Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark

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TR 2

Herzog Otachar [IV.] von Steier bekennt, daß das Kloster Traunkirchen bisher ohne Beschwernis durch einen Vogt war entsprechend einem Privileg seines Vorfahren, des Grafen Otacher, sowie der Güte der nachfolgenden Fürsten, die als Stifter des Klosters die Vogtei selbst ausübten, wofür sie und auch er die Nutzung von Gütern des Klosters in Kemating, Roitham und Than samt den zugehörigen Hintersassen hatten. Während seiner Minderjährigkeit habe er von schlechten Räten beraten jedoch die Vogtei seinem Ministerialen Arnold von Wartenburg überlassen, der ungerechte Forderungen stellte, deshalb die Äbtissin Diemud und sein Kapellan Eberhard, Pfarrer zu Traunkirchen, gemeinsam mit dem Konvent und den Klosterleuten flehentlich deren Abstellung verlangten. Daraufhin habe er Arnold zum Verzicht auf alle Forderungen bewogen, die alten Privilegien bestätigt und mit Rat seiner besten Ministerialen erweitert, nämlich: Der Vogt darf niemand Gewalt antun, dem Gericht der Äbtissin nur dann beiwohnen, wenn er dazu gebeten oder eingeladen wird, dreimal im Jahr hat er Gericht zu halten, ohne Abgabe und Gewinn zu fordern. Die Äbtissin bestimmt und entläßt ihren Amtmann, wen und wann sie will. Tötet ein Dienstmann des Klosters einen Diener desselben, hat er dem Vogt als Buße 60 Pfennig zu leisten und dem Kloster einen Menschen als Ersatz zu stellen. Heiratet ein Eigenmann des Klosters eine Frau aus einem anderen (Kloster-)gesinde, hat er dem Vogt 60 Pfennig zu leisten und die Äbtissin die Rechte des Klosters einzufordern; bei einer Heirat mit einer Frau aus dem steirischen Gesinde sind die Söhne zwischen Herzog und Kloster gleichmäßig aufzuteilen. Der Vogt darf keinen der Äbtissin Widerspenstigen verteidigen oder beschützen. Tötet ein Diener einen anderen Diener [des Klosters], hat er dem Vogt als Buße 60 Pfennig zu leisten und der Vogt den Täter dem Kloster zur Bestrafung zu übergeben. Diese Bestimmungen haben genannte Personen mit Eid bekräftigt und benannte Zeugen bestätigt. Vier von den Eid­helfern bestätigen auch, daß Konrad von Wolfsegg an seinem Lebensende bekannt hat, daß er die Vogtei [des Klosters] nicht als Lehen, sondern aus Gnade und mit Erlaubnis des Markgrafen Otakar [III.] innehatte.

1191 (Mai–August), Enns im Haus des Münzers Riwin.

Or. Graz LA: AUR 276 (A), dabei dt. Übersetzung 14. Jh. (Ü). — Insert in Vidimus des Abtes Ulrich (IV.) von Kremsmünster ddo. 1459 Dezember 17, Traun­kirchen, Or.-Libell pag. 1f. Linz LA: Traunkirchen U 21a (B). — Abschr. Ende 17. Jh. ebenda: Traunkirchen Hs. 1 pag. 3f. Nr. 2 (C).

Ludewig, Rel. manusc. 4 (1722) 179 Nr. 6. — Kirchliche Topographie 14 (1835) 242 Nr. 2 aus C. — UBLOE 2 (1856) 427 Nr. 295 aus A zu 1191 (nach dem 15. April) bzw. 429 aus Ü. — Mlinarič, Gradivo 1 (1975) I/28 aus AB.

Ausz.: Bucellenus, Chronologia (1720) 61f. = Caesar, Annales 1 (1768) 795 Nr. 77. — Reichert, Landesherrschaft (1985) 202f. Anm. 472, 473 u. 474.

Reg.: Frölich, Specimen 2 (1758) 197. — Hormayr, Archiv 6 (1815) 485 = Hormayr, Beytr. 2 (1819) 148. — (Hülsemann) in Jbb. d. Lit. 55 (1831) Anzeigebl. 6. — Muchar, Gesch. 4 (1848) 411 zu 1150 und 550 zu 1191. — Friess in AÖG 82 (1895) 245 Nr. 2. — Kos, Gradivo 4 (1915) 391 Nr. 787.

