Briefe 1864

Die untenstehende Briefliste ist mit Klick auf die jeweiligen Kategorien sortierbar. Absender und Empfänger werden nach Familiennamen sortiert.

Die mit * markierten Briefnummern entstammen der ersten Version dieser Edition, in welcher Briefe bis zum Jahre 1880 erschlossen wurden. Briefe ohne alte Numerierung und mit einer Datierung vor 1880 wurden nachträglich eingefügt.

KennungMarker KennungAbsenderMarker AbsenderEmpfängerMarker EmpfängerDatumMarker DatumOrtMarker Ort
L.129Alexander RollettKarl Rollett1864 I 5Graz
L.130 *R.101Emil RollettAlexander Rollett1864 I 5Wien
L.131 *R.102Alexander RollettEmil Rollett1864 I 5Graz
L.132 *R.103Alexander RollettEmil Rollett1864 I 11Graz
L.133 *R.104Emil RollettAlexander Rollett1864 I 12Wien
L.134Alexander RollettKarl Rollett1864 I 12Graz
L.135 *R.105Emil RollettAlexander Rollett1864 I 18Baden
L.136 *R.106Alexander RollettEmil Rollett1864 I 20Graz
L.137 *R.107Emil RollettAlexander Rollett1864 I 26Baden
L.138 *R.108Alexander RollettEmil Rollett1864 II 6Graz
L.139 *R.109Emil RollettAlexander Rollett1864 II 12Baden
L.140 *R.110Ernst Wilhelm BrückeAlexander Rollett1864 II 16Wien
L.141 *R.111Alexander RollettEmil Rollett1864 II 19Graz
L.142 *R.112[NN] LeoAlexander Rollett1864 II 19Bonn
L.143 *R.113Emil RollettAlexander Rollett1864 II 24Baden
L.144 *R.114Alexander RollettEmil Rollett1864 II 29Graz
L.145 *R.115Ernst Wilhelm BrückeAlexander Rollett1864 III 1Wien
L.146 *R.116Emil RollettAlexander Rollett1864 III 3Wien
L.147 *R.117Alexander RollettEmil Rollett1864 III 15Graz
L.148Viktor von LangAlexander Rollett1864 [III] [v.31]London
L.149 *R.118Alexander RollettEmil Rollett1864 III 31Graz
L.150Alexander RollettKarl Rollett1864 IV 4Graz
L.151 *R.120Emil RollettAlexander Rollett1864 IV 5Wien
L.152 *R.121[NN] SchlagerAlexander Rollett1864 IV 6Wien
L.153 *R.122Viktor von LangAlexander Rollett1864 IV 8London
L.154 *R.123Emil RollettAlexander Rollett1864 IV 17Wien
L.155 *R.124Alexander RollettEmil Rollett1864 IV 20Graz
L.156 *R.125Emil RollettAlexander Rollett1864 V 3Wien
L.157 *R.126Alexander RollettEmil Rollett1864 V 5Graz
L.158Alexander RollettKarl Rollett1864 V 5Graz
L.159 *R.127Emil RollettAlexander Rollett1864 V 11Wien
L.160 *R.128Alexander RollettEmil Rollett1864 V 18Graz
L.161 *R.129Ernst Wilhelm BrückeAlexander Rollett1864 V 19Wien
L.162Alexander RollettHermann Rollett1864 V 23Graz
L.163 *R.130Alexander RollettEmil Rollett1864 V 23Graz
L.164 *R.131Emil RollettAlexander Rollett1864 V 27Wien
L.165 *R.132Ernst Wilhelm BrückeAlexander Rollett1864 V 27Wien
L.166 *R.133Alexander RollettEmil Rollett1864 V 30Graz
L.167Alexander RollettKarl Rollett1864 V 30Graz
L.168 *R.134Emil RollettAlexander Rollett1864 VI 11Wien
L.169 *R.135Alexander RollettEmil Rollett1864 VI 16Graz
L.170 *R.136Emil RollettAlexander Rollett1864 VI 26Wien
L.171 *R.137Alexander RollettEmil Rollett1864 VII 11Graz
L.172Richard MalyAlexander Rollett1864 VII 13Heidelberg
L.173 *R.138Emil RollettAlexander Rollett1864 VII 17Baden
L.174Adolf SchauensteinAlexander Rollett[1863-1891] VII 25[Graz]
L.175 *R.139Alexander RollettEmil Rollett1864 VII 27Graz
L.176 *R.140Viktor von LangAlexander Rollett1864 VIII 4Graz
L.177 *R.141Alexander RollettEmil Rollett1864 IX 5Graz
L.178 *R.142Emil RollettAlexander Rollett1864 IX 7Wien
L.179 *R.143Viktor von LangAlexander Rollett1864 IX 8Gutenbrunn
L.180 *R.144Emil RollettAlexander Rollett1864 IX 11Wien
L.181 *R.145Emil RollettAlexander Rollett1864 IX 22Baden
L.182 *R.146Alexander RollettEmil Rollett1864 IX 28Graz
L.183 *R.147Emil RollettAlexander Rollett1864 X 1Baden
L.184 *R.148Alexander RollettEmil Rollett1864 X 2Graz
L.185 *R.149Emil RollettAlexander Rollett1864 X 12Wien
L.186 *R.150Alexander RollettEmil Rollett1864 X 12Graz
L.187 *R.151[Woldemar] TomsaAlexander Rollett1864 X 13Wien
L.188 *R.152Alexander RollettEmil Rollett1864 X 21Graz
L.189 *R.153Emil RollettAlexander Rollett1864 X 22Wien
L.190 *R.154Alexander RollettEmil Rollett1864 XI 1Graz
L.191 *R.155Adolf SchauensteinAlexander Rollett1864 XI 2Graz
L.192 *R.156Emil RollettAlexander Rollett1864 XI 5Wien
L.193 *R.157Samuel SchenkAlexander Rollett1864 XI 9Wien
L.194 *R.158Alexander RollettEmil Rollett1864 XI 16Graz
L.195 *R.159Emil RollettAlexander Rollett1864 XI 21Wien
L.196 *R.160Alexander RollettEmil Rollett1864 XII 2Graz
L.197 *R.161Emil RollettAlexander Rollett1864 XII 10Wien
L.198Alexander RollettKarl Rollett1864 XII 23Graz
L.199 *R.162Alexander RollettEmil Rollett1864 XII 23Graz
L.200 *R.163Emil RollettAlexander Rollett1864 XII 31Wien

Liebster Vater!

In aller Eile will ich Dir berichten, dass ich nach einer fast regelmäßigen Fahrt durch die Schneegefilde des Semmering etc. und ohne viel vom Frost zu leiden glücklich wieder in Graz eingetroffen bin.

Erlebt habe ich seither nur noch wenig. Mein Laboratorium ist glücklicherweise in der alten Ordnung. Nur alle meine Frösche haben mir Laborant und Assistent erfrieren lassen.

Stiefelknecht, Madame Fleckerl und den Federwischer etc. habe ich sehr wohl erhalten hierher gebracht, sie schmücken sämtlich schon meine Appartements.

Viele Grüße an alle. Einen Handkuss an die Mutter und für Dich von Deinem allerdankbarsten

Alexander

L.130 *R.101

1864 I 5, Wien

Liebster Bruder!

Ich erfülle mein Versprechen, indem ich Dir einige Zeilen über mein Befinden und den Fortgang meiner Rekonvaleszenz mitteile. Allerdings habe ich schon eine größere Sicherheit im Stehen und Gehen, allein in den Schmerzempfinden namentlich der Füße ist bis jetzt keine Veränderung eingetreten. Auch die linke Schulter und [der] Oberarm sind bei Bewegungen noch sehr empfindlich. Gestern habe ich, da ich zwei dünne Stühle hatte, die Sodapulver ausgesetzt, und heute sehe ich wieder eine ziemlich reichliche Harnsäureausscheidung am Boden meines Uringefäßes. Ob dies wirklich die Folge des Weglassens der Sodasalze ist? In meinem sonstigen Befinden hat sich nichts geändert, Appetit und Schlaf sind befriedigend. Gestern besuchte mich Rudolf und blieb eine Cubazigarre lang bei mir, er erzählte mir auch von dem Abend bei Frau von Bauer. Die Mutter Schwarz ist bereits gestorben. Oppolzer war auch bis heute noch nicht bei mir. Ich hätte lange bis zu meinem ersten Auferstehungsversuch warten können. – Hoffentlich bist Du glücklich in Graz eingetroffen. Ich erwarte ein baldiges Schreiben von Dir und sage Dir ein herzliches Lebewohl, Dein Dich liebender

Emil

L.131 *R.102

1864 I 5, Graz

Lieber Bruder!

Ich bin gestern nach einer für die jetzigen Verhältnisse sehr schleunigen Fahrt wohlbehalten hier eingetroffen.

In Baden war ich noch, wie Dir Onkel Rudolf gesagt haben wird, bei Herrn von Bauer mit Vater, Mutter etc. Abends den 3. Jänner eingeladen.

Meine in Wien ausgesprochene Befürchtung, dass mir die Frösche erfrieren werden, war nicht grundlos. Du siehst, dass trotz Assistent und Laborant, doch auch immer der Professor bei den kleinsten Kleinigkeiten mitdenken muss.

Auf Deinem Schreibtische habe ich die mir von Dr. Tomsa geschenkten Milzinjektionen liegengelassen. Maly, der nächstens nach Wien geht, um das zweite [Rigorosum] zu machen, wird sie abholen.

Was machen Deine Steh- und Gehübungen, wie geht es Dir überhaupt?

Von Baden wird nächstens jemand Dich besuchen. Sage dem Becker, er möge Dir die Zentralblätter (zwei Nummern) geben. Maly soll auch diese mit hierher bringen.

Becker soll sich verlassen, dass ich, wenn er es wünscht, ihm beim Erzherzog Johann 2 Zimmer bestelle. Grüße mir Rembold etc. Vor allem schreibe aber bald und fleißig Deinem

Alexander

L.132 *R.103

1864 I 11, Graz

Lieber Bruder!

Wie geht es Dir? Für Dein Schreiben vom 5. Jänner danke ich Dir, aber ich habe gestern und heute schon immer ein zweites berichterstattendes Briefchen erwartet. Leider sah ich mich in meiner Hoffnung getäuscht.

Diese Zeilen sollen Dich nun mahnen, wieder einmal eine kleine Mitteilung zu machen.

Ich habe in Graz eine barbarische Kälte angetroffen. Meine Wohnung fing erst gestern an, allmählich ihre frühere Behaglichkeit zu gewinnen, aber die 14tägige Kälte hinauszuheizen, war keine Kleinigkeit. Übrigens hat mich die rauhe Witterung zur Einkehr bei mir selbst gebracht.

Ich habe mir eine kleine Teewirtschaft eingerichtet. Du weißt, welche Bedenken ich früher dagegen hatte. Nun hat sich alles zu meiner Zufriedenheit gelöst. Tee, Zucker, Rum, Spiritus, Zwieback wird in größerer Menge in die Vorratskammer eingelegt und so bin ich von allen täglichen Sorgen für mein Frühstück und hie und da auch Abendbrot frei. Es hat auch der Aufenthalt bei Dir dazu beigetragen, dass ich mit aller Energie wieder auf den mir liebgewordenen Frühstückstee zu Hause zurückgekommen bin. Dabei befinde ich mich wohl.

Meine Zuhörer finden sich nach wie vor sehr fleißig ein. Hauptmann Gerlick ist wieder eingerückt und nach Schleswig-Holstein gezogen (wie es heißt), mir hat er nur seinen Wiedereintritt und sein Bedauern, mich nicht mehr gesehen zu haben, melden lassen.

Samstag war ich [am] Abend bei Wertheim geladen. Dort waren Helly samt Frau, Tomaschek, Prof. Buchner (Chemie an der Oberrealschule), ein Oberleutnant (Adjutant bei Erzherzog Heinrich) mit einer jungen hübschen Frau, zwei jugendliche schöne Fräuleins, Töchter eines Grazer Bürgers mit ihrer Tante. Es ging lustig her, Plauderei, Musiziererei, Spielerei (d.h. … 23:30 Uhr welches den Schluss machte). Sonntag war ich im Konzert des hiesigen akademischen Gesangvereines (Carnevalsliedertafel), die komische Quadrille, welche Du kennen wirst, wurde als Schlusschor aufgeführt. Hoffmann und Hartmann, Sängerinnen an der hiesigen Oper sangen Schumann- und Schubert’sche Lieder.

Nach dem Konzert schleppte mich Schauenstein mit dem Richter zu den Planerschen, wo ich den Abend zubrachte und mich mit den Kindern des Planer amüsierte.

Im Laboratorium habe ich jetzt endlich meine Blutuntersuchungen fortsetzen können, ich habe Aussicht auf neue nicht unwichtige Resultate. Auch der Besuch bei Herrn Dr. Mitterbacher, Bibliothekar der Joanneumsbibliothek, war für mich in der vergangenen Woche ein Ereignis. Der genannte Herr nahm mich sehr freundlich auf, wir unterhielten uns lange, schließlich gewährte er mir Zutritt ins Professorenzimmer, welches ich nun fleißig besuchen werde. Die Bibliothek des Joanneum ist reich an technischen und naturwissenschaftlichen Werken und jetzt noch laufend werden alle für mich wichtigen naturwissenschaftlichen Zeitungen gehalten. Z. B. Virchow Archiv, Reichert und du Bois Archiv, Moleschott Untersuchung etc., Poggendorff Annal[en], Liebig und Wöhler etc., Henle und Pfeifer, Annales des sciences naturelles. Philosophical Magazin, Dinglers polytechnisches Journal, ferner Comptes rendus, Philosophical Transactions, sonstige Akademieberichte etc. Kurz ich bin nicht mehr in Sorge, mich hier an eine der neueren Literatur zu halten und habe mehr als ich geahnt im Joanneum vorgefunden.

Nun wünsche ich noch, dass Deine Genesung neue Fortschritte gemacht habe und dass ich bald durch Dich davon unterrichtet werde. Mit tausend Küssen Dein

Alexander

Hast Du den Petroleum-Artikel im ‚Industrie- und Gewerbeblatt’ erhalten?

A. Rollett

L.133 *R.104

1864 I 12, Wien

Lieber Bruder!

Bald wäre der heutige Tag wieder vorübergegangen, ohne mein Vorhaben, an Dich zu schreiben, zur Ausführung zu bringen. Ich wurde nämlich durch wiederholte Besuche davon abgehalten. Auch Vater und Adele erfreuten mich heute mit ihrem Besuche. Adele wird längere Zeit bei Prager verbleiben. Vater, der Dich vielmals küssen lässt, ist mit dem 17:30 Uhr Train wieder nach Baden zurückgekehrt. Meine Rekonvaleszenz schreitet allgemach vorwärts. Ich kann schon, wenn ich gerade will, ohne Stock herumgehen, jedoch immer noch mit steifen Vorderfüßen, da mir jede Biegung der Füße in den Sprunggelenken und den kleinen Mittelfußgelenken Schmerzen verursacht, von denen ich aber in der Ruhe zu meinem Troste soviel wie nichts verspüre, das Prickeln und die feinen Stiche auf den Fußsohlen haben sich fast ganz verloren. Seit 2 Tagen belästigen mich beim Aufstehen mäßige kurz dauernde Wadenkrämpfe. Die Muskeln der linken Schulter sind ebenfalls noch, jedoch in viel geringerem Grade, schmerzhaft beim Bewegen. Mein übriges Befinden ist ganz gut, insbesondere Appetit und Schlaf. Vor einigen Tagen bin ich auf Anraten Oppolzers beim Professoren-Kollegium um Urlaub bis Ende Februar eingekommen und habe bereits die Urlaubsbewilligung in Händen. Mit Vater habe ich die Verabredung getroffen, dass ich Ende dieser oder Anfang der künftigen Woche wohlverwahrt nach Baden übersiedeln werde. Schnitzler trägt sich mit dem Gedanken, von Oppolzer die Anstellung eines provisorischen 2. Assistenten zu verlangen und selbst provisorisch an meine Stelle zum 1. Assistenten vorzurücken. Jedoch ist dieser sein Plan noch nicht reif und ein zweiter Plan scheint zu sein, auch ferner den Dienst allein zu versehen, dafür aber um eine Remuneration einzukommen, die dann auch in den künftigen Jahren vielleicht bewilligt werden dürfte. Immerhin scheint man, von dieser Seite aus meiner Krankheit Kapital machen zu wollen. Behalte jedoch diese Mitteilungen einstweilen für Dich. – Becker hat mich seit Ankunft Deines vorletzten Briefes noch nicht besucht, ich konnte ihm daher auch noch keine Mitteilung machen von den ihn angehenden Stellen Deines vorletzten Schreibens. Vielleicht hat er Dir die betreffenden Nummern des Centralblattes schon unter Kreuzband geschickt. Die mikroskopischen Präparate werde ich, sollte Maly dieselben nicht vor meiner Abreise nach Baden abholen, der Wärterin zur sorgfältigen Aufbewahrung übergeben, von welch letzterer sie dann Maly in Empfang nehmen kann.

Ich danke Dir für die Übersendung des Petroleum-Artikels. Diesen Brief schreibe ich (19:00 Uhr) bei ausgezeichneter Beleuchtung mit einem vortrefflichen in der Stadt gekauften Petroleum, das sehr wenig gefärbt ist (30 Kreuzer per Pfund). Mein früher in der Alservorstadt gekauftes, ziemlich dunkel gefärbtes Petroleum (beste Qualität zu 28 Kreuzer per Pfund) musste ich wegen unerträglichen Gestankes zurückschicken und dafür Millykerzen eintauschen. Es scheint, dass man an letzterem Orte irgendein Falsificat für echtes Petroleum verkauft.

Zum Schlusse wünsche ich noch, dass Dir sowohl in wissenschaftlicher als sozialer Beziehung immer reichlicher solche günstigen Umstände zustatten kommen, von denen Du mir in Deinem letzten Briefe erzähltest.

In herzlicher Umarmung Dein Dich liebender

Emil

Liebster Vater!

Meine Geschäfte in Graz sind nun wieder in vollem Gange und ich habe Eile nötig, um mit der ganzen Materie meiner Vorlesungen im ersten Semester fertig zu werden, da Ostern heuer so früh fällt.

Vielleicht hat Dir Emil schon gesagt, dass der Hauptmann Gerlick wieder eingetreten ist. Ich traf ihn nicht mehr hier, als ich aus Wien zurückkehrte; er ließ sich bei mir bedanken und sein Leidwesen ausdrücken darüber, dass er mich nicht mehr getroffen hat. Man sagt, Hauptmann Gerlick sei nach Schleswig-Holstein gezogen.

Von Emil habe ich nun schon eine ganze Woche keine Nachricht, ich laufe schon fast jede Viertelstunde zum Briefkasten. Wie geht es mit seiner Transportlabilität? Die Hermine und Marie sollen mir doch auch schreiben, wie sie sich der Einladung des Herrn von Schmidt gegenüber schließlich geäußert haben.

Professor Planer hat noch in Wien bei mir den großen Weberschen Atlas der Anatomie gesehen, der jetzt bei Emil sich befindet. Er interpellierte mich auch darüber, wozu ich diesen Atlas eigentlich brauchte, und machte mir den Antrag, mir ihn abzukaufen, da er ja doch zunächst nur für anatomische Lehrkanzeln bestimmt wäre. Ich klärte ihn darüber auf, dass der Atlas nicht mir gehöre. Ich erzähle Dir diese Geschichte, weil Du vielleicht diesen Atlas gegen einen neueren, für eine Privatbibliothek handsameren und schöner gezeichneten eintauschen könntest. Mir ist die Geschichte ziemlich gleichgültig, da ich weder den einen noch den anderen brauchen werde.

Auguste und Bertha haben mich letzthin mit dem Gabelfrühstück so gesättigt, dass ich bis Mürzzuschlag angenehm verdauend schwitzen musste. Hunger hat sich auf der ganzen Reise keiner eingestellt.

Mein Befinden ist trotz der fürchterlichen Kälte, welche ich bei meiner Ankunft hier getroffen und die bis heute andauert, doch ein vollkommen gesundes.

Ich bitte Dich, lieber Vater, zum Schlusse noch, mir bald zu schreiben, wie es Dir und allen, namentlich dem Emil geht, und bleibe Dein allerdankbarster

Alexander

L.135 *R.105

1864 I 18, Baden

Lieber Bruder!

Gestern bin ich endlich mit dem Wiener 11:00 Uhr Train in Begleitung des Vaters glücklich in Baden angelangt. Die Expedition ging bei einer Kälte von 15° unter Null, dank meiner sehr sorgfältigen Verwahrung ganz gut vonstatten, ohne dass ich von der Kälte auch nur im Mindesten zu leiden hatte. Beim Verlassen des Zimmers war ich anfangs, ich gestehe es, etwas frappiert und fast erschrocken vor dem grellen Temperaturunterschied, der die unbedeckten Teile des Gesichtes traf – Mund und Naseneingang waren durch ein vorgehaltenes Tuch geschützt. Das Herabgehen über die Stiege hatte keinen Anstand und sobald ich nur im Wagen saß, fühlte ich mich recht behaglich. Auch am Wiener Bahnhofe gelangten wir Arm in Arm glücklich über die Stiege, rauchten herauf in einem kleinen, mittleren Coupé der 2. Kl[asse] gemütlich eine Zigarre und erst beim Herabgehen am Badner Bahnhofe fingen mir die Beine an zu schlottern und fühlte ich, dass mich die Schwäche noch nicht verlassen hat. Gegenwärtig fühle ich mich nach einer gut durchschlafenen und durchträumten Nacht recht wohl, einer Nacht, in welcher ich und Du zurückkehrend aus Amerika auf einem kleinen Kahne, kräftig rudernd erst an der holländischen Küste, die mich an eine herrliche Landschaft Ruysdaels erinnerte, und als dies vergeblich war, an der französischen Küste einen Landungsversuch machten, während des eifrigsten Ruderns erwachte ich – da haben mir wohl meine noch immer empfindlichen Armmuskeln zu einem ganz schönen Traum verholfen.

