Realität und Wirklichkeit in der Moderne

Texte zu Literatur, Kunst, Fotografie und Film

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Engagement, 1965

Theodor W. Adorno

Quelle

Theodor W. Adorno: "Engagement", in: Noten zur Literatur, hrsg. von Rolf Tiedemannn. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1981. (= Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. 355.), S. 409-430. ISBN: 3-518-27955-6.

Erstausgabe

"Engagement" [1962], in: Noten zur Literatur III. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1965.

Genre

Essay

Medium

Literatur, Kunst

[409] Seit Sartres Essay ‚Qu'est-ce que la littérature?‘ wird theoretisch weniger über engagierte und autonome Literatur gestritten. Aber die Kontroverse bleibt so dringlich, wie heute nur etwas sein kann, das den Geist betrifft und nicht das Überleben der Menschen unmittelbar. Sartre wurde zu seinem Manifest bewogen, weil er, gewiß nicht als erster, die Kunstwerke in einem Pantheon unverbindlicher Bildung nebeneinander aufgebahrt, zu Kulturgütern verwest sah. Durch ihre Koexistenz freveln sie aneinander. Will ein jegliches, ohne daß der Autor es wollen müßte, das Äußerste, so duldet eigentlich keines das nächste neben sich. Solche heilsame Intoleranz gilt aber nicht nur für die einzelnen Gebilde sondern auch für Typen wie jene bei den Verhaltensweisen der Kunst, auf welche die halbvergessene Kontroverse sich bezog. Es sind zwei „Stellungen zur Objektivität“; sie befehden sich, auch wenn das Geistesleben sie in falschem Frieden ausstellt. Das engagierte Kunstwerk entzaubert jenes, das nichts will denn da sein, als Fetisch, als müßige Spielerei solcher, welche die drohende Sintflut gern verschliefen; gar als höchst politisches Apolitisches. Es lenke ab vom Kampf der realen Interessen. Keinen mehr schone der Konflikt der beiden großen Blöcke. Von ihm hänge die Möglichkeit von Geist selber so sehr ab, daß nur Verblendung auf ein Recht poche, das morgen zerschlagen werden kann. Den autonomen Werken aber sind solche Erwägungen, und die Konzeption von Kunst, die sie trägt, selber schon die Katastrophe, vor der die engagierten den Geist warnen. Verzichte er auf Pflicht und Freiheit seiner reinen Objektivation, so habe er abgedankt. Was dann noch an Werken sich formiert, mache geschäftig jenem bloßen Dasein sich gleich, gegen das es eifert, so ephemer, wie umgekehrt den Engagierten das autonome Werk dünkt, das schon am ersten Tag in die Seminare gehöre, in denen es unvermeidlich ende. Die [410] drohende Spitze der Antithese mahnt daran, wie fragwürdig es um Kunst heute bestellt ist. Jede der beiden Alternativen negiert mit der anderen auch sich selbst: engagierte Kunst, weil sie, als Kunst notwendig von der Realität abgesetzt, die Differenz von dieser durchstreicht; die des l'art pour l'art, weil sie durch ihre Verabsolutierung auch jene unauslöschliche Beziehung auf die Realität leugnet, die in der Verselbständigung von Kunst gegen das Reale als ihr polemisches Apriori enthalten ist. Zwischen den beiden Polen zergeht die Spannung, an der Kunst bis zum jüngsten Zeitalter ihr Leben hatte.