Wonisch, Urkundenwesen (1926) 125 kannte eigenartigerweise das Original nicht, wertete die Urkunde aber als echt und reihte sie zeitlich richtig nach dem 14. April 1191 ein. Seine Zuweisung des Diktats der umfangreichen Datierung an den Seckauer Gelegenheitsschreiber SA (= Bernhard) — vgl. dazu oben Nr. .. — ist nur eine Annahme, ebenso ist das Diktat des übrigen Textes ohne einen Bezug zu einer anderen Urkunde. Ob der nur hier genannte herzogliche Kapellan und Traunkir­chener Pfarrer Eberhard an der Abfassung und Ausfertigung der Urkunde beteiligt war, muß ebenso offen bleiben. Auffallend und zugleich ein Beweis für die Echtheit ist der Hinweis in der gleichzeitigen Garstener Traditionsnotiz Nr. 217 bezüglich Bedrückung durch den Vogt Arnold von Wartenburg und der Beratung des Herzogs mit seinen Ministerialen zur Abhilfe, wobei sechs der dort genannten Zeugen auch in der vorliegenden Urkunde auftreten. Möglicherweise deutet dies auf eine Mithilfe von Garsten für das benachbarte und dem gleichen Orden angehörende Frauenkloster bei der Abfassung hin.

Die genauere Datierung ergibt sich aus dem angegebenen ersten Regierungsjahr Kaiser Heinrichs VI., der am 14. April 1191 in Rom gekrönt wurde, des wei­teren aus der angegebenen Epakte 23, die bis zum 31. August 1191 reichte. Die Concurrente 1 ist — wie so oft — falsch berechnet und müßte richtig 6 lauten.

Mit den ausführlichen Bestimmungen hinsichtlich der Vogtei beschäftigte sich zu­letzt eingehend Reichert a. a. O. 202f., daselbst auch Hinweise auf die einschlägige ältere Literatur.

+ ‡ Ego Otachar dei gratia dux Styrensis notum facio Christi fidelibus cenobi‡ um Trvnkyrchen hactenus summa pace et quiete usque ad nostra tempora viguisse et nullius advocati exactione vexatum fuisse tum ex auctoritate privilegii, quod illi contulit unus proavorum meorum Otachar comes, tum ex clementia sequentium principum fundatorum ipsius cȩnobii, qui etiam advocatiam propria tenebant manu. Nam ut ecclesia illa et familia advocatorum exactione careat, predia eiusdem ȩcclesiȩ possidebant, si­cut et ego hodieque possideo et cui hanc utilitatem dimisero duo predia Chemenaten, duo Riutheimen, dimidiam curtem Tanne cum hominibus attinentibus. Ego vero adhuc sub pedagogo positus iniquis consiliariis seductus Arnoldum de Wartenburch mini­sterialem nostrum vice nostra monasterio predicto preposui, qui ob parvitatem nostram libere abusus est iusticia loci ipsius, diversas exactiones exercens. Quapropter fidelis abbatissȩ eiusdem monasterii Diemudis et capellani nostri Eberhardi uná congregationis et universȩ familiȩ flebili querimonia commonitus eundem Arnoldum cessare feci ab omni exactione et priora iura prioris privilegii confirmavi, insuper iudicio et consilio saniorum ministerialium meorum subscriptis iusticiis ampliavi. Scilicet ne advocato predicti loci liceat alicui vim inferre, ne placitum abbatissȩ advocatus adeat, nisi rogatus aut invitatus, ut tribus vicibus in anno placitet absque omni exactione et lucro, ut abbatissa officialem, quem velit et quando velit, constituat et destituat; et si ministerialis eiusdem loci unum de famulis occiderit, compositionem cum advocato faciat LX denarios et ȩcclesiȩ hominem restituat; si filius ȩcclesiȩ ex aliena familia uxorem duxerit, cum advocato LX denariis componat, abbatissa vero ius ȩcclesiȩ plenarie exquirat; si autem de familia Styrensi matrimonium contraxerit, nullam vim utrobique patiantur, sed filii et nobis et ȩcclesiȩ ȩque dividantur; ne advocatus aliquem abbatissȩ rebellem defendat aut tueatur; si famulus famulum occiderit, advocato LXa denarios conferat, hominem vero ȩcclesiȩ restituat. Isti sunt, qui predicta iura iure iurando confirmaverunt: Gundachar de Styra, Otto de Volchensdorf, Pillungus de Kyrcheimen, Richerus de Marhburg, Hartnidus de Orte, Heinricus Stichb de Glunic, Eberhardus plebanus de Trunk(yrchen), Gerloch de Taleheimen, Engilscalcus, Hartungus de Pulicheimen, Heinricus de Rulesheimen. Isti sunt vero testes, quorum testimonio hȩc omnia roborata sunt: Herrandus de Wildonia, Arnoldus de Wartenburg, Duringus filius Gund(achari), Dietmarus dapifer, Udalricus de Chienowe, Hartnidus de Hûs, Engilscalcus Huzinger, Heinricus de Steine, Heinricus de Salmanneslitenc, Heinricus Porzel, Vdalricus de Patenanger et frater eius Engilscalcus et alii quam plures. Nam et ex predictis IIIor, scilicet Gundachar, Otto, Herrandus, Pillungus, sacramento affirmaverunt. Chunradum de Woluesekke eandem advocatiam non in beneficio, sed ex gratia et permissione Otacharii marchionis habuisse, quod et ipse in extremis confessus est.
Acta sunt hȩc anno ab incarnationis domini Mº C XC I, indictione VIIII, epacta XXIII, concurrente I, anno tercio Celestini papȩ, anno vero primo Heinrici imperatoris, anno XI Adalberti Salzburgensis arciepiscopid et legati sedis Romanȩ, anno primo Wolfkeri Patauiensis episcopi, presente abbatissa Diemûde aput Anisum in interiori domo Riwini, qui tunc temporis monetam tenebat.

