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Quelle: Proceedings of the IXth Congress of the International Comparative Literature Association Innsbruck 1979, hgg. Z. Konstantinovic/W. Anderson/W. Dietze, Innsbruck, Institut für Sprachwiss. der Universität, 1981, Bd 1: Classical Models in Literature, S. 71–76.

Klassische Formen und bürgerliche Literatur

Das Beispiel Parini

Literaturhistoriker sollten sich von Zeit zu Zeit fragen, ob die Begriffe, mit denen sie am vertrautesten umgehen, noch die Kraft haben, eine bestimmte Realität zu treffen und von anderen, angrenzenden Realitätsausschnitten zu unterscheiden. Sehr fraglich erscheint mir diese Qualität etwa bei dem beliebten Begriff „bürgerlicher Literatur“, oder allgemeiner: „bürgerlicher Kultur“, der insgesamt wohl häufiger in denunziativer als in deskriptiver Absicht gebraucht wird und für viele Autoren eine schlichte Verweisformel darstellt, durch die sie ablehnen, was ihnen jeweils unsympathisch ist: die elitäre Formstrenge des „art pour l’art“, aber auch die Bequemlichkeiten massenorientierter Kulturindustrie, das Pathos des „signifiant“ ebenso wie das entgegengesetzte Pathos des „signifié“, eine Moral repressiver Lustfeindlichkeit oder eine Moral hedonistischer Konsumtion.
In einem Forschungsprogramm, das „Formen aristokratischer und bürgerlicher Literatur“ kontrastieren soll, geht es mir deshalb darum, dem Begriff ein Mindestmaß an Denotationstauglichkeit zurückzugeben, indem ich ihn als literarhistorischen Idealtyp nicht vom nach wie vor ungewissen folgenden, sondern vom vorhergehenden Idealtyp abhebe. Die Domäne dieses notwendigerweise komparatistischen Forschungsprogramms ist die europäische Literatur zwischen 16. und 19. Jahrhundert oder – mit geistesgeschichtlicher Periodisierung formuliert – zwischen Renaissance und Romantik bzw. Realismus. Dabei liegt der Schwerpunkt auf dem Bereich französischer und italienischer Literatur. Eine solche Privilegierung hat ihren wesentlichen Grund in dem Umstand, daß sich sowohl in Frankreich als auch in Italien die vorbürgerlich-aristokratische Literatur durch auffällige Quantität und Qualität auszeichnet. Außerdem erhält sie in beiden Ländern während ihrer klassischen Epoche einen prononcierten, andernorts (etwa in England, Spanien oder Deutschland) weniger deutlich ausgebildeten Systemcharakter, der uns erlaubt, ein verhältnismäßig geschlossenes literarisches System des Ancien Régime zu rekonstruieren, welches gegenüber den Formen bürgerlicher Literatur ein Maximum an historischer Kontiguität und Oppositionsprägnanz gewinnt. Die Krise des Übergangs von aristokratischen zu bürgerlichen Formen, die ihre größte Dramatik allerorten im 18. Jahrhundert erreicht, läßt sich daher an der französischen und italienischen Entwicklung – wie mir scheint – am ehesten exemplarisch beschreiben.
Wie Erich Auerbach gezeigt hat, wurde das klassische Literatursystem, das der Longue Durée höfisch-aristokratischer Gesellschaft korrespondiert, vor allem durch den hierarchischen Charakter seines Gattungs- und Stilgefüges geprägt. [1] In seiner klassizistischen mehr noch als in seiner manieristisch-barocken Variante manifestiert sich ein akutes Bewußtsein der Erhabenheit oder der Niedrigkeit bestimmter Gegenstände, denen nach dem neubelebten Grundkonzept antiker Poetik und Rhetorik jeweils eine angemessen erhabene (stilus sublimis, grandis usw.) oder niedrige (stilus humilis, tenuis usw.) Stillage entspricht [2] . Durch solche Junktur von Gegenstand und adäquater Stillage entstehen mehr oder weniger bindende Kombinationen von sozialen Themen und sozialen Perspektiven, welche die Skala der unterschiedlich würdigen Gattungen ausmachen, wie sie beispielsweise Boileaus Art poétique oder Menzini Arte poetica kodifizieren. [3] Auf dieser Skala sind die oberen Ränge (Versepen, Tragödien oder Oden) allein aristokratischen Gestalten, Sujets und Problemen vorbehalten, während bürgerliches Leben vorzugsweise in den unteren Rängen (Novellen und Romanen komischen Tons, Komödien, Satiren oder Burleskgedichten) literaturfähig wird. Weil die Rangdifferenz indessen Thematik und Perspektivik umgreift, zieht die Welt der Noblesse stets eine ernsthafte, allenfalls heitere, nie jedoch lächerliche Betrachtungsweise nach sich; die Welt der Bourgeoisie ist dagegen weithin dazu bestimmt, a priori als ein Ridiculum aufgefaßt zu werden.
