebrüllt. die tausenden neger, der rassenhass in den usa, der sich kaum mehr von den zuständen im faschistischen deutschland unterscheidet, das wissen sie nicht, weil sie nur wissen, was ihre schlechten leibblätter berichten. und das sind instrumente der herrschenden klasse. manipulieren die meinung im sinne des kapitals und der usa, auf jeden fall antikommunistisch.

ia spielt klavier, blasser, ätherischer vogel am flügel, innerlich leer und ausgebrannt trotz seiner jugend, ein mutterfixierter abnormer mit hohlen augen, friedlich und jungfräulich mit 26 jahren, und mit dem gehaben eines weisen von achtzig. ein klavier bei den bs, das ist der gipfel des wirtschaftswunders.

eh gesehen, heisst nun kh. sie dekoriert noch immer auslagen zur gleichen zeit am selben ort. sie ist blasser, zarter geworden. damals in marchtrenk, bei unseren fast ununterbrochenen ausflügen ins reich der liebe, war sie etwas robuster, wenn wir auch in diesem jahr damals beide etwas eingingen vor überanstrengung. aber es tat uns beiden so wohl. sie ist die einzige wirkliche könnerin, die einzige frau, die weiss, was liebe ist und wie man sie betreibt. immer noch interessantes gesichtchen. wir denken an unsere 43-minuten-unternehmung, an den waldspaziergang jeden sonntag vormittag, wenn ich in marchtrenk war, an das gemeinsame bad und die gegenseitigen waschungen. an den sonntagsschlaf mit ‚von hinten‘ im beisein der ganzen familie. sie ist wundervoll.

ad war da. ein heftiger aktivist mit starkem geltungstrieb.

otto von landwehr. kolossalgemäldemaler des führers. als er seinem führer einmal durch ein bild missfiel, stürzte er augenblicklich in ungnade. wie rasch das ging. der führer behandelte seinen otto mit fusstritten und geschrei. scher dich raus, ich will dich nicht mehr sehen, das ist dreck, was du da malst, ein schmarren, das ist, das ... dann ging dem führer die luft aus. und ein wehrbezirkskommando bekam den auftrag, otto von landwehr einzuberufen. der mann war damals 60. er kam in die landwehrkaserne nach wels an der traun. der unteroffizier hans bauer sah den mann, der, in schäbiger landseruniform, sich kaum mehr auf den beinen halten konnte. er schiss ihn zusammen, wie man das so schon damals nannte. aber der alte mann weinte, fiel nieder und klagte. er hatte krampfadern an den beinen bis hinauf zu den hüften. grässliche krampfadern. der uffz. sorgte dann für seine entlassung.

[14] seltsam: leute, die kinder in die welt setzen, familie haben, sparen und (für die zukunft) arbeiten, können dabei an unvermeidliche künftige kriege glauben. die schizophrenie des durchschnittsbürgers. kriege als unvermeidliche auslese des menschen wird es immer geben. wie lässt sich solche meinung nur vereinbaren mit ansonsten braven, kleinbürgerlichen leben? da wäre ja der psychiater zuständig.
warum wurde die medizin auf einen so hohen stand gebracht? auch da sagte man nicht: krankheiten wird es immer geben, sie sind eine natürliche auslese. mit mehr recht, denn krankheiten werden von menschheitsfeindlichen erregern ausgelöst, kriege aber von menschen selber.

22.5.

parkwächter, alter krieger ohne arm, fett und mit dem dummdreisten, heldenstolzen blick des ehemaligen landsers, schlägt auf kleinen zarten buben ein, weil der ein ästchen abgebrochen hatte. der alte held, schläger und schiesser, alter scheisser des führers. da bricht die in ihm hochgezüchtete bestie wieder auf. wenn es doch nur ein russ oder ein jud wär, auf den er losschlagen dürft. da tät erʼs dem schon zeigen. dabei ist es aufgabe des parkwächters, dafür zu sorgen, dass nichts abgerissen wird. nicht nachher justiz und rache spielen.

parade in wien. unser gigantisches heer. schade um das geld.

wegmarken. in stock geschnitzte zeichen der zeit. der kaiseradler, der adler der republik, das krukenkreuz, drei pfeile, das hakenkreuz, sichel und hammer, dazwischen einige vulvasymbole.
stenosen – verengungen
stasen – stauungen

romantechnik:
nach allerlei zerwürfnissen beginnen sie miteinander ein tagebuch zu schreiben, in dem sie sich ohne schranken zu erkennen geben. wenn das buch abgeschlossen ist, wird jeder wissen, was er vom andern zu halten hat. abwechselnd die personen lesen und schreiben lassen und so handlung konstruieren.

party bei ye.
wie wilde tiere stürzen sie sich immer auf die mädchen und frauen, er und rf. wie geile stiere. das halten sie für ‚künstlerisch‘. ernsthafte gespräche unmöglich, ausser mit weibern übers budern, oder mit ebenso quasikünstlern über quasikunstfragen, wie auf der schule gelernt.
ee hielt sich zurück, aber kaum war ich einmal draussen, küsste sie ihn lange und gierig. nach ihrer darstellung stürzte er sich auf sie, sobald ich draussen war. sie musste ihn umarmen, um halt zu finden.

[15] weibliche logik. nie um ausreden verlegen. sie weinte, erschüttert über die diskrepanzen. was finde ich eigentlich an ihr? leider viel zuviel.

überhaupt diese linzer künstler. spiesser und einfaltspinsel. auch kittler, büroangestellter bei der esg. er komponiert kleine sachen, weicht der welt aus. sumpert dahin. natürlich bekommt so seine künstlerische veranlagung, die zweifellos da ist, beamtenuntermittelmass.

jean genet, genial, diese neger.

ein deutscher general sagte: der papst ist für den frieden. aber der wunsch allein genügt nicht. man muss auch so gut gerüstet sein, dass jeder krieg unmöglich wird – generalslogik.

das schwarze kreuz möchte die jugend aktivieren, damit sie mit idealismus die kriegergräber pflegt. warum?

seltsam die jungen mädchen heute. gynäkologisch sind sie zurückgeblieben, stark ausgeprägte sexuelle sekundärmerkmale wie brüste und gesäss, körperwuchs, hervorragend. aber die vulva selber mit kümmerlichen kleinmädchenschamlippen. nicht alle natürlich, aber auffallend viele, wenn ich das mit gi oder ap oder eh vergleiche, da ist alles gross, steif, prall, gefüllt, handfest.

eh und it machten ihre brüste frei bei ye auf meinen wunsch und schmusten miteinander, lieblich.

28.5.

rw: den pragern geht es schlecht. dürfen nichts reden, sind schlecht gekleidet ... die alten kurier-schmäh.
oder: die private initiative fehlt. der unternehmer hat fünf oder zehn prozent mehr als der arbeiter. wer setzt sich dafür ein?
oder: ...
nein, lieber nicht. uninteressant, was millionäre denken und reden. er hat doch jeden kontakt mit einfachen menschen verloren.

steyr. zum letzten mal.
ihr verhalten ist seltsam kalt. sie onaniert auch sehr viel. sie sagt, sie kommt sehr gut ohne mann aus. (nicht ohne hinzuzufügen: aber nicht ohne dich)

soldatentreffen in waizenkirchen. mit höfer und maria hingefahren, um den gespensterumzug zu sehen. die reste von vier oder fünf stalingrad-divisionen feiern wiedersehen mit allem klimbim. feldmesse, umzug, musik, fahnen. alles in allem aber eine mehr als bescheidene veranstaltung. helden nicht mehr gefragt, traditionsfixierte müde alte männchen, hakenkreuze nur ungern abgekratzt. invalide mit mühsamem marschtritt. kadaver, rüstig aussehend. forsch und augen zurück gerichtet, quelle tristesse.

[16] ekkehard wieder da. urlaub. eine glückliche familie (zuuuuu glücklich. mahagonny).

sexuelle treue ist schwer denkbar. der körperliche genuss geht allem vor. einmal geweckt, wenn man gekoppelt liegt (oder steht oder kniet), ist es jedem der teilnehmenden im augenblick wirklich völlig egal, wer der spender der paradiesischen genüsse ist.
menschliche treue ist denkbar. besondere zuneigung, besondere bevorzugung. und wenn es auch relativ viel sexuelle treue gibt, so hat sie ihre quellen nur im mangel an gelegenheiten.

ee erzählt von ihrer tante, dass diese gerne mit den bühnenarbeitern in den kulissen verkehrt, vorwiegend während einer aufführung. da müssten aber ideale partner zusammenstossen. zu solchem tun gehört mut, initiative und besondere sexuelle erregbarkeit. und phantasie.

[...]

28.5.

habe stiasny aufgefordert, mir endlich mein material zurückzuschicken oder mir endlich neue versprechungen zu machen. darauf kam alles zurück mitsamt beleidigtem brief. aber lieber verzichte ich auf das gedruckt-werden, bevor ich mich auf so läppische weise hinhalten lasse von jahr zu jahr. dabei heisst die reihe ‚österr. autoren‘. was für eine art österreicher muss man da sein, um aufgenommen zu werden? ein ganz junger? steriler? klinger war einer der ersten.
nun, ich berenne die berge, mache mir daraus allmählich einen sport und bleibe hart, wenn ich auch immer wieder abrutsche. stiasny, styria, andere versprechungen.
schreibe jetzt komödie über ee. die schwimmenden inseln. berenne berg von neuem.
sinnlos? wie alles, ist doch ebenso sinnlos, wie schnaps zu brennen. nur bekommen die schnapsbrenner geld für ihr tun.
es kommt darauf an, was man WILL.
ein jammer, aber ein königlicher jammer.

schwanda, der dudelsackpfeifer. regieeinfall, den teufel mit ritterkreuz auftreten zu lassen. ein nazistischer nationalrat beschwert sich sofort. und der brave klerikale unterrichtsminister ist sofort bereit, dafür zu sorgen, dass das ritterkreuz weg bleibt. empfindliche nazis unter der haut, mit dem kreuzgeschmückten engelsgesicht aussen, potentielle massenmörder, zumindest aber sympathisanten solcher.
leocadia mit lohner und koczian. ein nettes lustiges, trauriges stück.

[17] sie rief an. sie denkt also doch an mich, hängt also doch an mir? ich freue mich immer wie verrückt, und wäre doch besser, sie liesse es. es schaut nichts dabei heraus. fürchte ihre kühle. kälte. meine ruhe ist jedesmal auf lange dahin.

30.5.

hilde weissner: genies wie kinski würde ich aus der schule rauswerfen. auch dieser soooo begabte werner. so verkommen. einzelgänger.

klinger hat also wieder ein stück laufen. nichts eigenes. eine bearbeitung. der titel klingt nach tiefe.

lassl zeigte die freundlichkeit einer viper bei einer konferenz am radio mit der weissner. nennt einen kollegen tölpel. macht fleissig notizen, fleiss vorspiegelnd.

gozzi, ein öffentliches geheimnis, das klinger ausgegraben hat. es handelt von liebe, gegeneinander und hintereinander. durch ihre liebe zur musik kam sie nach salzburg. sie wollte den don giovanni mit karajan und price sehen bzw. hören und wurde dort von lorenz (wos was i wer das is) gefragt, ob sie lust hätte, eine solche schule zu übernehmen. sie zog meisel und von collande als lehrer bei, führte eine kartei und einige oktavhefte mit beurteilungen der schüler und aufzeichnungen über den besuch, damit keiner schwindelt. das wäre wie auf jeder schule. dazu eine pressekonferenz bei radio linz.

guy mollet, generalsekretär der sp frankreichs, möchte aktionseinheit mit den kommunisten. darum soll er abgesetzt werden.

wochenschau ende mai 63 – alabama. wasserfontänen unter hohem druck auf die demonstranten (krawallmacher, marschierer, banden, wie sie in unserem ‚objektiven und neutralen‘ nachrichtendienst genannt werden).
sie torkeln unter dem ungeheuren wasserdruck, als gingen sie auf eis. stürzen, fallen, rutschen. sie werden mit hunden gejagt und zerfleischt. in mississippi wurde eine konzentrationslagerhalle gebaut, in der man – dem himmel sei dank – bis 10.000 neger unterbringen kann. und unsere jugend lacht zu solchen bildern, geistlos und amoralisch. das erbe der eltern, denen ein gefolterter jude oder kommunist auch nichts galt. höchstens a bissal zum lochn.

ausflug mit ee. regensburg, wo sie sich ehrlich entsetzte. dann haselgraben. nichts. aus angst zog sie nicht einmal die bluse oder das hoserl aus. seit der schwangerschaft ist es aus.
‚du hast noch nie gesagt, dass ich dir’s mit der hand machen soll. ein andermal gerne. heute bin ich zu müde.‘ sie ist eine zauberin.

[...]

[18] die oön sagten am 1. juni den papst tot (so vorschnelle freude). am montag dem 3. starb er erst, am abend um 19.00. er war ein grosser papst. ein friedenspapst, ein papst der ausgleichenden versöhnung. und er war gewissen superchristen ein dorn im auge. viele beteten um seinen tod, so grotesk das klingen mag.

mit höfer und maria in prag. keine zimmer sind reserviert. unsere reisebüros haben versagt. man gab uns das geld zurück, knapp vor torschluss am samstagabend, und wir mussten uns selber um alles kümmern. im yalta bekamen wir schöne quartiere. ein luxushotel der 1. kategorie. mit vorzimmer, telefon, bad und inside-klo. wir fürchteten, nicht durchzukommen, denn das essen würde teuer sein, aber wir waren angenehm überrascht. diese luxusgarconniere kostete etwa 160 ös, also durchaus etwas billiger als gleichwertiges in wien, und essen konnte man schon um 15 kronen (gut und reichlich).
die menschen reden frei und ungeniert, sind relativ gut gekleidet und haben vor allem perspektiven, wenn auch sozialistische. prag ist eine prächtige stadt. die moldau, der hradschin, die laterna magika, die herzlichen alten bauten, die brücken. begegnung mit stattlichem pekinesen.
rückfahrt über karlstein. leider geschlossen. dann über einsame, öde berge über pisek nach budweis, an hluboka vorbei. karlstein ist eine stattliche burg.
man kann im land herumfahren, wie man will, trotz bei uns gegenteiliger propaganda. man wird weder kontrolliert noch aufgehalten. grosse, leere unbebaute flächen, hier steht den kommunisten noch viel arbeit bevor. höfer, maria und eva fanden alles trostlos. prag sei verwahrlost, die menschen arm. so messen alle mit zweierlei mass.
photographieren heisst, das leben auf nadeln aufspiessen wie schmetterlinge. präparieren, austrocknen, aufbewahren. man hat ein album voller leichen.

als integrierte persönlichkeit fühlt man sich überall wohl (mei haut is my castle). mich macht weder das elend und die armut in frankreich schauern noch der scheinbare notstand in der cssr. die tschechen haben eben eine tiefgehende kapitalistische tradition, sie sind nicht so leicht und schnell dazu zu bekommen, für die eigene tasche zu arbeiten. sie arbeiten nicht, weil sieʼs nicht für einen kapitalisten tun können. man wird sie schwer umerziehen müssen, bis sie begreifen, dass sie ihre eigenen herren sind.
die provinzgeister reisen nur in gedanken an das, was daheim (im kapitalismus, im ‚freien‘ westen, in der ‚demokratie‘) besser ist und finden so grund, überall zu nörgeln. im westen ist armut romantisch, und jeder misthaufen, jedes verfallene haus wird besungen, gezeichnet, gemalt und beweihräuchert.