Zweifel an der Allmacht der Alternative indessen weckt die zeitgenössische Literatur selbst. Noch ist diese nicht so gänzlich vom Weltlauf unterjocht, als daß sie zur Frontenbildung sich schickte. Die Sartreschen Böcke, die Valéryschen Schafe lassen nicht sich scheiden. Engagement als solches, sei's auch politisch gemeint, bleibt politisch vieldeutig, solange es nicht auf eine Propaganda sich reduziert, deren willfährige Gestalt alles Engagement des Subjekts verhöhnt. Das Gegenteil aber, das im sowjetischen Lasterkatalog Formalismus lautet, wird nicht nur von den dortigen Amtswaltern und auch nicht nur vom libertären Existentialismus befochten: Mangel an Ärgernis, an gesellschaftlicher Aggressivität wird selbst von Avancierten den sogenannten abstrakten Texten leicht vorgeworfen. Umgekehrt hat Sartre für das Guernica-Bild das höchste Lob; in Musik und Malerei könnte er unschwer formalistischer Sympathien bezichtigt werden. Seinen Begriff des Engagements reserviert er der Literatur, ihres begrifflichen Wesens wegen: „Der Schriftsteller… hat es mit Bedeutungen zu tun.“1 Sicherlich, aber nicht nur. Entledigt kein Wort, das in eine Dichtung eingeht, sich ganz der Bedeutungen, die es in der kommunikativen Rede besitzt, so bleibt doch in keiner, selbst im traditionellen Roman nicht, diese Bedeutung unverwandelt die gleiche, welche das Wort draußen hatte. Bereits das simple „war“ in einem Bericht von etwas, das nicht war, gewinnt eine neue Gestaltqualität dadurch, daß es nicht war. Das setzt sich fort in den höheren Bedeutungsschichten einer Dichtung, bis hin zu dem, was einmal als ihre Idee [411] galt. Die Sonderstellung, die Sartre der Literatur einräumt, muß auch der anzweifeln, welcher die Gattungen der Kunst nicht umstandslos unter deren allgemeinen Oberbegriff subsumiert. Die Rudimente der Bedeutungen von draußen in den Dichtungen sind das unabdingbar Nichtkünstlerische an der Kunst. Nicht aus ihnen ist ihr Formgesetz herauszulesen sondern aus der Dialektik beider Momente. Es waltet in dem, worein die Bedeutungen sich verwandeln. Die Unterscheidung von Dichter und Literat ist schal, aber der Gegenstand einer Philosophie der Kunst, wie auch Sartre sie visiert, ist nicht deren publizistischer Aspekt. Weniger noch das, wofür man im Deutschen den Terminus Aussage herbetet. Unleidlich vibriert er zwischen dem, was ein Künstler von seinem Produkt will, und dem Gebot eines objektiv sich aussagenden, metaphysischen Sinns. Im allgemeinen ist das hierzulande das ungemein praktikable Sein. Die soziale Funktion der Rede vom Engagement hat sich einigermaßen verwirrt. Wer kulturkonservativen Geistes vom Kunstwerk verlangt, daß es etwas sage, alliiert sich wider das zweckferne, hermetische Kunstwerk mit der politischen Gegenposition. Lobredner von Bindungen werden eher Sartres ‚Huis clos‘ tief finden, als mit Geduld einen Text sich anhören, in dem die Sprache an der Bedeutung rüttelt und durch ihre Sinnferne vorweg gegen die positive Unterstellung von Sinn rebelliert, während für den Atheisten Sartre der begriffliche Sinn von Dichtung die Voraussetzung von Engagement bleibt. Werke, gegen die im Osten der Büttel einschreitet, werden zuweilen von den Hütern der echten Aussage demagogisch angeprangert, weil sie angeblich aussagen, was sie gar nicht aussagen. Der Haß gegen den von den Nationalsozialisten schon während der Weimarer Republik so genannten Kulturbolschewismus hat die Zeit des Hitler überlebt, in der er institutionalisiert wurde. Er entflammt heute noch wie vor vierzig Jahren an Gebilden des gleichen Wesens, darunter auch solchen, die mittlerweile ihrer Entstehung nach weit zurückliegen und deren Zusammenhang mit traditionalen Momenten unverkennbar ist. In rechtsradikalen Zeitungen und Zeitschriften wird wie eh und je Entrüstung angedreht über das, was unnatürlich, überintellektuell, ungesund, dekadent sei; sie wissen, für wen sie schreiben. Das deckt sich mit den Einsichten der Sozial[412]psychologie in den autoritätsgebundenen Charakter. Zu dessen Existentialien rechnet Konventionalismus, Respekt für die versteinerte Fassade von Meinung und Gesellschaft, Abwehr von Regungen, die daran irremachen oder im Unbewußten des Autoritätsgebundenen etwas ihm Eigenes treffen, das er um keinen Preis sich zugesteht. Mit dieser allem Fremden und Befremdenden feindlichen Haltung ist literarischer Realismus jeglicher Provenienz, nennte er sich auch kritisch oder sozialistisch, viel vereinbarer als Gebilde, die, ohne auf politische Parolen sich vereidigen zu lassen, durch ihren bloßen Ansatz das starre Koordinatensystem der Autoritätsgebundenen außer Aktion setzen, an das jene um so verbissener sich klammern, je weniger sie zu lebendiger Erfahrung eines nicht schon Approbierten fähig sind. Das Begehren, Brecht vom Spielplan abzusetzen, rechnet einer verhältnismäßig äußerlichen Schicht des politischen Bewußtseins zu; war wohl auch gar nicht sehr heftig, sonst hätte es nach dem 13. August weit krasser sich manifestiert. Wo dagegen der Gesellschaftsvertrag mit der Realität gekündigt wird, indem literarische Gebilde nicht länger reden, als meldeten sie von einem Wirklichen, sträuben sich die Haare. Es ist keine von den geringsten Schwächen der Debatte übers Engagement, daß sie nicht auch über die Wirkung reflektiert, welche von solchen Werken ausgeübt wird, deren eigenes Formgesetz auf Wirkungszusammenhänge keine Rücksicht nimmt. Solange man nicht versteht, was im Schock des Unverständlichen sich mitteilt, ähnelt der ganze Streit einem Schattenkampf. Konfusionen in der Beurteilung der Sache ändern zwar nichts an dieser, nötigen aber dazu, die Alternative zu durchdenken.