Mein Befinden ist also wie gesagt nach der Reise ziemlich befriedigend, gewiss nicht minder gut als früher in Wien.

Becker wird am 2. Februar heiraten, nach seiner Vermählung 1 oder 2 Tage in Baden zubringen und von hier aus Dich telegraphisch um die Bestellung einer Wohnung ersuchen. – Maly habe ich die Präparate noch während meiner Anwesenheit in Wien übergeben.

Hermine und Marie sind gestern nach Wien gefahren, um heute mit Herrn von Schmid und Frl. Albertine den Juristenball zu besuchen. Ich bin aber nicht mitgegangen, denn ich kann heuer an dergleichen Unterhaltungen keinen rechten Geschmack finden.

In der Erwartung eines baldigen Schreibens von Dir beende ich meinen Brief mit vielen Küssen und Grüßen

Emil

L.136 *R.106

1864 I 20, Graz

Lieber Bruder!

Seit lange hat mich nichts so sehr erfreut, als Dein gestern hier eingetroffenes Schreiben. Ich weiß Dich nun in dem Schoß der Familie und diese wird schon das Ihrige tun, um Dir alle nötige Pflege und Kurzweile zu verschaffen.

Wage aber ja nicht zu viel und sei recht aufmerksam auf alles, was Deine Rekonvaleszenz verzögern könnte. Dass Du Urlaub genommen, wie Du mir in Deinem vorletzten Brief mitteiltest, war sehr zweckmäßig. Ich würde Dir raten, Dich um alle Konsequenzen Deiner Abwesenheit von der Klinik nicht viel zu kümmern. Geh es, wie es gehe. Du bleibe sorglos bis nach den Osterferien in Baden. Von Becker habe ich die Centralblätter noch nicht erhalten; vielleicht bringt er sie selbst mir.

Dass Du ein gestankvolles Petroleum bekommen hast, bedaure ich, Du hast Dich aber ja schon früher überzeugt gehabt, und später auch gelesen, dass nicht alles, was stinkt, Petroleum ist.

Dein Traum hat mich lachen gemacht, auch den Prof. Tomaschek, welchem ich davon erzählte.

Wenn dieser Brief anlangt, haben die zwei Großen wahrscheinlich schon ihren Katzenjammer ausgeschlafen. Waren sie auch auf dem Medizinerball, warum schreibt mir keine?

Auch das weiß ich nicht, ob der Vater, dem ich die Hand küsse, meine zwei Briefe, welche ich ihm in diesem Monat geschrieben habe, erhalten hat?

Du wirst hoffentlich in Baden Muse haben, mir recht bald wieder zu schreiben? Ich bitte Dich darum.

In meinem Leben gibt es wenig Veränderung. Viel Arbeit habe ich jetzt und Maly war nie so notwendig, als jetzt, wo er in Wien ist. Mikroskopische Präparate vom Verdauungsorgan, Leber etc. injiziert und uninjiziert, Verdauungsflüssigkeiten aller Art, einige Experimente an Tieren für die Vorlesungen herrichten und daselbst demonstrieren, das ereignet sich alle Tage in dieser Woche und macht mir viel zu tun.

Soeben ist Helly gekommen und gleich wieder gegangen. Er und seine Frau und Heller etc. haben Katzenjammer vom gestrigen Juristenball, ich und Tomaschek sollen nun, da wir nicht auf dem Ball waren, heute Abend in dieser jammervollen Gesellschaft erscheinen und ihre Balltratschereien anhören und ihnen dafür die Zeit vertreiben.

Ich schließe mit vielen Grüßen

Alexander

Handkuss an die Mutter, Grüße an die Geschwister.

L.137 *R.107

1864 I 26, Baden

Lieber Bruder!

Seit meinem letzten Schreiben an Dich hat sich nichts so sehr verändert als – das Wetter. Wirklich brachte uns ein von Euch her wehender Zephyr ein so schmeichelnd mildes, sonnig und wonniges, schmelzend liebliches Wetter, dass der Gott des Frühlings und Flora und Ceres und die Himmlischen alle ihren jubelnden schimmernden Einzug in unsere Gegend halten könnten, wenn sie nicht fürchten müssten, mit ihren blütenbekränzten, duftenden Wagen im Dreck stecken zu bleiben und hinterher erst recht von Vater Boreas schikaniert zu werden. Ich weiß nicht, welche thermisch-hygroskopischen Momente, welche Variationen des Verdunstungs-Koeffizienten der Grenzflächen meines Ich sich geltend machten – ob Fichtes absolutes Ich jemals sich selbst kasteiend einen Rheumatismus setzte? – Tatsache ist, dass ich den Umschlag der Witterung in meinen Gliedern spüren konnte. Ich fühle mich im Übrigen recht wohl und kräftig, allein gewisse Bewegungen, längeres Gehen oder auch Sitzen in einer Stellung etc. Verursachen mir immer noch dieselben schmerzhaften Empfindungen wie vor acht Tagen. Das Zimmer verlasse ich noch nicht. – Zum Zeitvertreib beschäftige ich unter anderem mein ghibellinisches Hirn mit dem ‚Zauberer von Rom’.

Gestern habe ich die Anzeige von Beckers Vermählung erhalten, die am 2. Feber stattfinden wird. – Die 2 Großen waren bisher bloß auf dem Juristenballe und blieben darnach 8 Tage lang in Wien bei den Schmids; in deren liebenswürdiger Gesellschaft sie Theater, Ballett, Praterfahrt etc. mitmachten. Letzten Sonntag kamen sie wieder nach Baden, wurden aber von Herrn von Schmid und Frl. Albertine, die bei uns eine Tasse Tee einnahmen, für den Studentenball ausgebeten.

Die Mutter meinte, Du seiest nicht auf den Grazer Juristenball gegangen aus Furcht, dort Dein Herz verschenken zu müssen. So sind die Frauen, die nicht begreifen können, dass niemand müssen muss.

Onkel Rudolf, der Dich herzlich grüßen lässt, ist gestern in seine neue Garnison nach Siebenbürgen abgereist.

Vater, von welchem ich gleichfalls viele Grüße einschließen soll, hat Deine 2 Briefe erhalten, er wollte an Dich schreiben, da aber dies ohnehin von meiner Seite geschieht, so erachtete er es für überflüssig, zumal, da er ziemlich viele Geschäfte hat und unter anderem heute telegrafisch nach Wien berufen wurde zu Grafen Mocenigo. Indem ich noch viele Küsse und Grüße von Mutter und den Geschwistern beifüge, zeichne ich mit herzlichem Lebewohl

Emil

L.138 *R.108

1864 II 6, Graz

Lieber Bruder!

Du wirst Dir meine etwas verspätete Antwort auf Deinen Brief vom 26. v[origen] M[onats] wohl aus dem Umstande erklären, dass ich ja wusste, dass Du durch den an unseren guten Vater gerichteten Brief von mir Nachricht bekommen hast.

Der Fasching hat mich ganz gewiss nicht davon abgehalten, Dir früher zu schreiben. Ich habe mir ein für alle Male vorgenommen, alle diese tausend Bälle, Kränzchen etc., zu welchen ich hier in Graz geladen werde, nicht mitzumachen. Eine derartige Repräsentation meiner Honoratiorenschaft würde mir etwas zu kostspielig sein.

Nichts desto weniger habe ich auch meine heiteren Abende, teils bei Kollegen, deren Zuneigung ich besitze, teils die Liedertafeln, Commersen etc. So feierte unlängst eine aus Medizinern gebildete Verbindung ihren Gründungscommers. Die ‚Teutonia’ ist sie benamset.

Die Professoren hatten sich fast vollzählig eingefunden. Zuletzt wurde der Landesvater gesungen, siehe beiliegenden Text. [Nicht vorhanden]

Wir wurden aufgefordert, den Landesvater mitzustehen. Mit dem Kurevis eines Wiener Saxonen auf den Köpfen fassten ich und Dekan Heschl, andererseits Schauenstein und Helly etc. als Partner posto, und ließen uns nach aller Form unter Absingung der üblichen Chöre und Solos zu Burschen weihen, Heschl und ich kreuzten die Schläger, erhoben die Finger zum Schwur und durchbohrten endlich unsere Mützen mit dem scharfen Stahl.

Die Wiener Saxonia hatte eine Deputation geschickt, welche der Teutonia, ihrer Tochter, einen prachtvollen Ehrenhumpen und ein Paar Paradeschläger mitbrachte.

Leider erfuhren wir, als wir drei Tage nach dem heiter verlaufenen Feste wieder in unserer professorlichen Würde beisammensaßen, dass ein Wiener Saxone mit einem Tartaren (Juristen) einen Streit bekommen hatte, der zu einem Duell führte.

Die Wiener waren wie auf Gastrollen gekommen und zogen, nachdem sie dem guten Patriarchen Hiebler (als solcher hatte er beim Universitätsfest dem Schmerling den Salamander kommandiert) 3 über den Kopf gegeben hatten, munter wieder von dannen. Hiebler war nach 2 Tagen per primam intentionem wieder hergestellt, sieht aber etwaigen künftigen Wiener Deputationen nicht gerade mit zu großer Sehnsucht entgegen.

Heute hat Becker mit Frau wieder Graz verlassen, nachdem sie seit Donnerstagabend hier waren. Becker hat mir erzählt, dass Du einen Brief von mir erwartest.

Der Eindruck, welchen unser Leben, unsere Anstalten, Krankenhaus etc. machten, wurde von Becker, wie er sagte, nicht ge[ahnt?]. Seine Erwartungen waren weit übertroffen und er behauptete, wir könnten uns mit Halle, Tübingen, Erlangen etc. jetzt schon ganz kühn vergleichen.

Becker sprach mir gegenüber die Befürchtung aus, Du würdest zu früh von Deinem Urlaube wieder nach Wien zurückkehren. Tue das um Gottes Willen nicht. Ich glaube, Du müsstest doch durch den Anfang Deiner Krankheit hinlänglich erfahren haben, dass man nicht [in] zu leichtsinniger Weise über eigenes physisches Wohl zur Tagesordnung übergehen dürfe. Ich nehme diese Tagesordnung entschieden nicht an. Grüße mir vielmals alle, welche Dich jetzt umgeben und besuchen. Dem Vater und der Mutter viele Handküsse. Du lebe wohl und schreibe mir recht bald wieder. Dein

Alexander

L.139 *R.109

1864 II 12, Baden

Lieber Bruder!

Vielleicht wirst Du schon wieder ein Schreiben von mir erwarten, welches Dir von unser aller Befinden Nachricht geben soll. Ich will daher mit ein paar Zeilen Deiner Erwartung entsprechen. Das Befinden aller bewegt sich ziemlich in den Breiten der Gesundheit. Auch ich fühle mich entsprechend wohl; dreimal bin ich bereits bei günstigem Wetter um die Mittagszeit ausgefahren, einmal auch schon im offenen Schlitten und habe mich darnach recht wohl befunden. Wir haben jetzt wieder reichlich Schnee bei mäßiger Kälte. Gestern debutierte ich mit meiner ersten Fußpartie zur Tante Schwarz und heute hab ich mich über die Folgen derselben keineswegs zu beklagen. Ich würde vielmehr heute einen abermaligen kurzen Spaziergang machen, wenn nicht eine etwas windige Witterung mich davon abhalten würde.

Hermine und Marie waren abermals 8 Tage lang in Wien bei Schmids und besuchten den Studentenball und mehrere Theater. Auguste machte in Gesellschaft der Frau von Candy die Dienstag-Redoute mit als gelber Domino. Da sich dieselbe noch immer in Wien befindet, so weiß ich von den Erfolgen ihres Intrigenspiels noch nichts zu sagen. Heute Abend ist Soirée bei Baronin Hubel, wozu auch die Mädchen und ich geladen wurden. Ich werde jedoch meine Wenigkeit höflichst entschuldigen lassen, denn ich bin keineswegs gesonnen, eine Nacht zu opfern und noch weniger, in kalter Nachtluft eine Promenade zu machen. Gestern erfuhr ich bei Schwarz, dass der verwundete Leutnant Schwarz von [der] Belgien-Infanterie ein Sohn des Währinger Schwarz ist. Er bekam einen Schuss am Kopf, der jedoch nur streifte und keine lebensgefährliche Verletzung bedingen soll. Deine Schilderung des Gründungscommerses der Teutonia hat mich lebehaft interessiert, weil man darin ein Symptom des regen Lebens Eurer Universität erblicken kann. Die Zeit der Stockfische und Fastenpredigten ist bereits hier und mit den ersten Märzveilchen werden die Tage der Osterferien erblühen. Hast Du für diese Tage schon einen Plan gefasst?

Ich ende mein Schreiben mit tausend Grüßen und Küssen von mir und allen, Dein Dich liebender

Emil

Geehrter Freund!

Besten Dank für Ihre Präparate: Ich habe einen vortrefflichen Tausch gemacht. Außer den Präparaten über das Venennetz an der Innenfläche des Magens haben mich namentlich die schönen Darmzotten interessiert und die ungewöhnliche Form von Hämatinkristallen. Haben Sie Hoppes Arbeit darüber schon gelesen und was sagen Sie dazu? Hier bei uns gibt es für den Augenblick nichts Neues. Unsere Forellenzucht hat ihren guten Fortgang, aber die Entwicklung ist bei der niederen Temperatur so langsam, dass noch alle in den Eikapseln liegen. Es ist das ein wesentlicher Vorteil, weil dadurch die Zeit für das Studium der früheren Stadien verlängert wird. Basch arbeitet jetzt auch wieder im Laboratorium. Er kocht Darmstücke etc., die wir früher in Essig gekocht haben, in einer Mischung von Kreosol, Essigsäure und Wasser und erzielt so gute und, wie es scheint, auch haltbare Präparate. In den Osterferien werden wir uns wohl sehen.

Mit herzlichem Gruße Ihr

E. Brücke

L.141 *R.111

1864 II 19, Graz

Lieber Bruder!

Vielleicht wirst auch Du schon wieder ein Schreiben von mir erwarten. Ich wenigstens musste den gleichlautenden Eingangspassus Deines letzten Briefes entschieden affirmativ beantworten.

Im Drange der Geschäfte komme ich erst heute, dazu, Dir die Antwort zu schreiben. In der letzten Woche hatten wir zwei Sitzungen, Dreschnig ist nach Klagenfurt als Bezirksarzt gegangen. Wir hatten schleunigst einen Neubesetzungsvorschlag zu machen. In der ersten Sitzung wurden Planer, Schauenstein und ich einstimmig als Kommission in dieser Angelegenheit gewählt. Wir haben dem Professorenkollegium den hiesigen Landestierarzt von Koch zum Vorschlag beim Ministerium empfohlen und zwar solo. Der Antrag wurde einstimmig angenommen und ist bereits der Vorschlag nach Wien gegangen. Ich bitte noch nichts darüber zu sprechen, wer wird sich aber auch in Baden dafür interessieren?

Dass Du Dich in Baden so wohl fühlst, macht mir große Freude, nur Vorsicht mein lieber Rekonvaleszent! Und nicht in den alten Fehler aller Doktoren verfallen, sich selber am wenigsten zu schonen. Heute wurde das Kollegium in corpore in größerem Format photographiert, das Bild ist sehr gelungen, so weit man nach der Her[…] urteilen konnte. Außerdem musste sich jeder einzeln in ganzer Figur und als Brustbild abkonterfeien lassen.

Als Becker endlich hier war, brachte er mir von Brücke Präparate, die er, was mir einigermaßen unangenehm war, von Brücke unter dem Anscheine, als hätte ich ihn dazu aufgefordert, förmlich für mich verlangte.

Diesen durch einige unbedachte Worte Malys hervorgerufenen freundlichen, aber hier nicht gebotenen Diensteifer, hat mir Becker beim Anblick meiner in einzelnen Kapiteln schon überaus zahlreichen Sammlung gestanden und zugleich gesagt, dass es Brücke viel Spaß gemacht hätte, dass ich mich nicht direkt an ihn gewendet hätte. Noch am selben Tage schrieb ich an Brücke einen Dankbrief für das wertvolle Geschenk, sagte aber, dass ich es nicht ohne Bemerkung hinnehmen könne, da ich ihn nicht bei der mir durch Becker kundgewordenen Meinung belassen dürfe, als ob ich hier in Graz nichts täte als verzweifeln und noch überdies die Unbeholfenheit hätte, ihn (Brücke) durch Mittelspersonen um schöne Präparate anzubetteln. Zu meiner Rechtfertigung müsse ich ihm vielmehr einen Tausch anbieten und ihm sogleich einige meiner Sammlung entnommene Präparate überschicken. Gesagt, getan. Die Präparate wurden mit dem Brief zugleich expediert. Nach einigen Tagen erhielt ich von. Brücke einen sehr freundlichen Brief, er lachte über meine guten Freunde und sagte: 'Geehrter Freund. Herzlichen Dank für ihre schönen Präparate, ich habe einen vortrefflichen Tausch gemacht etc.' Brückes Brief enthielt ferner eine Aufforderung, mich zu Ostern ja gewiss in Wien sehen zu lassen. Was soll ich tun? Eigentlich hätte ich hier auch während der Ferien vollauf zu tun. Allein Dich ganz gesund wieder zu sehen etc., sind eine Menge Beweggründe, die Fahrt nach Wien respective Baden zu machen. Fest entschlossen bin ich noch nicht. Die Großen werden ja wahre Wienerfrüchteln. Von einem gelben Domino mit sehr langer Nase hat man mir sogar hier in Graz erzählt.

Dem Vater, welchem ich die Hände küsse, kannst Du sagen, dass ich ihm schon längst geschrieben hätte, wenn ich nicht wüsste, dass unsere Korrespondenz jetzt auch für ihn auf dem kürzesten Wege zugänglich ist. Handküsse an die Mutter. Grüße an alle. Lasse mich nicht so lange auf eine Antwort warten, wie ich Dich, lebe wohl! Es küsst Dich Dein

Alexander

L.142 *R.112

1864 II 19, Bonn

Die medizinische Sektion der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde hat am 15. Februar, dem Tage der fünfundzwanzigjährigen Jubelfeier ihres Wiedererstehens nach längerer Inaktivität, die Gelegenheit ergriffen, Sie, hochgeehrter Herr, zu Ihrem auswärtigen Mitgliede zu ernennen, und bin ich hocherfreut, Ihnen dies bei Übersendung des Diploms der Gesellschaft hierdurch anzeigen zu dürfen.

Bonn, den 19. Februar 1864

Der derzeitige Sekretär der medizinischen
Sektion niederrheinischen Gesellschaftfür Natur- und Heilkunde:
Dr. Leo

L.143 *R.113

1864 II 24, Baden

Lieber Bruder!

Hiemit erhältst Du das letzte Schreiben aus der Zeit meines Urlaubes, indem ich schon den kommenden Montag wieder nach Wien übersiedeln werde. Ich bin, Gott sei Dank, soweit hergestellt, dass ich dies ohne Gefahr tun zu können glaube, und ich tue es, weil Oppolzer dem Vater, als er den ersteren besuchte, nicht bloß zu verstehen gab, sondern ausdrücklich sagte, dass ihm sehr viel an meiner Rückkunft nach Wien gelegen ist. Dass ich mich so viel als möglich schonen und als Rekonvaleszent verhalten werde, brauche ich Dich nicht zu versichern. Ich bin viel zu wenig Stoiker, um meinen Leib von Neuem so quälenden Schmerzen preiszugeben. Begreiflicherweise gewährt es Oppolzer einige Beruhigung, jemanden in der Nähe der Klinik zu wissen. – Ich nehme jetzt seit einiger Zeit fast täglich ein laues Wannenbad zu Hause, was mir recht wohl bekommt. Die heikelsten Teile sind gegenwärtig noch die Sprunggelenke und Vorderfüße, aber sonderbarerweise, ist mir ein längeres Gehen und Stehen viel weniger beschwerlich, als der Beginn dieser Funktionen nach längerem Sitzen oder Liegen.

Gestern war bei uns grand theé, wozu die Familien Schwarz, Bauer, Perger und Schimmer geladen waren. Es wurde auch auf Deine Gesundheit nicht etwa eine Tasse Tee, sondern ein Gläschen edlen Griesenheimers getrunken. Vor einigen Tagen wohnte ich einem Konzerte in dem Saale der Stadt Wien bei. Auch Vater, Mutter und die Mädchen, mit Ausnahme der Auguste, waren dort und wir soupierten an einem großen Tische in Gesellschaft unserer Gäste von gestern. Nächsten Sonntag wird wieder ein Konzert zugunsten der Schleswig-Holsteinschen Verwundeten abgehalten, das wir wahrscheinlich ebenfalls besuchen werden.

Ich weiß nicht, ob ich Dir eine wichtige Stadtneuigkeit schon mitgeteilt habe; es wurde nämlich vor einiger Zeit ein völlig mumifizierter weiblicher Kadaver beim Graben eines neuen Grabes auf dem städt[ischen] Friedhofe aufgefunden und von einer kreisärztlichen Kommission und vielen Neugierigen im Lazarette in Augenschein genommen. Wenn man wüsste, wem der Kadaver im Leben angehörte, so würden wir um eine Heilige mehr im Kalender zu verzeichnen haben; denn eine solche allerdings merkwürdige und seltene Eventualität soll, wie man sagt, der kathol[ischen] Kirche zur Heiligsprechung Anlass geben. Vor kurzem ist die Frau des in Ägypten abwesenden Dr. Dimnig sehr rasch an Typhus gestorben.