[19] um wieviel mehr erst, wenn dieser reisende provinzspiesser selber kapitalist ist und antikommunist (nicht nur, weil er die tageszeitungen wiederkäut). dann ist er in einem sozialistischen staat ohnehin dauernd von spionen und geheimdienstleuten umgeben. das färbt seine eindrücke noch negativer.

drei möglichkeiten, nein, fünf, in eine frau einzudringen. durch die augen ins gemüt. durch die ohren in den geist, durch den mund in die seele, durch die scheide ins gebärzentrum, durchs after in ihre abfallhalden. welchen weg immer man wählt, als mann, man kommt auf seine rechnung, wenn das wesen körperlich makellos ist.

ekkehard ist verspiessert vor lauter glück. sie haben ihr privatglück gefunden und die welt ausserhalb existiert nicht mehr. sie waren seltsam eingeschnappt, weil ich mit ee in die buchhandlung kam.

dipolide – kupfernadeln im all, von den amerikanern versprüht.

schutzbuhnen, schwemmbuhnen, treibbuhnen, sperrbuhnen.

erschein ich einst
in lichter zukunft
vorm parteigericht
über der bande
dichtender
betrüger, schreiber, dichter
heb ich als
bolschewistisches parteibuch
hoch ins licht
all meine hundert
gut parteigebundnen
bücher (majakovski)

musil verachtete majakovski, wie so viele andere auch, und widmete ihm in seinen tagebüchern eine ganz kurze notiz.

[...]

ee, feurige jugendliche berichterstatterin, aber sie lauscht dann der anderen meinung, lernt sofort und ist bereit zu berichtigen. insofern nicht unklug.

nein, sagte sie im landgraf, ich mach es nur mit der hand, wenn ich selber nicht kann. dann mach ich dirʼs mit der hand, sonst nicht, was hätte denn ich davon. die männer spritzen, dann wollen sie nicht mehr. wie wahr.

eigenblutinjektionen sollen von phantastischer wirkung sein, und eigensameninjektionen?

der spieltrieb der erwachsenen wächst, sie werden, durch hemmungslose werbereklame, immer mehr verdummt. mit zelten, sesseln, kofferradios, schlägern, bällen, reifen, gürteln, netzen, tischen, betten usw. fahren sie aus. schleppen lauter unnützes gelumpe mit sich. einst ging man nur mit badehose und höchstens einer decke baden.

[20] [...]

mit herta, ekkehard, susi und eva in au an der donau, nettes, verträumtes nest.
weil ihnen so fad ist, darum wird ein herrlicher sonnensonntag, der der ruhe dienen sollte und dem faulenzen, heute ausgefüllt mit gummitieren und kofferradios. das aufstellen all der unnützen geräte erfordert schon stunden.
diese lethargische masse (geistig) ist körperlich nicht fähig, länger als zehn minuten untätig zu sein. dekonzentriert.

schwierigkeiten am finanzamt. ich darf nur 385 ös dazuverdienen. wenn mehr, dann verliere ich den adäquaten teil der rente. also alle mühe umsonst. kapitalbildung bei den ganz kleinen ist nicht erwünscht, wo kämen wir da auch hin. man könnte sich wirklich was ersparen, und auch die frau darf nicht mehr verdienen. seltsam, bei andern gehtʼs. zh hat zwei pensionen und seine frau verdient eine menge, er bekommt aber rente und pension voll raus. sicher weil sie landesangestellte ist. ich werde also künftig nichts mehr angeben. es drauf ankommen lassen und verschleiern.

wsewolod wischnewski: der kommunistische kämpfer handelt bis zum letzten augenblick. bis zur letzten möglichkeit, die hand zu bewegen, sei es auch nur die linke. kann man nicht mehr handeln, so bleibt noch die zunge, überzeuge, ermutige, entflamme. kannst du nicht mehr sprechen, so gib zeichen, bist du krumm geschlossen, wirst du geschlagen, so gib nicht nach. kannst du dich nicht bewegen, bist du gefesselt, liegst mit zugestopftem mund, spucke dem henker den knebel ins gesicht. gehst du zugrunde, das beil fällt auf deinen hals – den letzten gedanken richte auf die revolution, denke daran, dass auch der tod parteiarbeit sein kann.

14.5.

kühnelt am burgtheater. wurde verrissen. lothar schrieb schreckliches über das stück. seltsam, von diesem dilettanten wird jeder käse – wie von klinger – ans burgtheater gebracht, wenn auch nur ins akademie-theater(?). woran liegt das? dass diese brüder seelenfreunde sind? was muss dieser häussermann für ein mensch sein?
wenn der text wirklich so ist, wie die kritik ihn wiedergibt, dann ist das ja ein schauderhaftes machwerk. man dürfte solchen leuten kein papier verkaufen, noch weniger beschriebenes abnehmen (zemme auch).

[21] 15.5.

streit mit ee. sage ich ihr, dass ich von ihr nichts habe, wenn sie sich jedesmal so ziert, bis sie sich lässt. da wird sie zahm und gefügig, als sie merkt, es ist mir ernst. sie braucht eine starke hand.

ekkehard ist restlos uninteressant (weil uninteressiert) geworden.

sie ist schön und wirkt erregend auf mich und sicher auch auf viele andere. obwohl viele andere sie dumm und anmassend nennen. möchte sie vergessen.

scheibenbogen, ehemals sozialistischer und von den sozis geförderter schreiberling von kleinen geistesgaben, reist jetzt, nach seiner scheidung, von kirche zu kirche mit ‚in ewigkeit amen‘. auch bei ihm war nur der ehrgeiz antrieb, nicht die aussagesubstanz.

24.5.

sei trunken unter nüchternen
unter zornigen sanft
den mann, den alle schlagen, den schlägst du nicht.
so bleiben dir die hände frei für künftige taten. (?)
verstört enthält der jüngling sich des weibes
erschaudernd vor ihrem schosse, der sich, natur ohne antlitz, irgendwem hingibt. (ovid)

[...]

bei pilgersdorfer und dibold. hochdruck des kreislaufs (wie schon seit jahrzehnten). der ist sowieso insgesamt gestört. hepatokardiales syndrom. eiweissmyloid der leber usw. bei alledem fühle ich mich wohl. nur der alkohol macht mir zu schaffen.
erwäge ein herzbad. franzensbad oder ischl. aber das ist wohl ein zu vorschnelles altersurteil.

torberg leidet aus emotionellen störungen heraus an kommunistenfeindlichkeit. in die 2. begegnung kommt aber der gute satz vor: der kommunistische intellektuelle ist in der einzigartigen lage, das märtyrertum des verfolgten mit der arroganz des siegers zu verbinden
(seite 93).
an anderer stelle: die menschen, die gestern noch geknechtet waren, merken gar nicht, dass sie es heute schon sind. vielleicht wissen sie es nicht einmal (125).
das trifft ja genau auf uns hier im ‚freien‘ westen zu, wo die sklaverei nach aussen auch wie köstliche freiheit aussieht. sie merkenʼs nicht einmal.

[22] 25.5.

als ich ihr sage, dass ich mit veit relin verbdg. aufnehmen werde, stosse ich auf ihre entsetzte ablehnung. warum? er hat alles schon besetzt. habe es ja doch geahnt, er besucht sie in linz.
sie reagiert – wie es in ustinows endspurt heisst – mit wohlgeübter ekstase. wollen wir tanzen gehen? erst vertikal, dann horizontal, gunstgewerblerin.
nächtliche anrufe, stöhnen in die muschel (telefonmuschel). anrufe des relinschen vaters und einladung nach windischgarsten (er ist 69) und dergleichen mehr.

26.5.

ausflug bei weiss gott 45 grad hitze ins grüne. unweit reisetbauer petting auf einer versteckten wiese, lecke sie, die ganz gehörig schwitzt. sie wirft sich schreiend. von ganz oben sieht ein bauersmann zu.

paul valery: jede erregung, jedes gefühl ist ein zeichen für einen fehler in bau oder anpassung. nicht ausgeglichener stoss. mangel an spannkraft oder deren störung.

nestroy, hitlers einmarsch voraussehend: weil er uns sonst niederhaut, preisen wir ihn alle laut.

hans carossa, ungleiche welten. seltsamer dummkopf. in alle tätigkeiten in der naziära fiel er ganz unschuldig. zufällig.
wenn sie nur schon weg wäre aus linz. bleibt sie, wird dann trotz vieler krachs das verhältnis immer enger. es ist von leidenschaftlicher nötigkeit erfüllt. eine grosse liebe, die keine ist. und dabei die frage: was sollte sie denn an mich fesseln, wenn sie mehrere freunde hat.

kontrollanruf. seltsam. die mutter vermittelt an friseur. sie ist wirklich dort, alle gedanken sind wie weggeblasen.
eine papierdünne grosse liebe. nur unsere absolute gegensätzlichkeit brennt uns zusammen.

rolf-thiele-film. moral 63. alle in diese einfallslosen titel.
als nadja tiller ihrer masseuse mit den wuchtbrüsten ins atelier mitbrachte, sagte der regisseur: die nehmen wir.
das ist alles. gewaltige brüste, ein nacktbad und das publikum ist sicher.

dibold verbot mir zu rauchen und alkohol zu trinken. innerhalb fünf minuten hatte ich drei schwere erkrankungen. aber ich bekomme 600 ös mehr im monat. das ist gewaltig viel.

weiter mit arbeit, strampeln, zum wohle der partei. vielleicht schaffe ich es. sie sollen meine erben sein.

[23] möglichkeiten im sozialistischen übergangssystem, die privatinitiative einzusetzen: indem man atavistischen figuren die freude am ‚eigentum‘ am privatbesitz lässt, das macht sie selig. kaffeehäuser, buffets, tankstellen, alle diese ekelhaften gründungen, die aus den gründern speichellecker und dienerhafte kreaturen machen, erscheinen diesen kreaturen eben als inbegriff der freiheit, die sie meinen. da aber solche betriebe durch ein kollektiv ohnehin schwer zu führen sind, überlässt man sie den dafür prädestinierten ‚privatinitiatoren‘. dafür muss die steuerschraube fest dahintersein, damit er nicht zu grosskapitalistisch wird und vor allem, damit er niemals andere ausbeuten kann. durch den sogenannten ‚anreiz‘ wird er bei der stange behalten und reibt sich auf, was letzten endes der allgemeinheit zugute kommt.

25.6.

kain bekam kunstförderungspreis der stadt linz neben kittler und einem gewissen wimmer. um mich wird eine typische schweigemauer gezogen. hätten andere liebkinder unserer herrschenden parteien soviele aufführungen gehabt und so viel geleistet, sie hätten alle schon alle preise hinten hineingestopft bekommen, aber bei mir, neee. sie fühlen meine überprovinzlerische weite und das hassen sie. würmchen wie zemme werden sogar von unserer salzsäurekritik sanft angegriffen. trotzdem zwischen den zeilen zu lesen war, dass sein stück machwerk ist, sein machwerk stückwerk ist, fassten sie ihn mit glacéhandschuhen an.

28.6.

die kulturjury des bürgermeisters heisst: kleinschmidt, razinger, holnsteiner. natürlich habe ich da niemals eine chance. heinrich und alle werden noch vor mir beteilt werden.
die maler giften sich, auch da bekam ein aussenseiter, der aber liebkind ist, den preis. friedensratssitzung. grosse stimmung bei zehn anwesenden. wir nahmen uns alle viel vor.

8.7.

mit ee nach mauthausen. sie war erschüttert, aber sie ist politisch derart desorientiert, dass sie einen wahnsinnigen unsinn daherredet. sie ist intelligent, klug, aber typisch für unsere von lehramts wegen vertrottelte jugend (und elternhaus).
schluss, endlich, schluss gemacht mit ihr. sie ist zu strapaziös mit ihrem egozentrischen wesen.

12.7.

ruprechter ‚tut nichts mehr‘, er ist ‚viel glücklicher jetzt‘. und so weiter in seinem neue-welle-geschwätz. eigenartiges plüsch- und staubmilieu in dieser bejvl-clique, ein zweites ‚haus der bilder‘. in linz sie versuchen es in allen stilrichtungen, weil sie keinen eigenen stil zu entwickeln vermögen. aussagekraft gleich null, selbsteinschätzung weit über tausend.

[24] hohle gefässe, die in linz ‚paris‘ spielen, bohème kopieren und den niedrigsten jargon, ihrem niveau entsprechend, beibehalten. bejvl mehr als ruprechter.
gogler bekam nach seiner moskaureise einen brief von einem sozialistischen akademikerverbandskollegen, er sollte keinen vortrag mehr halten, sonst würde er ausgeschlossen.
wischinska, ein angestellter des bundeskanzleramtes in urfahr, lässt sich nichts mit der post schicken, denn ,sie wissen nicht, was ich alles verlieren kann, wenn die das erfahren.‘
das ist der pseudodemokratische terror unter österreichischer fahne.

[...]

11.7.

mit inge und höfer kleine feier zu inges doktor.

15.7.

janischs sommernachtstraum in melk gesehen. mit holzer als köstlichem zetterl. viele mucken. camping an der donau. sehr schön ist es in melk. wiedersehensfreude mit holzer und janisch.
dr. ander musste ins bundesministerium für unterricht, wegen meiner aussendung (themengleichheit des erntefests von obzina). er ist deshalb, wie helga sagt, ‚sauer‘.

18.7.

beamte in strassenbahn. verkümmernd hinter ihren schreibtischen, die ihren mutterleibskomplex besänftigen. weiche und weibische, infantile züge bilden sich heraus. beamte sind menschen mit dem stärksten sicherheitsstreben. sie scheuen jede verantwortung, jede initiative, jede eigene tat. im beamtenstand sind sie geborgen und versorgt auf lebenszeit. der horizont schrumpft bzw. passt sich dem brotgeberwunsch an. das gemüt ist sanft und selig wie bei pensionisten oder kindern. die ganze erwachsenenwelt führt im ‚freien‘ westen zu dieser infantilisierung. immer mehr kinderkult, schlager, und auf kinderart kein produkt mehr ohne i am ende. keli, traubi, kühlschranki. das lässt sich verkaufen.
viridiana – ein hervorragender film. kunz stellte sich in seiner kritik auf seite der katholen, wie ja überhaupt dieser ganze sexualdemokrat kunz mehr rechts steht als sonstwo.
keine ee mehr. eine erleichterung.
händels messias gekauft und qualtingers karl kraus.