Das Novum der Literatur in bürgerlicher Epoche besteht folglich wenigstens ebensosehr im Gewinn neuer Perspektiven wie in dem neuer Themen. Voraussetzung dieser neuen Perspektiven ist die Aufhebung der alten Stil- und Gattungsschranken, ein Prozeß, der sich während des 18. Jahrhunderts natur-, oder besser: systemgemäß in zwei komplementären Richtungen vollzieht. Die eine, wichtigere Entwicklungslinie führt zur progressiven Entridikülisierung des „Ridicule“. Das heißt: es wird den spezifisch bürgerlichen Gegenständen von Familie, Beruf und Geschäft das Stigma der Lächerlichkeit genommen, so daß sie vom Ridiculum weg zur mittleren Seriosität, ja stellenweise zu tragischer Würde gelangen. Als repräsentative Beispiele dieser Bewegung wären neben vielen anderen zu nennen: der Aufstieg des Romans, welcher mit Richardsons Pamela, or Virtue Rewarded etwa erlaubt, den ebenso moralischen wie zielstrebigen Kampf eines „servant girl“ um Verteidigung ihrer Jungfernschaft und Eroberung eines wohlsituierten Ehemanns – nach aristokratischem Code ein ausgesprochenes Farcenthema – in sympathetischer Ergriffenheit zu verfolgen; [4] das Pathos, das der Beschreibung des idealen Haushalts – also einem Sujet, dem früher allenfalls das beiläufige Parlando Horazischer Episteln gebührte – in Rousseaus Nouvelle Héloïse zuteil wird; [5] die Neudefinition der Komödie in Nivelle de la Chaussées „comédie larmoyante“, in Diderots „genre sérieux“ oder bei Goldoni. Zumal in Goldonis typischsten Komödien, in denen es bemerkenswert wenig zu lachen gibt, zeigt sich ein ungewohnter Ernst der Didaxis, die nun von den einst ridikülisierten Bürgern betrieben wird, um die einst ridikülisierenden Aristokraten auf den Weg der Tugend zu bringen. In solchem Sinn ermahnt und belehrt Ridolfo, der vorbildliche Geschäftsmann der Bottega del Caffè, den verleumderischen Don Marzio, dessen müßige Klatschsucht in satirischer Verzerrung noch das Konversationsideal des Hofes erkennen läßt. Besonders frappant wirkt die Verwandlung Pantalones in La famiglia dell’antiquario. Pantalone war ja in der traditionsorientierten Commedia dell’Arte der verlachte, ältliche, liebesuntüchtige Bürger par excellence. Bei Goldoni hat er sich dagegen als ‚reicher venezianischer Kaufmann‘ zum Raisonneur erhoben, der jetzt seinerseits die aristokratischen Lebensformen lächerlich macht und am Schluß des Stückes (auf Venezianisch!) seinen adligen Schwiegersohn in den Hauptwert bürgerlichen Lebens, die Ökonomie, einweist: „Sior zenero m’agiuterà a tegnir l’economia della casa, e cussî l’imparerà’“. [6]
Die andere Entwicklungslinie läßt sich an den hohen Gattungen des klassischen Literatursystems beobachten. Auf lange Sicht gesehen, sind sie dazu verurteilt, mit der aristokratischen Gesellschaft unterzugehen. Dafür spricht einerseits ihre besondere thematische Bindung an die repräsentativen Sujets von Liebe, Waffentaten und fürstlicher Herrschaftsausübung, Sujets, die bei ihren Protagonisten (das trifft selbst auf den Begriff der Liebe zwischen Amour courtois und Galanterie zu) soziale Privilegiertheit voraussetzten und kaum verallgemeinert werden konnten. Andererseits verlangt auch der Vers, das wichtigste formale Distinktiv der hohen Gattungen Tragödie und Epos, spezielle Produktions- und Rezeptionsbedingungen, welche sich mit der Professionalisierung des zunehmend marktabhängigen Schriftstellers sowie mit der enormen Ausweitung des Leserpublikums folgenreich verändern. [7]