Ich freue mich, dass Du Deinem letzten Briefe nach zu Ostern wahrscheinlich doch nach Wien kommen wirst. – Die Geschichte mit den Präparaten ist wirklich gar nicht übel, besonders da sie sich so zur gegenseitigen Zufriedenheit gelöst hat.

Nun füge ich noch viele herzliche Küsse und Grüße von Vater, Mutter, mir und allen Geschwistern bei als Dein Dich liebender

Emil

Lass Dich durch das obige Datum nicht beirren, der Brief wird doch erst heute, den 25. 02. expediert. Emil.

L.144 *R.114

1864 II 29, Graz

Lieber Bruder!

Es hat mich nicht sonderlich gefreut, zu hören, dass Du jetzt schon nach Wien zurückkehrst. Da Du mir aber ein fait accomplet mitgeteilt hast, so war die Zeit des Ratens für mich vorüber.

Ich sehe nicht ein, warum Du dem Drängen Oppolzers nicht Deine noch schmerzhaften Knie- und Sprunggelenke hättest mit aller Energie entgegensetzen können. Nun ist, was mir wenigstens das Zweckmäßigere schiene, dass Du länger in Baden geblieben wärest, leider nicht geschehen, ich kann daher nur wünschen, dass Du Dein Versprechen, Dich in Wien recht zu schonen, hältst.

Ich meine aber, mit dem Halten wird es Dir trotz Deines Vorsatzes nicht immer leicht werden. Man sagt leicht, ich bin kein solcher Stoiker etc., aber können Dich nicht äußere Umstände zwingen, hier und dort tätig zu sein, nachts auf die Klinik zu gehen etc., wie wirst Du das vermeiden. Kurz, ich bin besorgt und muss Dir aufs wärmste und brüderlichste ans Herz legen, ja den aller energischesten Egoismus gewissen rücksichtslosen Leuten entgegenzusetzen, die vielleicht gleich jetzt die Mehrbeschäftigung während Deiner Krankheit sich von Dir vergüten lassen wollen.

Kurz, sei wachsam und pflege Dich, lass die Lisi auch des Abends kommen. Du kannst ihr ja für einige Zeit um 1 fl mehr geben usw. Ich könnte so ganze Seiten voll schreiben mit Ratschlägen usw. Hauptsächlich bitte ich Dich aber, ja gewiss allsogleich wieder Urlaub zu nehmen, wenn Du merkst, dass Deine Rekonvaleszenz in Wien nicht mehr so rasche Fortschritte macht wie in Baden.

Mir geht es gut. Neuigkeiten gibt es seit dem letzten Brief an Dich wenig. Auch wir hatten hier ein Schleswig-Holstein-Konzert. Lewinski deklamierte dabei die Kraniche des Ibikus und die Leonore. Ich habe keinen Sitz mehr bekommen und musste daher von 18:30–21:30 Uhr stehen, Louis Schwarz, der dasselbe Schicksal hatte, stand neben mir.

Von Viktor Lang, der nächstens für Graz ernannt wird, habe ich gestern einen Brief erhalten, in welchem er sich um Grazer Verhältnisse erkundigt. Er drückt auch sein Bedauern über Deine Krankheit aus, seine Freude über Deine Genesung und grüßt Dich. Der 12jährige Sohn des Herrn von Pfann hatte auch einen sehr schweren Rheumatismus mit Pericardialexudat. Clar und Körner wurden zum Consilium gerufen, man befürchtete das Schlimmste. Jetzt geht es ihm etwas besser und das Exudat resorbiert sich langsam.

Mach und Peters sollen ebenfalls für Graz bereits ernannt sein. Es wird eine sehr schöne philoso[phische] Fakultät.

Zepharovich geht von hier nach Prag, wohin zu gehen Peters abgelehnt hat.

Am vorigen Samstag fand ich ein depeschenähnliches Gebilde in meinem Briefkasten. Als ich es eröffnete, fand ich darin ein Diplom, lautend: Societas physico-medica ad Rhenum inferiorem virum illustrissimum A. Rollett physiologum meritissimum sodalem externum suffragiis unanimis elegit et his litteris solemniter constituit atque salutat. Bonn, 15. Februar 1864, unterschrieben: Busch, Troschel, Leo, Baumert, begleitet war dasselbe von einem Schreiben des Sekretärs, in welchem erwähnt wird, dass die Gesellschaft dieses Diplom bei Gelegenheit ihres 25jährigen Jubiläums ausgestellt habe.

Was ich Dir hier geschrieben, bitte ich für Dich zu behalten, Fremde brauchen, wenn sie es interessiert, nur zu erfahren, dass ich auswärtiges Mitglied der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde geworden bin. Ich glaube fast schon selbst, dass ich zu Ostern nach Wien kommen werde, schreibe mir bald, bleibe gesund und lebe wohl. Es küsst Dich Dein

Alexander

Geehrter Freund!

In einer Abbildung, welche Brinton in seinem Buch ‚On food and digestion’, London 1861, gibt, von den Gefäßen der Magenschleimhaut (p. 113) ist die von Ihnen erwähnte Anordnung sowohl in Rücksicht auf die Verbindung mit den Venen als mit den Arterien richtig und deutlich wiedergegeben. Auch die Beschreibung ist im Wesentlichen richtig. Er nennt zwar die oberflächlichen Maschen auch Kapillaren, sagt aber, dass sie doppelt so dick seien wie die zwischen den Drüsen. Mit herzlichem Gruße Ihr

E. Brücke

L.146 *R.116

1864 III 3, Wien

Lieber Bruder!

Ich danke Dir herzlich für Deine brüderliche Teilnahme und Besorgnisse, welche Du in Deinem letzten Briefe ausgedrückt hast. Gewiss werde ich mein Vorhaben, mich zu schonen, in Ausführung bringen. Ich gehe höchstens, um frische Luft zu schöpfen, ein paar Schritte aus dem Hause. Abends bereite ich mir zu Hause Tee und lasse mir durch die Lisi einige Lot frischen Schinken zum Abendbrot besorgen. Auf unserer Klinik ist seit 1. d[ieses] M[onats] die Aufnahme sistiert, weil die Dysenterie epidemisch aufgetreten ist. Wir haben bereits alle Kranken mit Ausnahme der Dysenterischen auf Abteilungen transferiert und es befinden sich gegenwärtig auf jedem unserer Krankensäle etwa 10 Dysenterische. Es ist also augenblicklich wegen des geringeren Krankenstandes auch weniger Arbeit und der Journaldienst entfällt ganz. Ich halte, außer dem täglichen Morgenbesuch, jeden andern Tag meine Nachmittagsvisite. In der Nacht mich zu wecken, habe ich den Wärterinnen untersagt. Um in jeder Beziehung vorsichtig zu sein, habe ich mir einen ganz neuen, noch unbenützten Leibstuhl verschafft. Auch trinke ich das Wasser stets mit Rotwein gemischt. Mit meinem Befinden in den vier Tagen meines Wiener Aufenthaltes bin ich ganz zufrieden. Geringe Mahnungen an meine überstandene Krankheit werde ich vielleicht noch mehrere Wochen lang verspüren. Hatte doch der junge Rokitansky monatelang nach seiner Wiederherstellung Ähnliches erfahren.

Ich gratuliere Dir zu der Dir widerfahrenen Auszeichnung von Seite der niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde und begrüße zugleich den Anfang einer Reihe ähnlicher Ehrenbezeugungen, die Dir über kurz oder lang zukommen werden.

Von Ödmansson bekam ich unlängst durch einen schwedischen Arzt viele Grüße. Ich freue mich, Dich recht bald zu sehen; Oppolzer beginnt schon zu testieren.

Nun lebe wohl, es küsst Dich Dein

Emil

L.147 *R.117

1864 III 15, Graz

Lieber Bruder!

Das erste Semester ist aus! Freitag habe ich geschlossen. Ich beantworte Dein Schreiben erst jetzt, weil ich in den letzten Tagen sehr beschäftigt war.

Ich hoffe, dass es Dir immer besser und besser geht und werde mich bald selbst davon überzeugen können. Nächsten Freitag wahrscheinlich gehe ich nach Baden.

Hier hat sich nichts Besonderes zugetragen. Lebe wohl, weitere Mitteilungen wirst Du bald mündlich erhalten von Deinem

Alexander

1864 [III] [v.31], London

Lieber Freund!

Ich schulde Ihnen Antwort, und zwar schon seit langem; entschuldigen Sie dies so gut es geht. Der hauptsächlichste Grund war wohl der, dass ich immer hoffte, ja selbst bald nach Graz zu kommen. Freilich hatte sich meine Erwartung durch das lange Hinausziehen schon sehr herabgestimmt. Nach jüngsten Nachrichten scheint sich die Sache jedoch wieder günstiger zu gestalten und dürfte die Entscheidung bald erfolgen. Mit Bezug hierauf erlaube ich mir, Sie zu bitten, mir gefälligst mitteilen zu wollen, was im Allgemeinen in Graz der späteste Termin ist, an welchem die Vorlesungen für das zweite Semester beginnen. Ich möchte nämlich, falls es wirklich dazu käme, erst Ende März von hier abreisen. Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mir diese Nachrichten zugehen ließen.

Über Ihre Blutkristalle habe ich noch oft nachgedacht (freilich aber nur gedacht und nicht beobachtet) und ich finde, dass die Erklärung, die ich Ihnen schickte, Ihren und meinen Beobachtungen ziemlich gut Genüge leistet. Doch vielleicht [habe] ich bald Gelegenheit, darüber mündlich mit Ihnen zu verkehren.

Meine Mutter schrieb mir vor einiger Zeit, dass Ihr Bruder so krank war. Dieses habe ich lebhaft bedauert, hoffe aber, dass derselbe sich gegenwärtig wieder vollkommen wohl befindet.

Ich lebe hier ziemlich einfach. Von 10:00–16:00 Uhr bin ich am Museum mit Kristallmessen beschäftigt, dann gehe ich Zeitung lesen, dann Mittagessen und dann nach Hause, wo ich dann leider meist nicht mehr aufgelegt bin zu arbeiten, trotzdem dies die wenige Zeit, die mir bleibt.

Ihnen gefällt es wohl in Graz ziemlich gut. Ich hoffe es schon für mich.

Leben Sie wohl, aufrichtig Ihr Freund

Viktor Lang British Museum

Anmerkung Zur Datierung: Terminus post quem: Langs Präsenz am British Museum in London spätestens ab 1863 VIII 11; Terminus ante quem: 1864 III 31, zu welchem Zeitpunkt Lang spätestens aus London abgereist sein will.

L.149 *R.118

1864 III 31, Graz

Lieber Bruder!

Ich habe sehr bedauert, dass das schlechte Wetter am Ostermontag Dich verhinderte, nach Baden zu kommen, ich hätte Dich gerne noch gesehen. Wie hat Dir der Witterungswechsel angeschlagen? Ich bin froh, dass es heute wieder heiter und etwas wärmer ist. Dienstag, als ich hierher fuhr, schneite es auf dem Semmering noch tüchtig. Ich bin übrigens gesund und wohlbehalten hierher gelangt.

Neues habe ich hier noch wenig erlebt, aber schon viel Verdruss im Laboratorium gehabt. Dr. Maly hat in seiner Anmaßung unerhörterweise die Kasten und Laden im Laboratorium während meiner Abwesenheit aufgesperrt, deren Schlüssel ich absichtlich speziell verwahrte. Er hat aber gar keine Empfindung dafür, dass dies eine Ungehörigkeit ist. Ich habe etwas gebraucht, war seine Antwort.

Diesmal habe ich indessen keinen Spaß verstanden und dem Herrn Dr. Maly gesagt, dass er ein unbedachter, flegelhafter Mensch sei, dessen Arroganz alles übersteigt, was mir bisher vorgekommen ist und dass ich allen Ernstes bei der geringsten Wiederholung derlei anmaßender Handlungsweisen augenblicklich seine Amovierung beantragen werde. Alle Kollegen, welchen ich diesen Vorfall erzählt, sind empört über das freche Benehmen dieses eingebildeten Menschen. Wertheim und Gottlieb, welche für den genannten Herrn schwärmen und ihn mir so angelegentlich empfohlen haben, werden ihre Meinung nun einigermaßen modifizieren müssen.

Was war ich für ein bescheidener Assistent. In einer der aufgesperrten Laden war mein viele nicht publizierte Arbeiten enthaltendes Notizenbuch. Behalte diese Mitteilung bei Dir.

Die Wucht meiner Strafpredigt scheint nach Malys heutigem Benehmen nicht spurlos an ihm vorübergegangen zu sein. Bei dieser Gelegenheit kam im Freundeskreise überhaupt die Haltung der Assistenten zur Sprache. Planer klagte sehr, auch der Dr. Gnass ist höchlich arrogant.

Leider bemerken wir erst jetzt, dass wir keine Eingeborenen hätten zu Assistenten machen sollen. Miskey, Gnass, Maly, Schöller, Platzl sind aber Grazer und scheinen in ihrer Selbstgefälligkeit gar nicht begreifen zu können, warum die Regierung Fremde als Professoren hergeschickt hat und nicht jene ausgezeichnete Couleur von jungen Leuten dazu ernannte.

Ich werde aber ganz Brücke sein, d.h. ein höflicher, aber strenger Mann, durchdrungen von dem Grundsatze: kommandieren kann nur einer im Laboratorium. Nötigenfalls auch an derben Zurechtweisungen es nicht fehlen lassen, Anmaßung dulde ich nicht, habe ich bei Gelegenheit jener Erörterung dem Maly noch gesagt, Sie haben im Laboratorium fürder keine Verfügung mehr zu treffen, sondern mir nur alles für die Vorlesung so vorzubereiten, wie ich es haben will, für Ihre Privatarbeiten aber nur das zu benützen, was ich erlaubt und gebilligt habe, sonst sind Sie zum längsten Assistent gewesen.

In meinem Laboratorium herrschte bisher eine Liberalität, wie in Brückes Laboratorium in Wien, wie oft habe ich letzteren darum gepriesen, wie weise habe ich davon Gebrauch gemacht, wie sehr war mir daran gelegen, vorerst Brückes Zustimmung zu erhalten, was ich tun und treiben wollte, welch schönes Verhältnis hat zwischen uns geherrscht. Maly will [sich] über mich hinwegsetzen und er wird straucheln, so wie ich gestrauchelt hätte, wenn ich Ähnliches bei Brücke versucht hätte. Nun Adieu, sage mir Deine Meinung und schreibe mir, wie es Dir geht, aber recht bald. Dein

Alexander

Lieber Vater!

Ich bin am vorigen Dienstag sehr glücklich in Graz eingetroffen. Die ganze Woche haben wir schlechtes Wetter, und ich müsste mich, wenn ich nicht durch meine Arbeiten den ganzen Tag im Laboratorium festgehalten wäre, noch mehr, als ich es ohne hin tue, darüber ärgern, dass das erste von mir in Graz erlebte Frühjahr so schlecht ist.

Gleichzeitig mit diesem Briefe schicke ich Dir unseren neuen Lektionskatalog sowie eine Beschreibung unserer Universitätsfeier, die zwar nicht, wie es in der Schrift heißt, von der Universität zu veröffentlichen beschlossenen ward, zu, sondern vielmehr trotz oder durch ihr verspätetes Erscheinen alle Professoren überraschte, die aber alles auf die Feier Bezügliche ziemlich genau wiedergibt.

Ich bitte, beides später auch an Emil gelangen zu lassen, an Letzteren habe ich gleich nach meiner Ankunft geschrieben, er antwortet aber nicht.

Am 1. April habe ich an die Bertha gedacht, was ich ihr zu sagen bitte.

Ich kann mir denken, dass die Badner durch den Tod der Erzherzogin sehr erschüttert wurden.

Frau von Pfefferkorn, welche ich seither schon gesehen, war sehr erfreut darüber, dass in Baden alles wohl ist, sie lässt sich empfehlen. Ich habe es ihr angesehen, dass sie die Schlummerrolle schon nicht mehr erwarten kann.

Handküsse an die Mutter, Grüße an alle.

Hoffentlich hast Du den Emil seither schon besucht, wenn Du ihn nächstens sehen solltest, so bitte ich Dich, ihm zu sagen, dass er mir schreiben soll.

Mit vielen Handküssen Dein allerdankbarster

Alexander

L.151 *R.120

1864 IV 5, Wien

Lieber Bruder!

Die Gründe, warum ich Dein freundliches Schreiben vom 31. vorigen Monats erst heute beantworte, sollst Du sogleich erfahren. Der eine von ihnen ist etwas komischer Natur. Ich wollte nämlich die Ziehung der Kreditlose abwarten, um sogleich die frohe Botschaft eines etwaigen Haupttreffers in mein Schreiben einschließen zu können. Da nun meine Erwartung diesmal getäuscht wurde, so muss ich Dich schon auf den 1. Juli vertrösten. Ein zweiter Grund ist, dass ich in der letzten Zeit und insbesondere Samstag und Sonntag Tag und Nacht nicht Herr meiner Zeit war und gestern sehr der Erholung bedürftig war. Es kam nämlich samstagmittags ein 16jähriger Bursche mit Krupp des Kehlkopfs auf die Klinik. Wer einmal das Jammerbild eines jeden Augenblick dem Erstickungstode preisgegebenen Jünglings, der kurze Zeit vorher von blühender Gesundheit strotzte, gesehen hat, der wird die Wucht der Sorge und gemütlichen Erschütterung begreifen können, welche auf dem behandelnden Arzte lastet, der in diesem Falle, da der Kranke erst nach der Morgenvisite ankam, ganz allein gewesen. Ein dargereichtes Emeticum brachte den Nachmittag über nur vorübergehende Erleichterung. Da ich voraussah, einen großen Teil der Nacht opfern zu müssen, so zog ich es vor, lieber gleich auf der Klinik zu übernachten. Aber obwohl ich mich zeitweilig auf ein benachbartes Bett hinstreckte, so konnte ich doch nicht einen Augenblick schlafen. Um 2:00 Uhr nachts entschloss ich mich, da die Erstickungsgefahr zunahm, zur Tracheotomie, welche auch alsbald von Dr. Kumar, den ich herbeiholen ließ, ausgeführt wurde. Den folgenden Tag und Nacht konnte ich wegen notwendiger Überwachung des Kranken, Reinigung der Canüle etc. etc. auch nicht recht zur Ruhe kommen. Leider wurde der Kranke trotz aller Bemühung und Aufopferung nur um ein paar Tage länger am Leben erhalten, da der Krupp bis in die Bronchien zweiter Ordnung nach unten weiter schritt. Den Montag verbrachte ich in katzenjämmerlicher Stimmung unter vorübergehenden Kopfschmerzen und erst heute, während ich dies schreibe, fühle ich mich wieder völlig wohl. Ich bin froh, dass ich bei dem beständig anhaltenden wirklich abscheulichen an Wind und Regen überreichen Wetter von Seite meiner Glieder kaum belästigt werde.

Auch ich bedaure lebhaft, in den Ostertagen Dich nicht mehr in Baden gesehen zu haben. Dass schlechtes Wetter eintrat, war mir beinahe recht, weil ich auch bei schönem Wetter schwerlich hätte von Wien abkommen können.

Heute tritt Dr. Schnitzler, dessen Kind inzwischen an Fraisen gestorben ist, seinen Dienst wieder an.

Dein energisches Auftreten in der Affaire mit Dr. Maly kann ich nur billigen. Man muss solchen rücksichtslosen und ungeschliffenen Subjekten tüchtig über die hohe Nase streifen, wenn man sie geschmeidiger haben will. Ich glaube, es wird Deine Aufgabe sein, durch ein, wenngleich strenges doch wohlwollendes Behandeln, dem Herrn Doktor die Überzeugung aufzudrängen, dass er ein unüberlegter und grober Mensch war. – Rembold, der Dich vielmals grüßen lässt, ist bereits nach Innsbruck abgereist. – Ist Lang schon in Graz? Erwidere ihm meinen freundlichen Gruß, ebenso Richter und Schauenstein. Nun lebe wohl und glücklich, Dein

Emil

L.152 *R.121

1864 IV 6, Wien

Hochgeehrtester Herr Kollege!

In Beantwortung Ihres sehr geehrten Schreibens vom 4. April dieses beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, dass wir Ihnen sehr verbunden sein werden, wenn Sie uns in der von Ihnen angedeuteten Weise den Fachbericht für die Physiologie arbeiten. Es ist ganz Ihrem Ermessen überlassen, zu welchem Zeitpunkt Sie uns das Referat liefern wollen und wir sind ganz einverstanden, wenn uns Herr Kollege statt 2er halbjähriger einen ganzjährigen in derselben Ausdehnung wie die beiden halbjährigen liefern. Ich erlaube mir nur zu bemerken, dass wir die Absicht haben, das 5. und 6. Heft während der Ferienmonate drucken zu lassen, um selbes Anfangs Oktober ausgeben zu können, da wir Ende November das 1. Heft pro 1865 ausgeben wollen; und damit wir den Fachbericht über Physiologie in diesem letzten Heft bringen können, würden wir Sie ersuchen, uns denselben bis Ende Juli gütigst zukommen lassen zu wollen. Der Stand der Zeitschrift hat sich bis nun etwas schon in der Abonnentenzahl gehoben und namentlich im Ausland an Absatz zugenommen. Aus dem uns von unserer Verlagshandlung in Leipzig überschickten Absatzliste geht hervor, dass wir nicht nur in den vorragensten deutschen Städten, sondern auch in Schweden, England, Russland, Holland und selbst Amerika in letzter Zeit Abnehmer fanden. Die Redaktion wird bemüht sein, alles aufzubieten, um nicht nur den Lesern, sondern auch unseren geehrten Mitarbeitern die Verpflichtungen einzuhalten.