Wir Otacher von gots gnaden herczog ze Steyr tun chunt allen gots getreun, daz daz gotshaus ze Travnchirchen emalen mit grozzem vrid unda' geruet ist erschinen uncz an unser czeit und daz ez mit dhainer vodrung dhains vogts gemuet ist gewesen und daz ist von gwalt und recht der hantvest unsrer uͤrenen, markrafb' Oͤtachers, di si dem vorgenanten gotshaus gegeben habent, und auch von guet der nachgeporn fursten, der stifter des selben chlosters, di di selben vogtay in ir aigenschaft und in ir gwalt hielten, und daz daz vorgenant gotshaus ze Travnchirchen und all sein leut furpaz enpern der vodrung aller voͤgt, darum di vorgenanten fursten, markrafb' Otacher und sein urenn, daz urbar des vorgenanten gotshaus ze Travnchirchen mit vristung und scherm pesazzen, als wir ez heut pesiczen und swem wir den nucz verleichen di czwai aigen ze Chemnaten, czwai ze Reuthaim und ein halbz aigen ze Tann mit allen den leuten, di darzue gehoͤrent. Wir awer wesent und geseczt under der maisterschaft des hantmaisters burdc' wir pe­trogen mit scheichleichem rat unsrer dienstmann und heten gesaczt hern Arnolten von Bartenburchd' an unsrer stat dem vorgenanten gotshaus zu einem phleger und vogt. Der selber von unsrer chindhait vreileichen wolt nucz und gwin haben des egenants gotshaus wider daz recht und wider dee' hantvest mit uͤbung manigvaltiger unrechter vodrung. Darum wurd wir ermant mit wainender chlag der getreun vraun Diemueten abbtessin desselben chlosters und hern Ewerhart, unsers chaplans, mit aller irr samnung und allen iren leuten. Da hiezz wir lazzen den vorgenanten hern Arnolten von der vogtay und von aller seiner vodrung und habent pestet di vorgenanten recht der vorgenanten hantvest. Daruber hab wir auch daz gotshaus mit recht und rat unsrer pesten dienstherren mit nachgeschriben rechten gemert. Also daz dhain vogt entverr dhainen menschen der vorgenanten stat nidern gwalt antuen. Wir wellen auch, daz dhain vogt zu der abbtessin taiding icht enchoͤm, nuer gepeten oder geladen. Ez schol auch daz gotshaus im jar dreu taiding haben an vodrung und an nucz. Wir wellen auch, daz di abbtessin, wen si well oder wenn si well, ein vogt secz und entsecz. Ist daz, daz ein dienstman des selben gotshaus ainen irr diener verderbt, der schol mit sechczig phfenning abding mit dem vogt und schol dem gotshaus einen menschen widerchern. Ist daz, daz des gotshaus ainer ein hausvraun nimt, di eins andern gedings ist, der schol um sechczig phfenning mit dem vogt sich versuenen, awer die abbtessin schol varsehen voͤllichleichen di recht des gotshaus. Ist auch, ob der leut von Steyrlant mit chonschaft zu des gotshaus leuten cherten, di schullen paidenthalben dhainen gwalt noch gepresten darum leiden, awer uns und dem gotshaus schullen di chint gleich getailt werden. Wir wellen auch, daz der