22.7.

kunz wendet sich an mich wegen eines jugendweihspiels. das wäre ev. der weg zum körnerpreis.
nur noch wenige tage, dann reise nach prag, kühlungsborn, berlin.

[25] ehefrauen, die sich vom mann erhalten lassen, sind ähnlich den prostituierten. sie verkaufen sich an einen, der sie dafür erhält. ehefrauen aber, die mitarbeiten, gehören nicht einem allein, dem sie sich zwecks gegenseitigen gebrauchs der geschlechtsorgane anschliessen. sie tragen das ihre zum erhalt der familie bei und sind freie partnerinnen, die über ihren körper frei verfügen dürfen. biologisch hat ohnehin die frau mehr möglichkeiten, ihre geschlechtstriebe auszuleben.

abrüstung in moskau.
die abmachung über atomwaffenverbot erfüllt mich irgendwie mit sorge. befreit von dieser ungeheuren drohung werden vielleicht doch die amerikaner die ersten sein, die über ein fremdes land herfallen, über kuba z. b., das ihnen schwer im magen liegt, wie kennedy erst kürzlich sagte.
ausserdem besteht dann wieder mehr als je die möglichkeit, kleine, sogenannte ‚begrenzte‘ kriege zu führen.

die chinesen ruinieren viel.

das elfte gebot, von lajos esterhazy:
lange genug haben wir unter der last der mosaischen steintafeln gelebt. heraus jetzt ins freie, unter den gestirnten himmel. du sollst nicht töten? nein, liebe das leben und schütze es. du sollst nicht ehebrechen? nein, lerne, schön zu lieben. zertrümmern wir die steintafeln, wir wollen menschlich leben.
weiter ego: du sollst an einen gott glauben? nein, an den menschen und seine ungeheuren fähigkeiten. du sollst vater und mutter ehren? nein, die väter und mütter aller und die ganze herrliche geschichte.

unsere regierung kuscht in sklavischer gehorsamkeit wie eh und je vor bonn. jetzt sind sie wieder in die knie gegangen wegen der durchflüge der linie wienberlin (ddr-flugzeuge). sie wollen mit gewalt den lauf der zeit aufhalten. für diese reaktionäre tätigkeit zahlen sie hohe beamten- und ministergehälter.
diese werden aber jeder preisentwicklung sofort angepasst. landesinvalidenamt: rentenkürzung angekündigt.

28.7.

sonntag, abfahrt, nachdem wir gestern schwer abschied nahmen von unserem süssen, kleinen anhänglichen hund (6.30). um 8 uhr schon an der grenze. herrliches wetter. prag um halb zwölf uhr, eine wahre bummelfahrt, mittagessen. kühles mittagessen. schlüssel verloren. gott sei dank hat eva reserveschlüssel. kein schwein hätte uns heute das auto aufgesperrt, obwohl es ein skoda ist. und wir müssen doch weiter.
theresienstadt. mauern, blumen, traurige besucher, mordstätte der nazis.
rast bei teplice. um halb 6 bei zinove. zinnwald. lange warten auf übergang, abendessen in dresden. zwei gute, reichhaltige menus 13 mkdn.

[26] spät noch zwangsbesuch bei volkspolizei. anmelden, fahrt durch stockdunkle stadt, als fremder durch weite wüsteneien, die der amerikanische terrorangriff hinterliess. die vopos sind höfliche junge leute, die aber abstand zu halten wissen und selbstbewusst sind. 460 km tagesfahrt.

29.7.

reichliches und gutes frühstück, 5 dm. zimmer 16 dm. parkplatz 1,50. vormittags einkaufen, glaswaren. dann um zehn uhr weiter nach berlin, gleich nach dresden auf autobahn. zweimal kontrolle. in einem vorstadtbeisel mittag gegessen. das ist berlin, wie es einmal war. zahle für 2-mal essen, eine art blutwurst mit erdäpfel und kraut 6 mdn. dann ins zentrum. eva hat angst vor volkspolizei. die folgen der wüsten hetze daheim.
wir melden uns beim friedensrat, sind aber zu früh da, werden ins hotel geführt und fahren mit dem wagen durch die stadt. weissensee, köpenick etc. abends kommen die sandmann aus wien und wir sitzen alle gemütlich beisammen. unser betreuer ist herr kröbel aus dresden.
reichliches abendessen. man verwöhnt uns.

30.7.

stadtrundfahrt, eine menge engländer und holländer sind zu uns gestossen. wir haben zwei busse. zum brandenburger tor einmal zunächst.
hauptmann gansauge, ehemaliger klempner, 52 wurde er polizist, 62 soldat, seither chef am brandenburger tor, dem symbol berlins, das 1789–1791 erbaut wurde. auf wunsch der bauherren sollte es ein tor des friedens sein.
kämpfe darum um 1848 und 1918.
aus dem brandenburger tor zogen die nazis aus gegen die sowjets und zogen die sowjets ein 1945. und zog 1817 napoleon durch, von den russen und preussen verfolgt, die damals verbündete waren.
1948 wurde der alliierte kontrollrat gesprengt und im westen eine eigene währung eingeführt.
früher gab es 78 strassenübergänge und 15 s- und u-bahn-verbindungen.
täglich passierten mehr als 100.000 menschen die kontrollstationen, davon 50.000 schädlinge, korrumpiert durch den kurs 1:4, schieber, spekulanten, schleichhändler.
z. b. butter kostete in ost 1,90 in west 2,40. da war ohne mühe ein ‚schnitt‘ von 5 mark zu machen bei einem kilo.
oder das bierbeispiel: er kaufte drüben bier, erhielt in ost für die flasche 30 pfg. wechselte mal 4 und hatte wieder zwei bier usw usf. industrieerzeugnisse, hochwertige, wurden weggeschleppt, wie zeiss-gläser, photoapparate etc.
dazu agenten- und spionagezentrale in westberlin. nato-stützpunkte für 80.000 mann. darum muss berlin neutralisiert werden, neben den agentenzentralen (über 80) mehr als 60 revanchistenorganisationen (pommern, schlesier und dergl.). es entstand jährlich schaden von mehr als 30.000 mark. unter anderem wurde das rundfunkhaus in brand [27] gesteckt, ehe es dem betrieb übergeben werden konnte. schaden 2 millionen mark.
anfang 61 offene mobilmachung im westen.
damals entschied sich die ddr, die abwehrmauer zu errichten. der bau war eine sache der ganzen bevölkerung. die soldaten hatten wirklich das gefühl, dass die bevölkerung hinter ihnen stand. es ist keine mauer, die quer durch berlin geht, sondern nur etwa 1/10, 16 km lang. auch nicht so hoch, wie überspitzte hetzerphantasie es oft ausmalt (30 meter hoch?!).
dann panzersperren wegen dauernd eindringender usa-panzer. bei den provokationen am 24. august blieben die panzer 40 cm vor uns stehen, und wer stirbt schon gerne? aber wir hatten den befehl, weder zu weichen noch zu schiessen. darum panzersperren.
beschimpfungen durch junge radaubrüder aus dem westen und amisoldaten, die prinzipiell nicht erwidert werden. anspucken durch us-soldaten, schreie: hängt eure offiziere. störlautsprecher, brandfackeln. anschläge zur zerstörung der sicherungsanlagen, grosse schäden dadurch auch in western berlin. im scheine von 1000en weihnachtskerzen, die den frieden symbolisieren sollen, führte man sprengungen durch. 2000 kaputte fensterscheiben in westberlin.
[28] polizei und bombenwerfer arbeiteten eng zusammen. neben polizeistationen konnten sprengungen durchgeführt werden und die täter ‚.
es gibt über zehn stellen, wo es so geschah.
die meisten anschläge bezeichnenderweise zur weihnachtszeit.
sie schiessen auf unsere soldaten und stehen dabei weit sichtbar, weil sie wissen, dass nicht zurückgeschossen werden darf.
aber die volksarmee hat moderne waffen.
derzeit gibt es 7 übergänge, einen für diplomaten, 2 für westdeutsche und vier für westberliner.
täglich kommen nur 700 westberliner ärzte und künstler nach ostberlin zur arbeit. allen andern versperrt der westberliner senat den weg.
seit august 61 14.000 grosse provokationen.
unsere soldaten sind erzogen zur friedensliebe, sagt gansauge, und sind sehr diszipliniert. sie wissen, dass das sozialistische lager sehr wohl hinter uns steht.
viele versuche, unsere soldaten zur flucht zu bewegen, angebote für autos und viele 10.000 mark.
darum endlich weg mit den fremden militärstützpunkten und endlich ein freies neutralisiertes berlin.

lernen bringt wissen,
wissen bringt können,
können aber heisst
dem fortschritt dienen (lenin).

mittagessen nach brandenburger tor.
rundfahrt marx-allee bis richtung müggelheim. frankfurter allee am tierpark, gruberstr., an der wuhlheide, köpenickerstr.
neue wache. opfer des faschismus.
reichskanzlei.
in köpenick kaffee. besuch des sowjet-denkmals in treptow.
dann zum müggelturm. hier oben war ich als 18-jähriger soldat auf einsamen sonntagsspaziergängen. damals war noch eine hölzerne baude hier und unten die fahrschule der speertruppe. röwekamp und backebusch, der fahrlehrer. wie oft glitschten wir mit den fahrzeugen die endlos scheinende müggelheimer allee entlang.
was liegt da alles dazwischen.

reichhaltiges abendessen. nachts dann noch beisammensein im gewerkschaftshaus.

31.7.

8.15 abfahrt von berlin. 12 uhr rostock, 13.00 kühlungsborn. neben einer freundlichen begrüssung freuen wir uns auf den herrlichen strand und das baden. der strand ist übersät von körben und menschen und möwen. das wetter ist prachtvoll. leider bekommen eva und ich anscheinend das hässlichste aller zimmer.
vera, die hotelleiterin, begrüsst uns herzlichst. sie ist der bezaubernde typ einer kommunistin, intelligent, gesund, klug und aktiv.
zurück zu kühlungsborn.
zahlreiche wirtschaftsverbrechen wurden aufgedeckt, die zur bestrafung der übeltäter führten und zu ihrer enteignung. heute leben die meisten wieder in kübo in den ehemalig eigenen villen, als hauspersonal, und es geht ihnen gut. privatbesitzer, die vertrag mit fdgb hatten, verpflegten ihre privatgäste z. b. auf kosten des fdgb, abgesehen, dass sie diese sichtlich bevorzugten.
die bundesrepublik zäumte das pferd beim schwanz auf, mit rüstung und renazifizierung. natürlich geht es so schneller aufwärts, nur, wie weit kommt man mit einem verkehrt aufgezäumten pferd.

2.8.

baden in der ostsee. ein herrliches sommerwetter.
tagung der volkskammer. ulbricht verlangt nichtangriffspakt und andere fortschrittliche forderungen im licht des moskauer paktes.
seit der errichtung der mauer kann sie drei milliarden mark für ihre eigenen werktätigen verwenden. seit dem VI. parteitag haben diese grosse leistungen vollbracht. abstimmung durch arbeit.
ab IX. für jede nachtschicht sonderprämie.
chr. sagte, der deutsche arbeiter müsse mehr leisten, wenn er will, dass es ihm besser geht.
[29] ab 64 verlängerter schwangerschafts- und wochenurlaub (um drei wochen von elf auf 14 wochen. rentenerhöhung um 5 bis 25 mark. mindestrente soll 124 mark betragen, somit 149 mark mindestens, aber nur für bürger, die 50 jahre garbeitet haben, alle anderen plus 5 mark, bei 20 jahren 10 mark mehr.
die lebenshaltungskosten in der ddr sind so, dass man durchaus mit diesen beträgen leben kann. miete, licht etc. betragen 13–15% des einkommens.
in anderen ländern, die auf krieg hinarbeiten, werden aus rüstung gewinne gemacht. westdeutschland 1/3 für aufrüstung. adenauer hat bereits mehr geld ausgegeben als hitler.
f und d haben moskauer vertrag als absurd abgelehnt.

festabend zur begrüssung der gäste. es gibt hühnersuppe, gebratene ente mit rotkohl, kakaoschnitte, eis, kaffee. festreden aller nationen. wein, sekt. jede rede wird dreimal übersetzt, also zieht sich das ganze, von sechs uhr an bis gegen neun. grosse verbrüderungsszenen, küsse, gesang, beifall. die weinflaschen türmen sich. die gesichter strahlen. ungarn, tschechen, engländer, österreicher, holländer. am ende gemeinsam in allen diesen sprachen die internationale. im dienst dieser idee ist jeder ein funktionär.

3.8.

baden.
nachmittags ausflug mit segelboot mit hilfsmotor bei hohem wellengang. vera steht wie eine galionsfigur im wind mit ihrer guten fraulichen figur. sie wird auch nicht bleich, wie auch die wellen gehen mögen.
nach dem abendessen kleiner spaziergang. mit einbruch der dunkelheit veranstalten die ungarn an einem gewaltigen feuer am strand ein sogenanntes ‚speckbraten. die ungarn sind aktiv, geführt von einem vitalen reiseleiter namens janosch, der einem schleichhändler ähnlich sieht, aber keiner ist. manager-typ. die korbstühle umstehen das feuer. es dauert lange, bis man sich an die gewaltige flamme wagen kann mit seinem stäbchen, auf dem speck und zwiebel stecken. im dunkel stehen zwei strandwachen und sehen zu, marinesoldaten mit umgehängten maschinenpistolen. nicht weit von hier ist die grenze der brd und dort züngeln nattern, giftige schlangen.
nachher gesang. die ungarn sind starke und frohe sänger. so wie sie singen, singt kein anderer mehr. selbst eine gruppe mit gitarre wird bald ausgebootet.