Sollten Herr Kollege in Ihrer einflussreichen Stellung in der Lage sein, für die Bekanntmachung und Verbreitung der Gesellschaftszeitschrift zu wirken, werden Sie uns sehr verpflichten.

Ich brauche wohl nicht erst zu bemerken, dass sich die Redaktion sehr geehrt fühlen wird, wenn Sie unserer Zeitschrift auch vielleicht eine Spezialarbeit zukommen lassen werden, wenn Sie selbe nicht anderweitig zugesagt haben.

Indem ich ersuche, der Gesellschaftszeitschrift Ihre ausgezeichnete Mitwirkung auch in der Zukunft freundlichst zuwenden zu wollen, empfehle ich mich Ihrer freundlichen Erinnerung und verbleibe mit ausgezeichneter Hochachtung Ihr ergebenster

Dr. Schlager

L.153 *R.122

1864 IV 8, London

Lieber Freund

Ihrem Wunsche gemäß und einer Aufforderung von Wien nachkommend, habe ich an den Dekan der phil[osophischen] Fak[ultät] in Graz geschrieben, dass ich gegen Mitte April in Graz eintreffen werde und dass er das Nötige wegen der Ankündigung meiner Vorlesungen verfügen möchte.

In Betreff der Letzteren konnte ich leider nur Andeutungen geben, da ich aus meinem Dekret nicht ersehe, was ich zu tun habe. Man schreibt mir aus Wien, dass Hummel die Vorlesung für Pharmazeuten und ich die andere zu geben hätte. Doch wie gesagt, darüber weiß ich gar nichts. Ich schrieb daher bloß, dass ich zu lesen gedenke Physik mit mathem[atischer] Begründung, Optik, Repetitorium aus der Physik (1stündig). Ich würde sehr gerne wissen, was eigentlich über mich beschlossen ist?

Ich schicke Ihnen diese Zeilen durch Zepharovich, dem ich schon lange eine Antwort schulde.

Leben Sie recht wohl, der Ihrige

Viktor Lang British Museum

Anmerkung Auf der Rückseite als Vermerk:

Einschluß an mich – Zepharovich

L.154 *R.123

1864 IV 17, Wien

Lieber Bruder!

Der Termin, innerhalb dessen wir uns gewöhnlich voneinander Nachricht geben, ist wieder abgelaufen und ich sende Dir deshalb ein paar Zeilen mit der Bitte, auch mir bald ein Schreiben aus Graz zukommen zu lassen. Ich befinde mich ziemlich wohl, hatte aber unlängst trotz meiner noch immer sehr vorsichtigen Lebensweise Mahnungen im rechten Knie, wozu wohl das anhaltend miserable Wetter das Seinige beitrug. In der vorigen Woche war der Vater in Wien und brachte mir die von Dir ihm übersendeten Drucksorten zur Einsichtnahme mit. Vor einigen Tagen machte ich auf der Klinik Bekanntschaft mit Prof. Bezold, der mir viele Grüße an Dich übergab. Ich führte Bezold an einige Orte des Krankenhauses und darauf gingen wir miteinander auf ein Glas Wein zu den 3 Lausern, wo wir ein Stündchen unter anderm auch über Wiener medizinische Zustände verplauderten. Für heute bekam ich eine Einladung von Onkel Fritz zu einer großen musikalisch deklamatorischen Soireé mit folgendem Programm: 1. Vocal Quartett von Eisenhofer, 2. und 3. Quartette aus Joconde und der Stummen von Portici, 4. Spinnquartett aus Martha, 5. Declamation von einem Frl. Wirsing.

Schroff sagte mir gestern, Du habest ihm bei Deiner letzten Anwesenheit in Wien eine Methode zur Untersuchung des Gehirns und insbesondere zur Unterscheidung von Bindegewebe und Nervensubstanz empfohlen. Da ihm aber dieselbe aus dem Gedächtnis entschwunden ist, so bittet er Dich, dieselbe in einem nächsten Schreiben an mich mitzuteilen. Dem Prof. Rembold wurde auf Anregung Schrötters vor seiner Abreise ein großes Abschiedssouper mit obligatem Champagner von sieben guten Freunden gegeben bei Streitberger, an welchem auch ich beteiligt war.

Bei der letzten Schriftführerwahl in der Gesellschaft der Ärzte kam ich ganz ohne mein Wissen und Willen in die engere Wahl mit Dr. Kuhn. Da ich aber aus Gesundheitsrücksichten nicht in der Lage bin, mich den Laufereien auszusetzen, welche das Aufbringen von Vorträgen erfahrungsgemäß mit sich bringt, so habe ich alles aufgeboten, um bei der Wahl der Auszeichnung gewählt zu werden, [mich] zu entziehen. Dies ist auch geschehen und Dr. Kuhn fungiert bereits als Schriftführer unter Vorsitz Brückes. Ich habe gegenwärtig wieder einen Abendkurs, an welchem 8 Zuhörer teilnehmen.

Meine Wärterin, die fromme Ottilie, hat bereits geheiratet und nennt sich nun Frau Meier. – Da es bald 16:00 Uhr sein wird und ich zur Abendvisite muss, so schließe ich mit vielen Küssen und Grüßen. Dein

Emil

L.155 *R.124

1864 IV 20, Graz

Lieber Bruder!

Ich komme Deinem Wunsche vom 17. d[ieses] M[onats] nach und schreibe Dir einige Zeilen. Seit dem letzten Briefe hat sich wenig Bemerkenswertes in meinem Leben ereignet. Ich arbeite jetzt fleißig mit den Blutkörperchen.

Lang besucht mich öfter, auch er arbeitet schon und hat ein Kollegium von 3 oder 4 Hörern. Sonntagabend war ich mit Lang, Mach, Schenkl (unserem neuen aus Innsbruck gekommenen klassischen Philologen), Tomaschek, Helly bei Wertheim. Das Wetter ist miserabel, eine Kälte herrscht wie mitten im Winter. Mein Blick, der soeben über den Schöckel schweift, sieht denselben noch stark mit Schnee bedeckt.

Wir konnten unserem neuen Kollegen deswegen noch sehr wenig von den Umgebungen [von] Graz zeigen. Lang speist mit mir und Tomaschek.

Körner ist leider am Typhus erkrankt; Dienstag und Mittwoch vor acht Tagen war er sehr schlecht, in dieser Woche geht es ihm besser, ich war gestern bei ihm. Er selbst und Heschl, der sein Ordinarius ist, glauben, nun sei das Schlimmste überwunden.

Bei meinem Besuch fand ich ihn schlecht aussehend, aber heiter und sichtlich erfreut, ich ging aber bald wieder, da er nicht viel plaudern darf. Dass Du die Wahl zum Schriftführer abgelehnt hast, war sehr den Verhältnissen entsprechend.

Hat Bezold seinen Plan, nach Graz zu kommen, aufgegeben? Dem Schroff habe ich, so viel ich mich erinnere, das Budgesche Mittel empfohlen. Die zu untersuchenden Gewebeteile werden mit chlorsaurem Kali und Salpetersäure behandelt. In ein Gläschen (Schnapsgläschen u.ä.) gibt man Kristalle von dem Salz, darüber gießt man die Säure und vergräbt am besten unter den Kristallen das Gewebestück. Nachdem es einige Zeit, 15–30 [Minuten] u.s.w. darinnen gelegen, wird es in Wasser (Destill[iertem]) abgewaschen und zerzupft. Die Zeit lässt sich für einzelne Fälle leicht durch Probieren herausbringen.

Marker

Maly ist um vieles bescheidener geworden, seit ich ihm gezeigt habe, dass ich kein Professor aus Kautschuk bin. Es herrscht ein ganz anständiger, aber ziemlich gemessener Verkehr im Laboratorium. Hast Du Deine Rückenmarksgeschichte schon zum Druck befördert, ich habe schon ein paar Wittelshöfer nicht gelesen.

Schreibe mir bald wieder und referiere über das Monsterkonzert. Mit tausend Grüßen Dein

Alexander

L.156 *R.125

1864 V 3, Wien

Lieber Bruder!

Ich schreibe Dir diesen Brief unter Donner und Blitz und dennnoch in geheizter Stube. Ich würde mich über den 3. Mai ärgern, wenn er nicht Dein Namenstag wäre, zu welchem ich Dir viele herzliche Glückwünsche übersende. Samstag und Sonntag war ich in Baden und nahm am Hochzeitsfeste der Gräfin Sechenyi teil, wie Du wohl schon persönlich von dem jungen Pfarrer in Graz erfahren haben wirst. Dein Telegramm kam gerade recht zur Hochzeitstafel.

Der Vater ist seit mehreren Tagen unwohl, er leidet sicher wie schon früher einmal an Nierenkolik infolge von Harnsäurekonkrementen. Ich habe ihm sowohl als der Mutter die strengsten Verhaltensregeln ans Herz gelegt, sowohl in prophylaktischer als therapeutischer Hinsicht.

Heute bekam ich einen Brief von Marie, worin mir angezeigt wird, dass sich das Befinden des Vaters gebessert hat. Er fühlt sich bedeutend wohler und hat aber das Bett meiner Aufforderung gemäß noch nicht verlassen. Ich werde ihn bald wiederum besuchen und Dir dann weitere Nachricht geben.

Becker ist wiederum in Wien, ich traf ihn gestern bei Arlt, wohin ich mit Carl Schwarz seines kranken Auges wegen ging. Der Fall ist sehr merkwürdig und rätselhaft. Die Kapseltrübung wurde saturierter und es beginnt nun auch [eine] leichte flockige Trübung des Glaskörpers. Der Bulbus weicht zugleich sichtlich nach außen ab. Arlt äußerte sich dahin, nichts machen zu können und gab des Versuches halber Jodkali.

Wittelshöfer ist seit einigen Wochen auf Reisen und kommt erst in den nächsten Tagen nach Wien. Erst dann werde ich meine kleine Arbeit zum Druck befördern.

Das Konzert bei Prager muss nicht als ein hoher Kunstgenuss, sondern als ein etwas vernünftigerer Zeitvertreib angesehen werden und war daher in letzterer Hinsicht ganz befriedigend. Fräulein Wirsing, eine geschulte Declamatrice mit sehr wohlklingendem Organ, deklamierte besser als manche Hofschauspielerin ein ernsthaftes Gedicht aus dem letzten Ritter von An[astasius] Grün, ein leicht humoristisches Gedicht (ganz vorzüglich) und ein eigenes (man muss galant sein) ganz nettes allegorisches Gedichtchen. Auch die Quartette gingen ziemlich gut. Sopran – Fr. […], Alt – Frl. Auguste, Tochter der Hausfrau, Tenor – Alphons, singt aber nur bis ins g, Bass – Hugo Stubenvoll. Frl. Wirsing, die ältere Schwester der Declamatrice, produzierte mit wirklicher Virtuosität ein Bravourstück von Liszt.

Samstag vor 8 Tagen speiste ich bei Schmid, woselbst die Bertha durch mehrere Tage verweilte und den Abend verbrachten wir in der ‚Neuen Welt’.

Bezold hat sich noch am selben Tage, als ich ihn zuerst traf, bei mir empfohlen und gesagt, dass er in 1–2 Tagen nach Leipzig reist, um seine Braut zu besuchen. – Nun noch ein Lebewohl von Deinem

Emil

L.157 *R.126

1864 V 5, Graz

Lieber Bruder!

Ich danke Dir für Deinen Brief vom 3. d[ieses Monats]. Der Zustand unseres guten Vaters macht mich etwas besorgt, hoffentlich geht es ihm jetzt besser, ich bitte Dich, mir gleich wieder zu schreiben, wenn Du in Baden warst. Auf eines möchte ich Dich aufmerksam machen. Brücke, der in subjektiven Beobachtungen sehr verlässlich und in seinen Urteilen und Schlüssen wie bekannt äußerst scharf ist, hat früher auch öfter an Nierenkoliken gelitten. Er behauptet nun ganz entschieden, dass sein Harn immer weniger Harnsäure enthält und daher immer weniger Grund zu den genannten Beschwerden vorhanden ist, wenn er das Weintrinken lässt. Er hat sich daher ausschließlich dem Biergenuss zugewendet. Freilich ist beim Vater die alte Gewohnheit durch die immerwährende Gelegenheit und Bequemlichkeit und vielleicht auch geringere Kostspieligkeit des Weintrinkens bedeutend unterstützt.

Ich glaube aber, um der Gesundheit unseres guten Vaters willen, solltest Du doch dagegen ankämpfen. Durch viel Reden wird oft ein kleiner Erfolg errungen, wenn es sich darum handelt, gegen Dinge anzukämpfen, wie ich sie eben aufgezählt habe. Graf Sechenyi und Johanna waren bis gestern Mittags hier und ich habe schöne, d.h. angenehme gemütliche Tage mit ihnen verlebt. Das Wetter war größtenteils niederträchtig, gestern früh alles bis auf die Dächer der Stadt mit Schnee bedeckt.

Mit meinem Telegramm hätte ich bald etwas Schönes erlebt. Du erinnerst Dich noch an seine Stilisierung? Als ich es aufgab, war ich schon wieder in der Vorhalle, in der Meinung, fertig zu sein. Da ruft mich der Beamte zurück und ersucht mich, eine kleine Änderung in der Wortzahl vorzunehmen. Dies geschieht in der Adresse. Nr bleibt weg, bei Wien bleibt weg. Das Telegramm würde also lauten, sagt der Beamte dann: Dem jungen Paare […] und der ungarischen Familie etc. – Hat der Viehkerl mein unpaarig in Ungarisch umgeändert. Zu welchen Missdeutungen hätte das Anlass geben können und an welchem merkwürdigen Zufall hing es, dass es nicht wirklich so geschehen. Ich erzählte dem Grafen diese Geschichte und er lachte herzlich darüber.

Hat mir Becker von Paris Deckgläschen mitgebracht? Hermine hat mir zum 3. geschrieben und auch wie Dir die Marie die Nachricht gegeben, dass es dem Vater besser geht. Lebe wohl, schreibe bald. Dein

Alexander

Liebster Vater!

Ich habe aus einem Schreiben der Hermine und des Emil mit Bedauern erfahren, dass Du einige Tage das Bett hüten musstest. Ich wünsche, dass es Dir recht bald wieder besser gehe, hat nicht vielleicht das überaus schlechte Wetter schuld an Deiner Erkrankung? Weil ich das vermute, gereicht es mir zur großen Befriedigung, dass Du Dich etwas schonest und pflegest. Hoffentlich werde ich bald wieder eine Nachricht über Deine fortschreitende Besserung erhalten, ich bitte darum.

Der guten Hermine danke ich für das poesiereiche Gratulationsschreiben und allen, in deren Namen sie mir Glück wünschte.

Sonntag früh begab ich mich, um etwas aus meiner Wohnung zu holen, eiligen Schrittes aus dem Laboratorium in den 2ten Stock, meine Überraschung war eine außerordentliche, als ich am Glockenzuge, gerade mit intensiven Anmeldungsversuchen beschäftigt, den Grafen Sechenyi und Johanna traf. Sie inspizierten meine Wohnung, darauf führte ich sie, der Morgen des 1. Mai strahlte im Sonnenglanze, auf dem Schlossberg, um 11:00 Uhr gingen sie zu Onkel Louis. Später dinierten wir zusammen, für Nachmittag proponierte ich eine Fahrt nach dem Hilmteich und Maria Trost, leider hatte sich der Himmel verdüstert, da es aber nicht regnete, fuhren wir doch. Die Familie Schwarz erwartete uns beim Hilmteich (1/2 Stunde von Graz), dort verblieben wir bis Abend, wo wir dann Tee bei Schwarz nahmen. Der 2te Mai war durch ein Diner bei L. Schwarz und Besuch des Thalia-Theaters ausgefüllt. Der 3te Mai durch Besuch von Eggenberg und Pfefferkorn, und unter seiner Führung nahmen wir die Waitzersche Maschinenfabrik in Augenschein. In der Gießerei ging es gerade heiß her und wir konnten uns von dem Schmelzofen, den Formen u.s.w. kaum trennen, so interessant waren alle die Vorgänge. Abends wieder Theater. Am 4ten Mai reisten sie mit dem Schnellzuge nach Triest weiter.

Der Graf und seine Gemahlin sehen vortrefflich aus und waren immer seelenvergnügt, bitte dem Onkel und der Tante Schwarz davon Nachricht geben zu lassen.

Was mein alltägliches Leben hier in Graz betrifft, so hat sich wenig geändert. Die Arbeiten im Laboratorium nehmen ihren alten Verlauf. Schüler habe ich so viel wie im ersten Kurs.

Nächstens werde ich meine erste Grazer Arbeit nach Wien schicken und durch Brücke der Akademie vorlegen lassen.

Was hat denn eigentlich dem Herrn von Biedermann gefehlt? Frau von Pfefferkorn hat das junge Paar noch vor seiner Abreise aus Graz gesehen. Was sie zur Schlummerrolle sagte, weiß ich noch nicht, da ich Frau von Pfefferkorn noch nicht gesprochen habe.

Auf meine Schlummerrolle habe ich schon öfter mein müdes Haupt gesenkt. Der Hermine werde ich nächstens speziell antworten, einstweilen bitte ich, sie von diesem Briefe profitieren zu lassen, den ich jetzt mit den heißesten Wünschen, dass es Dir recht bald wieder ganz gut gehen möge, schließe.

Dein allerdankbarster

Alexander

Handküsse der Mutter. Grüße an alle

L.159 *R.127

1864 V 11, Wien

Lieber Bruder!

Vergangenen Sonntag war ich wieder in Baden und überzeugte mich persönlich davon, dass es unserem Vater wieder besser geht. Er war bereits seiner Praxis nachgegangen und völlig heiterer Laune, ganz ohne Schmerzempfindung. Das vorige Mal fand ich ihn in einer wirklich kläglichen Gemütsverfassung, er jammerte und weinte wie ein Kind, teils vor Schmerz teils wegen gemütlicher Verstimmung. Dies ist nun Gott sei Dank glücklich vorüber, und ich will es Dir nicht mehr wie im letzten Schreiben verheimlichen. Meine Diagnose auf Nierenkolik muss ich um so mehr aufrecht halten, als ich mir ohne des Vaters Wissen dessen Harn zur Untersuchung nach Wien mitnahm. Ich fand denselben entsprechend dem durch Nierensand bedingten Reizzustand der Niere in mäßigem Grade eiweißhältig und unter dem Mikroskope zeigten sich auch einzelne Blutkörperchen, von Eiter war in dem stark sauren Harm keine Spur zu finden. Da bereits öfter augenscheinlich harnsaurer Sand abgegangen ist in früheren Zeiten, wie Du Dich vielleicht ebenfalls erinnern wirst, so zweifle ich keinen Augenblick an der Richtigkeit der Diagnose. Es lässt sich hoffen, dass bei meinem zweckmäßigen Regime und dem konsequenten Gebrauche Phosphas und Carbonas Sodae die Krankheitserscheinungen zum Schwinden kommen und die etwa noch zurückgebliebenen Steinchen abgehen.

Mit Becker habe ich noch keine Gelegenheit gehabt, wegen der Deckgläschen zu sprechen. Deine Telegrammgeschichte ist höchst ergötzlich. Hast Du das neuste sehr gute Wiener Bonmot schon gehört? Warum melden sich so viele nach Mexico? Weil sie hoffen, recht bald wieder mit Maxen zurückzukommen. Das ist doch sehr gut und sogar grammatikalisch richtig. Unlängst bekam ich vom Buchhändler zugesandt ein Lehrbuch der Physiologie von Wendt in Heidelberg, 1. Lieferung. Hast Du es schon gesehen und was hältst Du davon? Ist Körner schon bald wieder hergestellt? Von weiß Gott wie vielen Bekannten bekam ich schon öfters Grüße an Dich. Ich finde es aber müßig, sie alle anzuführen und sende Dir nur jene von Deinem

Emil

L.160 *R.128

1864 V 18, Graz

Lieber Bruder!

Pfingsten ist gekommen, das liebliche Fest können wir aber erst seit Pfingstmontagmorgen jetzt endlich sagen. Heuer hat uns der Frühling lange nicht der Ehre eines Besuches gewürdigt. Es ist unglaublich, aber wahr, dass ich am 10. Mai noch einheizen musste wie im Dezember. Die Wiener-Sänger-Fahrt hat mir Deine Grüße überbracht und ich habe sie erwidern lassen. Das Wiener Bonmot hat allen, denen ich es erzählte, sehr gefallen.

Körner befindet sich in der entschiedensten Rekonvaleszenz.

Ein beklagenswertes Schicksal hat unsern guten Wertheim betroffen. Ich bitte Dich, noch nichts darüber zu verlautbaren, seine in Wien lebende Familie hat wahrscheinlich noch keine Ahnung von dem schrecklichen Leiden, welches sich bei ihm mit ziemlicher Raschheit zu entwickeln scheint. Er klagte den ganzen Winter über rheumatische Schmerzen im Rücken. Da er schon früher daran litt, so hofften wir alle, dass er sie auch diesmal mit Eintritt der milden Witterung verlieren würde. Die Schmerzen wurden aber immer heftiger. Anfangs verschafften subkutane Morphininjektionen noch Linderung, jetzt nützen auch diese nicht mehr. Seit 14 Tagen hat er hie und da infiltrierte Lymphdrüsen. Eine Verkrümmung der Wirbelsäule mit der Konvexität nach hinten entwickelt sich immer auffallender. Er ist fürchterlich verfallen, hat allen Appetit verloren und beständig beschleunigten Puls. Wofür hältst Du das Leiden? Was wird das noch für ein Jammer werden? Ich bin von diesem Krankheitsfall bei meinen innigen Beziehungen zu Wertheim sehr ergriffen, Lang, Tomaschek, Gottlieb und ich besuchen den Kranken ab und zu, es ist kläglich, den Freund so rasch zusammenbrechen zu sehen.