Theoretisch wären Engagement und Tendenz zu unterscheiden. Engagierte Kunst im prägnanten Sinn will nicht Maßnahmen, gesetzgeberische Akte, praktische Veranstaltungen herbeiführen wie ältere Tendenzstücke gegen die Syphilis, das Duell, den Abtreibungsparagraphen oder die Zwangserziehungsheime, sondern auf eine Haltung hinarbeiten: Sartre etwa auf die der Entscheidung als der Möglichkeit, überhaupt zu existieren, gegenüber zuschauerhafter Neutralität. Was aber das Engagement künstlerisch vorm tendenziösen Spruchband voraus hat, macht den Inhalt mehrdeutig, für den der Dichter sich engagiert. Die [413] ursprünglich Kierkegaardsche Kategorie der Entscheidung übernimmt bei Sartre die Erbschaft des christlichen Wer nicht für mich ist, der ist wider mich, aber ohne den konkreten theologischen Inhalt. Übrig davon ist nur die abstrakte Autorität anbefohlener Wahl, gleichgültig dagegen, daß deren eigene Möglichkeit abhängt von dem zu Wählenden. Die vorgezeichnete Form der Alternative, in der Sartre die Unverlierbarkeit von Freiheit beweisen will, hebt diese auf. Innerhalb des real Prädeterminierten mißrät sie zur leeren Behauptung: Herbert Marcuse hat den Nonsens des Philosophems beim Namen genannt, daß man noch die Marter innerlich annehmen oder ablehnen könne. Eben das aber soll aus Sartres dramatischen Situationen herausspringen. Sie taugen darum so schlecht als Modelle seines eigenen Existentialismus, weil sie in sich, der Wahrheit zu Ehren, die ganze verwaltete Welt enthalten, die jener ignoriert; lernen läßt sich an ihnen die Unfreiheit. Sein Ideentheater sabotiert, wofür er die Kategorien erdachte. Das aber ist keine individuelle Unzulänglichkeit seiner Stücke. Kunst heißt nicht: Alternativen pointieren, sondern, durch nichts anderes als ihre Gestalt, dem Weltlauf widerstehen, der den Menschen immerzu die Pistole auf die Brust setzt. Sobald jedoch die engagierten Kunstwerke Entscheidungen veranstalten und zu ihrem Maß erheben, geraten diese auswechselbar. Sartre hat, als Konsequenz jener Vieldeutigkeit, mit großer Offenheit ausgesprochen, daß er keine reale Veränderung der Welt durch die Literatur erwarte; seine Skepsis bezeugt geschichtliche Veränderungen der Gesellschaft wie der praktischen Funktion von Literatur seit Voltaire. Das Engagement rutscht in die Gesinnung des Schriftstellers, dem extremen Subjektivismus von Sartres Philosophie gemäß, in der trotz aller materialistischen Untertöne die deutsche Spekulation nachhallt. Ihm wird das Kunstwerk zum Aufruf von Subjekten, weil es nichts ist als Kundgabe des Subjekts, seiner Entscheidung oder Nichtentscheidung. Er will nicht Wort haben, daß jedes Kunstwerk durch seinen puren Ansatz den Schreibenden, sei er noch so frei, auch mit objektiven Anforderungen konfrontiert, wie es zu fügen sei. Ihnen gegenüber sinkt seine Intention zum bloßen Moment herab. Sartres Frage „Warum schreiben?“, und ihre Zurückführung auf eine „tiefere Wahl“, [414] ist darum untriftig, weil fürs Geschriebene, das literarische Produkt, die Motivationen des Autors irrelevant sind. Dem ist Sartre nicht so fern, soweit er erwägt, daß der Rang der Werke, wie schon Hegel wußte, steigt, je weniger sie in der empirischen Person verhaftet bleiben, die sie hervorbringt. Nennt er, in der Sprache Durkheims, das literarische Werk ein fait social, so zitiert er damit ungewollt den Gedanken an dessen von der bloßen subjektiven Intention des Verfassers undurchdringliche, zuinnerst kollektive Objektivität. Darum möchte er das Engagement nicht an jene Intention des Schriftstellers binden sondern an sein Menschsein2. Diese Bestimmung aber ist so generell, daß das Engagement jegliche Differenz von irgendwelchen menschlichen Werken und Verhaltensweisen einbüßt. Es handelt sich darum, daß der Schriftsteller sich in der Gegenwart, dans le présent, engagiere; dem aber kann er ohnehin nicht entrinnen, und darum ist kein Programm herauszulesen. Die Verpflichtung, die der Schriftsteller eingeht, ist weit präziser: keine des Entschlusses sondern eine der Sache. Während Sartre von Dialektik redet, registriert sein Subjektivismus so wenig das bestimmte Andere, zu dem das Subjekt sich entäußerte und durch das es überhaupt erst zum Subjekt wird, daß ihm jegliche literarische Objektivation als Erstarrung verdächtig ist. Weil aber die reine Unmittelbarkeit und Spontaneität, die er zu erretten hofft, an keinem ihr Entgegengesetzten sich bestimmt, verkommt sie zu einer zweiten Verdinglichung. Um Drama und Roman über die bloße Kundgabe – ihr Urbild wäre bei ihm der Schrei des Gefolterten – hinauszubringen, muß er Sukkurs suchen bei einer planen, der Dialektik von Gebilde und Ausdruck entzogenen Objektivität, der Mitteilung seiner eigenen Philosophie. Sie wirft sich zum Gehalt der Dichtung auf wie nur bei Schiller; nach dem Maß des Gedichteten aber ist das Mitgeteilte, und wäre es noch so sublim, kaum mehr als ein Stoff. Sartres Stücke sind Vehikel dessen, was der Autor sagen will, zurückgeblieben hinter der Evolution der ästhetischen Formen. Sie operieren mit traditioneller Intrige und überhöhen diese mit ungebrochenem Gottvertrauen in Bedeutungen, die von der Kunst auf die Realität zu übertragen wären. Die bebilderten [415] oder womöglich ausgesprochenen Thesen jedoch mißbrauchen die Regung, deren Ausdruck Sartres eigene Dramatik motiviert, als Beispiel, und desavouieren damit sich selbst. Fällt am Schluß eines seiner berühmtesten Stücke der Satz: „die Hölle, das sind die anderen“3, so klingt das wie ein Zitat aus ‚L'être et le néant‘; übrigens könnte es ebensogut: „Die Hölle, das sind wir selbst“ heißen. Die Komplexion von handfestem plot und ebenso handfester, destillierbarer Idee trug Sartre den großen Erfolg zu und machte ihn, ganz gewiß gegen seinen integren Willen, der Kulturindustrie akzeptabel. Die hohe Abstraktionsebene des Thesenstücks verleitete ihn dazu, einige seiner besten Arbeiten, den Film ‚Les jeux sont fait‘ oder das Drama ‚Les mains sales‘, in der politischen Prominenz spielen zu lassen und nicht nur unter den Opfern im Dunkeln: ganz ähnlich jedoch verwechselt die gängige, Sartre verhaßte Ideologie Taten und Leiden der Führer-Schnittmuster mit dem objektiven Zug der Geschichte. Mitgewoben wird an dem Schleier der Personalisierung, daß verfügende Menschen entscheiden, nicht die anonyme Maschinerie, und daß auf den sozialen Kommandohöhen noch Leben sei; Becketts Krepierende erteilen darauf den Bescheid. Sartres Ansatz verhindert ihn daran, die Hölle zu erkennen, gegen die er revoltiert. Manche seiner Parolen könnten von seinen Todfeinden nachgeplappert werden. Daß es um Entscheidung an sich gehe, würde sogar das nationalsozialistische „Nur das Opfer macht uns frei“ decken; im faschistischen Italien hat Gentiles absoluter Dynamismus auch philosophisch Verwandtes verkündet. Die Schwäche in der Konzeption des Engagements befällt, wofür Sartre sich engagiert.