vogt niemant vrisst noch pescherm, der der abbtessin wider sei. Ist daz, ob ein die­ner den andern verderbt, der selber schol dem vogt sechczig phfenning geben; ez schol awer der selb dem gotshaus ein andern menschen widerchern. Und darzue schullen alle ireu wandel also stet und ebig peleiben. Daz sint die, die di vorgenanten recht mit geswarm aid pestett habent: Her Gvndacher von Steyr, Ott von Volchenstorf, Pillunch von Chyrichaim, Reicher von Marichpurch, Hertneid von Oͤrt, Hainreich Stich von Glevnch, her Ewerhart phfarrer ze Travnchirchen, Gerlach von Talhaim, Engelschalich, Hartunch von Puechhaim, Hainreich von Rueshaim. Daz sint die zeug, welher czeugnuss all di sach gevestent sint: Her Herrant von Wildoni, Arnolt von Wartenburch, Dvrinch Gvndachers sun, Dietmar der druchsecz, Vlreich von Chyenaw, Hertneid von Haus, Engelschalich der Vͤczinger, Hainreich von Stain, Hainreich von Salmansleiten, Hainreich Poͤrczel, Vlreich von Patenanger und sein prueder Engelschalich und andrer pideber leut genueg. Wir vergehen auch, daz auzf' den vorgenanteng' herren die vier, her Gvndacher, her Ott, her Herrant, her Pillunch, auf gotsleichnamen haben geswaren, daz her Chunrat von Wolfsek des vorgenanten gotshaus vogtay auch nicht von recht, nuer von gnaden und verhengnuss markrafb' Otachers gehabt hat, des er selber an seinen lesten zeiten vergehen hat. Die Wandlungb' ist geschehen da man zalt von Christes gepurd tausent jar, hundert jar, darnach in dem ainz und neunczkisten jar, in dem dritten jar des pabsts Celestini, in dem ersten jar chaiser Hainreichs, in dem ainleften jar des erczpisscholfsb' Albrecht von Salczpurch und poten des Romischen stuels, in dem ersten jar des pyscholfs Wolfgers von Pazzaw, ze gegenburt der erbern abbtessin vraun Diemueten dacz Ens in dem innreren haus des Ræbeinsb', der ze den selben zeiten di munzz het.


a) darüber sexa von anderer Hand

b) über der Zeile von gleicher Hand nachgetragen

c) liten von gleicher Hand über der Zeile

d) A.

a'') und und Ü

b'') Ü

c'') Ü statt wurd

d'') Ü statt Wartenburch

e'') Ü statt di

f'') von gleicher Hand über der Zeile nachgetragen

g'') danach vier durchstrichen.


Metadaten

Aussteller Herzog Otakar I. von Steiermark
EmpfängerTraunkirchen
RegestHerzog Otakar I. von Steiermark regelt die Bestimmungen um die Vogtei des Klosters Traunkirchen
Datum (ISO 8601)1191-05/1191-08
OrtEnns
SpracheLatein
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MetadatenTEI anzeigen TEI
LizenzCreative Commons BY-NC-SA
Permalink/Handlehttps://gams.uni-graz.at/o:stub.42, hdl.handle.net/11471/505.10.103
ZitiervorschlagUrkundenbuch des Herzogtums Steiermark I,1, bearb. v. Friedrich Hausmann, TR 2, digitale Fassung: hdl.handle.net/11471/505.10.103, Graz: Historische Landeskommission für Steiermark, 2007 (28.03.2024)