Wertheim wurde inzwischen von seinem Bruder Gustav, der den Fall allen hiesigen Ärzten und Freunden entgegen nicht für so schlimm hält, nach Wien transportiert. Der Besuch Gustavs bei mir verzögerte den Schluss dieses Briefes. Graz 19. Mai.

Überhaupt ist Graz ein wahres Professorenspital geworden. O[skar] Schmidt hatte den Typhus, er liegt noch, es geht aber besser. Planer hatte eine sehr heftige Tonsillitis, es bildete sich ein großer Abszess, er hatte Schüttelfröste und auch um ihn ergriff uns schon ein leises Bangen. Es ist aber alles glücklich vorüber. Auch er spaziert als Rekonvaleszent herum. Ich habe mit großer Freude gehört, dass es dem guten Vater wieder wohl geht. Aus Baden schreibt mir niemand.

V[iktor] Lang ist mein Intimus geworden, wir machen viele und weite Partien miteinander. Oft schließt sich Tomaschek, oft Gottlieb an.

Über den Mach weiß ich Dir nicht so viel zu erzählen. Er sieht uns selten und als er neulich einmal mich und Lang interpellierte, wo wir uns die Woche einmal sehen könnten, machte Lang den köstlichen Witz: 'Ja! ja! er will etwas arrangieren, damit er uns nur einmal in der Woche sieht!', dagegen treibt sich Mach mit allerlei verkommenen Genien und unterdrückten Talenten herum und glaubt wahrscheinlich, auf diesen Irrwegen uns Professoren-Aristokraten gegenüber ein Apostel der Humanität zu sein. Sehe jeder wie er’s treibe etc. Du wirst Dich erinnern, dass Mach in Wien auch Reitlingers Schildknappe war. Rokitansky wird auch, wenn er die Protokolle der letzten Sitzungen erhält, mich für einen Revolutionär halten. Ich habe zwei saftige Gegenvorstellungen an das hohe Statthaltereipräsidium gerichtet, im Kollegium eingebracht und das Professorenkollegium ist ihnen einstimmig beigetreten. Die eine wegen des Dieners, der noch immer keine Gehaltsanweisung hat. Die andere wegen Versorgung des Institutes mit Heiz- und Brennmaterial, welches ich mir nach dem neuesten Erlass des hohen Statthaltereipräsidiums für angewiesene 38 fl ö. W. hätte selber kaufen sollen. Ich lehnte das ab, beiläufig mit folgenden Worten:

Allen Lehrkanzeln werde naturaliter geliefert. Der Unterzeichnete muss im Interesse seiner ihm kostbaren Zeit in hohem Grade wünschen, dass dies auch bei der Lehrkanzel der Phys[iologie] so gehalten werde, da der Ankauf von Kohlen gewiss keine Beschäftigung ist, die man dem k.k. Professor der Physiologie aufbürden kann, ohne ihm eine Zeit zu rauben, die er viel besser und gemeinnütziger im Interesse seines Lehramtes oder seiner wissenschaftlichen Tätigkeit verwendet hätte. Die Erkenntnis dieser Tatsache hat die hohe Staatsregierung gewiss auch allerwärts zu der weisen Entschließung gedrängt, den Kohleneinkauf für die betreffenden Institute anderen dazu berufeneren Organen zu übertragen etc. etc.

Die Kalamität mit der Statthalterei ist überhaupt groß. Ich habe schon sehr viel nachgedacht, derselben abzuhelfen. Wenn ich nur über die Form einig mit mir wäre. Das Meritorische des dem Ministerium zu stellenden Antrages ist mir klar: jeder Statthalterei, welche mit der Leitung der ökonomischen Verhältnisse einer k.k. Universität betraut ist, wird aus je einer der 4 Fakultäten aus der Reihe der ordentlichen Professoren ein Fachreferent beigegeben. Fakultätsangelegenheiten bringt der betreffende Fachreferent, Universitätsangelegenheiten das Fachreferentenkomitee bei der Statthalterei zum Vortrage. Diese Fachreferenten sind dem Statthalter ebenso beigegeben, wie die Fachreferenten im Ministerium den Minister. Es ist lächerlich, dass bisher alle Entscheidungen über Vortrag eines ganz gewöhnlichen Beamten erfolgten, wohin soll das führen? Und andererseits suchen sich die Leute doch auf vertraulichem Wege zu informieren, weil sie oft selbst gar nicht Rat schaffen können. Wer wird aber dann ihr Ratgeber? Der Professor, der sich am meisten in der Gesellschaft herumtreibt, der das Juxbrüderl der Beamten ist, hier z. B. unser guter Folwarczny. Dies und anderes möchte ich in einem Memorandum niederlegen, aber wie? Lang kennt meinen Plan und ist sehr dafür. Sonst weiß niemand noch darum. Behalte es daher auch für Dich.

Mit tausend Grüßen Dein

Alexander

Geehrter Freund!

Erlauben Sie mir eine Bitte. Ich brauche ein oder einige Exempl[are] von lebenden Salamandra maculata und hier ist noch nichts zu bekommen. Einer oder der andere der Herrn Kollegen, die zu den Akademiesitzungen nach Wien kommen, würde sich vielleicht damit beschweren, wenn Sie ihm solche geben könnten. Ich wäre dann sicherer, sie lebend nach Wien zu bekommen, als wenn sie mit der Post gehen. Wenn Sie also bereits über Ihren schwarzgelben Landsmann disponieren, so bitte ich Sie, mir aus alter Freundschaft gütigst davon mitteilen zu wollen. Herr Dr. Maly wird meinen Brief erhalten haben. Mit herzlichem Gruße Ihr

E. Brücke

Von Dr. Maly erhalte ich soeben bereits Antwort.

Lieber Onkel!

Soeben lese ich in der kölnischen Zeitung vom Sonntag den 21. Mai folgende Notiz:

„Seit Ludwigs Abgang nach Leipzig ist die Lehrkanzel der Physiologie an der josefinischen Akademie unbesetzt. Nach dem Beschlusse des Lehrkörpers dieser Akademie soll ein obskurer Professor des niederen chirurgischen Lehrkurses an die Stelle eines der ersten Physiologen Deutschlands treten. Ludwig hatte Fick in Zürich, Kühne in Berlin und Rollett in Graz zu seinen Nachfolgern vorgeschlagen.“

Nicht so sehr meinethalben, denn mir dürfte wenig Vorteil daraus erwachsen, als viel mehr der Sache halber wäre es sehr wünschenswert, wenn Wiener Blätter diese Notiz reproduzieren würden.

Da ich nun weiß, dass Du so vielerlei journalistische Konnexionen hast, so möchte ich Dich recht sehr bitten, im obigen Sinne zu wirken.

Es wäre wirklich sehr zu wünschen, dass in Deutschland nicht die Meinung entstünde, dass wir in Österreich hier glauben, die Eichen könnten auch einmal Pfirsiche und die Äpfelbäume Datteln tragen, etwas Ähnliches scheint aber der Lehrkörper der Josefs-Akademie vorauszusetzen.

Nun, Du weißt, warum ich Dir das Ganze mitgeteilt, die Sache wird Dich weniger interessieren.

Wie geht es Meta und Lena. Staubts in Baden ordentlich?

Wenn Du einmal bei uns einsprechen solltest, so sage den Mädchen, dass sie mir schreiben sollen. Dass wir nicht mitjubilieren wollen, hast Du aus den Zeitungen erfahren. Ich glaube wir tun recht, denn es ist ein Kampf gegen ein Privilegium.

Mit vielen Grüßen Dein

Alexander.

An Meta viele Grüße, der Lina ein Küßchen

N. Wittelshöfer, mit welchem Du vielleicht in Baden zusammentreffen könntest, ist ein Protektor des „obskuren“, worauf ich Dich besonders aufmerksam machte.

Anmerkung Dieser Brief erliegt im Stadtarchiv Baden im Nachlass Alexander Rollett.

L.163 *R.130

1864 V 23, Graz

Lieber Bruder!

In der Kölnischen Zeitung vom Sonntag, dem 21. Mai, im Hauptblatte (ich weiß nicht, wird es das Erste oder das Zweite Blatt genannt), habe ich soeben folgendes gelesen: 'Seit Ludwigs Abgang nach Leipzig ist die Lehrkanzel der Physiologie an der Josefinischen Akademie unbesetzt. Nach dem Beschlusse des Lehrkörpers dieser Akademie soll ein obskurer Professor des niederen chirurgischen Lehrkurses an die Stelle eines der ersten Physiologen Deutschlands treten. Ludwig hatte Fick in Zürich, Kühne in Berlin und Rollett in Graetz zu seinen Nachfolgern vorgeschlagen.'

Ich glaube, wortgetreu geblieben zu sein. Es wäre nur sehr zu wünschen, dass diese Notiz in Wiener Blätter überginge. Könntest Du, aber sehr schleunig müsste es geschehen, vielleicht Schnitzler darauf aufmerksam machen????

Sicher aber könnte man es dem Hermann schreiben, vielleicht tue ich es selbst. Er wird wohl schon in Baden sein. Schreibe nächstens auch etwas über das Gerücht bezüglich der Meningitis cerebrospinalis.

Sage dem Schnitzler, Dir wäre die Kölnische Zeitung selbst unter die Augen gekommen, in Wien liegt sie ja in jedem Kaffeehause.

In Eile Dein Dich liebender

Alexander

Ich habe auch an Hermann geschrieben.

L.164 *R.131

1864 V 27, Wien

Lieber Bruder!

Hiemit sende ich Dir wieder einige Zeilen, welche Dich zunächst davon benachrichtigen sollen, dass in unserer Familie sich alle ziemlich wohl befinden. Insbesondere geht es dem Vater wieder gut, wie mir am letzten Mittwoch die Mutter mitteilte, welche zum Leichenbegängnis von Oppolzers Frau nach Wien kam. Oppolzer hat durch den Tod seiner Frau, welche – wie Du vielleicht wissen wirst – nach langwierigen Blutungen im Gefolge von Uterusfibroiden hydrämisch zu Grunde ging, einen sehr schweren Verlust erlitten, da er sich, wie es heißt, um sein Hauswesen selbst, um die Verwaltung seines Vermögens nie kümmerte, vielmehr alles dem sehr energischen Walten seiner nun verstorbenen Gattin überließ. Ich dachte, Oppolzer werde vielleicht einige Tage von der Klinik fernbleiben, jedoch ist er zur Verwunderung aller jeden Tag mit Ausnahme des Sterbetages erschienen und hat seine Klinik abgehalten wie immer. Wäre der Tod seiner Frau nicht eben zur Zeit der Klinik erfolgt, so wäre er sicher auch am Sterbetage nicht ausgeblieben. So groß ist die Macht der Gewohnheit. Nur außer der Klinik merkt man Oppolzer seine deprimierte Gemütsstimmung etwas an. Ich hätte gewünscht, dass Oppolzer heuer etwas früher seine Vorlesungen einstellte, und wäre dann alsbald nach Graz gegangen, um Dich, ehe Du auf Ferien gehst, zu besuchen. Nun, es wird sich zeigen, was sich tun lässt. Gegenwärtig weilt der federgewandte Dr. Smoler in Wien. Er genießt von der Prager medizinischen Fakultät ein Reisestipendium, deren in Prag ein paar existieren und meist an Assistenten und Dozenten erteilt werden. Schade, dass man in Wien nichts dergleichen kennt. Ödmansson hat durch einen schwedischen Kollegen seine Photographie aus Stockholm gesendet. Der Überbringer wusste aber nicht, ob dieselbe für mich oder für Dich bestimmt ist. Da ich schon ein Bild von Ödmansson besitze, so wird das neuere, falls Du noch keines haben solltest, ohne Zweifel für Dich bestimmt sein.

Unlängst bekam ich unter der Adresse Dr. Alexander Rollett, Assistent an der Klinik in Wien, einen Brief, dessen Inhalt war Plan und Einladung zur Braunschweig-Lüneburgischen Landes-Lotterie, wobei 100.000 Taler Courant zu gewinnen sind. Solltest Du vielleicht Lust haben, mitzuspielen, so steht Dir der Ziehungsplan zu Diensten.

Nächsten Sonntag gehe ich vielleicht nach Baden, wenn es möglich sein wird, abzukommen. Ich bin jetzt wieder sehr angehängt, da Dr. Schnitzler die Erkrankung seines Schwiegervaters an Ischias benützt hat, um von Oppolzer die Einwilligung zu erhalten, bloß vormittags erscheinen zu dürfen, indem sich Schnitzlers Privatgeschäfte wegen Erkrankung des Dr. Markbreiter vermehrt haben. Honi soit, qui mal y pense. Ich wundere mich, dass Du in Deinem letzten Briefe von weiten Ausflügen sprichst, welche Du mit Lang, Tomaschek etc. in die Umgebung von Graz unternimmst. Bei uns ist das Wetter noch immer erbärmlich schlecht. Wir haben im ganzen Frühling kaum 3 oder 4 warme und schöne Tage gehabt. Heute wieder kann man frieren wie im Spätherbst. Dr. Frommer beklagt sich sehr über seinen Anfang in Baden, da die Leute bei dem schlechten Wetter gehindert sind zu baden. Vielleicht ist die Ferienzeit dafür um so schöner.

Nun lebe recht wohl und schreibe bald wieder Deinem

Emil

Geehrter Freund!

Sie sind heute zum korrespondierenden Mitgliede der Akademie gewählt, außerdem Jelinek, der neue Reichsmeteorolog. Mit bestem Gruße

E. Brücke

L.166 *R.133

1864 V 30, Graz

Lieber Bruder!

Vor allem Dank für Dein Telegramm, Du warst wirklich der Erste, welcher mir die Erwählung anzeigte, erst gestern erhielt ich einen Brief von Brücke.

Dein am Tag nach dem Einlangen des Telegramms angekommener Brief war ein sehnlichst erwarteter. Man interpellierte mich oft und oft wegen Frau Oppolzer und ob Du mir nicht geschrieben hättest. In meinem letzten Briefe habe ich vergessen, Dir zu schreiben, dass mir die Physiologie von Wendt nicht sehr gefällt. Sie ist zu kurz und zu lang, wie man es nimmt. Ein Kapitel zu lang wegen der Ausführlichkeit der Darstellung unwichtiger Dinge, das andere zu kurz, wegen der oberflächlichen Anführung von wichtigen Lehren, überhaupt scheint mir das Buch mehr für Leute berechnet, die eben nur etwas lesen wollen, was sich Physiologie nennt, als für solche, welche der Gegenstand eindringlich interessiert.

Ein Besuch von Dir in Graz würde mich sehr erfreuen und ich würde sorgen, Dir die Zeit zu vertreiben. Ich selbst wollte Dir eine Einladung zukommen lassen, hatte aber folgendes Programm entworfen.

August: ich und Du in Baden oder Du auf Reisen, was ich nicht weiß; September: beide in Graz, da dann die Hitze schon weniger und wir tüchtig herumsteigen könnten. Jedenfalls solltest Du wenigstens 1 Monat hier zubringen. Was sagst Du zu diesem Vorschlage.

Gestern früh war ich mit Familie Schwarz und Pfefferkorn auf dem Schlossberg, wir haben dort ein Verbrüderungsfest gefeiert, was zu den komischesten Szenen Veranlassung bot. Wir sind nun alle untereinander: Du.

Die Lüneburger wäre mir lieber gewesen als die Braunschweig-Lüneburger Einladung.

Neues hier gibt es wenig. Körner, Planer, Schmidt [sind] gesund. Was hörst Du von Wertheim, die Diagnose würde mich interessieren. Hier erfährt man immer nur über die Therapie etwas, man ist seiner Frau gegenüber wahrscheinlich sehr vorsichtig.

Lebe wohl, schreibe bald Deinem

Alexander

Lieber Vater!

Dieses Schreiben wird Dir zwar sehr interessiert vorkommen, aber ich erlaube mir meine Bitte doch gleich am Eingange auszusprechen.

Ich sehne mich nach Spargel und da man mir im spargelleeren Graz den Antrag gemacht hat: wenn wir ihn nur hätten, kochen würden wir Dir den Spargel schon, ich also auch in dieser Hinsicht gedeckt bin, so wage ich die ganz bescheidene Bitte an Dich zu richten, ob es noch Zeit ist und ob es Dir oder ob es der Mutter nicht zu große Ungelegenheiten bereiten würde, wenn mir eine Portion Spargel von Baden hierher entsendet würde. Natürlich würde es mich auch nicht überraschen, wenn ich trotz meiner Bitte nichts bekäme, ich weiß nicht, wie die Ernte heuer ausgefallen ist und will es überhaupt ganz Dir überlassen, ob Du meine Bitte gewähren oder aber mir schreiben willst, dass es gescheiter ist, hier in Graz Carviol, den man leidlich gut bekommt, zu essen.

Dass mir Emil in aufeinanderfolgenden Brief geschrieben hat, dass es in Baden allen, namentlich Dir, wieder ganz wohl geht, hat mich sehr gefreut.

Von Emil erhielt ich ein Telegramm und tags darauf von Brücke einen Brief nebst der Anzeige meiner Wahl zum Korrespondenten der Akademie der Wissenschaften, die kaiserliche Bestätigung wird wahrscheinlich im Juni erfolgen.

Unlängst überraschte mich Erzherzog Karl Ludwig mit einem Besuche. Ich hatte gerade Vorlesung. Als seine kaiserliche Hoheit eintrat, unterbrach ich den Vortrag und forderte ihn auf, in ein neben dem Hörsaale liegendes Arbeitszimmer zu treten. Daselbst legte ich ihm mikroskopische Präparate vor, für welche er sich sehr interessierte. Er forderte mich aber bald auf, in meinem Vortrage fortzufahren. Das geschah; ich ließ ein Fauteuil in den Hörsaal bringen, bot dieses dem Erzherzog an und trug nun durch ¾ Stunden vor, demonstrierte schließlich und experimentierte an Fröschen. Der Erzherzog, ein sehr freundlicher Mann, dankte zuletzt auf das beste für alles Gehörte und Gesehene und verweilte im Gespräch mit mir begriffen auch nach der Vorlesung noch längere Zeit im Laboratorium.

Im Übrigen lebe ich wie früher gesund und heiter fort; ich wünsche von Herzen, dass auch dieser Brief alle zu Hause froh und heiter trifft.

Mit vielen Handküssen an Dich und die Mutter Dein allerdankbarster

Alexander

Grüße an alle

L.168 *R.134

1864 VI 11, Wien

Lieber Bruder!

Da ich recht bald wieder ein Schreiben von Dir zu erhalten wünsche, so will ich nicht länger zögern, Dir auch von Wien Nachricht zu geben. Ich bin Dir noch auf mehrere Dinge aus Deinem letzten Briefe die Antwort schuldig. Was vor allem das mitgeteilte Ferien-Programm betrifft, so gedenke ich jedenfalls Deine Anwesenheit in Graz im September zu benützen und Dich zu besuchen. Sehr gerne möchte ich auch ein paar Wochen auf Reisen zubringen. Deine letzte Reisetour durch Oberitalien, Tirol etc. würde mir sehr gefallen, nur weiß ich nicht, ob ich mich auch ins Hochgebirge versteigen soll? Auch die Tour durch das Neckartal an den Rhein mit gelegentlicher Besichtigung der Deutschen Bäder wäre nicht übel. Da ich auch längere Zeit in Baden zubringen möchte, um entweder Schwefel oder andere Bäder methodisch zu gebrauchen, so dürfte eine Reise von der Art Deiner ersten Reise durch Nord- und Westdeutschland wohl zuviel Zeit in Anspruch nehmen. Ich würde sehr gerne einen Rat über diese Angelegenheit von Dir empfangen. Hast Du nicht Lust den Orient zu sehen? Am 20. August geht eine Reisegesellschaft von Wien auf der Donau bis Konstantinopel und zurück über Lyra, Korfu, Triest mittels Lloyddampfer. Fahrt und Verpflegung kostet 200 fl ö.W. Detailliertes Reiseprogramm ist in Wien zu bekommen. Was für eine Ansicht hast Du hierüber? Ich meines Teils könnte mich in allem Ernst für eine solche Reise entschließen, wenn ich eben in Gesellschaft eines ganz intimen Freundes bin.

Von Wertheim kann ich Dir leider nur die traurigste Nachricht geben. Ich sprach mit Oppolzer, der nebst Skoda, Schuh, Ulrich etc. konsultiert wurde, und gestern auch mit Gustav Wertheim. Die einstimmige Diagnose lautet auf Medullarkarzinom. Es findet sich nämlich auch [eine] Entartung der Hals- und Nackendrüsen. Ich glaube, die Verkrümmung der Wirbelsäule dürfte durch Osteomalzie bedingt sein, wie sie eben in Begleitung von [einem] Karzinom zuweilen beobachtet wird.

Unlängst trafen ich und Becker, der Dich grüßen lässt und bedauert, auf die Pariser Deckgläschen vergessen zu haben, bei Griensteidl mit Dr. Reitlinger zusammen. Der Letztere rechtfertigte mir gegenüber, wie es schien mit Absicht und ohne provoziert worden zu sein, sein Wirken in der letzteren Zeit. Er sei ohne Vermögen, habe Frau und zwei Kinder, könne von seinem Gehalte nicht leben und müsse sich, nach anderen, wenigstens ehrlichen Erwerbsquellen umsehen; die Presse zahle ihm monatlich cirka 40 Gulden, seine Vorlesungen über Elektrizität haben ihm 300 Gulden eingebracht und so finde er wenigsten sein Auskommen etc. etc. Von Maly hörte ich, er sei auf der Durchreise nach Heidelberg in Wien. Ich sah Letzteren aber nicht. Marie weilt gegenwärtig in Wien bei Schmid. Wir waren letzten Sonntag zusammen in Dornbach. Morgen gehe ich wahrscheinlich nach Baden.