Auch Brecht, der in manchen Stücken, wie der Dramatisierung von Gorkis ‚Mutter‘ oder der ‚Maßnahme‘, unmittelbar die Partei verherrlicht, wollte zuzeiten, mindestens den theoretischen Schriften nach, vorab zu einer Haltung erziehen, der distanzierten, denkenden, experimentierenden, dem Widerpart der illusionären von Einfühlung und Identifikation. Im Hang zur Abstraktheit übertrumpft seine Dramatik seit der ‚Johanna‘ Sartre beträchtlich. Nur hat er sie, konsequenter als dieser und [416] der größere Künstler, selber zum Formgesetz erhoben, zu dem einer didaktischen Poesie, die den traditionellen Begriff der dramatischen Person ausschaltet. Er sah ein, daß die Oberfläche gesellschaftlichen Lebens, die Konsumsphäre, zu der auch die psychologisch motivierten Aktionen der Individuen hinzurechnen, das Wesen der Gesellschaft verhüllt. Als Tauschgesetz ist es selber abstrakt. Brecht mißtraut der ästhetischen Individuation als einer Ideologie. Darum will er das gesellschaftliche Unwesen zur theatralischen Erscheinung verhalten, indem er es kahl nach außen zerrt. Die Menschen auf der Bühne schrumpfen sichtbar zusammen zu jenen Agenten sozialer Prozesse und Funktionen, die sie mittelbar, ohne es zu ahnen, in der Empirie sind. Brecht postuliert nicht länger, wie Sartre, Identität zwischen den lebendigen Individuen und dem gesellschaftlichen Wesen, oder gar die absolute Souveränität des Subjekts. Aber der ästhetische Reduktionsprozeß, den er der politischen Wahrheit zuliebe anstellt, fährt dieser in die Parade. Sie bedarf ungezählter Vermittlungen, die er verschmäht. Was artistisch als verfremdender Infantilismus sich legitimiert – die ersten Stücke Brechts hielten Kompanie mit Dada –, wird zur Infantilität, sobald es theoretisch-gesellschaftliche Gültigkeit beansprucht. Brecht wollte im Bild das Ansichsein des Kapitalismus treffen; seine Absicht war insofern tatsächlich, als was er gegen den Stalinistischen Terror sie tarnte, realistisch. Abgelehnt hätte er, jenes Wesen, gleichsam bilderlos und blind, bedeutungsfern durch seine Manifestation im beschädigten Leben zu zitieren. Das bürdete ihm aber die Verpflichtung zur theoretischen Richtigkeit des eindeutig Intendierten auf, wofern seine Kunst das quid pro quo verschmäht, sie, die sich als Lehre vorträgt, sei gleichzeitig um ihrer ästhetischen Gestalt willen von der Verbindlichkeit dessen dispensiert, was sie lehrt. Kritik an ihm kann nicht verschweigen, daß er – aus objektiven Gründen jenseits der Zulänglichkeit des von ihm Gestalteten – die Norm nicht erfüllte, die er, als wäre sie ein Rettendes, über sich aufgerichtet hatte. ‚Die heilige Johanna der Schlachthöfe‘ war die zentrale Konzeption seines dialektischen Theaters; noch ‚Der gute Mensch von Sezuan‘ variierte sie durch die Umkehrung, daß, wie Johanna durch die Unmittelbarkeit der Güte dem Bösen hilft, so, wer das Gute will, sich [417] böse machen muß. Das Stück spielt in einem Chicago, das die Mitte hält zwischen dem Wild-West-Märchen des Kapitalismus aus Mahagonny und ökonomischer Information. Je näher Brecht indessen mit dieser sich einläßt, je weniger er auf eine imagerie es abgesehen hat, desto weiter verfehlt er das kapitalistische Wesen, dem die Parabel gilt. Vorgänge in der Sphäre der Zirkulation, in der Konkurrenten sich gegenseitig die Hälse abschneiden, treten anstelle der Appropriation des Mehrwerts in der Produktionssphäre, der gegenüber die Raufereien der Großviehhändler um ihren Anteil an der Beute Epiphänomene sind, die unmöglich von sich aus die große Krise verursachen könnten; und die ökonomischen Vorgänge, welche als Machinationen raffgieriger Händler erscheinen, sind nicht nur, wie Brecht es wohl möchte, kindisch, sondern auch nach jeglicher sei's noch so primitiven wirtschaftlichen Logik unverständlich. Dem entspricht auf der Gegenseite eine politische Naivetät, welche den von Brecht Bekämpften nur zu dem Grinsen verhülfe, von so törichten Feinden hätten sie nichts zu fürchten; sie könnten mit Brecht ebenso zufrieden sein, wie sie es in seinem Stück mit der sterbenden Johanna in der höchst eindrucksvollen Schlußszene sind. Daß eine Streikleitung, hinter der die Partei steht, eine nicht zur Organisation Gehörige mit einer entscheidenden Aufgabe betraut, ist, auch bei größter Weitherzigkeit in der Interpretation des poetisch Glaubwürdigen, ebenso undenkbar wie, daß durch das Versagen jener Einzelnen der gesamte Streik scheitert. – Die Komödie vom aufhaltsamen Aufstieg des großen Diktators Arturo Ui rückt das subjektiv Nichtige und Scheinhafte des faschistischen Führers grell und richtig ins Licht. Die Demontage der Führer jedoch, wie durchweg bei Brecht die des Individuums, wird verlängert in die Konstruktion der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge hinein, in denen der Diktator agiert. Anstelle der Konspiration hochmögender Verfügender tritt eine läppische Gangsterorganisation, der Karfioltrust. Das wahre Grauen des Faschismus wird eskamotiert; er ist nicht länger ausgebrütet von der Konzentration gesellschaftlicher Macht, sondern zufällig wie Unglücksfälle und Verbrechen. So verordnet es der agitatorische Zweck; der Gegner muß verkleinert werden, und das fördert die falsche Politik, wie [418] in der Literatur so auch in der Praxis vor 1933. Die Lächerlichkeit, der Ui überantwortet wird, bricht wider alle Dialektik dem Faschismus die Zähne aus, den Dezennien vorher Jack London exakt vorausgesagt hatte. Der antiideologische Dichter bereitet die Degradation der eigenen Lehre zur Ideologie vor. Die stillschweigend akzeptierte Beteuerung, daß auf ihrer einen Seite die Welt nicht länger antagonistisch sei, wird ergänzt vom Spaß über alles, was die Theodizee des gegenwärtigen Zustands Lügen straft. Nicht daß, aus Respekt vor welthistorischer Größe, das Lachen über den Anstreicher verboten wäre, obwohl das Wort Anstreicher gegen Hitler aufs bürgerliche Klassenbewußtsein peinlich spekuliert. Und das Gremium, welches die Machtübernahme inszenierte, war gewiß eine Bande. Aber solche Wahlverwandtschaft ist nicht exterritorial, sondern wurzelt in der Sozietät selbst. Daher ist der Spaß des Faschismus, den auch Chaplins Film registrierte, unmittelbar zugleich das äußerste Entsetzen. Wird das unterschlagen, wird über die armseligen Ausbeuter von Gemüsehändlern gespottet, wo es um wirtschaftliche Schlüsselpositionen geht, so verpufft der Angriff. Auch der ‚Große Diktator‘ verliert die satirische Kraft und frevelt in der Szene, wo ein jüdisches Mädchen SA-Männern der Reihe nach eine Pfanne auf den Kopf haut, ohne daß es in Stücke zerrissen würde. Dem politischen Engagement zuliebe wird die politische Realität zu leicht gewogen: das mindert auch die politische Wirkung. Sartres freimütiger Zweifel, ob das Guernica-Bild „einen einzigen für die spanische Sache gewonnen“ habe, gilt sicherlich auch für das Brechtische Lehrstück. Das herausoperierte fabula docet – daß es in der Welt ungerecht zugeht – brauchte man kaum irgend jemand zu lehren; die dialektische Theorie, zu der Brecht summarisch sich bekannte, hat darin wenig Spuren hinterlassen. Der Habitus des Lehrstücks mahnt an die amerikanische Redewendung preaching to the saved, denen predigen, deren Seelen ohnehin gerettet sind. In Wahrheit wird der von Brecht gemeinte Primat der Lehre über die reine Form zu deren eigenem Moment. Indem sie suspendiert wird, wendet sie sich wider ihren Scheincharakter. Ihre Selbstkritik ist verwandt der Sachlichkeit im Bereich der angewandten visuellen Kunst. Die heteronom bedingte Berichtigung der Form, die Tilgung [419] des Ornamentalen der Zweckmäßigkeit zuliebe, wächst ihrer Autonomie zu. Das ist die Substanz von Brechts Dichterschaft: das Lehrstück als artistisches Prinzip. Sein Medium, die Verfremdung unmittelbar erscheinender Vorgänge, ist denn auch eher eines der Formkonstitution, als daß es zur praktischen Wirkung beitrüge. Zwar sprach Brecht von dieser nicht so skeptisch wie Sartre. Aber der Kluge und Welterfahrene war schwerlich von ihr ganz überzeugt; souverän schrieb er einmal, wenn er sich nichts vormache, sei ihm schließlich doch das Theater wichtiger als jene Veränderung der Welt, der es bei ihm dienen soll. Durchs artistische Prinzip der Simplifikation aber wird nicht bloß, wie es ihm vorschwebte, die reale Politik von den Scheindifferenzierungen im subjektiven Reflex des gesellschaftlich Objektiven gereinigt, sondern eben jenes Objektive verfälscht, um dessen Destillation das Lehrstück sich bemüht. Nimmt man Brecht beim Wort; macht man die Politik zum Kriterium seines engagierten Theaters, so erweist es an dieser sich als unwahr. Hegels Logik hat gelehrt, daß das Wesen erscheinen muß. Dann ist aber eine Darstellung des Wesens, welche dessen Verhältnis zur Erscheinung ignoriert, auch an sich so falsch, wie die Substitution der Hintermänner des Faschismus durchs Lumpenproletariat. Brechts Technik der Reduktion hätte ihr Recht einzig im Bereich jenes l'art pour l'art, welches seine Version des Engagements verurteilt wie er den Lukullus.