4.8.

sonntag, unheimliche hitze. warnemünde, besuch des schiffes fritz heckert. die klimaanlage ist ausser betrieb, darum grosse hitze an bord, dass allen nur so der schweiss runterrinnt, auch den damen.
die erbauung des hafens rostock war wichtig. die ddr wurde immer benachteiligt, wenn es wichtige umschlagsgüter gab. man liess sie war-[30] ten, und das ergab grosse schäden. oft kamen wichtige güter mit mehreren wochen verspätung. nun also haben sie einen eigenen hafen. seither ist der umsatz in hamburg um 30% zurückgegangen, darum sind sie etwas böse.
auch ein trockendock wurde errichtet. einmal eindocken kostet 250.000 mark. das urlauberschiff ist einem langgezogenen stolzen weissen schwan vergleichbar, hat 37 millionen mark gekostet, davon brachte sieben der fdgb auf und 30 die bevölkerung. eigner ist der fdgb. der hafen macht sich bezahlt, sagt stewart müller.
das schiff dient zu reisen deutscher urlauber nach island, leningrad und schweden.
ein schwimmbad, von unten beleuchtet, blau und gelb gekachelt, das wasser kann beliebig temperiert werden, schwarze säulen und am rand wellenbrecher.
in der krankenabteilung gibt es einen arzt, zwei schwestern, zwei pfleger, einen behandlungsraum, eine apotheke, ein krankenzimmer und einen operationsraum.
der motor ist ein gasturbinenmotorschiff, diesel und gas also, und erzeugt l0.000 ps. die zwei motoren können getrennt oder gekoppelt arbeiten. die höchstgeschwindigkeit ist 20 meilen p. h. die küchenabteilung besteht aus kochküche, teeküche, schälküche, konditorei.
die besatzung beträgt 180 mann auf 392 passagiere.
auf dem passagierdeck gibt es ein freibad. ansonsten klubraum, kaffeehaus, mehrere decks mit verschiedenen bars. milchbar darunter, schach- und spielzimmer, unterhaltungsraum.
eine elf-tagereise über riga nach leningrad kostet 800–l050 dm. und der fdgb zahlt dazu.
geschäftsstrasse auf dem schiff mit auslagen und waren.
die länge des schiffes 141 mt.
der speiseaal fasst 2 mal 200 personen und dient auch als kinosaal. 3–4 filme pro reise.
nussgetäfelter tanzsaal. ein kulturoffizier.
5,5 mt tiefgang.
25 mt höhe
die rettungsboote sind mit treibmechanismus zum selberrudern ausgestattet und fassen je 80 personen und selbstaufblasbare schlauchboote.
die klimaanlage kann das gesamte schiff kühlen auf minus 10 grad.
einer der besatzung trägt blauen pullover, den er 1960 aus einer solidaritätsspende aus linz bekam.
das schiff hat 8150 brt. fritz heckert selber liegt an der moskauer kremlmauer.
druckerei an bord.
[31] stärkste krängung war 32 grad.
anschliessend an die führung bewirtung mit eis, schlagobers, kaffee und kuchen. kognak. herrlich dafür am nachmittag das baden.
tegernseher – einer der den tee gerne sieht.
abends bunter abend mit tschechen und ungarn.
führung durch kühlungsborn. marmorvilla der rothschilds. kalt und prunkvoll. nur wenige wochen im jahr verbrachten sie in dieser villa, die 17 millionen mark gekostet hatte. jetzt ist es ein erholungsheim für mitglieder des fdgb.
eines der häuser heisst dimitroff, ein anderes kurt bürger, der an post-kz-syndrom starb.
hübsch sind die konzertgärten in kühlungsborn.
der ort hat 9000 einwohner und 6000 gäste im sommer. zu früheren zeiten durfte die bewohnerschaft in der ostsee nur vor sechs uhr morgens und abends nach einbruch der dunkelheit baden, sich nicht am strand sehen lassen und die häuser nur über die hintertreppen betreten. es war nicht leicht, in kübo ordnung zu schaffen. viele villenbesitzer nützten ihre ‚chance, wie sie das nannten, den geschäftlichen betrug, und stiessen sich gesund an den gästen des fdgb. eine aktion ostsee machte dem treiben ein ende.

5.8.

wanderung zum leuchtturm bastorf.
nachher besuch der lpg bastorf. der melker ist da, der parteisekretär und der bürgermeister. sie stellen sich zu einer diskussion, aber es ist viel zuviel wirbel. die leute bekamen alle bier und so ist im nu eine ausgelassene gesellschaft und unaufmerksame stimmung. zudem kennen die ungarn und tschechen die kolchosprobleme selber zu gut, um dafür interesse aufzubringen.
vor jahren schlossen sich 8 bauern mit etwa 80 hektar zusammen (1956). jährlich kamen einzelbauern dazu, 1960 die restlichen einzelbauern. die lpg ist eine vom typ 4.
die typen: 1. nur boden gemeinsam
2. bespannung und technik und boden
3. sämtliche mittel bis auf den individuellen besitz
4. total
heute hat die lpg 1640 ha grund und 239 mitglieder. die arbeiter sind in 4 feldbau- und 1 viehzuchtbrigade eingeteilt, eine traktorenbrigade und eine baubrigade.
viehbestand: 950 rinder, 384 kühe, 1560 schweine, 194 zuchtsauen.
60 pferde. 650 schafe. 3000 junggeflügel. 4000 enten. 13 bienenvölker. die traktorenbrigade hat 28 traktoren. 5 maschinen, 2 kartoffel- und rübenroder, l kran, 2 lkw, l pkw und dazugehörige geräte. wert der traktoren 1 million mk.
[32] der eintritt in lpg ist grundsätzlich freiwillig.

6.8.

sport am strand, es wird geturnt. baden.
nachmittags ausflug nach heiligendamm. feldbrände neben der eisenbahn. wie rasch das geht. erst ein kleines glosen von funken aus der maschine, und im nu brennen einige quadratmeter. so trocken ist mecklenburg.
heiligendamm ist das älteste seebad der ostsee. 1793 von friedrich franz von mecklenburg gegründet. zur weimarer zeit und zur nazizeit erholte sich hier kein arbeiter. erst 1945 wurde es zum sanatorium für werktätige. nichts ist zu bezahlen, auch die reise ist umsonst. wenn kein heilerfolg, wird kur verlängert. geplant für 1500 patienten.
abends forum. diplomökonom günther wick vom bezirksvorstand des fdgb und herr jäckel aus rostock. ein schöner sommerabend wird für probleme der republik geopfert.
mecklenburg war der rückständigste teil der ddr. schon bismarck sagte, wenn einmal die welt untergeht, dann geschieht das hier l00 jahre später. es gab keine industrie, nur riesige güter. und ownership.
die städte, die lgp, die ferienheime, die häfen, werften, das alles sind ergebnisse schwerer arbeit. 1945 fehlten schiffsbaufachleute. friseure und andere mussten sich erst qualifizieren, viel hunger, keine maschinen und dergl. die ddr bezahlte für ganz deutschland die kriegsschulden.
dies alles, schwer errungen, wollten wir festhalten, und wir sehen besorgt, [...] die kriegerische stimmung in westdeutschland [...].
dagegen findet jedes jahr die rostocker friedenswoche statt.
die ostsee soll ein meer des friedens sein.
morgen ist hiroshima-tag.
jeder abiturient der universitäten muss ein jahr lang praktische arbeit leisten. in einer fabrik lernt er 1. die arbeit kennen und 2. bekommt er kontakt mit arbeitern und wird nicht mehr vergessen, wo er herkommt.
im rostocker distrikt spezialschule für schiffsbauingenieure.
fakultät für hafenwirtschaft. mit der ausbildung von kadern wird schon sehr früh begonnen. kinder erhalten in schule abiturientenbildung und nebenbei fachausbildung für schifferei- oder fischereibetriebe. viele mädchen sind dabei für kombinate. man ist in der ddr stolz darauf, dass auf diesen schiffen als ersten in der welt frauen fahren, bisher sind es 300.
wer den kommunismus aufbauen will, muss viel können und lernen.
2 wochen urlaub in kübo kosten 125 mark.
arbeiter zahlen 10% vom gehalt, den rest zahlt fdgb.
[33] zur ns-zeit gab es nur einige kleine fabriken. die bildung hatte einen so niedrigen stand, dass die kinder heute es sich kaum mehr vorstellen können.
1-klassige volksschule z. b. 8 jahre lang in einer klasse.
2 ochsen hinterm holzpflug. nur als soldat musste der mecklenburger dem ochsen überlegen sein, die junker waren die hohen herren offiziere. schiffswerften erzeugten nur kleine schifferboote bzw. fischerboote.
der bezirk rostock reicht von stettin bis lübeck und hatte zu kriegsende etwa 5000 arbeiter. zur zeit sind 36.000 beschäftigte dort, eine reihe spezialisierter werften wurde aufgebaut, in stralsund z. b. entstehen in serien kühlfischereiboote für tropische gewässer.
in warnemünde 10–12.000 brt in serienproduktion.
in wismar fluss- und seefahrgastschiffe in grösserem umfang, feste verträge mit ussr liegen in grösserer menge vor (kombinate).
neben werften folgebetriebe wie wohnungen, zuckerfabriken etc.
das bildungswesen wurde gründlich geändert.
bis 45 gab es im kreis dobern kein elektr. licht.
greifswald und rostock sind universitäten, viele 12-klassige polytechnische schulen. viele kinder haben schon die zehnklassige polytechnische hinter sich. die schönsten häuser gehören heute den arbeitern im fdgb.
über 34.000 fdgb-mitglieder erholen sich hier in kübo in einem sommer. zwei sehr schöne urlauberschiffe, auf beiden im jahr 15.000 arbeiter.
heckert und völkerfreundschaft.
im winter sind die schiffe in konstanz, wo sie auf krim und dergl. anlaufen. die arbeiter im flugzeug hin und her.
im bezirk rostock waren als allererstem alle bauern in lpg.
darum der hass im westen, die dauernden störversuche, anonyme briefe, flugblätter, sprengladungen, um die menschen in der ddr zu beunruhigen und in die brd zu locken. im westen verspricht man ihnen steuerfreiheit, autos und prämien (für unternehmer, die flüchtlinge einstellen).
die mauer, die gute alte methode, sich gegen raubritter und gangster, wilde tiere und räuber zu schützen. wir haben nicht uns eingemauert, sondern westberlin. die westberliner sehen uns vom standpunkt des affen im käfig. hin und wieder kommt einer zu ihnen hineingeflüchtet, dem das leben im freien zu anstrengend ist.
jugendliche gangster werden in ddr streng, aber menschlich bestraft. oft sind sie verdorben durch westliche schundliteratur. rehabilitation nach strafe.
rostock – aus dem slawischen – auseinanderfliessen. rastoku.

7.8.

baden. abends lichtbilder von rostock. kröpeliner turm, greifwappen, astronomische uhr, bis über das jahr 2000 hinein berechnet. schildwand mit 7 türmen weist auf 17. jhdt. kerkhof-haus.
[34] neue medizinsche klinik. fertig seit 3 jahren. 16 mill mark.
1957 mussten wir noch 24 mill mark ausgeben für umschlag im hafen hamburg. seither 37 mill mark mit eigenem hafen verdient. im jahre 62 zu bauen begonnen.
die ostmole wurde in zehn statt in 24 monaten erbaut, durch hilfe der fdj.
ein eimer der eimerkette des baggers fasst 600 lt.
dampframmen rammten 17 meter lange betonpfähle in den flussgrund.
auf ihnen ruhen heute die kaiplatten mit den kränen. die kaimauer ist bisher 60 meter breit und 300 meter lang.
massengut = unverpacktes. stückgut = verpacktes.
ruhige stimmung im autobus bei heimfahrt. plötzlich weckt einer sein schlafendes kind: aufwachen. ein reh.
schlimmer kann es für ein kind nicht sein, wenn einer ‚feuer schreit.
herr sandmann trank zuviel kaffee. er wartete die nacht durch und sass, kaum wurde es hell, wieder wach im bett und las.
unsere reise vom friedensrat begann mit einer sehnenzerrung der frau padua, endete mit einer gleichen der frau sandmann, und endgültig geht sie zu ende mit hohem fieber bei mir in berlin.
er war bei der gebirgsmarine, bei welcher truppe sie sich von gebirgsreis nährten.

jugoslawischer film: studentenliebe. naja ...
defa-film: nebel. oft aufgewärmter kriminalstoff diesmal mit nazi-offizier, der wieder nach england kommt.

8.8.

rostock, hafenrundfahrt. leider diesiges, fast kühles wetter. anschliessend sogenannte hochseefahrt mit eva. windstärke 6 (?), darum entfernten wir uns nicht weiter als sichtweite vom ufer, als 5 kilometer, schade. man möchte ja nichts sehen als wasser und himmel. aber so, mit dem ufer in sicht, macht das ganze keinen spass. zumal alle speien und links und rechts mageninhalte sich ergiessen. nur unter aufbietung unserer grössten willenskraft halten wir uns speifrei, eva und ich.
das schiff hat eine gewaltige krängung. was aber ist das schon gegen meine fahrt nach finnland bei windstärke 12.

9.8.

baden, gruppenaufnahmen, bei denen es mit viel hallo und spass zugeht, dann sonnenbaden. dazu reichtʼs gerade noch. zum baden zu kalt. abends abschiedsfeier.
der direktor der ferienheime, genosse uhlir, kommt.
der generalsekretär des deutschen friedensrates, ein tscheche, ein österreicher (diesmal frau sandmann mit viel pathos), ein holländer und die begabte jane dick aus england und ein ungar sprechen, und [35] wieder der endlose übersetzungsrummel. dann tanz bis früh und kaltes büffet. vera und ihre servicemädchen zerfransen sich vor liebenswürdigkeit. der genosse 2. offizier von der völkerfreundschaft ist gekommen, mit seiner frau, und die frau gigos.

bei der leipziger völkerschlacht sind für die befreiung deutschlands 28.000 russen gefallen.

10.8.

samstag. die cssr-leute fahren weg. ich schlafe lange bis mittag, eva schon wieder im strandkorb. sie diskutiert immer mit republikmüden studenten, die gerne einmal ins ausland wollen und die glauben, die segnungen des sozialismus hätten sie auch dort. die würden schaun.

beobachtete lange ein flugzeug, das eine attrappe in hohem bogen über kübo schleppt. dann kracht es irgendwo. man übt schiessen auf flugzeug und das ist wichtig, wissen wir doch, mit welcher brutalität amerika seine luftüberlegenheit einsetzt, ohne jede rücksicht auf menschlichkeit und verluste.
dany brachte aus rostock zwei junge leute mit. sie wissen erstaunlich wenig vom kommunismus und seinen zielen und machen gerne auf westlich. sie geben sich blasiert und erwachsen, richtige kinder. wie sie es aus irgendwelchen filmen kopieren.

gespräch mit fernsehstar gigo. jemand empfahl ihm den witz vom zimmer, das frei wurde, weil ein gast ertrank, mit einem ‚himmel sei dank im hintergrund. ,aber sehen sie, solche witze machen wir nicht. es gibt kein verbot, auslandsender zu hören, aber man nimmt moralischen einfluss.
die renten der künstler betragen bis zu 70% ihres letzten einkommens. orchester bekommen subventionen, von 250.000 bis 800.000 mark. dazu niedrige eintrittspreise. kulturhäuser und theatersäle stehen jedem zur verfügung, der was bieten will.

mass halten, maul halten. erhards parole.

was geschieht mit dem eigentum der flüchtlinge, das sie zurücklassen?
es gibt 3 kategorien von flüchtlingen:
1. solche, die vor dem 10.6.53 weggingen.
2. solche, die nach dem 10.6. weggingen.
3. solche, die vor 1945 weggingen, hier gewohnt haben, sich aber nicht abmeldeten und einfach im westen geblieben sind.
3.a. solche, die ihr vermögen hier haben, aber im westen leben.
zu l.: alles ging in das eigentum des volkes über.
zu 2.: unterliegt der staatlichen treuhandschaft.
zu 3.: vorläufige verwaltung zugunsten des auslandsbürgers.