Nun lebe recht wohl und schreibe bald Deinem

Emil

L.169 *R.135

1864 VI 16, Graz

Lieber Bruder!

Ich habe aus Deinem letzten Briefe ersehen, dass Du sehr reiselustig bist, ich wäre es auch, muss mich aber heuer etwas stille verhalten, da ich schon zu viel Geld für die Übersiedlung – Einrichtung etc. – ausgegeben habe.

Von allen Deinen Projekten kann ich nur eines gut heißen, die Reise nach Deutschland. Eine Gebirgstour würde ich mir für ein besseres Jahr und für spätere Zeit aufheben. Bei dem Witterungswechsel, welchem Du Dich dabei notwendig aussetzen musst, könntest Du doch allzu leicht eine rheumatische Anwandlung bekommen.

Auch darum würde ich Dir nach Deutschland zu reisen den Rat geben, weil Du mir ja versprochen hast, nach Graz zu kommen.

Wärest Du früher im Gebirge gewesen und kämst hierher, so hättest Du wenig Abwechslung, wir befinden uns zwar nicht zwischen Gletschern, aber zwischen sehr anständigen steirischen Bergen in einer Gegend, die eben für Dich, namentlich wenn Du unter meiner Obhut bist, noch praktikabel ist.

Da Du Baden längere Zeit frequentieren willst, was mir auch sehr zweckmäßig erscheint, so wird nichts anderes übrig bleiben, als dass Du hier nicht einen Monat sondern nur einige Wochen zubringst. Sehe nur recht früh in Wien loszukommen, alles andere wird sich finden, ich werde auch trachten, noch im Juli nach Baden und Wien zu kommen. Der Maly hat 300 fl ö.W. vom Landesausschuss als Reisestipendium erhalten, ich wollte dem steirischen Wunderkinde nicht hinderlich sein und gab meine Einwilligung in Erwägung, wie ersprießlich ein Aufenthalt im Auslande einem jungen Mann ist.

Ich bin begierig, ob Dr. Maly sich im Oktober dafür dankbar erweisen wird.

Übrigens hat er vom med[izinischen] Professorenkollegium den Auftrag erhalten, einen wissenschaftlichen Reisebericht vorzulegen (auf meinen Antrag). An Marie, wenn sie noch in Wien ist, Grüße, ebenso an Schmidt. Dass ich eine Spargelrequisition angestellt habe, und was ich dem Vater in jenem Briefe geschrieben, wirst Du in Baden schon erfahren haben. Bei den Schwarzischen wurde der Spargel verzehrt.

Lebe wohl und schreibe bald, sonst geht das Jahr früher zu Ende, Dein

Alexander

L.170 *R.136

1864 VI 26, Wien

Lieber Bruder!

Deine Besorgnis, es könnte das Jahr eher zu Ende gehen, als Du ein Schreiben von mir erhältst, will ich mit einigen Federstrichen zerstreuen. Der 15. Juli, welcher auf einen Freitag fällt, gäbe einen ganz herrlichen Abschluss. Vorläufig will ich hoffen, dass ich in etwa 3 Wochen von Wien loskommen werde. Schnitzler sieht sich um gar nichts um, er hält weder Journal noch Nachmittagsvisite und beruft sich auf seinen in privatem Wege von Oppolzer, nicht vom Professorenkollegium, erhaltenen Urlaub auf ganz unbestimmte Zeit, nämlich für die Dauer des Badeaufenthaltes seines Schwiegervaters. Glücklicherweise ist mir an der ganzen Sache faktisch weniger gelegen als mir prinzipiell daran gelegen sein sollte. Ja, ich muss gestehen, am liebsten wäre mir, wenn es gar keinen zweiten Assistenten gäbe. Deinem Rate folgend, nehme ich mir vor, auf ein paar Wochen nach Deutschland zu reisen.

Gestern war die Wahlschlacht im Professorenkollegium, und es wurde Hyrtl mit 17 von 23 Stimmen zum Rektor für das nächste Jahr der Universitätsjubelfeier gewählt, wohl nur seines stilistischen und oratorischen Talentes wegen. Dekan wurde nicht etwa Dlauhy, Kurzak, Rokitansky, Schroff, sondern der jüngste der Professoren: Späth, für welchen, wie Oppolzer behauptet, Brücke Propaganda machte.

Unlängst hatte ich an einem Tage zwei Konsilien, eines mit Oppolzer bei einem Kaufmann, ein zweites mit Duchek bei einem Dr. juris. Du musst aber deswegen nicht glauben, dass meine Praxis so groß ist, dass ich ihr nicht mehr ohne Wagen und Pferd nachkommen kann. Es tröpfelt nur dann und wann, zu einem anhaltenden tüchtigen Regen ist es trotz der feuchten Witterung noch nicht gekommen. Adele ist gegenwärtig in Wien bei Reimann. Sie sowie Lina und Mutter grüßen Dich vielmals.

Sehr überrascht war ich unlängst durch eine Notiz im Fremdenblatt, welche den Tod des Julius Schwarz anzeigte, aus Schreck über das Falliment eines bedeutenden Wiener Hauses.

Zu Stadtphysikern wurden unlängst nach heftigen Kämpfen Nusser und Innhauser gewählt. Man zweifelt aber von mancher Seite, ob die Statthalterei die Wahl bestätigen wird, da Granichstädten bei der Letzteren einen großen Anhang hat.

Lebe recht wohl. Dein

Emil

L.171 *R.137

1864 VII 11, Graz

Lieber Bruder!

Obwohl ich mir das Meiste, was ich Dir zu sagen habe, auf unsere demnächstige persönliche Zusammenkunft aufsparen will, so schicke ich Dir doch noch vor Eintritt der Ferien eine kleine Antwort auf Dein letztes Schreiben. Ich schließe den 15. Juli, wann die Geschäfte des Kollegiums erledigt sein werden, weiß ich noch nicht, also auch noch nicht, wann ich nach Wien abgehen kann, hoffentlich bin ich aber in der letzten Juliwoche in Baden oder Wien. Weißt Du schon etwas darüber, wann Oppolzer aufhört, so leid es mir wäre, wenn Du vor meiner Ankunft abreisen würdest, so muss ich Dich doch darauf aufmerksam machen, dass es sehr wesentlich wäre, wenn Du noch ein paar Julitage, etwa für Berlin, erhaschen könntest. Jedenfalls möchte ich Näheres über Deine Tour wissen, ich schmeichle mir, Dir wenigstens einige kleine Ratschläge geben zu können.

Was ist es mit dem Rudolfsspital? Die Bombe muss bald platzen. Hast Du Oppolzers Denkweise in dieser Angelegenheit ausgeholt? Du solltest doch etwas aktiv auftreten, wenn es nur einigermaßen angeht. Schlager, der vorige Woche hier war, wird Dir, wenn Du ihn sehen solltest, von Graz erzählen können, ich war viel mit Schlager zusammen.

Ich bitte Dich, in Deinem Briefe über Baden etwas einfließen zu lassen, wenn Du zufällig im Besitz von Nachrichten bist, denn mir schreibt niemand.

Dekan wird bei uns Schauenstein werden. Heschl ist Rektor. Grüße an Reimanns.

Unlängst überraschte mich Tante Fanny, wäre sie lieber geblieben, wo der Pfeffer wächst. In der unverschämtesten Weise erzählte sie mir, dass der Onkel ihr aufgetragen, mich ja zu besuchen. Sie war 4 Tage in Graz. Der Onkel allein bestimmte mich, ihr nach langer Überlegung am 4. Tage eine Gegenvisite zu machen. Was fand ich, sie und den Oberst im Negligè, wie Eheleute in den 2 Zimmern des Hotels, welches sie bewohnte und wo ich zufällig täglich speise. Der Oberst engagierte mich, mit seiner Equipage manchmal einen Ausflug mit nach Tobelbad zur Tante zu machen. Ehe ich das tue, lege ich mich aber beim helllichten Tage gesund ins Bett. Was glauben denn diese jämmerlichen albernen Subjekte. Wollen sie mir glauben machen, für sie schicke sich, was in der ganzen Welt unschicklich genannt wird. Ich will von der ganzen Wirtschaft nichts wissen, Graz ist ein Klatschnest und ein Professor viel zu gut bekannt, als dass er sich nicht der Gefahr von zahllosen Interpellationen aussetzen würde, wenn er seine Connexion mit diesen Leuten offen zur Schau trüge.

Hat mich doch das alte Weib, mein Herr Feldmarschallleutnant, schon gefragt, ob die Frau von Rollett in Tobelbad eine Witwe und Verwandte von mir sei, worauf ich antwortete, dass ich nicht weiß, welche Rollett in Tobelbad ist.

Adieu, vielleicht erhalte ich noch einen Brief von Dir, Dein

Alexander

1864 VII 13, Heidelberg

Verehrter Herr Professor!

Erlauben Sie, daß ich nun einmal etwas von mir hören lasse; seit etwa 15. Juni bin ich schon hier und will noch bis Mitte August dableiben. Des Vormittags bin ich so ziemlich beschäftigt, höre das Kolleg von Bunsen und Experimentalphysik bei Kirchhoff. Ersterer ist nur gut aufgelegt, wenn er in der Vorlesung irgendetwas explodieren lassen kann, was er nach Möglichkeit tut. Kirchhoff macht prachtvolle Experimente, so zeigte er zum Beispiel gestern viele Spektra objektiv an der Wand [sic], sogar die vieler schwerer Metalle Silber Gold mittels des elektrischen Lichtes von 80 Elementen, dann die Umkehrung der Flammenspectra etc. Ich bekam noch die ganze Optik zu hören und die Wärme, schließlich kommt noch Elektrizität. Den großen Helmholtz habe ich besucht, er lud mich ein, sein Kollegium zu besuchen und war ganz freundlich, obwohl er stark im Geruche der Gegenteiligkeit steht. Ich war öfter dort, er ist bei der Respiration und liest von 8 bis 9, übrigens ist er dabei langweilig und denkt vielleicht auf irgendeinen harmonischen Oberton. Sein Laboratorium ist recht nett, aber auch so jung als das unserige, indem die Physiologie mit Physik, Mineralogie und Mathematik jüngst zusammen in ein großes kaum vollendetes Gebäude verlegt worden. Die übrige Zeit arbeite ich bei Bunsen, habe eine Weile Spektra betrieben und mache jetzt Gasuntersuchungen und nebenbei die sogenannten Mikrochemischen Versuche mit halbangebrannten Zündhölzchen, die Bunsen vor kurzem erfunden und auf alle möglichen Körper ausgedehnt hat. Diese werden hier gerade so stark betrieben, wie seinerzeit die Spektralanalyse. Er hat dies sogar auf Trennungen verschiedener Körper angewendet, und hat eine große Freude, wenn ihn jemand ersucht, es zu zeigen. Auch ein paar Österreicher arbeiten hier bei Bunsen, so ein Stipendiat aus Wien von Redtenbacher, den ich von früher her kannte. Dann habe ich noch Professor Kopp kennengelernt und Friedreich. In München habe ich den Respirationsapparat gesehen und bin auch hineingestiegen, da er eben nicht in Gang war. Professor Voit, der sich gleich nach Ihnen erkundigte, war höchst liebenswürdig, mir diesen Apparat und sein ganzes Laboratorium zu zeigen. Seit einer Weile haben wir hier schönes Wetter, und die nächste Umgebung, die ich bis jetzt schon so ziemlich sah, ist wirklich herrlich. Kommende Woche gedenke ich einen Ausflug nach Straßburg zu machen. Noch fällt mir eben ein Apparat ein, den Helmholtz vor kurzem demonstrierte, zur Analyse von Blutgasen, und den er ganz neu angab; mit den geringsten Mitteln und in einer Stunde kann man damit Blutgase sammeln und analysieren. Es ist das wirklich eine wunderbar sinnreiche Konstruktion, ich habe denselben genau aufgezeichnet, um Ihnen gelegentlich zu zeigen. Anliegende Fotografie Kirchhoffs bitte ich an P. Lang zu übergeben, er ersuchte darum. Ersuche noch schließlich, mich Herren Prof. Gottlieb und Mach bestens zu empfehlen. Achtungsvollst Ihr ergebener

R. Maly

L.173 *R.138

1864 VII 17, Baden

Lieber Bruder!

Ich beeile mich, Dir vor Deiner, wie ich hoffe, baldigen Abreise nach Baden noch ein paar Zeilen zu übersenden. Gestern wurde unsere Klinik geschlossen und ich bin bereits heute in Baden, um mich von den außerordentlich vielen Geschäften und Anstrengungen der letzten Tage wieder zu erholen. In Baden traf ich alle gesund und wohl. Es freuen sich alle, Dich schon in wenigen Tagen wiederzusehen.

Meinen Reisepass habe ich bereits in der Tasche, ich werde aber vorläufig Deine Ankunft in Baden abwarten, ehe ich mich auf die Fersen mache. Bezüglich des Rudolf-Spitales bin ich nicht sorglos gewesen. Von Oppolzer ist nicht das Mindeste zu erfahren; ob er zu Gunsten Pleischls oder Stoffellas so schweigsam ist, weiß ich nicht; seine Antwort, so oft ich ihn in dieser Hinsicht interpellierte, war jedesmal: 'Ich weiß gar nichts'. Was ich aber durch Berndt erfahren konnte, ist nicht minder trostlos. Alle an die Statthalterei gerichteten Gesuche werden durch die Polizei dem Gesuchsteller zurückgeschickt mit der Weisung, dass der Modus der Besetzung und die kompetente Behörde noch gar nicht bestimmt seien. Aller Wahrscheinlichkeit nach werde die Besetzung durch die Kabinetts-Kanzlei des Kaisers unter alleiniger Einflussnahme der eigentlichen Hofpartei erfolgen. So wird es wohl gewissen freiherrlichen Exzellenzen und geheimen Räten am ehesten gelingen, ihre Pläne zu verwirklichen. Übrigens behauptet Berndt, dass von einer Besetzung und Belegung des Spitales mit Kranken vor abermals einem Jahre keine Rede sein könne.

Ich spare mir das Weitere auf unsere baldige Zusammenkunft auf und bitte Dich, Deine Einherkunft so gut es angeht recht zu beschleunigen.

Unlängst wohnte ich dem Leichenbegängnisse des Prof. Wertheim bei, auch Brücke, Ludwig u. m. a. Professoren waren erschienen. – Vorigen Samstag wurde Hyrtl definitiv zum Rektor gewählt.

Lebe wohl, auf baldiges Wiedersehen

Emil

[1863-1891] VII 25, [Graz]

Lieber Freund!

Besten Dank für Deine Arbeit und die Übernahme der Hafnerschen [sic] – ich bin einige Tage an Fieber leidend absolut unfähig, irgendetwas zu machen. Wenn Du die Sache bis 29. fertig bringst, so werde ich dann nach einiger Zeit das Gutachten an das Gericht schicken – die Rechnung könnte ich, wenn ich weiß, um wieviel und welche Objekte es sich handelt, schon früher entwerfen und Dir zur Unterschrift schicken.

Mit besten Grüßen Dein

Schauenstein

Anmerkung Zur Datierung: Rollett und Schauenstein waren vom Beginn ihrer Tätigkeit in Graz im Herbst 1863 an bis zu des letzteren Tod am 16. 10. 1891 gemeinsam als gerichtliche Gutachter tätig.

L.175 *R.139

1864 VII 27, Graz

Lieber Bruder!

Ich werde morgen früh von Graz abreisen, also gegen Abend in Baden sein. Grüße mir alle auf das herzlichste. Dem Vater und der Mutter meine Handküsse. Frau von Pfefferkorn dürfte gleichzeitig mit mir in Baden ankommen, sie will dort die Bäder brauchen. Verzeihe, dass ich Dich so lange warten ließ, morgen mehr. Dein

Alexander

L.176 *R.140

1864 VIII 4, Graz

Lieber Freund!

Nach längerem Nachdenken erschien mir das Beste, meine Hypothese der Farbenbüschel und die Beschreibung der paar Rotationsversuche zu publizieren und damit meine Aufgabe abzuschließen, so dass, wenn Sie Lust haben, am wirklichen Auge zu arbeiten, Sie dies ungehindert tun können. Dass ich nur wünschen kann, sie möchten meine Hypothese bestätigen, ist klar. Ich habe eine Kopie meines Aufsatzes in Ihrem Laboratorium in den Band von Wiedemann, welchen ich zurückstellte, deponiert; damit [Sie] erforderlichen Falles vollkommen orientiert sind.

Hoffentlich geht es Ihnen in Baden sehr gut, auch mit Bezug auf die Unterhaltung. Ich werde, wenn möglich, heute nach Köflach abreisen. Der Ihrige

V. Lang

L.177 *R.141

1864 IX 5, Graz

Lieber Bruder!

Prof. Körner, der soeben aus Wien zurückgekehrt ist, teilt mir mit, dass Ministerialrat Well die ganze Besetzungsangelegenheit des Rudolfsspitales leitet.

Er bemerkte dies, indem wir über Klob sprachen, für welchen sich Rokitansky bei Well verwendet. Körner bemerkte: 'Well ist ein schwacher Mensch, wer ihm recht zusetzt, trägt den Sieg davon.' Bitte also den Vater auf das angelegentlichste, dass er ohne Verzug bei Well ein Wort für Dich einlegt. Es kann ja dieser Schritt eine günstige Erledigung Deines Gesuches und Dein ganzes Lebensglück inaugurieren.

Ich vereinige meine Bitten mit den Deinen bei Vater, es gilt aber schleunig zu handeln. Leb wohl, Glück auf! Von ganzem Herzen Dein

Alexander

L.178 *R.142

1864 IX 7, Wien

Lieber Bruder!

Dank für Dein Schreiben.

Bis jetzt habe ich alles fertig, um meine Sachen beim Dekanat zu übergeben, das mir von Oppolzer versprochene Zeugnis habe ich, trotzdem ich heute abermals dort war, noch nicht erhalten. Oppolzer machte mir so gut wie gar keine Hoffnung, Rokitansky, den ich ebenfalls sprach, sagte mir, ich solle jedenfalls einkommen, da ich gewiss in die Reihe der berücksichtigungswerten Kompetenten gehöre, Kurzak versprach mir, mein Gesuch empfehlend einzubegleiten.

Heute erkundigte ich mich um die Gelegenheiten, Berndt, Well, Lasser, Chorinsky zu sprechen, und erfuhr, dass Well trotz des morgigen Feiertages wahrscheinlich zu sprechen ist. Ich werde also in Wien bleiben und mein Glück versuchen.

Well, sagt man, sei ein willensschwacher Mann; dies kann gerade mein Nachteil sein, da, wie ich höre, häufig nicht sein, sondern der Wille seines Sekretärs Dr. Steiner zum Durchbruch kommt. – Übrigens ist es richtig, dass die ganze Angelegenheit in die Hände des Hofrat Well gelegt ist. Ich zweifle, dass ich schon Ende dieser Woche von Wien abkommen werde, will jedoch trachten, sobald als möglich fertig zu werden. Wenn ich bis morgen mein Zeugnis von Oppolzer nicht bekomme, so werde ich wahrscheinlich erst Montag einreichen können, da Samstag und Sonntag der Dekan wahrscheinlich nicht zu finden ist.

Viele Grüße an Hermine, Pfefferkorn, Schwarz, Dein guter Bruder

Emil

L.179 *R.143

1864 IX 8, Gutenbrunn

Lieber Freund!

Ich habe Tomaschek noch denselben Tag, an welchem wir in Wien waren, geschrieben, habe aber nichts von ihm zu hören bekommen. Fast vermute ich, er sei wieder in Graz. Ist dies der Fall, so würde ich Ihnen für die Bestätigung meiner Vermutung sehr dankbar sein. Ich will ihn nämlich fragen, ob vielleicht seine Bedienerin bei der großen Nähe unserer Behausungen geneigt wäre, mir auch diesen Liebesdienst zu erweisen. Sollten Sie vielleicht zufällig von jemand hören, der bereit, ein solches Geschäft zu übernehmen, so würden Sie mich durch eine Denuntiation eines solchen Individuums sehr verbinden.

Ich fürchte, nach den hiesigen Auspizien, dass Ihr Frl. Schwester und Bruder keine günstige Zeit trafen, um die Herrlichkeit Graz in gehörigem Lichte zu sehen und bewundern zu können.

Ich werde gegen den 20. d.M. nach Wien übersiedeln, sollten Sie dann etwas dort zu besorgen haben, so bitte ich, ganz über mich zu verfügen.

Briefe habe ich von Graz keine erhalten, wahrscheinlich waren auch keine für mich da. Ich erwähne dies nur, weil man bei unserer Post doch nicht recht sicher sein kann.

Was gibt es sonst Neues in Graz.

Sie bestens grüßend Ihr

V. Lang

L.180 *R.144

1864 IX 11, Wien

Lieber Bruder!

Ich werde morgen, Montag abends, mit dem Postzuge in Graz eintreffen und gebrauche die Vorsicht, Dir dies zu notifizieren, damit mir Deine Wohnung zugänglich ist.

Mit tausend Grüßen Dein

Emil

L.181 *R.145

1864 IX 22, Baden

Lieber Bruder!