Im gegenwärtigen literarischen Deutschland trennt man gern den Dichter Brecht vom Politiker. Man will die bedeutende Figur für den Westen retten, womöglich ihn aufs Postament eines gesamtdeutschen Dichters stellen und dadurch, au-dessus de la mêlée, ihn neutralisieren. Sicherlich ist soviel richtig, daß Brechts dichterische Kraft ebenso wie seine listige und unbezähmbare Intelligenz übers offizielle Credo und über die verordnete Ästhetik der Volksdemokratien hinausschössen. Gleichwohl wäre Brecht gegen solche Verteidigung zu verteidigen. Sein Werk hätte, mit seinen offen zutage liegenden Schwächen, nicht solche Gewalt, wäre es nicht mit Politik durchtränkt. Das erzeugt noch in den fragwürdigsten Produkten, wie der ‚Maßnahme‘, das Bewußtsein, es gehe ums Ernsteste. Soweit hat er seinem Anspruch, durchs Theater zum Denken zu veranlassen, [420] genügt. Vergeblich, die vorhandenen oder fiktiven Schönheiten seines Werkes von der politischen Intention abzuheben. Wohl aber müßte immanente Kritik, die allein dialektische, die Frage nach der Stichhaltigkeit der Gebilde mit der nach seiner Politik synthesieren. In Sartres Kapitel ‚Warum schreiben?‘ heißt es mit großem Recht: „Niemand aber sollte auch nur einen Moment glauben, man könnte einen guten Roman zum Lobe des Antisemitismus schreiben.“4 Aber auch keinen zum Lob der Moskauer Prozesse, selbst wenn es früher gespendet ward, als Stalin Sinowjew und Bucharin ermorden ließ. Die politische Unwahrheit befleckt die ästhetische Gestalt. Wo, dem thema probandum zuliebe, die gesellschaftliche Problematik zurechtgebogen wird, die Brecht auf dem epischen Theater diskutiert, zerbröckelt das Drama in seinem eigenen Begründungszusammenhang. Die ‚Mutter Courage‘ ist eine Bilderfibel, welche den Montecuculischen Satz ad absurdum führen will, daß der Krieg den Krieg ernähre. Die Marketenderin, die den Krieg benutzt, um ihre Kinder durchzubringen, soll eben dadurch deren Untergang verschulden. Aber diese Schuld folgt in dem Stück weder zwingend aus der Kriegssituation noch aus dem Verhalten der kleinen Unternehmerin; wäre sie nur nicht gerade im kritischen Augenblick abwesend, so geschähe das Unheil nicht, und daß sie abwesend sein muß, um etwas zu verdienen, bleibt gegenüber dem, was sich abspielt, ganz allgemein. Die Bilderbogentechnik, welche Brecht für die Sinnfälligkeit der These benötigt, verhindert deren Beweis. Eine politisch-soziale Analyse, wie Marx und Engels sie gegen das Sickingen-Drama von Lassalle entwarfen, ergäbe, daß durch die simplistische Gleichsetzung des Dreißigjährigen Krieges mit einem modernen durchstrichen würde, was tatsächlich über Verhalten und Schicksal der Mutter Courage in der Grimmelshausenschen Vorlage entscheidet. Weil die Gesellschaft des Dreißigjährigen Krieges nicht die funktionale des modernen ist, kann dort auch poetisch kein geschlossener Funktionszusammenhang stipuliert werden, in dem Leben und Tod der privaten Individuen ohne weiteres durchsichtig würden aufs ökonomische Gesetz. Gleichwohl bedarf Brecht der altertümlich wilden Zeiten als Gleichnis für die gegenwärtigen, denn [421] gerade er gab sich genaue Rechenschaft darüber, daß die Gesellschaft seines eigenen Zeitalters nicht länger an Menschen und Sachen unmittelbar greifbar ist. So verleitet die Konstruktion der Gesellschaft erst zur gesellschaftlichen Fehlkonstruktion und dann zum dramatisch Unmotivierten. Politisch Schlechtes wird ein künstlerisch Schlechtes und umgekehrt. Je weniger aber die Werke etwas verkünden müssen, was sie nicht ganz sich glauben können, um so stimmiger werden sie auch selber; desto weniger brauchen sie ein Surplus dessen, was sie sagen, über das, was sie sind. Übrigens dürften die wahren Interessenten in allen Lagern auch heute noch die Kriege ganz gut überstehen.