Bevor Verstragödien, Versepen und Oden in der voll entfalteten bürgerlichen Gesellschaft peripher werden, erhalten sie nun aber während der Übergangsepoche des 18. Jahrhunderts noch einmal eine neue Funktion. Sie beweisen im aufklärerischen Sinn ihre Nützlichkeit, indem sie niedrigere Gegenstände aus der Praxis alltäglichen Lebens aufnehmen, um ihnen mit dem Prestige ihrer Stil-Konnotation gewissermaßen Nobilität zu übertragen. Vor allem leihen sie ihr Pathos satirischen Intentionen, die sich von den unernsten Aspekten der alten Verssatire freizumachen suchen. Diese Satirisierung der erhabenen Genera, welche die Entridikülisierung der niedrigen Genera ergänzt, soll uns hier noch etwas weiter beschäftigen. Was die Tragödie angeht, wird sie am energischsten von Voltaire vorangetrieben. Mit Oedipe oder Mahomet stellt sich die höchste dramatische Gattung in den Dienst einer Aufklärungskampagne, die es auf den ‚Fanatismus‘ jeglicher Offenbarungsreligion abgesehen hat. Durchaus ähnlichen Absichten dienen zumindest die ersten Tragödien Alfieris, in denen vehemente Anklagen – gleichsam im Stil von Juvenals „altum satura sumente cothurnum“ – gegen die Tyrannis des „assoluto regno“ gerichtet werden. [8] Für Ode und Epos bezeichnet den Moment aufklärerisch-satirischer Instrumentalisierung indessen am eindrucksvollsten das außerhalb Italiens allzu wenig bekannte Werk Giuseppe Parinis (1729–1799). [9]
Parini verdanken wir zunächst den – soweit ich sehe – kühnsten Versuch einer in nobilitierende klassizistische Formen gefaßten Lyrik von aufklärerischem Interesse. Charakteristisch ist dabei die Hinwendung zu an sich keineswegs lyrikadäquaten Themen praktisch-politischer Relevanz, wie sie im Mittelpunkt des lombardischen Reformismus standen. Solche Themen sind beispielsweise die Einführung der Pockenschutzimpfung (L’innesto del vaiuolo);die Ersetzung bloß strafender Justiz durch vorbeugende Verwaltung nach den Vorschlägen Cesare Beccarias (Il bisogno);die schändliche Kastration von Knaben, welche dem „Melodramma“ männliche Sopranstimmen zuführen sollte (La musica),oder die Luftverschmutzung in Mailand (La salubrità dell’aria). Alle diese Argumente, insbesondere die beiden letzteren, gehören nach traditioneller Stilauffassung dem Bereich der Verssatire, höchstens der Horazischen Epistel, an. Der klassische Odendichter mochte die materiellen Lebensverhältnisse der Großstadt, „fumum et opes strepitumque Romae“ [10] , wohl gelegentlich en passant erwähnen; als zentrales Thema konnten sie nur die Verssatire oder andere satirische Gattungen komisch-didaktischer Stillage wählen: Boileaus 6. Satire über die „tristes embarras de Paris“ z. B. oder Lodovico Sergardis 14. Satire, die ähnliche Phänomene in Rom behandelt, [11] oder auch John Gays sonderbares Fußgängerepos Trivia or the Art of Walking the Streets of London. [12] In Parinis Salubrità dell’Aria wird der – wenn man so will ökologische Gegenstandsbereich jedoch mit einem bis dahin unerhörten Bruch poetologischer Konventionen auf die Ode übertragen und zwar wohlgemerkt auf eine Ode, welche gerade angesichts des bislang als „niedrig“ klassifizierten Themas von ihrem Anspruch auf einen erhabenen „stilus sublimis“ um keinen Deut abgeht, was manchmal zu den artifiziellsten Periphrasen unaussprechlich übelriechender Materien führt. [13] Aus dieser Anstrengung stilistischer Transformation folgt indessen, daß die Anliegen bürgerlicher Reform bei Parini erstmals jenes literarische Pathos erlangen, das zuvor den Enkomien von Herrschern und Helden oder – wie noch in den Oden Houdars de la Motte – der Diskussion philosophisch-moralischer Abstracta reserviert war. [14] Sie rücken damit unter eine Perspektive, die nicht mehr die subjektiven und die komischen, sondern die objektiven und die ernsten Aspekte gewisser Mißstände hervorhebt. Das wird durch den Vergleich mit älterer Satirendichtung etwa Sergardis oder Salvator Rosas [15] besonders deutlich an der Ode La musica. Wo die Kastraten vorher aus komisch-satirischem oder gar burleskem Blickwinkel nur als grotesk unerquickliche Abweichungen von der Norm wahrgenommen wurden, macht der erhöhte ethische Standpunkt der Ode in ihnen nun eine Verletzung des Naturrechts bewußt, die nicht mehr an ihren Opfern belacht, sondern an ihren Urhebern mit gesellschaftskritischem und änderungswilligem Ernst attackiert wird. [16]