Ich gebe Dir in aller Eile die versprochene Nachricht über unsere Reise nach Baden. Wir sind alle recht wohl und pünktlich zu Hause angekommen. Meine rheumatischen Schmerzen haben sich fast ganz verloren. Heute noch gehe ich nach Wien, um mich bei Lasser vorzumerken, weil wahrscheinlich morgen, Freitag, ein Audienztag sein dürfte. Gestern abends hatten wir vollauf zu erzählen über unseren so angenehmen Grazer Aufenthalt und unsere herzliche Aufnahme.

Ich werde Dir recht bald wieder ein Schreiben übersenden und bitte Dich, auch mir von Deinem Befinden Nachricht zu geben. Mit herzlichem Lebewohl Dein

Emil

Grüße an die Familie Schwarz und Pfefferkorn.

L.182 *R.146

1864 IX 28, Graz

Lieber Bruder!

Ich weiß Dir zwar wenig Neues zu berichten, bin vielmehr begierig, von Deinen Wiener Resultaten bald etwas zu erfahren, will Dir aber dennnoch meinem Versprechen gemäß ein paar Zeilen schreiben.

Ich arbeite jetzt oder gehe mit Planer, Pebal etc. spazieren. Gestern war ich den ganzen Tag über in Oswald. Sonntagnachmittag gingen wir über die Ries zum Ladenwirt.

In Oswald war auch Schauenstein samt Braut mit. Frl. Lichtblau ist nicht sehr schön, aber ein liebenswürdiges, gebildetes Fräulein, ich habe mich viel mit ihr unterhalten und begrüßte aufs herzlichste in ihr eine zukünftige Kollegin. Heute hast Du wahrscheinlich Katzenjammer, hoffentlich wirst Du eingedenk Deines leicht behexten motorischen Apparates des Guten nicht zu viel getan haben.

Wie kommt Frau von Braue [Braun?] auf den Einfall, gerade jetzt zu soirieren. Zu Schwarz komme ich jetzt seltener, seit ihr weg seid, war ich etwa 3-mal dort. Du wirst mich verstehen, ich suche mir so manchen schönen Traum aus dem Kopf zu reißen. Ruhige Überlegung hat schon viel getan, aber es geht unglaublich schwer, ich hätte mir das nicht gedacht. – Vielleicht geht es doch!

Ich bedarf nur noch einige Zeit des Sammelns, dann schreibe ich Dir einen Roman, der für unsere jetzigen bürgerlichen Verhältnisse unerhört ist. Unglaublich aber wahr!

Tante Schwarz reist heute Abend mit Edmund nach Kremsmünster. – Bei Pfefferkorn speiste ich vorigen Samstag, sie war gestern bei mir, hat mich nicht getroffen und versprach, heute wieder zu kommen.

Der Roman, von dem ich erwähnte, spielt schon im vorigen Oktober und steht zu unseren jüngsten Grazer Erlebnissen nur lose in Beziehung, grüble nicht darüber, sondern warte ab, Dein Bruder

Alexander

L.183 *R.147

1864 X 1, Baden

Lieber Bruder!

Ich will Dir hiemit auch von meinen letzten, wie ich wohl weiß, vergeblichen Schritten Bericht erstatten. Helm empfing mich sehr freundlich, gab mir jedoch zu verstehen, dass ich mir keine Hoffnung machen solle, und fragte mich, ob ich eventuell auch in das Wiedner-Spital ginge, was ich natürlich sogleich bejahte. Minister Lasser sagte mir: ‚Sie haben sich bei der Menge von Konkurrenten, die mir schon aus zweiter und dritter Hand empfohlen wurden, in ein Lotteriespiel eingelassen. Jedenfalls ist aber Ihre bisherige Verwendung derart, dass sie Ihnen Vorschub leisten kann.’ Dabei machte er sich mit einer Bleifeder irgendeine Anmerkung auf einem Bogen Papier. – Schon an dem Mangel einer Empfehlung bei Lasser muss meine Sache scheitern. Schmerling, der vielleicht etwas hätte bewirken können, ist gerade heuer in Ischl. Nun, ich warte in vollständiger Resignation der kommenden Dinge.

Du kannst nicht glauben, wie schmerzlich mich die Seelenkämpfe berühren, welche Du in jüngster Zeit durchzukämpfen hast. Ist es denn wahr und möglich, dass die Grundpfeiler eines Baues, der lange Jahre dauern sollte, ganz plötzlich zusammenstürzen können? Dann muss einer der Bauführer mit sehr schlechtem Materiale und sehr leichtfertig gebaut haben. Ich muss es Deiner Einsicht überlassen zu tun, was sich tun lässt, nur möchte ich Dich erinnern, jugendlichen Leichtsinn nicht für ein verdorbenes Gemüt zu nehmen. Ein fester, unwandelbarer Sinn ist gar häufig nicht die ursprüngliche Beigabe eines jungen Mädchens, wohl aber ein bildsames und durch geschickte Behandlung und Erziehung erstarkendes Gemüt.

Sehr neugierig bin ich auf die versprochene Mitteilung jenes Romans aus dem vorjährigen Oktober. Ich gehe nächsten Montag definitiv nach Wien und erwarte sehr bald daselbst die Ankunft eines Schreibens.

Onkel August, dem neuestens sein süßer Freund Fischer mit Pfändung drohte und dieselbe vielleicht schon durchführte, ist, wie er zu Richard äußerte, auf 14 Tage von Neustadt wegegangen, ohne dass jemand weiß, wohin? Ist er vielleicht nach Graz gegangen, um mit seiner Gattin zusammenzutreffen? Wie wird dieses Drama enden? Mir ist oft, als müsste ich bedauern, nicht ein Einsiedler zu sein, der von Kräutern und Wurzeln lebt.

Empfange noch tausend Küsse und Grüße von Deinem Bruder

Emil

L.184 *R.148

1864 X 2, Graz

Mein lieber Bruder!

Du bist in Deinem letzten Schreiben so sehr bemüht, die trüben Wolken von meiner Stirn zu jagen, dass ich im Gefühle der innigsten Dankbarkeit so schnell wie möglich bei Dir ein Gleiches versuchen will.

Der Schluss Deines Briefes ist gar zu melancholisch. Wo soll ich zuerst anfangen? Die Rudolfsspital-Angelegenheit wird Dich hoffentlich, da Du ja den voraussichtlichen Erfolg Deines Gesuches wohl bedacht hast, nicht melancholisch machen. Die Zukunft birgt vielleicht ein schöneres Los für Dich, als Dir dort geblüht hätte. Warten, aber rechtzeitig Handeln, wenn es gilt, wird auch ferner unsere, Deine Devise sein. Hauptsächlich will ich Dich wegen Onkel August einigermaßen beruhigen.

Ich habe den Onkel in jüngst verflossener Zeit 4-mal in Graz gesehen. Das erste Mal war es, wie ich glaube, Samstag, der 24. September. Er begegnete mir mit der Tante in der Annenstraße und gab vor, die Tante aus dem Bade abzuholen und eben im Begriffe zu sein, mir einen Besuch zu machen.

Ich kehrte also um, zeigte ihm Wohnung und Laboratorium. Er war anscheinend heiter, sagte mir, dass er mit Tante bei Oberst Schindler speisen werde, und ich begleitete sie ein Stück Weges. Da erzählte mir Onkel, dass er morgen (Sonntag, 25. September) noch einmal nach Tobel und Montag, den 26. September, zurückreisen werde. Ich war aber sehr überrascht, ihn Montag spät Abend und Mittwoch, den 28. September vormittags, wieder in den Straßen von Graz zu sehen, wo er sichtlich bemüht war, mir auszuweichen, was ihm auch gelang, weil ich so delikat war, es ihm gelingen zu lassen. Da traf ich ihn aber Freitag, den 30. September, rasch um eine Ecke biegend, mit Tante wieder. Er sagte mir, er sei wieder hierher gekommen und suche eben mit Tante eine Wohnung für die ehemalige Holzhauer Lina (Frau Rauch – jetzige Frau von ?). Ich ging selbst in eine Wohnung mit. Als wir uns verabschiedeten, sagte der Onkel, dass er sich freue, mich vor seiner Abreise noch gesehen zu haben.

Wahrscheinlich ist er aber noch in Graz. Die Wohnung scheint mir für die Tante selbst gesucht worden zu sein. Vielleicht bringe ich bald mehr in Erfahrung. Die ganze Onkel August-Affäre schreibe ich wörtlich wie Dir so eben auch dem Vater.

Nun zu mir selber. Ich bin ruhig und mit meinem Geschick versöhnt. Ich hatte Gelegenheit, mit E. allein zu sprechen. Sie ist mehr Kind, als ich bis jetzt glaubte. Es ist ein Glück, dass alles so gekommen. Was die Zeit bringen wird, weiß ich nicht? Ich komme nach wie vor zu Schwarz und bin gerne dort gesehen. E. müsste Manneswert erst schätzen lernen, wenn ich wieder zu meinen alten Gedanken zurückkehren sollte. Mir ist um dieses Wesen leid. Ich glaube, sie wird einst noch viel mehr über unsere Erlebnisse nachdenken, als ich es jetzt getan. Wir sind freundlich und herzlich untereinander wie ich es mit meinen Geschwistern bin. Die frühere Spezialität unseres Verhältnisses habe ich ganz verwischt und es ist mir wohl und leicht. E. scheint aber jetzt mehr als je in sich zu gehen. Nächstens mehr, aber überlasse mir diese Gedanken, das muss jeder für sich tragen, da Du aber einmal eingeweiht bist, so musste ich Dir Bericht erstatten.

Ich arbeite rüstig und mit voller Freude wieder. Dr. Kistjakowsky aus Kiew ist hier angekommen, um sich unter meiner Leitung mit Histologie zu beschäftigen. Welche Genugtuung, wenn ich eine Ausländerfrequenz hier zu Wege brächte. Sprich nichts von diesem Ereignis mit Becker, Stricker etc. Materielle Interessen führen zu leicht zu störenden Konflikten. Mögen auch Deine Kurse und Studien florieren, damit Dich Wissenschaft und Lehre ebenso beglücken wie Deinen

Alexander

L.185 *R.149

1864 X 12, Wien

Lieber Bruder!

Du nennst mich in Deinem letzten Briefe gar zu melancholisch. Ich weise diesen Vorwurf nicht zurück, will ihn aber nur für manche Stunden gelten lassen, die dann wieder mit heiteren und vergnügten wechseln. Es gibt doch so vieles, das man anders haben möchte, als es wirklich ist, so vieles, das man wünscht, hofft, fürchtet, dass es oft nur eines geringfügigen Anlasses bedarf, und man wird von trüben Gedanken überwältigt.

Es freut mich, dass Du Dich wohl befindest und besonders auch, dass Du, wie ich glaube, den ersten Russen an die Grazer Universität gelockt hast. Hast Du nichts Bestimmtes über Prof. Ludwig gehört? Man spricht davon, dass er gesonnen sei, seinem Rufe nach Leipzig zu folgen. Auch hörte ich heute, dass er aus Gesundheitsrücksichten einen dreimonatlichen Urlaub antreten werde. Und gestern erfuhr ich bei Prager, dass Prof. Schwanda sich mit der Hoffnung trägt, an Ludwigs Stelle eventuell zu kommen …

Wahrscheinlich hast Du den letzten Figaro gesehen, der von Ausfällen auf unseren medizinischen Sebastian strotzt.

Wenn ich denke, wie schwer es mir möglich ist, zur Trauung der Auguste nach Baden zu kommen, so muss ich sehr zweifeln, ob wir Dich bei dieser Gelegenheit sehen werden. Umso größer würde meine Überraschung und Freude sein, wenn dies dennnoch der Fall sein sollte.

Unlängst übernachteten die Mutter und Auguste bei mir. Ich führte sie in das Wiedner Theater und bewirtete sie darnach mit Tee und Schinken. Du kannst Dir vorstellen, wie lebhaft ich bei diesen Anlässen an unseren Grazer Aufenthalt erinnert wurde. Freilich, was Komfort anlangt, so kann ich den bei mir gebotenen mit jenem in Graz gar nicht vergleichen.

Bis jetzt sind drei Arbeiten über Pericarditis bei mir eingeliefert worden. Soweit ich dieselben bis jetzt durchgesehen habe, kann ich keine von ihnen als preiswürdig bezeichnen. Ich kann doch eine mehr oder weniger glückliche Kompilation nicht unter meiner Verantwortung als ‚preisgekrönte Abhandlung über Pericarditis’ in die Welt senden. Zudem findet sich in allen drei Abhandlungen eine Menge von stilistischen und grammatikalischen Unzukömmlichkeiten. Die ganze Sache war und ist mir herzlich zuwider.

Meinen Kurs habe ich noch nicht begonnen, bis jetzt haben sich erst drei Hörer gemeldet. Heute ist Prof. Griesinger von Wien abgereist, der uns täglich auf der Klinik besuchte. Nun noch viele Grüße von

Emil

L.186 *R.150

1864 X 12, Graz

Lieber Bruder!

Ich will Dir nur kurz anzeigen, dass ich am Samstag, den 15. Oktober früh nach Wien kommen werde. Ich bitte Dich, mich bei Dir aufzunehmen. Sage niemanden von meiner Ankunft etwas im Voraus. Ich werde mich nur Samstag und Sonntag in Wien sehen lassen, wo man es noch honetter Weise tun kann. Je weniger ungebetene Personen mich sehen, desto lieber wird es mir sein. Besuche mache ich nur bei Brücke und Ludwig. Also auf baldiges Wiedersehen. Lebe wohl, Dein

Alexander

L.187 *R.151

1864 X 13, Wien

Lieber Rollett!

Trotz aller erdenklichen Mühe hat sich unsere Anstalt nicht in den Besitz von ein paar Wiener Fröschen setzen können. Prof. Ludwig ersucht Sie daher, wenn es Ihnen möglich, eine Anzahl dieser Geschöpfe auf unsere Rechnung anzukaufen und mit der Post einzusenden. Ludwigs Befinden bessert sich wieder zusehends.

Eine Froschkiste erwartet baldigst Ihr

Tomsa

Herzliche Grüße

L.188 *R.152

1864 X 21, Graz

Lieber Bruder!

Ich bin in der Nacht, als ich hierher reiste, von einem sehr glücklichen Schlafe heimgesucht gewesen. Nur im Semmering-Tunnel, in Peggau und in Graz wachte ich auf, Mittwoch konnte ich frisch und munter meinen Geschäften nachgehen. Abends war ich bei Schwarz und erzählte. Da fällt mir eben ein, ich hatte von Tante Schwarz hier ein Schreiben an Tante Netti mit, als ich in Baden ankam, fand ich dasselbe nicht, auch hier suchte ich vergebens darnach; es wäre möglich, dass es bei Dir auf einem der Tische liegend oder eben in einem der Kasten sich findet, wo ich meine Sachen unterbrachte. Sollte dies der Fall sein, dann bitte ich Dich, es der Tante Netti zukommen zu lassen, mich aber davon in Kenntnis zu setzen. Gestern war Adolf Schwarz auf der Durchreise nach Italien hier, wir waren im Theater und darauf bei Louis Schwarz.

Die Empfindlichkeit meiner Muskeln und Knochen hat mich noch nicht verlassen und mahnt mich immer an Deine vorjährigen Leiden. Sei ja recht vorsichtig, ich verspreche Dir das Gleiche.

Schreibe mir auch, ob Schnitzler noch nichts über den Autor jener lügenhaften Notiz verlauten ließ und ob er widerrufen wird. Die Kollegen hier haben darüber gelacht und sich aber auch über die Zeitungsschreiber geärgert. Wie lange waret Ihr neulich noch beisammen. Was gibt es sonst Neues? Ich habe bis heute 35 Zuhörer eingeschrieben. Es geht mir wie den Schauspielern bei vollem Hause, ich lese heuer mit mehr animo.

Da ich viel experimentiere, habe ich auch viel zu tun. Gestern bin ich der Ressource beigetreten. Der erste Besuch des Lesesaales dieser Gesellschaft hat mich sehr befriedigt. Es sind eine große Zahl in- und ausländischer Journale dort zu finden.

Schreibe mir sehr bald, wie Dir die Hochzeitsstrapazen angeschlagen haben. Es küsst Dich Dein

Alexander

L.189 *R.153

1864 X 22, Wien

Lieber Bruder!

Den an Tante Netti gerichteten Brief habe ich durch einen glücklichen Zufall alsbald nach Durchlesung Deines Schreibens, so gut derselbe auch versteckt gewesen ist, aufgefunden. Ehe ich nämlich noch darnach zu suchen anfing, fiel mein Blick auf das Braumüllerische Kreuzbandheft, da erwachte der Gedanke: Vielleicht steckt der Brief da drinnen und siehe da, ein Griff darnach förderte den Versteckten an das Tageslicht. Freitags schon, als ich die entlehnten Bücher der Bibliothek der Gesellschaft der Ärzte wieder einverleibte, wollte ich auch das besagte Heft mitnehmen und bei Braumüller abgeben. Allein ich dachte mir, es hat noch Zeit und ließ es zu Hause liegen. Daraus lässt sich die Lehre entnehmen, dass es gut ist, manchmal etwas fahrlässig zu sein. Heute werde ich den Wiedergefundenen an seine Adresse befördern.

Wer der Autor jener pikanten Zeitungsente ist, lässt sich von Schnitzler nicht herausbringen. Auch denkt der Letztere nicht zu widerrufen, da, wie er sich ausdrückte, die Notiz niemandem zu Schaden kommt.

Am neulichen Hochzeitabend waren wir noch bis etwa 23:30 Uhr recht vergnügt beisammen. Es wurde noch getanzt und gesungen und konzertiert. Frl. Klara ließ ihre wirklich ganz hübsche Stimme in einem Liede hören, auch der Bräutigamsbeistand gab in sehr drastischer Weise den Prinzen von Arkadien zum Besten und ferner wurden von Frl. Klara und Albertine einige Konzertstücke am Klavier produziert. Die Hochzeitsstrapazen haben mir recht gut angeschlagen. Mein Schnupfen und Bronchialkatarrh sind durch die energische Schwitzkur sogar besser geworden. Ich hoffe, Deine rheumatischen Schmerzen werden Dich, wenn Du Dich recht vorsichtig gegen Kälte, Nässe und Wind und namentlich gegen grellen Temperaturwechsel schützest, bald wieder verlassen.

Ich wünsche Dir recht angenehme Zerstreuung in der Ressource und recht große Sammlung und Versammlung im Hörsaale. Mit vielen Küssen und Grüßen Dein

Emil

L.190 *R.154

1864 XI 1, Graz

Lieber Bruder!

Ich danke Dir für die Besorgung des Briefes an Tante Netti. Es freut mich, dass ihr euch nach meiner Abreise von Baden noch so gut unterhalten habt.

Merkwürdig ist es, dass Auguste gleich in der ersten Woche ein Erdbeben in Eisenerz mitmachen musste. Hier in Graz soll es auch leicht zu spüren gewesen sein. Ich habe nichts bemerkt. Habt ihr schon Nachricht von Auguste, wie findet sie sich in ihre neuen Verhältnisse?

Der arme Pfefferkorn leidet an stets rezidivierendem Ekzem an der Hand. Glyzerin-Zinksalbe-Bäder hat er fruchtlos gebraucht, könntest Du mir nicht aus Deiner dermatologischen Erfahrung einen Rat erteilen, namentlich Rezepte, die sich bei Hebra bewährt haben, mitteilen z.B. Teer etc. Ich würde Dir sehr dankbar sein, denn sie wollen von mir immer einen Rat haben und ich sehe ein, dass ein derartiges Übel einen sonst gesunden, kräftigen, bei gutem Appetit befindlichen Mann sehr missmutig machen muss.

Mit meinen rheumatischen Affektionen ist es eine Zeit nach meinem letzten Briefe etwas schlimmer geworden. Ich fieberte, aber nur einen Tag, und hatte aller Orten Schmerzen. Körner, welchen ich konsultierte, hat mir nur diätetische Ratschläge gegeben. Seit vorigem Sonntag geht es mir übrigens wieder ganz gut. Ich fühle mich frisch und gesund wie zuvor.

Wie geht es Ludwig? Ich habe schon lange keine Nachrichten. Erkundige Dich im Laboratorium und schreibe mir bald, ich bitte sehr darum, denn erstens liegt mir selbst sehr daran und zweitens werde ich von allen Bekannten Ludwigs hier fortwährend um das Befinden desselben gefragt.

Besondere Neuigkeiten weiß ich Dir keine zu melden. Im Laboratorium treibe ich Blutkristallfabrikation im Großen. Maly ist seit heute Gottliebs Assistent – Gottlob!

Also schreibe mir bald und lebe wohl; es grüßt Dich herzlich Dein

Alexander

Geehrtester H[err] Notar!

Im Anschlusse folgt das berühmte, Dir von der letzten Sitzung gewiss noch in Andenken stehende Referat des Kollegen Clar über das Pensionsgesuch des Prof. Mayer.

Ich glaube nun im Sinne des Kollegiums gehandelt zu haben, wenn ich die langatmige Motivierung, die wörtlich im Gesuche ebenso erbaulich zu lesen ist, ausgelassen und nur die Schlussanträge, wie sie denn auch vom Kollgium akzeptiert wurden, abgeschrieben habe. – Ich bitte um Deine Mitfertigung. – Zugleich sende ich Dir das Aktenstück wegen der Adaptierung der Dienerwohnung zur Durchsicht und gefälligen gelegentlichen Rücksendung.

Den Bericht wegen Mayer bitte ich Dich, sobald als möglich mir wieder zuzustellen. Vielleicht noch heute – da wir von 17:00-18:30 Uhr Rigorosum haben. Dein

Schauenstein

L.192 *R.156

1864 XI 5, Wien

Lieber Bruder!