Derlei Aporien reproduzieren sich bis in die dichterische Fiber hinein, den Brechtischen Ton. So wenig Zweifel ist an diesem und seinem Unverwechselbaren – Qualitäten, auf die der reife Brecht wenig Wert gelegt haben mag –, er wird vergiftet von der Unwahrheit seiner Politik. Weil, wofür er wirbt, nicht, wie er lange wohl glaubte, bloß ein unvollkommener Sozialismus ist, sondern eine Gewaltherrschaft, in der die blinde Irrationalität des gesellschaftlichen Kräftespiels wiederkehrt, der Brecht als Lobredner von Einverständnis an sich beisprang, muß die lyrische Stimme Kreide schlucken, damit sie dich besser fressen kann, und sie knirscht. Schon die pubertär sich überschlagende Männlichkeit des jungen Brecht verrät gekauften Mut des Intellektuellen, der aus Verzweiflung an der Gewalt kurzschlüssig zu der gewaltsamen Praxis überläuft, vor der sich zu fürchten er allen Anlaß hat. Das wilde Gebrüll der ‚Maßnahme‘ überschreit das Unheil, das der Sache widerfuhr und das er krampfhaft als Heil ausgeben möchte. Noch Brechts bester Teil wird vom Trügerischen seines Engagements angesteckt. Die Sprache bezeugt, wie weit das tragende poetische Subjekt und das von ihm Verkündete auseinanderklaffen. Um über den Bruch hinwegzukommen, affektiert sie die der Unterdrückten. Aber die Doktrin, für die sie wirbt, verlangt die des Intellektuellen. Ihre Schlichtheit und Simplizität ist Fiktion. Sie verrät sich ebenso durch Male von Übertreibung wie durch stilisierenden Rückgriff auf veraltete oder provinzielle Ausdruckscharaktere. Nicht selten biedert sie sich an; Ohren, welche sich nicht die eigene Differenziertheit austreiben lassen, müssen hören, daß man ihnen etwas [422] aufschwatzen will. Usurpation und wie Hohn auf die Opfer ist es, zu reden wie diese, als ob man selber eines wäre. Alles ist erlaubt zu spielen, nur nicht den Proletarier. Am schwersten fällt wider das Engagement ins Gewicht, daß selbst die richtige Absicht verstimmt, wenn man sie merkt, und mehr noch, wenn sie eben darum sich maskiert. Etwas davon reicht beim späteren Brecht in den sprachlichen Gestus von Weisheit, die Fiktion des von epischer Erfahrung gesättigten alten Bauern als poetischen Subjekts. Kein Mensch in keinem Staat der Welt ist solcher körnigen Erfahrung süddeutscher Muschiks mehr mächtig; der bedächtige Klang wird zum Propagandamittel, das vortäuschen soll, dort sei das Leben das richtige, wo die Rote Armee einmal die Verwaltung übernahm. Weil es wahrhaft nichts gibt, woran jene Humanität sich halten kann, die doch als verwirklichte erschlichen wird, macht Brechts Ton sich zum Echo archaischer gesellschaftlicher Verhältnisse, die unwiederbringlich dahin sind. Der späte Brecht war von offizieller Humanität gar nicht so entfernt; den ‚Kaukasischen Kreidekreis‘ könnte ein journalistischer Abendländer recht wohl als Hohelied der Mütterlichkeit preisen, und wem ginge nicht das Herz auf, wenn die prächtige Magd der von Migräne geplagten Dame als Exempel vorgehalten wird. Baudelaire, der sein Werk dem widmete, der die Formel l'art pour l'art prägte, wäre zu solcher Katharsis weniger geeignet. Selbst so groß geplante und virtuose Gedichte wie die ‚Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration‘ werden getrübt von der Theatralik vollkommener Schlichtheit. Was seine Klassiker noch als Idiotie des Landlebens denunzierten, das verstümmelte Bewußtsein Darbender und Unterdrückter, wird ihm wie einem Existentialontologen zum alten Wahren. Sein gesamtes œuvre ist eine Sisyphusanstrengung, seinen hochgezüchteten und differenzierten Geschmack mit den tölpelhaft heteronomen Anforderungen irgend auszugleichen, die er desperat sich zumutete.

Den Satz, nach Auschwitz noch Lyrik zu schreiben, sei barbarisch, möchte ich nicht mildern; negativ ist darin der Impuls ausgesprochen, der die engagierte Dichtung beseelt. Die Frage einer Person aus ‚Morts sans sépulture‘: „Hat es einen Sinn zu [423] leben, wenn es Menschen gibt, die schlagen, bis die Knochen im Leib zerbrechen?“ ist auch die, ob Kunst überhaupt noch sein dürfe; ob nicht geistige Regression im Begriff engagierter Literatur anbefohlen wird von der Regression der Gesellschaft selber. Aber wahr bleibt auch Enzensbergers Entgegnung, die Dichtung müsse eben diesem Verdikt standhalten, so also sein, daß sie nicht durch ihre bloße Existenz nach Auschwitz dem Zynismus sich überantworte. Ihre eigene Situation ist paradox, nicht erst, wie man zu ihr sich verhält. Das Übermaß an realem Leiden duldet kein Vergessen; Pascals theologisches Wort „On ne doit plus dormir“ ist zu säkularisieren. Aber jenes Leiden, nach Hegels Wort das Bewußtsein von Nöten, erheischt auch die Fortdauer von Kunst, die es verbietet; kaum wo anders findet das Leiden noch seine eigene Stimme, den Trost, der es nicht sogleich verriete. Die bedeutendsten Künstler der Epoche sind dem gefolgt. Der kompromißlose Radikalismus ihrer Werke, gerade die als formalistisch verfemten Momente, verleiht ihnen die schreckhafte Kraft, welche hilflosen Gedichten auf die Opfer abgeht. Aber selbst der ‚Überlebende von Warschau‘ bleibt in der Aporie gefangen, der er, autonome Gestaltung der zur Hölle gesteigerten Heteronomie, rückhaltlos sich ausliefert. Ein Peinliches gesellt sich der Komposition Schönbergs. Keineswegs das, woran man in Deutschland sich ärgert, weil es nicht zu verdrängen erlaubt, was man um jeden Preis verdrängen möchte. Aber indem es, trotz aller Härte und Unversöhnlichkeit, zum Bild gemacht wird, ist es doch, als ob die Scham vor den Opfern verletzt wäre. Aus diesen wird etwas bereitet, Kunstwerke, der Welt zum Fraß vorgeworfen, die sie umbrachte. Die sogenannte künstlerische Gestaltung des nackten körperlichen Schmerzes der mit Gewehrkolben Niedergeknüppelten enthält, sei's noch so entfernt, das Potential, Genuß herauszupressen. Die Moral, die der Kunst gebietet, es keine Sekunde zu vergessen, schliddert in den Abgrund ihres Gegenteils. Durchs ästhetische Stilisationsprinzip, und gar das feierliche Gebet des Chors, erscheint das unausdenkliche Schicksal doch, als hätte es irgend Sinn gehabt; es wird verklärt, etwas von dem Grauen weggenommen; damit allein schon widerfährt den Opfern Unrecht, während doch vor der Gerechtigkeit keine Kunst stand[424]hielte, die ihnen ausweicht. Noch der Laut der Verzweiflung entrichtet seinen Zoll an die verruchte Affirmation. Werke geringeren Ranges als jene obersten werden denn auch bereitwillig geschluckt, ein Stück Aufarbeitung der Vergangenheit. Indem noch der Völkermord in engagierter Literatur zum Kulturbesitz wird, fällt es leichter, weiter mitzuspielen in der Kultur, die den Mord gebar. Untrüglich fast ist ein Kennzeichen solcher Literatur: daß sie, absichtlich oder nicht, durchblicken läßt, selbst in den sogenannten extremen Situationen, und gerade in ihnen, blühe das Menschliche; zuweilen wird daraus eine trübe Metaphysik, welche das zur Grenzsituation zurechtgestutzte Grauen womöglich insofern bejaht, als die Eigentlichkeit des Menschen dort erscheine. Im anheimelnden existentiellen Klima verschwimmt der Unterschied von Henkern und Opfern, weil beide doch gleichermaßen in die Möglichkeit des Nichts hinausgehalten seien, die freilich im allgemeinen den Henkern bekömmlicher ist.