Strukturell komplexer noch als die Satirisierung der Ode stellt sich die Satirisierung des Epos in Parinis Giorno dar. Seine wesentliche literarisch-ideologische Absicht ist eine möglichst umfassende Kritik höfisch-aristokratischer Lebensweise. Dazu wird der Tageslauf eines alt- oder neuadligen jungen Herrn geschildert, der in karikierter Form alle Merkmale des zum Petit-Maître abgesunkenen Honnête Homme aufweist: berufslos inaktiv, widmet er sich allein dem eitel erscheinenden Genuß, huldigt wie einer von Goldonis ungezählten Cicisbei der anderweitig verheirateten Dame und repräsentiert vor seinesgleichen die Eleganz des Erscheinens und die mühe- wie studienlose Omnikompetenz des Räsonnierens. Im einzelnen sind die Punkte dieser Kritik gewiß auch früher schon oftmals ausgesprochen worden; [17] doch gewinnen sie bei Parini bislang unerhörte Prägnanz durch die Art ihres Vortrags, der – wie bereits die vierteilige Komposition mit den eingestreuten mythologisierenden „Fabeln“ verrät – die äußere Form eines Lehrepos („poema didattico“) annimmt. [18]
In solcher Form wird jegliche Satire zugleich vermittelt und verschärft durch die Attitüde ironisch falscher Unterrichtung, wie sie der Satirentradition von Lukians Rhetoron Didaskalos über Du Bellays Poète courtisan bis zu Pier Jacopo Martellos Secretario Cliternate (1717) oder Benedetto Marcellos Teatro alla Moda (1720) in Ansätzen stets geläufig war. Für den Giorno erweist sie sich deshalb besonders effektvoll, weil die Polemik dank der Haltung verkehrter Lehre allgemeinere, über den Verweis einzelner Vitia hinausgehende Gültigkeit erreicht und außerdem in den verbalen Verbeugungen des Präzeptors mit neuartiger Finesse das Phänomen von Herrschaft und Servilität abbildet. Indem sich der Autor gleichsam als Hofmeister dem jungen Herrn schmeichlerisch zu unterwerfen scheint, kompromittiert er die angemaßte Souveränität eines Standes, „che, da tutti servito, a nullo serve“, [19] der niemandem und zu nichts dient und doch von allem, Menschen, Sachen und erst recht einer periphrasenreich euphemistischen Sprache, gefügigen Dienst erwartet.
Indessen ist die Sprache des Giorno nicht bloß die kompromittierender Lehre, es ist auch die des kompromittierenden Epos. Noch die geringste Verrichtung oder auch nur Existenzäußerung – etwa das Erwachen, Aufrichten und erste Gähnen am späten Vormittag – wird in dieser Sprache beschrieben und angepriesen, als handle es sich um eine heroische Tat. Je krasser die Sphäre von Korso, Salon oder Redoute der epischen Welt widerspricht, umso abundanter wird ihr die ‚Illustration‘ des epischen Stils zuteil. Mit seinen Bildassoziationen an Homer, Vergil, Ariost oder Tasso gibt er sozusagen vor, sie zu verklären; doch geht es in Wahrheit darum, sie mittels des Kontrastes entschieden zu blamieren. Wie insistent diese satirische Intention verfolgt wird, erhellt am besten ein Seitenblick auf Popes‚heroischkomisches Epos‘ The Rape of the Lock, das Parini durch die Übertragungen Antonio Contis und Andrea Bonduccis bekannt sein mußte. [20] Dort bleibt das Motiv des Tributs, den exotische Länder der schönen Belinda zollen, ein letztlich harmloses, galantes Spiel im Rokokogeschmack: [21]
Unnumber’d Treasures ope at once, and here
The various Off’rings of the World appear. [...]
This Casket India’s glowing Gems unlocks,
And all Arabia breathes from yonder Box.