Du stellst in Deinem letzten Schreiben mehrere Fragen an mich, welche ich hiemit beantworten will. Von Auguste bekam ich vergangenen Donnerstag durch Toni Nachricht, der in Wien kaufmännische Geschäfte hatte und mich besuchte. Er sagte mir, dass aus ihrem letzten Briefe zu entnehmen sei, dass sich Auguste recht wohl und zufrieden in Eisenerz befinde. Sie habe von schönem Wetter begünstigt schon viele Spaziergänge gemacht, sei von der Familie Stadler recht freundlich empfangen worden etc.

Was das lästige Übel von Pfefferkorn anlangt, so muss ich im Voraus bemerken, dass derlei Ekzeme leider sehr hartnäckig sind und oft rezidivieren. Man muss häufig mehrere Mittel versuchen, bis eines günstig wirkt. Z.B.

  1. Ussciam

S. zum Einreiben. Früh und abends die Teile tüchtig selbst bis zum Wundwerden einzureiben, hierauf 1 Stunde lang kalte Umschläge zu machen. Nach mehreren Tagen

  1. R Olei ludini
  2. Ussciam

S. äußerlich. Abends mit einem Borstenpinsel einzustreichen, des anderen Tages, ohne früher zu waschen, das Einstreichen wiederholen bis der Teerlänger und inniger an der Haut haften bleibt und die beginnende Heilung anzeigt. Sehr gut wirkt manchmal

  1. R Empl. Diachyl. simpl. liquefact.
  2. Olei olivar aa [...]
  3. Olei Bergamott […]

Auf Leinwand zu streichen und die kranken Teile gut damit zu umwickeln. Jeder einzelne Finger muss mit schmalen Streifen umwickelt werden.

Oder:

  1. R Sulf Zinci mam
  2. Aq. fontan dest. libram
  3. zu Umschlägen

Oder:

  1. Mercur. sublimat corrofir. drachm femis
  2. Muriat ammoniac drachmam
  3. hy. fontan. dest. libram
  4. zu Handbädern (10 Minuten lang).

Über das Befinden Ludwigs kann ich Dir aus dem Munde Brückes, welchen ich darum befragte, mitteilen, dass es ersterem wieder ganz gut geht. Brücke sagte mir, es scheine das ganze Leiden auf Coprostasis beruht zu haben. Nach dem Gebrauche von Rheum erfolgten ausgiebige Entleerungen, in welchen man aber keine Gallensteine fand, und das Befinden besserte sich zusehens. – Es freut mich, dass auch Dein Unwohlsein sich wieder glücklich behob. Vergiss aber ja nicht die Mahnung, dass unsere Leibesmaschine ein gar heikles und gebrechliches Ding ist und sehr sorgfältig behandelt sein will.

Heute nachmittags um 16:00 Uhr beginnen die Plädoyers im Prozesse Wittelshöfer. Ich werde vielleicht nach der Visite in den Gerichtssaal gehen, wenn es möglich ist hineinzugelangen. Morgen führe ich die kleine Klara, welche ich unlängst besuchte, zur Familie Prager. Unlängst übernachtete der Vater bei mir. Wir wollten in ‚Die schönen Weiber von Georgien’ gehen, bekamen aber keinen Platz und gingen dafür in den Erzherzog Karl zum Souper.

Ich hoffe, bald wieder eine Nachricht von Dir zu bekommen, und sage Dir ein herzliches Lebewohl

Emil

L.193 *R.157

1864 XI 9, Wien

Geehrter Herr Professor!

Es war für mich ein mächtiger Hebel, meinen Fleiß und Ausdauer in seiner Frische zu erhalten, als Sie sich nicht abgeneigt zeigten, die an Ihrem Lehrstuhle frei gewordene Assistentenstelle durch mich besetzen zu lassen. Mehr als die durch das Institut sich darbietende Gelegenheit, hoffe ich, durch die persönlichen Belehrungen, einerseits in manche Themata der Wissenschaft tiefer einzudringen, anderseits aber dadurch mich der Würdigkeit, eine solche Stelle zu bekleiden, zu nähern.

Und wenn ich Sie ersuche, mir anzeigen zu wollen, inwieweit meine Hoffnungen berechtigt sind, glaube ich umso mehr, entschuldigt zu sein, als auch Herr Prof. Brücke mich dazu ermutigte, in dieser Hinsicht ein Schreiben im fragenden Tone an Sie zu richten.

Herr Prof. Brücke hatte die Gefälligkeit, bei der am 3. November 1864 stattgehabten Sitzung der Akademie der Wissenschaften eine Arbeit v[on] mir vorzulegen: „Uiber die ersten Anlagen des Gehörorgans der Batrachier“, dessen Separatabdrücke ich noch nicht habe, demzufolge ich auch mir nicht die Ehre nehmen kann, einen davon zu schicken.

In vollster Hochachtung

Samuel Schenk Mediziner
ehemalige Gewehrfabrik

L.194 *R.158

1864 XI 16, Graz

Lieber Bruder!

Ich danke Dir für Dein Schreiben vom 5. d[ieses Monats], insbesondere für die Nachricht über Ludwig und die vielen Rezepte. Wie hoch erfreut wäre ich, wenn Auguste recht glücklich für alle Zeiten würde, sie hat sich um unsere vielköpfige Familie ein wahres Verdienst erworben, als sie aus dem Kreise der Unversorgten in ein, wenn auch noch so bescheidenes, eigenes Haus übertrat.

Dass Wittelshöfer trotz alledem doch wegen ‚Aufwiegelung’ verurteilt wurde, hätte ich nicht geglaubt. Ich begreife nicht, warum man sich förmlich anstrengt, böses Blut zu machen?

Wie hast Du Dich bei Ida mit Klärchen unterhalten, Du (Egmo –) Emil wollte ich sagen. Es freut mich, dass Du mit Vater einen Abend über die Schnur hautest, ich habe gestern auch über die Schnur gehauen.

Wir hatten das erste Jahresfest unserer universitas literarum. Heschl hielt die Festrede. Nach der den deutschen Universitäten nachgebildeten akademischen Feier, war großes Professoren-Diner beim ‚Erzherzog Johann’. Abends ging eine große Schar ins Thalia-Theater, um Meixner im ‚Winkelschreiber' und ihn und Mathes in ‚Er schmollt’ zu sehen, ich war auch von dieser Partie. Andere gingen zu Wolter in ‚Eglantine’ ins ständische Theater. Du wirst wissen, dass unser Landespatron Josef heißt und daher gestern hier nicht, so wie bei euch, Normatag war. Damit erklärt sich aber andererseits die Hofschauspielerfülle, in der Graz gestern schwelgen konnte.

Den Schwarzschen geht es gut, wir spielen fleißig Whist, sie richten mich ab. In dem bewussten Verhältnisse hat sich seit unserer letzten Unterredung nichts verändert. Ich fange immer mehr an zu sehen, dass ich sehr blind war. Walte darüber die Zeit!

Erfreue mich sehr bald wieder mit einer Nachricht von Dir, sehr bald. Es küsst Dich Dein

Alexander

L.195 *R.159

1864 XI 21, Wien

Lieber Bruder!

Wie froh bin ich, dass ich heuer niemanden brauche, der für mich schreibt, wie dies im vorigen Jahre um diese Zeit der Fall war. Ich bin, was man gesund nennt, und hoffe, es auch zu bleiben. Freilich könnte ich über so manches klagen, aber ein bisschen physisches und psychisches Leid und Weh gehört so sehr zum normalen Verlauf des Lebens, dass alle theoretischen Definitionen und doktrinären Spitzfindigkeiten über Gesundheit und Krankheit, wie man sie in den ‚allgemeinen Pathologien’ findet, an dieser einfachen Wahrheit zu Schanden werden. Über euer akademisches Fest, von welchem Du mir neulich schriebst, habe ich auch in der Zeitung eine kurze Notiz gelesen. Ich wünsche, dass Dir die neu erlernte Kunst, das edle Whist, einen recht angenehmen Zeitvertreib gewähren möge.

Du fragst in etwas ironischer Weise, wie ich mich bei Ida mit Klärchen unterhalten habe. Nun jedenfalls besser als wenn ich mich bei Klärchen hätte mit Ida unterhalten sollen. An demselben Abend fand ich zu meiner freudigen Überraschung auch Vater in Wien bei Prager; er wurde nämlich telegrafisch zu einer Kranken berufen. Von dem bösen Finger der Hermine wirst Du wohl schon Nachricht bekommen haben. Vielleicht hast Du auch gehört von der schauderhaften Mordgeschichte, die in den Bergen von Eisenerz ihren echt dramatischen Anfang nahm und in Baden ihr völlig vernichtendes Ende erfuhr. Sie betrifft einen wirklich edlen, im gewöhnlichen Verkehr äußerst geschickten und gewandten Gemsbock, den der schwagerliche Nimrod der Vernicht preisgab.

Wie steht es mit der physiologischen Assistentenstelle? Ich wurde unlängst von dem gewissen Herrn N., der Dich in meiner Wohnung um diese Stelle ersuchte, interpelliert, worauf ich natürlich erwiderte, dass ich von der ganzen Sache gar nichts weiß. Hat Schauenstein schon geheiratet? Ist es wahr, dass Erzherzog Karl Ludwig eine Wohnung in Wien gemietet hat. Was sagt Körner?

Grüße mir hie und da einen Bekannten und erfreue mich bald wieder mit einem Schreiben. Lebe wohl

Emil

L.196 *R.160

1864 XII 2, Graz

Liebster Bruder!

Du hast zwar, seit ich Dir Antwort auf Dein Schreiben vom 21. des vorigen Monats schulde, schon, ohne dass ich es wusste, Nachricht von mir durch Pfefferkorn erhalten, nichts desto weniger will ich Dir selber, da das Intervall unserer Korrespondenzen schon wieder abgelaufen ist, wieder schreiben. Besonders hat mich die Frage dazu angetrieben, welche Pfefferkorn an mich richtete und über welche Du, wie sie sagte, ins Reine kommen willst, ob ich zu Weihnachten nach Wien kommen werde? Wahrscheinlich nicht, ich stecke tief in Arbeiten, mit meinem Haematin ist mir Mehreres misslungen, Kistjakowsky verfolgt eine Reihe schöner Entdeckungen, welche er hier gemacht hat. Meine neurophysiologischen Experimente (Collegium publicum), die ich besonders redigiere, nehmen sehr viel Zeit in Anspruch, für die Medizinischen Jahrbücher soll ich das Referat fortsetzen, kurz, Arbeit über Arbeit, die mir nur naheliegende, keine so fern abführende Zerstreuung gestattet, wie ein Wiener-Aufenthalt es wäre. Dass der arme Peters seine Frau (Mutter von fünf Kindern) verlor, wirst Du erfahren haben. Welch trauriges Los hat diese Familie durch die so rasche Folge von Wertheims und Frau Peters’ Tod getroffen.

Neulich hat das Staatsministerium eine Aufforderung ergehen lassen, die Bezüge und das Einkommen aller ordentlichen Professoren behufs einer Regulierung der Gehalte dorthin bekanntzugeben. Lächerlich, dass man durch solche Bekenntnisse die Wahrheit zu erfahren glaubt. Meine praktischen Kollegen werden eingestandenermaßen ihre Praxis nicht fatieren, dadurch natürlich sich um einige Gulden nützen, uns armen Theoretikern aber um tausende schaden. Ich bin sehr ungehalten über dieses Ministerialdekret und werde wahrscheinlich einen selbstständigen Schritt, in Form einer alleruntertänigsten Vorstellung oder dergleichen, unternehmen. Honorig ist das Benehmen der Praktiker nicht. Ist Dir nicht bekannt, was in Wien in dieser Gehaltsregulierungs-Angelegenheit ans Professoren-Kollegium gelangte. Kannst Du etwas in Erfahrung bringen, dann wäre mir die Mitteilung dessen sehr wichtig.

Max Schultze wird ein Archiv für ‚Mikroskopische Anatomie’ von Ostern ab erscheinen lassen und hat an mich die Aufforderung gerichtet, mich als Unterstützer seines Unternehmens anführen zu dürfen. Ich habe ihm die Mitarbeiterschaft zugesagt.

Denhardt hat mir vorgestern geschrieben. Er und Auguste, die ein paar Zeilen anfügte, befinden sich wohl.

Der böse Finger der Hermine war mir, als ich Deinen letzten Brief erhielt, noch nicht bekannt geworden, über Aufforderung berichtete mir Bertha darüber, daraus entnehme ich, dass es besser geht, was war es? Sind große Verluste eingetreten, wird der Finger verstümmelt bleiben? Kurz, das Wichtigste weiß ich doch nicht und möchte es doch so gerne wissen. Schreibe mir bald.

Es küsst Dich Dein

Alexander

L.197 *R.161

1864 XII 10, Wien

Liebster Bruder!

Das ist der Tag der Briefe nach Graz und Eisenerz, nach welchen beiden mir teuersten Plätzen der Unter- und Obersteiermark ich Antwort schuldig bin. Ich schreibe Dir absichtlich erst heute, um eine in Deinem letzten Briefe an mich gestellte Frage bezüglich des bösen Fingers der Hermine desto genauer beantworten zu können. Ich habe nämlich den vorgestrigen Feiertag benützt, um mich persönlich in Baden umzusehen. Ich fand an Hermines linkem Zeigefinger die Folgen eines sehr argen Panaritiums. Gegenwärtig ist wohl die Entzündung vorüber und damit auch der sehr quälende Schmerz und das Fieber gewichen, allein das erste Fingerglied ist bedeutend verdickt, an mehreren Stellen eiternd und der erste Phalanx nekrotisch, eigentlich anatomisch gesprochen der letzte oder Endphalanx um nicht missverstanden zu werden. Es wird wohl noch eine geraume Zeit dauern, bis das Nekrotische losgestoßen ist, wenn man nicht durch künstliche Entfernung desselben die Heilung beschleunigen will. Im Übrigen befindet sich Hermine jetzt ziemlich wohl und ist wieder heiterer Laune und stickt mit der rechten Hand fleißig an etwas, was ich nicht sagen darf. Interessant ist, dass während der Krankheit Hermines sich ein in Baden wohnender pensionierter Major Schlath ganz ernsthaft schriftlich, mündlich und photographisch um deren Hand beworben hat. An den als Kautionserlag nötigen 8.000 fl muss jedoch nach dem Ausspruche Vaters das Projekt vorderhand scheitern. Übrigens soll der Major nicht alle Hoffnung aufgegeben haben und sich nach einer Zivilstellung umsehen. Bezüglich der Gehaltsregulierungsfrage konnte ich in Wien nichts in Erfahrung bringen.

Ob nicht die ganze Sache mit der im Reichsrat vorliegenden Einkommensteuerreform im versteckten Zusammenhang ist? Ich glaube fast, Dr. Schnitzler hat sich heute, ohne dass ich ein Wort früher wusste, unter der Ägide Oppolzers als Dozent für Brustkrankheiten habilitiert und wird nun seine Percussions-Kurse recht gut und billig lesen. Eingedenk des Satzes: Jeder ist sich selbst der Nächste, betrachte ich die ganze Sache mit vollster Gemütsruhe und konstatiere nur das Faktum als einen Beitrag zur Kenntnis des egoistischen, aller Rücksichten ledigen Vorgehens gewisser Leute, die recht klug und pfiffig sind, aber gewiss nicht gentlemanlike.

Nun lebe recht wohl und schreibe bald wieder Deinem Dich liebenden

Emil

Lieber Vater!

Wahrscheinlich hat schon Emil bei seinem letzten Besuche erzählt, dass ich heuer die Weihnachtsferien nicht in Baden zubringen kann. Meine Geschäfte nehmen mich zu sehr in Anspruch. Selbst möchte ich gerne einige Arbeiten vollenden, außerdem muss ich aber auch eine Arbeit, welche Dr. Kistjakowsky, der erste mir nachgezogene Russe, zu vollenden im Begriffe ist, fortwährend mitverfolgen. Ich will nicht durch längere Abwesenheit die Zugkraft, die mein Laboratorium auf ausländische Hörer möglicherweise ausüben könnte, beeinträchtigen und muss mir Baden für Ostern ersparen.

Dafür schicke ich aber jetzt zwei Abgesandte nach Baden, die von mir Kunde bringen sollen, ich bitte dieselben, wenn ihre Ankunft gemeldet wird, auf der Eisenbahn schleunigst abholen zu lassen, weil sie sich in Baden nicht auskennen. Ich bitte Dich und die Familie, ihnen freundlich zuzusprechen und bei dem Diner, welches ihnen zu Ehren wahrscheinlich veranstaltet wird, auch meiner zu gedenken.

Was macht Hermines Finger, ich wurde heute sehr eindringlich daran erinnert, weil ich mir selbst im Laboratorium ein spitzes Stück Kupfer in den Goldfinger der rechten Hand stieß, der Finger ist stark geschwollen, sonst nichts Bedenkliches, ich schreibe mit der kranken Hand.

Schwarz und Pfefferkorn sind alle wohl.

Ich werde manchmal während der Ferien Heimweh bekommen und sehr bald wieder etwas hören lassen. Mit vielen Handküssen Dein

Alexander

L.199 *R.162

1864 XII 23, Graz

Lieber Bruder!

Ich gebe Dir noch einmal vor Weihnachten Nachricht von mir. Die Gründe, welche es mir wahrscheinlich machten, dass ich heuer nicht nach Wien und Baden kommen werde, halten mich nun definitiv davon ab.

Hoffentlich gehst Du für einige oder einen Tag nach Baden; grüße alle herzlich, ich habe übrigens soeben selbst an Vater geschrieben und ihm angezeigt, dass er zwei Bekannte von mir, welche Nachrichten von mir nach Baden bringen sollen, auf der Eisenbahn abholen lassen soll, weil sie sich in Baden nicht auskennen.

Wenn Du mit ihnen zusammentriffst, so bitte ich, Dich angelegentlich mit ihnen zu beschäftigen und Deinerseits dafür zu sorgen, dass sie die entsprechende Aufnahme und etwa mit einem Diner oder dergleichen gefeiert werden. Sehr bedauerlich ist es, dass Hermine des leidigen Geldes wegen wieder nicht das einzig erwünschte Ziel eines braven Mädchens erreichen kann.

Was ist es mit Onkels Augusts Krida, jetzt wird der Vater doch auch seine Ansprüche ohne Rücksicht geltend machen.

An der Tücke des Schnitzler würde mir nichts liegen, Du kannst Dich vielleicht viel ehrenvoller bei passender Gelegenheit habilitieren, ich erinnere mich immer an Rokitankys Urteil, der Dich zu den Wenigen rechnet, die wirklich etwas arbeiten. Ich war auch nicht Assistent und Dozent zugleich, und bei Dir wird sich alles finden, davon ist überzeugt, Dein Dich liebender

Alexander

L.200 *R.163

1864 XII 31, Wien

Liebster Bruder!

Ich gebe Dir noch einmal in diesem Jahr von mir Nachricht, welche allerdings erst im nächsten an Dich gelangen wird und welche ich zugleich mit meinen besten Wünschen begleite. So sehr ich es bedauern muss, Dich nicht mehr im Jahre 1864 gesehen zu haben, so kann ich doch die Gründe vollkommen begreifen, welche Dich von einer Reise nach Wien abhielten. Ich selbst konnte nur am Stephanitage mit Mühe von Wien abkommen. Oppolzer, welcher in letzter Zeit fast unleidlich launenhaft und brummig geworden ist, hat selbst an diesem einen Tag seine Glossen über meine Abwesenheit von Wien gemacht. Täglich muss ich mich ermannen zu Geduld, Ausdauer und Gleichmut. Bekommt ein Kranker Delirien, so heißt es: ‚Wie können Sie einen solchen Ruhestörer auf die Klinik legen?’ Hustet einer stärker, so heißt es: ‚Da haben Sie wieder einen schönen Fang gemacht.’ Hat jemand ein chronisches Leiden: ‚Sollen wir die Leute ein Jahr lang hier liegen haben? Bekommt einer Diarrhoe: ‚Ich will keine Kranken mit Abführen auf der Klinik!’, hat einer eine unheilbare Krankheit: ‚Die Studenten müssen Kurieren lernen!’ Ist jemand leicht erkrankt: ‚Der Fall hat kein klinisches Interesse!’ Ist ein Fall schwer, akut, heilbar etc.: ‚Solche Fälle haben wir schon genug gehabt.’ Heute soll ich eine Phosphorvergiftung herzaubern, morgen eine Meningitis, übermorgen einen Echinococcus. Kurz, ich kann mit dem besten Willen und dem größtmöglichsten Aufwand und Verlust von Zeit die Ansprüche und Launen Oppolzers nicht befriedigen. Ich denke mir, dass Oppolzers Witwerschaft, ferner die Sorge, welche ihm ein bei Enns gekauftes Landgut nebst Bierbrauerei bereiten, auf die Stimmung Oppolzers einen für den Assistenten so quälenden Einfluss nehmen. Gott besser's.

Neulich habe ich in der Gesellschaft der Ärzte mit einem kleinen Vortrag debütiert. Den Vater habe ich neulich aufgemuntert, seine Ansprüche in der Affäre des Onkel August geltend zu machen, was er auch zu tun bejahte. Richard ist gegenwärtig in Baden, ich habe ihn unlängst mehrere Tage bei mir beherbergt, weil er einen Platz in Wien suchen sollte, was ihm aber bis jetzt nicht gelungen ist. Der nekrotische Endphalanx von Herminens Finger hat sich bereits losgelöst, es wird nun hoffentlich die Heilung rascher fortschreiten.

Lebe recht glücklich und erfreue bald wieder mit einem Schreiben Deinen Dich liebenden Bruder

Emil