Die Anhänger jener Metaphysik, die unterdessen zum bloßen Gesinnungspaß verkam, wettern wie vor 1933 gegen die Verhäßlichung, Entstellung, künstlerische Perversion des Lebens, als hätten die Autoren schuld an dem, wogegen sie sich aufbäumen, indem, was sie schreiben, jenem Äußersten sich gleichmacht. Der unter den deutschen Stillen im Land immer noch grassierenden Denkgewohnheit erteilt den besten Bescheid eine Geschichte über Picasso. Als ihn ein deutscher Besatzungsoffizier in seinem Atelier besuchte und vorm Guernica-Bild fragte: „Haben Sie das gemacht?“, soll er geantwortet haben: „Nein, Sie.“ Auch autonome Kunstwerke wie dies Bild negieren bestimmt die empirische Realität, zerstören die zerstörende, das, was bloß ist, und als bloßes Dasein die Schuld endlos wiederholt. Kein anderer als Sartre hat den Zusammenhang zwischen der Autonomie des Werkes und einem Wollen erkannt, das nicht dem Werk eingelegt ist, sondern sein eigener Gestus der Wirklichkeit gegenüber. „Das Kunstwerk“, schreibt er, „hat keinen Zweck, darin stimmen wir mit Kant überein. Es ist aber ein Zweck. Kants Formulierung läßt den Appell außer acht, der aus jedem Bild, aus jeder Statue, aus jedem Buch spricht.“5Dem wäre nur [425] hinzuzufügen, daß dieser Appell in keinem ungebrochenen Verhältnis steht zum thematischen Engagement der Dichtung. Die rücksichtslose Autonomie der Werke, die der Anpassung an den Markt und dem Verschleiß sich entzieht, wird unwillkürlich zum Angriff. Der ist aber nicht abstrakt, keine invariante Verhaltensweise aller Kunstwerke zu der Welt, die es ihnen nicht verzeiht, daß sie ihr nicht gänzlich sich fügen. Sondern die Distanzierung der Werke von der empirischen Realität ist zugleich in sich selbst durch diese vermittelt. Die Phantasie des Künstlers ist keine creatio ex nihilo; nur Dilettanten und Feinsinnige stellen sie so sich vor. Indem die Kunstwerke der Empirie sich entgegensetzen, gehorchen sie deren Kräften, die gleichsam das geistige Gebilde abstoßen, es auf sich selbst zurückwerfen. Kein Sachgehalt, keine Formkategorie einer Dichtung, die nicht, wie immer auch unkenntlich abgewandelt und sich selbst verborgen, aus der empirischen Realität stammte, der es sich entringt. Dadurch, wie durch die Umgruppierung der Momente kraft ihres Formgesetzes, verhält sich die Dichtung zur Realität. Noch die avantgardistische Abstraktheit, über die der Spießbürger sich entrüstet und die nichts gemein hat mit der von Begriffen und Gedanken, ist der Reflex auf die Abstraktheit des Gesetzes, das objektiv in der Gesellschaft waltet. Das wäre an den Dichtungen Becketts zu zeigen. Sie genießen den heute einzig menschenwürdigen Ruhm: alle schaudern davor zurück, und doch kann keiner sich ausreden, daß die exzentrischen Stücke und Romane von dem handeln, was alle wissen und keiner Wort haben will. Philosophischen Apologeten mag sein œuvre als anthropologischer Entwurf behagen. Aber es gilt höchst konkreten geschichtlichen Sachverhalten: der Abdankung des Subjekts. Becketts Ecce homo ist, was aus den Menschen wurde. Gleichwie mit Augen, denen die Tränen versiegt sind, stumm blicken sie aus seinen Sätzen. Der Bann, den sie verbreiten und unter dem sie stehen, löst sich, indem er in ihnen sich spiegelt. Das minimale Glücksversprechen darin freilich, das an keinen Trost sich verschachert, war um keinen geringeren Preis zu erlangen als den der vollkommenen Durchartikulation bis zur Weltlosigkeit. Jedes Engagement für die Welt muß gekündigt sein, damit der Idee eines engagierten Kunstwerks genügt wer[426]de, der polemischen Verfremdung, die der Theoretiker Brecht dachte und die er um so weniger praktizierte, je geselliger er dem Menschlichen sich verschrieb. Dies Paradoxon, das den Einwand des Erklügelten provoziert, stützt sich, ohne viel Philosophie, auf die einfachste Erfahrung: Kafkas Prosa, Becketts Stücke oder der wahrhaft ungeheuerliche Roman ‚Der Namenlose‘ üben eine Wirkung aus, der gegenüber die offiziell engagierten Dichtungen wie Kinderspiel sich ausnehmen; sie erregen die Angst, welche der Existentialismus nur beredet. Als Demontagen des Scheins sprengen sie die Kunst von innen her, welche das proklamierte Engagement von außen, und darum nur zum Schein, unterjocht. Ihr Unausweichliches nötigt zu jener Änderung der Verhaltensweise, welche die engagierten Werke bloß verlangen. Wen einmal Kafkas Räder überfuhren, dem ist der Friede mit der Welt ebenso verloren wie die Möglichkeit, bei dem Urteil sich zu bescheiden, der Weltlauf sei schlecht: das bestätigende Moment ist weggeätzt, das der resignierten Feststellung von der Übermacht des Bösen innewohnt. Je größer allerdings der Anspruch, desto größer die Chance des Absinkens und Mißlingens. Was in Malerei und Musik an den von gegenständlicher Abbildlichkeit und faßlichem Sinnzusammenhang sich entfernenden Gebilden als Spannungsverlust beobachtet wurde, teilt vielfach auch der nach abscheulichem Sprachgebrauch Texte genannten Literatur sich mit. Sie gerät an den Rand von Gleichgültigkeit, degeneriert unvermerkt zur Bastelei, zum in anderen Kunstgattungen durchschauten Wiederholungsspiel mit Formeln, zum Tapetenmuster. Das leiht oft der groben Forderung nach dem Engagement ihr Recht. Gebilde, welche die verlogene Positivität von Sinn herausfordern, münden leicht in Sinnleere anderer Art, die positivistische Veranstaltung, das eitle Herumwürfeln mit Elementen. Dadurch verfallen sie der Sphäre, von der sie sich abstoßen; Grenzfall ist eine Literatur, die undialektisch mit Wissenschaft sich verwechselt und vergebens der Kybernetik gleichschaltet. Die Extreme berühren sich: was die letzte Kommunikation durchschneidet, wird zur Beute der Kommunikationstheorie. Kein festes Kriterium zieht die Grenze zwischen der bestimmten Negation des Sinnes und der schlechten Positivität des Sinnlosen als eines be[427]flissenen Weitermachens um seiner selbst willen. Am letzten wäre eine solche Grenze die Anrufung des Menschlichen und der Fluch gegen die Mechanisierung. Die Kunstwerke, welche durch ihre Existenz die Partei der Opfer naturbeherrschender Rationalität ergreifen, waren im Protest stets auch der eigenen Beschaffenheit nach in den Rationalisierungsprozeß verflochten. Wollten sie ihn verleugnen, so wären sie ästhetisch und sozial gleich unkräftig: höhere Scholle. Das organisierende, Einheit stiftende Prinzip eines jeden Kunstwerks ist eben der Rationalität entlehnt, deren Totalitätsanspruch es Einhalt tun möchte.