[36] gelder auf westzonen-sperrkonten, nach verhältnissen zum devisengesetz, verantwortlich ist der staatsapparat.
kommt ein bürger wieder, bekommt er alles zurück, was sein eigentum ist.
das vermögen der vor dem 10.6. geflüchteten ist nicht vererbbar. es bleibt volkseigentum, wenn der eigentümer stirbt (zu 1).
zu 2: kann vererbt werden, aber nur was sich nach der flucht ansammelt, bleibt im staatlichen besitz, bis der erbe zurückkommt.
arbeitsplatzwechsel nur mit zustimmung des betriebes.
haus dimitroff war privatbesitz und gehörte dann eine zeitlang der mannheimer bank. 1949 wurde es durch volksentscheid enteignet. am 10.6. neue gesetze, da miese stimmung in der bevölkerung wegen vernachlässigung der konsumgüterindustrie.
nach verabschiedung dieses gesetzes aufputschung durch den westen, weil der nun seine felle davonschwimmen sah. dann aufstand vom 10.6.
ein eisenbahnkilometer kostet 8 pfg. eilzugzuschlag 1,50.
86% ist volkseigentum, dazu eine reihe halbstaatlicher betriebe.

er hat heute seinen linksradikalen tag.
die möwen, bezaubernde vögel, unglaublich geschickt segeln sie durch die luft und fangen brotkrumen aus dem flug. eva: die kommunisten sind in euphorie. sehen alles strahlend, was in wahrheit hässlich ist.
ich: klar. man sieht ja als wissender die zukunft schon durch, die euphorie des fachmannes, der weiss, was aus dem modell, den plänen, dem grundmaterial wird.

etwas über schiffe: kort düsenruder aktivruder
voith-schneider antrieb (propeller)
eine prahm: kastenförmiges ungedecktes schiff
schubschiff: mannloser behälter für lastenverkehr
niedrige baukosten, da wohnaufbauten wegfallen.
daher auch grössere tragfähigkeit, um etwa 25%
geringer gesamtwiderstand bei schubverband.
strömungstechnisch wesentlich geringer als bei zugverband.

11.8.

regen. bad. besuch im ‚nassen fleck. einen wodka. brrr.
kino, alle zusammen, for eyes only. mit alfred müller. als vorspann singt gisela may, ganz hervorragend verfilmt, tucholskys der graben. nur das lied, ihre mimik und darstellung, und als background kriegsbilder. erschütternd.
alle sind in der ddr wie in der ussr auf frieden eingestellt, für den frieden, nur der kapitalismus scheint krieg zu brauchen.
gut sind hier die wochenschauen in der ddr. gut photographierte neuigkeiten (wie überall) und wohldosierte politik. nicht so über-[37]mässig wie bei unseren westlichen hetz-wochenschauen.
for eyes only war sehr spannender spionagefilm, der einblick gab in die machinationen der u.s.-geheimdienste.
nach dem film stellte sich alfred müller, der auch urlaubsgast im dimitroff ist, uns zur verfügung. auch der oberspielleiter schönemann vom gorki-theater ist da und der verwaltungsdirektor.
batik am nachmittag. sehr lustige beschäftigung. wir bekamen jeder einige tücher und farben und werkten drauflos unter veras anleitung. sehr lustige dinge kamen zusammen. muster.
adelheid, eine auf die gesundheit ihrer gäste bedachte jungkommunistische schankdame. sie entwickelt neben ihrem unansehnlichen äusseren viel charme. warnt vor alkohol und kalten getränken.

13.8.

manöver auf see. patrouillenboote. schutz gegen westdeutschland. gut, dass es zurückgeht. hoch gehen die wellen beim abschiedsabend.
die abschieds- und begrüssungsabende werden mir allmählich zuviel.
im zug rostockberlin. dany hat in rostock auf dem bahnhof photographiert, und unser reiseleiter kröbel hat nun wirklich seine schwierigkeiten, ihn von der polizei loszueisen. es ist halt alles noch streng hier in der ddr. kriegsmässig, aufgrund der dauernden störangriffe vom westen her.
herrliches mittagessen im zug.
lernen den schriftsteller jan koplowitz kennen. er leiht mir ein buch, das nicht sein bestes zu sein scheint. naja, die gustos und ohrfeigen sind verschieden. sein sohn hat sich in rostock auf dem bahnhof schon mit dany angefreundet. der sohn ist aus england zu besuch in der ddr. koplowitz: ,wenn er ein reaktionär wird, bring ich ihn um.
seltsam, dass so viele eltern dies dem zufall überlassen und nicht ihrem dauernden einfluss? und ist er noch so oberflächlich, er wirkt sich aus auf das werden eines jungen menschen. darum auch gibt es so wenig junge kommunisten, weil kommunisten nicht die gewalttätige penetranz der agitation haben wie christkatholische grossmütter, die einem dauernd mit den stinkenden finger, kreuzzeichen machend, im gesicht herumfummeln, köpfe schief halten und weinerlich winselnd fragen: host eh scho gebetet? gott siehtʼs gern, tu beten usw.
seine erziehung sollen die englischen kommunisten übernehmen, sagt koplowitz. der sohn trägt das antiatomabzeichen.
vor abfahrt bummel mit eva. rostock ist eine schöne stadt. die auslagen sind voll (chor der antikommunistischen kurier-leser: ‚jo, weilʼs a hofenstodt is, und die auslogn für die fremdn san).
zweistöckige züge. so einer warʼs, den dany photographierte.
[38] abends rasch mal nach westen rüber. es zieht mich zum funkturm mit seinen 600 tonnen gesamtgewicht, an dessen fuss wir vor zig jahren exerzierten, damals unter scharführer lange, diesem kleinen dicken fresssack und charakterschwein, der potentielle nazi, der uns erst so richtig in finnland das leben heiss und sauer machte, auf nichts gestützt als auf seine penetrante ‚führerart‘, die aus seinem zu kurz geratenen minderwertkeitskomplex kam.
seltsam, nächtliches berlin. lange, endlos, fährt die s-bahn und man sieht nichts als dunkelheit, da und dort einzelne lichtanhäufungen zwischen grossen nackten leeren flächen, unbebaut, als wärenʼs dörfer, diese lichtanhäufungen, und ist doch alles berlin.
immerhin, gedanken zurück an lager funkturm, zwischen heerstrasse und müggelheim topographisch und chronologisch gelegen, warʼs eine schöne zeit. hier waren wir in quarantäne uns allein überlassen fast drei wochen lang und taten, was uns spass machte. essen wurde rangefahren, und den übrigen tag hauten wir ab, gingen durch berlin, ins kino, mit mädchen, zum wannsee. ein urlauberleben. und wir hatten glück, wir wurden nie erwischt. nur wir österreicher allerdings nützten diese freiheit, die braven sturen piefkes blieben in der baracke.
vorher, bevor die epidemische gelbsucht ausbrach, die festzustellen man uns in quarantäne gab (aber keiner hatte sie), exerzieren an der feldherrnhalle, und an der avus. heute sind hier überall prächtige fernstrassen, mit unübersichtlichen unter- und überführungen. hier hatte ich auch meinen ersten zusammenstoss mit hantsch, der unser kompagniechef werden sollte. ich stand posten, nach oder vor der quarantäne, da kam er im vw und wollte raus. ich hob die schranke und er schnarrte raus: wollen sie keinen ausweis sehen?
ich: aber hau ab. ich seh schon, dass du ein bonze bist. und ausweise interessieren mich nicht.
zehn minuten später kam einer gelaufen. ich wurde ‚abgelöst‘ als posten.
und in finnland ging die schikane weiter, die aus seiner wut über meine (unsere) unsoldatische haltung kam.

sonst alles hier in westen anders. jugendliche plärren argonnerwald.
zigarettenreklamen und zigarettenreklamen und …
etwas mehr licht.

14.8.

nach treptow. sonnenschein. mit boot ‚bummi auf müggelseefahrt. die amerikanische millionärin ruth kolby war an bord, sie ist von der idff (intern. demokr. föder. der frauen). franzosen an bord, engländer, friedensfreunde, neger, asiaten. fernsehen und radio machen interview. ruth kolby ist in den usa ausbeuterin, den mehrwert steckt sie in der ddr und anderswo in sozialistischen ländern in friedensbewegungen.
[39] die fahrt ist etwas langweilig. immer ufer und wasser. manchmal boote, schleppkähne. heiss ist es. auf dem schiff zieht es. hübsche wochenendhäuschen, welche die gemeinde köpenick billig vermietet. fernsehinterview mit mir.
prof. dr. walter fridrich hielt eine rede, während das essen kalt wurde. in mir machte sich bronchitis bemerkbar. ich kenne das. da kratzt es plötzlich im hals. dann kommen kleine schüttelfröste, und schon geht’s dahin. die sache nimmt bei mir immer einen stürmischen verlauf. trotzdem abends noch zur joliot-curie-feier. streichorchester, kammermusik. man sollte die dekadente kunst wirklich abtun. kulturmüll aus bürgerlichen epochen. warum nicht einen eisler zur joliot-curie-feier oder serielle musik oder musique concrète.
marion van de kamp rezitiert. sie war in for eyes only sekretärin im gehaltsbüro. eine schöne frau. sie winkte mit dem händchen, als sie nachher an mir vorbeifuhr.
jemand überbrachte grüsse von pierre piccard. arnold zweig sprach, anschliessend kaufhausbummel mit eva. die läden sind voll, viele waren, nicht in der luxusqualität wie im westen, aber es ist alles da. man kann nie alles haben, qualität und quantität, solange man aufbaut, das ist unmöglich. jeder kleine geschäftsmann weiss das, dass er zuerst ins geschäft stecken muss, ehe er sich einen schönen anzug leisten kann. jedenfalls: not gibt es keine.
abends film: nackt unter wölfen. ein erschütterndes dokument über die barbareien der nazis und den heldenmut kommunistischer männer.

15.8.

da ist sie also, die grippe. ich lasse den besuch in sachsenhausen aus und bleibe im bett. der portier kümmert sich rührend um mich. ich bekomme zu mittag ein rumpsteak und kraftbrühe, tabletten und limonade. muss schwitzen. die schöne blonde bebrillte, junge, gestellte zimmerfrau, fesche intelligenzbestie, sicher studentin auf ferienarbeit. das wär eine erholung. auch eberswalde versäume ich am nachmittag. eva berichtet mir davon.

16.8.

aussprache im klubhaus. ‚wir haben alle jacken an, die zu gross sind, in die wir erst reinwachsen müssen‘ – schöne dankreden der holländer und engländer. der sozialismus muss ja den menschen auf eine höhere stufe stellen, wenn er seine daseinsberechtigung haben will.
ich habe wieder stärkeres fieber.
bekomme den wagen. kosten 115 dm. dafür ist er servicemässig auf hochglanz gebracht, radlager erneuert, zündkerzen, allerlei anderes. er fährt wie ein gummimotor.
versuche nochmals müggelheim anzupeilen, aber verdammt nochmal. ich [40] finde mit dem wagen nicht hin, obwohl wir damals so oft diese strecke gefahren sind. da macht irgendwo die grenze zu westberlin ein knie und sperrt mir eine wichtige strasse ab. immer wieder komme ich auf die rummelsburger und adlerhorster.
bemerkenswert: die brüste der blonden zimmerfrau. ein wunder der natur, fenster zu ihrem zimmer stand offen, als ich leise den flur entlangging, teppichgedämpft. sie stand vor dem spiegel und heftete irgendetwas an ihrem busenhalterträger. in solchen augenblicken überlegt man wirklich, ob man zupacken soll oder nicht. frei hing das und wohlgeformt in den raum. ich beneide die trägerin um solche drüsen, dass ich sie nicht angreifen darf, tut weh.
da warf sie die türe zu.

rasch nach zoo, zum tierpark, wo die andern sind. wir essen, jausnen, gehen durch den tierpark, die portionen sind viel zu gross, ich schwitze elendig. nur essen und still halten. nichts anmerken lassen. die andern fahren mit autobussen heim. ich gehe nochmals mit eva durch den abendlichen dämmrigen tierpark. wisente rasen mit dumpf donnernden hufen an uns vorbei, eine ganze herde, nur durch einen wassergraben von uns getrennt, der kaum zwei meter breit ist.

17.8.

fahrt nach frankfurt/oder mit autobus. lustig im wagen, es geht mir wieder etwas besser.
eisenhüttenstadt an der oder. aus der erde gestampfte hütte.
6 hochöfen produzieren 1,2 m t. roheisen pro tag. k. kraftwerk.
5.500 beschäftigte arbeiter in drei schichten.
auch alle anderen betriebe arbeiten zu 80% dreischichtig.
früh, vor abfahrt, brachten wir die vier holländer zum ausländerübergang. herzlicher abschied mit tränen und geschenken und küssen.
jane schenkte jedem zwei tafeln schokolade als abschiedsgruss der engländer.
(wir bekamen jeder 100 mark taschengeld!)
das werk eisenhüttenstadt dehnt sich bis zu 12 km und 1 km breite.
34.000 einwohner, davon 11.500 kinder.
wohnkomplexe. in jedem sportanlagen, kindergärten, kulturstätten. service, verkaufseinrichtungen der handelsorg.
durchschnittsalter der bevölkerung 29 jahre.
durchschnittsalter des stadtrates 32 jahre.
25% frauen in stadtverwaltung, schichten von 6–14, 14–22, 22–6 uhr. hinter den blocks spielplätze für kinder.
grund für die verlegung des werkes hierher war die unfruchtbarkeit des bodens.
in einem lokal trinken wir kaffee. sehr elegant und schön. kellnerin wurde als kind von mutter nach dem westen mitgenommen, 1953. und 63 [41] kam sie zurück.
von einer hügelterrasse, restaurant, wo wir mittag essen und wo eine hochzeit ist, sieht eisenhüttenstadt beinahe aus wie linz.