Dagegen wird bei Parini an das „Scegli il brun cioccolatte, onde tributo/ ti dà il guatimalese e il caribbèo“ eine längere Entwicklung angeschlossen, welche mit servil falscher und folglich doppelt satirischer Lehre die Grausamkeiten der Conquistadores durch ihren Nutzen für den jungen Herrn, den ‚edelsten der Heroen‘ und offenbar den Mittelpunkt der Welt, rechtfertigt: [22]
Poiché nuove cosî venner delizie,
o gemma de gli eroi, al tuo palato.
1 Vgl. E. Auerbach, Mimesis, Bern 21959, passim.
2 Zu den Genera der Stillagen vgl. H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, München 1960, Bd. 1, S. 519ff.
3 Vgl. U. Schulz-Buschhaus, Honnête Homme und Poeta Doctus – Zum Verhältnis von Boileaus und Menzinis poetologischen Lehrgedichten, Arcadia 9 (1974), S. 113 bis 133.
4 Vgl. dazu H. Petriconi, Die verführte Unschuld, Hamburg 1953, bes. S. 49ff.
5 Beispielhaft sind hier die beiden Briefe von Saint-Preux an Edouard IV 10 und 11.
6 C. Goldoni, Tutte le opere, ed. G. Ortolani, Milano 51973, Bd. 2, S. 962.
7 Vgl. dazu Ian Watts treffende Bemerkungen über die sozialen Gründe für Defoes auffällig eilige Prosa: The Rise of the Novel, Penguin Books 1977, S. 63.
8 Komplizierter liegen die Dinge bei den späten Tragödien, etwa der Mirra oder dem Saul, in denen einerseits die speziellen Tragödieninteressen gegenüber den Satiren- oder Invektiveninteressen in tyrannos die Oberhand behalten und andererseits Alfieris zunächst geschichtsaffirmativer Glaube an die Wohltätigkeit des bürgerlichen Fortschritts offenkundig erschüttert ist.
9 Vgl. zur Einführung am besten G. Petronio, Parini e l’illuminismo lombardo, 2Bari 1972.
10 Vgl. Horatius, Od. III, 29, 12.
11 Vgl. Ludovici Sergardii antehac Q. Sectani Satyrae, Lucae 1783, Bd. 3, S. 18ff.
12 Vgl. J. G a y, Poems on several occasions, London 1767, Bd. 1, bes. S. 159.
13 So werden aus „navazze“ „vaganti latrine“ (V. 110), aus „orinali“ „spregiate crete“ (V. 98) oder aus Sergardis „ros latrinae“ „d’umor fracidi e rei [...] fonti indiscrete“ (V. 99f.). Vgl. G. Parini, Poesie e prose, Milano-Napoli 1951, S. 181.
14 Für den in gewissem Sinn fortschrittlichsten Lyriker des französischen Klassizismus bildeten moralisierende Oden etwa gegen die Fuite de Soi-Mesme oder den Abus de la Poesie (Oeuvres, Paris 1754, T. 1, P. 2, S. 279ff. u. 415ff.) die äußerste Grenze zu niedrigeren, realitätsnäheren Genera.
15 Thematisch verwandt sind hier Rosas Satire La musica (Satire, Londra i. e. Livorno 1787, bes. S. 32ff.) und Sergardis 14. Satire (a. a. O. S. 31ff.).
16 Vgl. U. Schulz-Buschhaus, Satire als Ode – Zu G. Parinis „opere minori“, RJb 22 (1971), S. 130–161, bes. S. 153ff.
17 So etwa die Untätigkeit in Giovanni Lorenzo Lucchesinis lateinischer Satire In antemeridianas improbi iuvenis curas, der Cicisbeismo in Goldonis Komödie Il cavaliere e la dama, die Omnikompetenz in Molières Précieuses ridicules, wo Mascarille frech behauptet: „Les gens de qualité sçavent tout, sans avoir jamais rien appris“ (Sz. 9).
18 Haupttexte dieser Vergils Georgica nachgebildeten Gattung waren im Settecento Spolverinis Coltivazione del riso und Bettis Baco da seta, die programmatisch der Aufwertung produktiver und wissenschaftlicher Tätigkeiten dienten.
19 Vgl. G. Parini, a. a. O. S. 112.
20 Vgl. A. Conti, Prose e poesie, Bd. 2, Venedig 1756, bes. S. XXXVf.; sowie A. Bonducci, Il riccio rapito e le lodi di Neuton, Napoli 1760, S. 9f.
21 A. Pope, The Poems, ed. J. Butt, London 1968, S. 222 (I 129ff.).
22 Vgl. G. Parini, a. a. O. S. 27f.
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