18.8.

hohes fieber. die andern fahren in den spreewald. wir müssen weiter und trennen uns vom friedensrat. koplowitz fährt mit den andern.
schade, es war schön im gewerkschaftshotel.
beim kontrollpunkt liess man uns nicht nach westen. ich wäre so gerne mit eva durch westberlin gefahren, um ihr den unterschied zu zeigen. so müssen wir einen umweg von fast 40 kilometern machen, um ganz berlin und wieder, zum xten male, die rummelsburger. die vopos sind höflich, aber stur.
schliesslich kommen wir doch nach marienborn, wenn auch erst gegen 13.30. die sonne brach inzwischen durch. endlos scheinende autoschlange. wir drängeln uns vor, werden zurückgewiesen und rutschen auf der rückfahrt in die kolonne, weiter vorne als uns zusteht.
lese nochmals die letzten notizen, während wir warten. die stadt eisenhütten ist so angelegt, dass nur an 13 tagen im jahr der wind die abgase in die stadt weht. sie ist an der oder angelegt, weil roheisen aus der su kommt und kohle aus polen.
700 rückzügler aus der brd seit zehn jahren.
wohnungsmiete pro quadratmeter 58 pfg bis 1 mdn.
langsam schiebt der wagen sich mit der kolonne vor.
nach einer stunde sind wir durch. strassengebühren bleiben uns erspart (gäste des friedensrates!).
drüben der sogenannte verfassungsschutz. bullenbeisser, stiernackige ss in andersfarbiger, blauer uniform, sucht nach zeitungen aus dem osten. schaut finster. blutsäufer.
schlagartig hat sich also das milieu und die atmosphäre verändert. wir sind wieder im westen, wo die freiheit bis zur anarchie getrieben wird und darum die feste hand der freiheitsschützer dafür sorgt, dass nicht eine echte freiheit durchbricht, nur die erlaubte sklavenfreiheit.
schlagartig zurück ins absterbende bürgertum. wie stark man das nach zwei wochen ddr empfindet.
neben den strassen tafeln, die zum besuch von kirchen auffordern. götzendienst. am sonntag, meinen sie, hätte gott vorrang. chromblitzendes land. autoraserei. rücksichtslosigkeit. wie menschlich waren die menschen in der ddr. wie bezogen auf den menschen, hier ist alles auf die maschine, das chrom, die agitation ausgerichtet, auf das ICH.
das gebiet der ddr besteht vorwiegend aus sand und heide. wie fruchtbar ist es hier dagegen. hätten die verhandlungen um die teilung deutschlands nicht die grenze etwas vorverlegen können?
[42] mir fiel auf, dass unzüchtige zeichnungen in den klosetten im osten fehlten.
man hat uns kleine saure äpfel in unseren reiseproviant gepackt. erschüttert und gerührt, nirgend anderswo würde man solches ‚obst‘ auch nur ansehen. hier gilt es als reiseproviant. sie sind noch arm, aber tapfer und vor allem entschlossen, zu zeigen, was man aus dem nichts unter kommunistischer führung machen kann.
hier im sogenannten wunderland tauchen auch wieder die tafeln auf: dreigeteiltes deutschland? niemals.
spruchbänder auf einem rummelplatz: dem feinde zur wehr, dem herrgott zur ehr. was hat das für eine beziehung?
und: einer für alle, alle für einen. was für ein witz, gerade hier. viele mercedes, wenig volkswagen.
an einem mercedesvolant sitzt ein junger wunderlandrotzer mit einem weib im arm, eng umschlungen, und zockelt vor mir her. ich überhole ihn, um mein reisetempo zu halten.
da prellt er vor, setzt sich wieder vor mich hin, wird wieder langsamer: so wiederholt sich das spiel einige male. so sind hier die sitten. der mercedesfahrer ist trumpf und zeigt es auch. eine neue art führerschaft. lange, schau runter.
lüneburg. schön wieder aufgebautes städtchen in der heide. irgendwo hier der bauernhof, in dem ich mit fritz merta milch getrunken und übernachtet habe, die landstrasse, die ich mit ihm gehatscht bin.
nach bleckede. dort rechts muss irgendwo eb gewohnt haben, der homosexuelle flussingenieur, der damals uns buben vernaschen wollte und uns in lebhaften worten die freuden des geschlechtsverkehres ausmalte, auch mit frauen. der uns zum erstenmal die physiologie einer scheide erklärte (das ist wie mit fingern, das knetete so, wennʼs eine kann). wir hielten mit roten ohren augen und mund offen. das war noch alles fern, obwohl wir sechzehn waren. als wir abhauten von radegast, holten wir uns bei ihm reiseproviant.

19.8.

fussmarsch nach radegast von bleckede weg über den deich.
hier ging ich oft zum arzt, als ich das furunkel hatte. damals war ich landarbeiter und von früh bis spät am werken, bis zum umfallen müde, die därme von würmern zerfressen, den jungen magen von hunger zernagt. den körper von sonne verbrannt. leider kam regen auf. ich fand otto sasse, den debilen landhelfer. er werkt sein ganzes leben für andere und hat nichts davon. ich glaub, sie leihen sich den blödel aus und zahlen ihm nicht einmal was.
burmester hat schon 39 seinen hof verpachtet. seine frau starb. ihn traf der schlag.
im taxi mussten wir zurück. teurer spass. viel geld für einen fussmarsch. immerhin sind es acht kilometer.
[43] abends besuch bei gertrud burmester in einem anderen dorf. der vater hat sich kaum verändert. so sah er auch aus, als er mich in die landwirtschaftsgeheimnisse einführte, streng aber gerecht und nicht unliebenswürdig auf norddeutsche art. nur der schlag hat ihn gerührt vor langem. er lächelt dünn und steht herum und weiss mit der welt nicht viel anzufangen.
der mann der gertrud ist ein klotz, rauh und nicht herzlich. er sieht uns, die fremden besucher, kaum an, sondern vertieft sich in die zeitung, sagt nicht muh und mäh.
gesprächsperlen. wir sitzen zwei stunden und reden, und nichts wird uns angeboten.
habt ihr die hermann-göring-werke wieder aufgebaut? (als hätten wir geschlafen.)
habt ihr eine eigene währung? (als wären wir noch immer deutsche kolonie.)
ein zehnschillingstück wird als ‚aluminiumgeld‘ bezeichnet.

20.8.

um zirka zehn uhr weiter. über die heide, lüneburg und hannover nach mannheim. in der heide viele militärische sperrtafeln und sperrzonen. panzerkolonnen, manöver, übungen, exerzierende. als wäre deutschland ein einziger kasernenhof. ändert sich das denn nie?
wennʼs auch ausländische truppen sind. warum werfen sie sie nicht raus? in der autobahnstation frankfurt esse ich eine teure erdäpfelsuppe um 3 mk und lasse dafür meinen ehering (13 gramm feingold) auf der toilette liegen. ich habe eben doch erhöhte temperatur.
wind, sturm, regen und eine wahnwitzige raserei der deutschen und der amerikaner. überholen oder überholt werden ist jedesmal lebensgefährlich.
etwa um sieben, an einem sonnigen abend, in mannheim. netter empfang durch ilse und hagg. hustensaft benadryl. hilft sehr.

21.8.

spaziergang in mannheim. kaufe platten. twist dixieland. saphier. lasse wieder tonkopf liegen, was erst in linz auffällt. durch karls findigkeit bekam ich das alles wieder.
ausflug nach heidelberg. nett. aber zuviel wirbel. kreuz- und querfahrt, bis wir hinkamen. konditorei. der kleine ist ein lieber kerl.
‚mein süsser kleiner kullerpfirsich.‘

22.8.

weiter nach linz, wir freuen uns so sehr auf susi.
kaltlötung der benzinleitung, die einen riss hatte.
mannheim ab 10.00, linz an 20.00.
susi begrüsst uns wie verrückt.
partezettel liegt daheim. frau yu ist tot. sie starb im urlaub an herzinfarkt.
brief vom landesinvalidenamt. man kürzt meine rente um 300 ös im monat.
[44] nur wegen der läppischen filmbesprechungen, die ich mache, was mir als nebenverdienst angerechnet wird.

besuch von stögmüller. er ist immer noch der alte, vital, stürmisch und behende. und gespannt auf seine aufgabe, wie wir, wie er sie lösen wird.
er erzählt unter anderem, dass klinger zwei romanverträge hat. seltsam: manche autoren bekommen aufträge, ohne dass man weiss, obʼs was wird oder nicht, andere plagen sich, schreiben gutes, interessantes oder neues und kein schwanz interessiert sich dafür.

slezak gibt eine neue kunstzeitschrift, kulturzeitschrift, heraus. und man subventioniert sie ihm von allen seiten. seltsam. manche leisten was, und nie gedenkt jemand, sie dafür, für schon erwiesene leistungen zu unterstützen. andere wieder kommen, reden von plänen, und man unterstützt sie vorurteilslos.
eigenartig ist das. gerade diese zeitung, polyphem genannt, ist doch von vornherein eine totgeburt. lange, kleinschmidt, landesregierung, buchegger, alle arbeiten fleissig und brav mit. dass denn die von dem schuster vogt irregeführten nie aussterben?

diesen monat komme ich also auf 1200 ös. das ist wenig, zins allein über 600 ös.

wo kommen bloss die vielen vögel hin, die täglich in den bäumen krepieren?

besuch bei kurt. höfliche, gemessene atmosphäre.

stück für kunzens sozialistische jugend. bzw. er vermittelt es. ein jugendweihespiel. verlangte 12.000, um 8000 zu bekommen.

[...]

tschechen waren in linz zu besuch. kurt benimmt sich immer so präpotent und unqualifiziert.

[45] peschek will peternell in die volksblatt-redaktion bringen, ohne dass der jemals erfahrung bei zeitungen gesammelt hat. die macht der beziehungen? nur weil er ihm vif erscheint, sollte das möglich sein? und peschek selber ist ‚mit dem aigner per du, dem bürgermeister, und der wird ihm demnächst die konzertdirektion geben‘.

ich würde in einem kommunistischen österreich als unterrichtsminister den religionsunterricht beibehalten, nur ihn von marxisten durchführen lassen. eine sachliche und objektive kirchen- und religionsgeschichte. den blutigen aufstieg der gewaltigen kirchenherrschaft, die intoleranz, die brutalität.

in der bürgerlichen demokratie ist alles auf nivellierung angelegt, auf versöhnlertum und aufweichung, ohne höhen oder tiefen (mit ausnahme des gangsterwesens, das der bürgerlichen welt inhärent ist, der kapitalistischen wirtschaftswelt adäquat). sie ist im grund schon gegen eine dramatik shakespearescher grösse und lässt höchstens naturalistische, seichte dramen zu. die dramatik ist nun einmal eine kunst des kampfes, der widersprüche, das mag der bürger nicht, der nur das ‚schöne, harmlose‘ sehen möchte und es mit kunst gleichsetzt.

1.9.

das ganze heilige tirol ist auf den beinen, weil in südtirol zwei carabinieri freigesprochen wurden, denen eine misshandlung südtiroler sogenannter ‚freiheitskämpfer‘ nicht nachgewiesen werden konnte. sicher haben sich die faschistischen strizzi selber lädiert, jedenfalls schreit jetzt jeder tiroler, der mit hitler nie nach recht fragte, dass recht recht bleiben muss. als man den massenmörder murer in graz freisprach, da war es schön mäuschenstill in österreich. massenmörder sind die helden und vorbilder unseres volkes. da lässt man nichts dran deuteln. was ist schon ein judenvertilger gegen einen solchen carabiniere, der wirklich nur seine pflicht tut.

zehn jahre kellertheater. in einem vorwort zum programm bezeichnet heri heinz den ‚pauli‘ als wiener starkritiker. eine naive, gefühlsmässige überschätzung.

das typische ist das allgemeine. es ist für die darstellung in der kunst nicht so wichtig wie das untypische.

kain, der dichter der wirtshäuser, ein wirtshausdichter? schaut nicht mehr heraus bei ihm, den ich so schätze? nur gesäusel von wirtshaus-sentimentalitäten?

[...]

[46] ein altes weibchen, das ihr leben lang nur ausgenützt wurde und kaum was für all ihre arbeit hatte als kummer, demütigungen und sorgen, aber sie weiss: vom kommunismus hat man halt noch nichts gutes gehört. und was hat sie vom kapitalismus erfahren am eigenen leib und gehört? immer nur das beste. dafür sorgten kirchenblatt, leibblatt und radio und der pfarrer.
die massenmedien machen die unermüdliche arbeit unserer aufklärer zunichte. all das ist in der hand reaktionärer, konservativer elemente, die (sogar ohne böse absicht) ununterbrochen kommunistenhetze betreiben. dazu kommen pseudowissenschaftliche verherrlichungen des westens und der kirche. jeder mord, jeder raub, jedes verbrechen, das ist gut. geschieht es doch im ‚freien westen‘.

14.9.

olah verbietet kameradschaftsbund.
man staunt und glaubt es nicht: das verbot wird binnen kurzem durch interventionen breiter nazistischer kreise hinfällig und widerrufen. am sonntag dem 16. marschieren durch linz und andere orte österreichs sogenannte kameradschaftsverbände mit hakenkreuzorden. unsere gesellschaft ist antihuman und faschistisch und reaktionär. daran kann auch ein olah nichts ändern.

15.9.

mehr rente um gleich 600 ös – ein schöner erfolg. endlich ist das monatsbudget so hoch, dass die kosten gedeckt sind, aber die inflation wird alles wieder zunichte machen.

man kann den osten nicht immer mit dem parteigeschehen identifizieren, sowenig man das im westen mit maiaufmärschen und marienumzügen kann.

so streng sind in den deutschen illustrierten die bräuche. wenn eine kilometerzahl nicht stimmt, gibt es krach. man hätte doch telefonieren können und sich erkundigen. so inge dorotschinsky.
wenn aber menschliche situationen nicht stimmen, dann ist das weniger schlimm. sie war testerin bei quick, kannte nie einen paul blaha.

jüdin aus kanada war in israel: ich bin mir immer so arm vorgekommen in kanada. jetzt war ich in israel, jetzt bin ich froh und reich, die armen menschen, so viele in einer wohnung.
so reagieren westliche individualisten, die nicht wissen, was gemeinsame arbeit und gemeinsames leben ist. die nur das eigene wohlbehagen kennen.

immer noch diese phrasen bei wochenschautexten, die mode betreffend. ‚die kleider der damen müssen ja wir (männer) bezahlen.‘ dabei stimmt das schon gar nicht mehr, da die meisten frauen selber arbeiten.

[47] fischer-karwin empört sich: ‚wird es mode, könige zu beschimpfen?‘
in seinem köpfchen sind könige noch immer unantastbar. er nennt sie ‚politiker‘ und verschleiert so, dass sie nur arbeitslose drohnen sind.
die privatinitiative macht sich vor allem in den randgebieten der wirtschaft geltend, dort, wo das notwendige luxus ist. die kleinen greissler und geschäftsleute, friseure, mechaniker und dergl., die kann man nicht zentral lenken oder durch ein kollektiv, das mögen sie nicht. hingegen strampeln sie sich tot, wenn ‚es ihnen gehört‘. wie unlogisch der mensch ist, sonst wäre der kommunismus schon längst durchgeführt.
alles, was unwesentlich und entbehrlich ist, macht den menschen froh und gibt ihm das gefühl des reichseins. zehntausend sorten dosenöffner, hunderttausend sorten rasierapparate und so weiter. im grunde alles gelumpe, das nur dem verdienst weniger dient, die wichtige grosse grundindustrie funktioniert auch heute schon ohne eigentümer, ohne ‚privatinitiative‘.

bei vera gewesen. ihr mann, ploberger, netter alter kerl, der sehr bewusst auf ‚weltenfern‘ und künstler macht.
‚wissen sie, wir sind nicht sehr aktuell.‘ nein, das will er gar nicht, darauf ist er noch stolz, wie manche leute 1935, die am andern tag trotz ihrer inaktualität mitten drin waren in der aktualität des eigenen krepierens. und vera hat leider von ihm angenommen.

[...]

die fernsehredaktion von panorama wurde entlassen (in münchen) wegen der sendung über den bonner abhördienst. so sind im freien westen die freien bräuche. wenn ihnen was nicht passt, kommt die geheime staatspolizei.

england verweigert gästen des sowjetischen botschafters die einreise (dem dichter kornijtschuk).

angestelltenordnung von 1852 australien: wenn es kalt ist, selber vier pfund kohle mitbringen, nur eine halbe stunde zum essen frei, aber ohne die arbeit zu unterbrechen. von sieben uhr früh bis sechs uhr abends, wenn schiffe beladen werden, auch sonntag dienst, eigene schreibfedern mitbringen. bunte kleidung und seidenstrümpfe sind nicht erlaubt. reden während der arbeit verboten. das wurde eine fast ‚utopische‘ arbeitsbedingung genannt.

[...]

[48] 9.10.

mit kunz und dobesberger. ein seltsamer mensch, funktionär der spö und erzkonservativ. sie sind leicht zu verwechseln mit mitgliedern katholischer organisationen.
thema des jugendweihespiels soll sein ‚freiheit für alle‘ (aber nicht für ihre erzfeinde, die kommunisten!)
nicht-totalitär ist für sie amerika. wo jeder, der geld hat, alle freiheiten hat, das zu tun, was der noch reichere will.

im radio: zivilschutz, eine schöne und wichtige aufgabe der frau, verrät ein zittriges frauenstimmerl durchs mikrophon.

[...]

ein geschlechtspartner für ein ganzes leben? das ist, weissgott, zu viel, das ist geradezu unmoralisch. man gewöhnt sich aneinander, geht füreinander durch dick und dünn, aber das sexuelle, das stirbt doch ab. und es wäre unnormal, wenn es nicht so wäre, denn es gibt keine überraschungen mehr und somit keine höhepunkte oder gar eine erregung. nur noch der nackte genuss der friktion.

maerz (der künstlerbund)
im neuen museum. das ist einmal ein modernes, schönes, herrliches museum. dahinauf sollten die linzer strömen, nicht in die neu errichteten deutschen kaufhäuser, die jetzt den bayrischen hilfszug ersetzen.
(was die anziehungskraft auf primitive neugier betrifft.)
nachher party mit kub. und pötsch. sehr unterhaltsam. zn gross in fahrt. viele einblicke in verkalkte natur des maerz.

12.10.

ausflug nach klaus. spaziergang zu kl. und gr. wasserfall richtung leonstein.

13.10.

ausflug nach ybbs. paddlerstation. salat 5 ös. ein lokal für snobs und dummköpfe am linken donauufer (fischlokal).

aufführung: kalchgruber, der bauernadvokat. ein österreichischer kohlhaas, derʼs mit der feder machte.
wer den wald abholzt, darf nicht so bald einen neuen schlag erwarten.

kettenkugeln aus dem 17. jhdt. zwei kugelhälften wurden aus einer kanone geschossen, waren mit ketten verbunden und richteten grosse verheerungen an. (vorläufer der kettenbombe.)

[49] dieses museum im schloss ist wirklich mit viel liebe und viel geld errichtet worden (und mit geschmack), mit geld allein wärʼs auch gegangen. mit liebe allein weniger.

der pfarrer von st. leonhard im mühlviertel gab schöne alte barockfiguren um wenig geld ab, weil er sich neugotisch einrichten wollte. man lacht dazu. aber was geschieht auf breitester basis an solchem unfug? schöne, edle alte sachen werden auf den mist geworfen, weil man sich neobiedermeier oder nylonbarock einrichten möchte. und umgekehrt. (ploberger in münchen holte sich z. b. schöne alte sessel von einem schuttabladeplatz, polierte sie auf und hat nun zwei schöne renaissancestücke.)
der snobismus grassiert.

das schiesspulver hatten die chinesen jahrtausende, und es fiel ihnen nicht ein, damit waffen zu erzeugen. aber kaum in europa nacherfunden, hatte das abendland seine mordwaffen.
die mumifizierte leiche in st. thomas am blasenstein. ein netter ort auf hohem, windigem mühlviertler gipfel. die leiche aber ist kein pfarrer, sondern ein simpler bürger, der so viel wachholder soff, dass er mumifiziert wurde (schon zu lebzeiten). kein fäulnisbakterium konnte da ran.
maerz – eröffnung einer ausstellung. mit elenden bildern der sogenannten altmeister. frau kh war da und stand neben mir. erinnerungen an marchtrenker nächte. lange trieben wirʼs oft und eifrig, beide nicht satt zu machen aneinander.

samstag eröffnung der buchausstellung. globus ist nicht vertreten, kain war enttäuscht.

bei el. immer versucht er, mit politischen dummheiten zu provozieren. in westdeutschland wird verhaftet und verhaftet ...
ja, sagt einer (sk?), aber kommunisten!
und schon ist alles im lot. keine aufregung mehr notwendig.

die unpolitischen künstler im maerz, die immer gleich ‚polemik‘ schreien, wenn irgendeine darbietung profil hat. bei der eröffnungsfeier aber setzten sie einen politischen redner vor, einen giksenden jüngling, der vom europarat und vom europagedanken faselt.

8000 für jugendweihespiel. nicht zuwenig.

bänderriss einer jungen dame. und zwar busenhalterband. die fülle war zu schwer. im dunklen hausflur plagte sie sich ab. ich bot meine hilfe an. hob die brust, knotete das band, fühlte kühlen busen und rücken und heisse wangen. grosse warzen erwachten bei der berührung und wurden steif wie auch bei mir etwas ... küsse auf brüste (belohnung).

[50] besuch bei kubovsky im atelier. er legte mir mehrere erschienene bände
und bändchen von schriftstellerkollegen vor, nicht mit schadenfreude, eher als ansporn gedachte geste. aber kein ehrgeiz packte mich. eher kleine regung, wieder was anzufangen. es ist alles so sinnlos, in einer welt von neidern, hassern und feinden. zuviel auch wird gedruckt, was wirklich mist ist. zu vieles erscheint, was besser unterbliebe. soll man all diesen mist um den eigenen vermehren? wozu? verdienen kann man mit schriftstellerei nicht und umso weniger, je besser man wird. ausser man gehört zu einer einflussreichen clique oder ist mit einem verleger intim.
und überdies bin ich zu bequem, verlegern und dramaturgen nachzulaufen, mit kleinlichen literaturbeamten zu streiten. mein selbstbewusstsein ist ausgelastet. ich brauche keinem was vorzumachen.
und zu lange habe ich darauf gewartet, gedruckt zu werden. wenn es jetzt einmal geschieht, ist alles schal wie bei einer spät erfüllten liebe.

auf dem heimweg vom französischkurs. zwischen den spalten eines vorhanges vor dem spiegel eine junge, üppige frau nackend stehen gesehen. sie betrachtete sich bewundernd. welch ein abenteuer muss es sein, weib zu sein (mit privateingang. dienerschaft über die hintertreppe).

4.11.

sternstein bei herrlichem spätherbstwetter mit robert und höfer, lore und maria. nachher zu pum auf den ersten oö. privatflugplatz.
den ersten flug unseres lebens gewagt. wir waren alle begeistert. es war herrlich, mit 100 meilen und in 300 mt höhe dahinzuschweben. unten winzig, wie spielzeug, der markt freistadt, summerau, kefermarkt. das mühlviertel überhaupt. keine spielzeuglandschaft könnte so lieblich sein.

sogar eva flog, wenn auch zittrigen herzens. nur maria nicht. sie hätte erst noch wichtiges zu erledigen (testament machen).
höfer ist ein fanatischer konservativer. er terrorisiert maria, verbietet ihr sogar, die zeitung des friedensrates zu lesen, die ich ihr bisher immer zukommen liess.
nach höfer-abladung zu uns zu whisky und kognak. auch thussi mit jules kam. spielte enzensberger, jazz und lyrik (perlen vor die säue). jules ist beleidigt und hat die dreistigkeit zu sagen: er will sowas nicht hören. (er meint, es wäre eine kommunistische platte. diese menschen. was macht nur die westliche welt aus ihnen. lauter charakterlose, gedankenlose schafsherden.)

und die preise steigen. semmeln, alkohol, alles wird teurer. die armen kleinen sparer werden eines tages wieder die dummen sein. sie folgen den werbetrommeln der banken und tragen ihr geld auf die banken. bis man ihnen eines tages wertloses papier zurückgibt.

[51] in der su gibt es 450.000 ärzte. das ist ein drittel der welt, auf einem territorium von einem sechstel der erde.
60 millionen menschen werden vom bildungswesen erfasst.
40% der industriearbeiter haben bereits mittelschulbildung.
zweimal mehr diplomingenieure als die usa.
legationsrat schyschkow zählte eine halbe stunde lang die vorzüge der su auf. die leute wurden unruhig.
man könnte das heute mehr von oben herab, lässiger, selbstverständlicher machen.
manchmal muss ich wieder des dentisten stiebitz gedenken, des netten kleinen lustigen kerls, den wir in anästhesie hatten und der, eine injektion demonstrierend, mit dem zeigestab eine lanze bzw. injektionsnadel imitierend, unzählige male wiederholte: wir gehen spritzend vor ...
und setzen ein depot …
er konnte das nicht oft genug sagen. und das heimliche gekicher der damen und das dreiste gelächter der herren war immer da.

[...]

budget 1963: rente 2129,–
zinsen von kap 200,–
eva 840,–
3169,–


zins 660,–
hshlt. 1500,–
auto 500,–
gas 300,–
licht 200,–
tel. 70,–
fgrns 60,–
3390,–

und das defizit von 230,–?

dazu kommen allerdings allerlei einnahmen, die ich erfolgreich vor dem finanzamt verberge. je kleiner die einnahmen, umso wilder sind sie auf die bekenntnisse und ziehen prompt ab. besonders bei rentnern und pensionisten wird jeder 50er nebeneinnahme abgezogen. sehr sozial. je grösser die vermögen, umso grösser sind die möglichkeiten.
um 3/4 8 rief ein finanzbeamter an, ob die arbeit, die ich mache, meine eigenen gedanken wären. ich sagte natürlich ja. und ich würde es überhaupt aufgeben, filmkritiken zu schreiben, wenn man mir wegen der lächerlichen nebeneinahme schwierigkeiten machte. da sagte er nur: gut, teilen sie es uns mit, damit wir den akt schliessen können.

7.11.

klarer himmel. ein erschütternder sowjetischer film.

rg verbot maria, zur friedensratssitzung zu kommen. er drohte ihr [52] quasi scherzhaft, aber bitter ernst gemeint, er würde sie rauswerfen. so sind die ‚demokraten‘. kleinlich, kindisch, bösartig. und gewalttätig, wenn es darauf ankommt, dann vergessen sie die kreuzesheuchelei und schlagen nieder, was sich muckt. das ist ihr wahrer, engstirniger, egoistischer charakter.

3.11. [Sic!]

party nach flugzeugausflug bis 3 uhr früh mit gerhards. nach probe mit gerhards und hanke für maerz-lesung wurde es auch spät. die lesung war am freitag und kam gut an.
samstag bei thussi mit mayr und kubovsky im sogenannten landheim. im auto geschlafen.
sonntag nachmittags kam pötsch mit frau und kind.
ye verträgt es nicht, wenn er nicht ununterbrochen hahn im korb ist. er weicht auch jedem ernsthaften gespräch aus (arsch arsch). das hat er kreiert, wenn er eine gesellschaft nicht beherrscht, dann sackt er ab wie ein flugzeug. ähnlich ist tr. manche menschen können oder mögen einfach nicht zuhören und schon gar nicht lernen.

bei der lesung stand heinrich wieder einmal ‚über den dingen‘. im allgemeinen gute stimmung, guter beifall. kunz meinte, ich hasse alle welt. maria hanke: ein fürsprecher der entrechteten.

dort, im osten, im sozialismus, malt man betriebe, weil jede gesellschaft künstlerisch gestaltet haben möchte, was ihr gehört. die feudalen liessen ihre hunde und schlösser und konkubinen malen, das proletariat lässt seine fabriken, brücken, eisenbahnen malen. eine neue ordnung bringt eine neue ästhetik mit sich.

in der bundesrepublik wurden frauen, die ihre kinder zur aktion ‚ferien für unsere kinder‘ in die ddr schickten, verhaftet.

die pässe der ddr-bürger (unsere brüder in der ddr!!!?) werden in der brd nicht anerkannt.

das gegenseitige ausrichten und herabsetzen und schlechtmachen, das gerade in kreisen des maerz so sehr gepflogen wird. unterhaltsam eine weile, später abstossend.

polizei schreibt vor: 400,– oder drei tage haft. (überholen auf fussgängerstreifen.)
invalidenamt will 1200,– zurück.
versicherung will 540,– schilling
schneider 1300,–
golob 90,–
das wäre alles. es kommt wieder einmal alles zusammen.

[53] professor lea grundig aus der ddr war da. eine unkluge taktikerin, aber eine heissherzige kommunistin. sie wurde diesen ‚linzer künstlern‘ zum frass vorgeworfen. die fielen natürlich mit der ganzen eiseskälte ihrer von keinerlei gefühl oder verständnis getrübten lebensart, die sie modern (nouvelle vague) nennen, über die arme her. was verstehen diese bürschchen vom staat, der parteiisch sein muss, haben sie doch die parteilichkeit unseres staates noch nie begriffen. wie aber kann lea grundig auch so doktrinär sagen, dass der abstraktionismus tot und mausetot wäre? das stimmt ja auch nicht. über die schwarzweisse proletkulturidee sind wir doch hinweg, weil wir ganz einfach den arbeiter selber auf eine höhere stufe heben, auf der ihn die simple kunst nicht mehr befriedigt.
vor allem aber kann man solchen leutchen, die jeden hingepinselten furz als offenbarung betrachten, nicht mit ästhetik kommen. allein eine solche diskussion zu machen ist taktisch unklug. vielleicht sogar der vortrag. ausser man hätte kapazitäten ersten ranges zur verfügung, um den bürgerlichen apologeten die münder zu stopfen.

19.11.

besprechung mit grill. wegen jugendweihespiel.

polyphem geht durch die stadt, blufft, wirbt, agitiert für seine zeitschrift. aber er ist ein netter, sympathischer kerl. er hat den 2. preis am landestheater für sein märchen bekommen. nun will er aber nicht in die dramatische werkstatt (dies der preis), sondern er will das geld ausbezahlt haben. er bekommt 1500 ös. daraufhin droht er mit anwalt, er liesse sich mit so einer bagatelle nicht abweisen. na ja, vielleicht sind es nicht die schlechtesten, die sich nicht alles von behörden gefallen lassen. obwohl das natürlich in diesem fall die reine hochstapelei ist.
als er abends ins theater kam, bekam er an der kassa statt der freikarte einen brief, dass er im theater unerwünscht wäre.
übrigens haben auch zemme und andere von der landesregierung geförderte ‚dramatiker‘ sich beklagt, dass sie mit 5000 ös in sechs wochen nicht viel anfangen könnten. auch weinberger hat man schon hingeschickt. die landesregierung tut alles, um dramatiker heranzuziehen, die endlich einmal klerikale und nationale interessen bedichten und dramatisieren. quasi övp-dramatiker. rechts-dramatiker. aber sie haben kein glück. sie haben nur ausschuss. für mich tut ja die l.-reg. dergleichen nicht, hat sie nie getan.
na schön, so züchten sie nattern an ihrem busen. selbstbewusste jünglinge, die kaum jemals etwas handfestes oder einigermassen ordentliches fertigbringen. es hat keinen sinn, auf diese art ‚zu fördern‘. wer nicht kann, kann auch so nicht. und wer kann, macht ohnehin.

[54] 20.11.

regen am sonntag. musik rudolf. melodienarm. krendlesberger-text scheint nach cocteau plagiiert, der macht sichʼs auch leicht.

22.11.

der vertrag ist perfekt. 8000 ös insgesamt. 3000 ös gleich, 5000 ös bei lieferung. dieser vizebürgermeister grill ist ein grosser politiker im kleinen linz und versteht es, sein schäfchen ins trockene zu bringen.
anschliessend lesung des eigenartigsten gespanns hierzulande: heri heinz und peternell. ein wahrer striptease, sie beweihräuchern sich gegenseitig nach strich und faden. und was sie schreiben, sind schlecht kaschierte tagebücher. pp ist ein lehrhaftes beispiel dafür, wie eine lebhafte phantasie durch schlecht verdaute halbbildung ruiniert wird. es wimmelt nur so von zitaten und lateinischen vokabeln. in diesem netz sieht man keinen eigenen peternellschen gedanken mehr.
aber die clique und die claque trommeln beifall.
anschliessend mit kubovsky im pflug. pleskavica. alle starren im lokal in richtung fernsehapparat. tragische stimmung im raum. was ist los? fragten wir heiter und ahnungslos.
kennedy ist ermordet worden.‘
so was ist heute noch denkbar? ein amerikaner (sänger), der hier sitzt, ist schwer angeschlagen, schreibt schnell einen brief und haut ab. er ist in kennedys gegend zu hause.
so muss die stimmung gewesen sein, als der thronfolger ermordet wurde. kubovsky in seiner individualistischen eingesponnenheit und in seiner politischen naivität erfasst überhaupt den ernst der situation nicht und die grösse des augenblicks – obwohl das eine phrase ist, daran aber ist unser jahrhundert schuld – und er und sein weib brechen dann und wann in kindisches gelächter aus.
diese oberflächlichkeit ist schrecklich langweilig. geistreich sich gebendes geblödel gibt mir nichts. schade, dass kubovsky nichts gelernt hat. sein kopf wäre so klug und sein geist so scharf.

nach dem texas-mord die texas-justiz. überraschend schnell hatten sie einen mörder, der in das allgemeine bild eines präsidentenmörders im kalten krieg passt. ein russlandfahrer, kommunistenfreund mit russischer frau usw. sehr auffallend. oswald.
und als er zu gericht gebracht werden sollte, nachdem er immer geleugnet hatte, der täter zu sein, wurde er von einem ‚idealisten‘ ruby erschossen. ruby ist ein gangster, nachtlokalbesitzer und fbi-spitzel. was braucht es mehr, um sofort zu erkennen: hier hat die amerikanische reaktion gemordet und zeugen beseitigt durch ihre treffendsten vertreter, die gangster und den staatssicherheitsdienst. kennedy wollte soziale reformen, cruzifere.

[55] 24.11.

kunz nach hallein gefahren zu pol. vortrag vor gewerkschaftsjugend. über weltpolitik. mit sehr versteckter, raffinierter hetze.

sg war da. er war in budweis und krumau und ist nun ‚erschüttert‘. sein vater ist portier, seine mutter hausmeisterin, er der prinzgemahl einer schaustellertochter, aber er ist ‚erschüttert‘ über die armut in der cssr. so was ist immer verdächtig. er bestahl seine eltern, bestiehlt nun mit seiner frau deren eltern (autodromkasse), aber er ist ‚erschüttert‘ über die komm. verhältnisse. das hab ich gern. und dass gerade er alle proleten verachtet, das ist ein witz. aber so was kommt häufiger vor als man denkt.

29.11.

stifterpreise an hermann friedl und fussenegger.

das seminar der kpö ist zu ende. zwanzig abende in zehn wochen. es war nicht immer leicht, abends den weg zu machen. manchmal verdammt müde und nur mit gewalt die augen offen gehalten.

alter befund: es wimmelt von grampositiven diplokokken, plumpen stäbchen, vergrünenden streptococcen u.ä.m. darum immer die müdigkeit und die unfähigkeit, in alter frische saufnächte durchzuhalten?

kunz rief an, knapp vor mitternacht, ob ich in der tagblatt-kultur einspringen könnte, razinger hat der schlag getroffen.

kurti klinger schrieb: ein papst lacht. anekdotensammlung.
herbert eisenreich schrieb: wie entsteht eine modelleisenbahn. !!!

verteidigungskrieger müssen aus anderem material gemacht sein. sie müssen wissen, worum es geht.
typisch, dass deutschland immer nur im erobern stark war, niemals im verteidigen des eigenen gebietes. da hört für den dummkopf plötzlich der mut auf, weil er mit dem überschreiten der eigenen grenze (zurück) plötzlich sein hoffärtiges selbstgefühl verliert, und weilʼs ‚um seins‘ geht. aber die vorausstrategie, das liegt den menschen mit starken aggressivtendenzen.

vermittlung an tagbatt kultur. negrelli schmierte mir viel honig ums maul. dass ich mir bewundernswert einen namen gemacht hätte, mit geduld und fleiss, ausdauer, verzicht etc. naja, und was nun? man wird merken, dass ich ein linker bin, linker als die sp, und wird auf mich verzichten.
dr. söllinger von den nachrichten. er ist lehrer und freier mitarbeiter. was die o.ö.n. für leute haben. pfann, söllinger, szellesz, elendig.
p. kub.: wir wollen ja keine kunst ins volk …
nein, sie wollen isolierte genies bleiben und ‚über dem volk‘ stehen.

[56] nur kaufen soll ‚das volk‘ allerlei. diese angst, hinabzusteigen, verbarrikadiert ihnen letzten endes sicht und werdung. ausserdem diese dummheit des volksbegriffes. volk ist heute auch ein mensch mit viel geld, der ihnen bilder abkaufen soll. heute ist alles volk, auch sie selber.

zur ästhetik: giordano bruno sprach es so aus: regeln entstehen aus der dichtung, und es gibt ebenso viele arten und gattungen echter dichtregeln wie gattungen und arten echter dichter.
richtig. die lehrer erst, unschöpferische menschen, nachtiftler, sind es, die aus den vorhandenen werken regeln ziehen wie aus birken dralles birkenwasser. der schöpferische mensch verhält sich regellos und spontan.
und das wertvolle bleibt: auf einer fülle von versuchen und spielereien das neue, bleibende werk.

g.z.t. 15.12.

helmut-eder-vortrag über elektronische musik beim maerz.
in der diskussion, hauptsächlich von oberhuber, ortner und koref bestritten, wurde bemängelt, dass diese musik uns nichts zu sagen hätte.
immerhin hatte auch ein beethoven uns nichts zu sagen. man muss erst darauf eingestellt, dressiert werden. nach kurzer zeit elektronischer musik? nichts zu machen, nichts geschieht von heute auf morgen.

14.12.

eg. ein fast hässliches weib.
sonntag bestellung für negrelli für weihnachtsnummer.
abends mit robert bei jux.
radio freies berlin.
wenn man westliche sender hört, glaubt man im tiefsten dschungel zu leben. nichts als aufrüstung und atombewaffnung haben sie in den köpfen. eine welt von gestern. undenkbar, dass diese menschen einmal im frieden leben könnten.
anders moskau. trotzdem es in die defensive gedrängt wird, kürzt es wieder das militärbudget, das in den ussr kaum 20% beträgt, in den usa 40%
mit allen mitteln sträuben sich westberliner behörden, die westberliner zu weihnachten in die ddr fahren zu lassen.

17.12.

preisverleihungen in österreich. wie immer sind es dieselben. seltsam.
jeannie ebner und humbert fink bfu-preis.
und die lebenshaltungspreise steigen auch.
die stromzählermieten wurden still und leise erhöht.
tagblatt strich aus meinem lions-artikel den satz: ‚konsul rosenberg [57] schrieb, dass das elend und die not in venezuela ungeheuer und unvorstellbar sind. grund und boden sind in den händen weniger familien und die grosse masse hungert.‘
das wurde gestrichen im sogenannten sozialistischen tagblatt.
dafür sammelt lions, eine art high-society-club, brillengestelle. kurios. für die armen südamerikas.

[...]

kain hat nicht viel sinn für feinheiten. ein gebirgler. meinen einfühlenden artikel über ns und kp von dr. buschheim ersetzte er durch ein pamphlet. schade, sie sind oft nicht so überlegen, wie es der kommunismus verlangt.
grosszügig. uns gehört doch die zukunft. milde also zu würstchen, aber hart zu feinden.
einfache menschen merken das. ‚immer mitʼn hackl‘, heisst es dann, und sie fühlen sich bedroht oder angeekelt.

es würden sich die wenigsten frauen so rasch hinlegen, wenn man ihnen die ständigen liebesphrasen auch stehend sagen könnte, meint francois mauriac.

alles, wofür menschen sich töten lassen, jenseits eigennütziger ideen, dient dem drang, irdische gegebenheiten in menschenwürde umzumünzen. so hat die christliche lehre den sklaven gedient, die naturalistische dem bürger und die kommunistische dem arbeiter.

kubovsky-ausstellung in new york mit ortner und kolbitsch.

von ander kam brief. stauffenberg-idee gefällt ihm so, dass er auf jeden fall 1000 ös auslegt für die arbeit, ob er es nachher spielt oder nicht.

it war auf besuch. zweimal in alter frische, photos unserer kopulation aus 75 mt entfernung.

fange also heute an mit dem stauffenberg-stück. der 20. juli. ‚nicht einmal putschen können diese generale‘, sagte gisevius.

[58] dass ein unternehmer kein kommunist ist, scheint mir logisch, und wäre er noch so ein kleines unternehmerwürstchen. aber dass ein kleiner greissler, den sie umbringen, keiner wird, das wundert mich. einer, den ein monsterunternehmen wie spar oder aso oder quelle erledigt. eine mordwelle am kleinen unternehmer.

fernsehdiskussion: arbeiter-unternehmer.
der arbeiter ist gleichberechtigt, heisst es da. aber als konsument, sonst nicht.
aber auch das stimmt nicht ganz. denn er kann sich nicht jeden konsum leisten. und von jeder sparte nur das billigste. keinen mercedes, auch nicht wenn beide arbeiten. kein motor- oder segelboot als nebenei-luxus, keine villa. äusserstenfalls und schwer ein einfamilienhaus. in die luxusboutique, in der frau mautner einkauft, kommt ein arbeiterweib kaum, und in die lokale der playboys wagt sich ein angestellter gar nicht, schon wegen der hohen preise.
jeder könnte direktor werden, wenn er begabt ist.
was heisst das schon. direktor, was ist das schon. unternehmer, das ist es, das warʼs. besitzer an produktionsmitteln. geniesser arbeitsloser einkommen.

[...]

psychologie ist eine hilfswissenschaft. man kann noch so sehr psychologe sein, aber man kann damit niemanden für etwas gewinnen, wenn er nicht will. z. b. für den kommunismus. für den nazismus wurden die menschen ja auch nicht allein durch die raffinierte agitationspsychologie dr. goebbels’ gewonnen, sondern weil die zeit eben reif war für dieses geschmeiss. zu viele faktoren spielen mit. sicher ist die ps. ein nicht unbeträchtlicher teil, aber nicht der massgebende.

der schwiegermutter-hund, ein armes viech, das unter der mangelnden tierpädagogik der frau eingeht. er ist eben nur gekauft. hunde sollte man auch nicht nur kaufen. man sollte ihnen ‚begegnen‘, wie wir unserer susi. das war liebe und verstehen auf den ersten blick. so verlor sie alles tierhafte. die sm hätte abwarten sollen, bis ihr ein nettes hundetierchen übern weg läuft. es müsste ja nicht rassig sein.

[...]

[59] eine pest jagt die andere: jo jo – abracadabra – hula hoop – federball – mixer – minigolf – auto – pfeilschiessen – gummitiere –
alles überflüssiges konsumgelumpe.

das animalische, vor allem sexuelle, steht immer über dem materiellen, für jedes weib und jeden mann.

sylvester 1963/64

bei den eedes mit höfer und maria.
ein gemütlicher, netter abend mit höhepunkten in der unterhaltung, wenn thussi sich provoziert glaubte. das liebenswürdige eede-paar ohne besondere meinungen, höfer (neger hinter gitter im urwald), eva und ich.
das bild, das bejvl von der thusnelda eede gemacht hat, ist grausam. was für ein pfusch.