In der Geschichte des französischen und deutschen Bewußtseins stellt die Frage nach dem Engagement verschieden sich dar. In Frankreich herrscht ästhetisch, offen oder verhüllt, das Prinzip l'art pour l'art, und ist mit akademischen und reaktionären Richtungen verschworen. Das erklärt die Revolte dagegen6. Selbst extrem avantgardistische Werke haben in Frankreich einen touch des dekorativ Angenehmen. Darum klang dort die Berufung auf Existenz und Engagement revolutionär. Umgekehrt in Deutschland. Einer Tradition, die tief in den deutschen Idealismus hineinreicht – ihr erstes berühmtes, von der Geistesgeschichte der Oberlehrer rezipiertes Dokument ist Schillers Abhandlung über das Theater als moralische Anstalt –, war die Zweckfreiheit der Kunst, die doch theoretisch zuerst von einem Deutschen rein und unbestechlich zum Moment des Geschmacksurteils erhoben wurde, suspekt. Weniger jedoch wegen der damit verkoppelten Verabsolutierung des Geistes; gerade die hat in der deutschen Philosophie bis zur Hybris sich ausgetobt. Sondern wegen der Seite, die das zweckfreie Kunstwerk der Gesellschaft zukehrt. Sie erinnert an jenen sinnlichen Genuß, an dem sublimiert und durch Negation noch die äußerste Dissonanz, und diese gerade, teilhat. Gewahrte die deutsche spekulative Philosophie das im Kunstwerk selbst gelegene Moment seiner Transzendenz: daß sein eigener Inbegriff immer mehr ist, als es ist, so hat man daraus ein Sittenzeugnis abgeleitet. Das Kunst[427]werk soll, jener latenten Tradition zufolge, nichts für sich sein, weil es sonst, wie schon der Platonische Entwurf des Staatssozialismus es brandmarkte, verweichliche und von der Tat um der Tat willen, der deutschen Erbsünde, abhalte. Glücksfeindschaft, Asketentum, jene Sorte Ethos, die immerfort Namen wie Luther und Bismarck im Munde führt, wollen keine ästhetische Autonomie; ohnehin grundiert ein Unterstrom des knechtisch Heteronomen das Pathos des kategorischen Imperativs, der zwar einerseits die Vernunft selbst, andererseits aber ein schlechthin Gegebenes und blind zu Achtendes sein soll. Vor fünfzig Jahren ging es noch gegen George und seine Schule als gegen den Ästhetizismus von Französlingen. Heute hat der Muff, den keine Bomben explodieren ließen, mit der Wut auf die vorgebliche Unverständlichkeit der neuen Kunst sich verbündet. Als Motiv wäre der Kleinbürgerhaß auf den Sexus zu entdecken; darin berühren sich die abendländischen Ethiker mit den Ideologen des sozialistischen Realismus. Kein moralischer Terror hat Macht darüber, daß die Seite, welche das Kunstwerk seinem Betrachter zuwendet, diesem, und wäre es bloß durch die formale Tatsache temporärer Befreiung vom Zwang der praktischen Zwecke, auch Vergnügen bereitet. Thomas Mann hat das mit dem Wort vom höheren Jux ausgedrückt, das den Ethosbesitzern unerträglich ist. Selbst Brecht, der nicht frei war von asketischen Zügen – verwandelt kehren sie in der Sprödigkeit großer autonomer Kunst gegen den Konsum wieder –, hat zwar, mit Grund, das kulinarische Kunstwerk angeprangert, war aber viel zu gescheit, um nicht zu wissen, daß bei Wirkungszusammenhängen vom Moment des Genusses gar nicht ganz abgesehen werden kann, sogar im Angesicht der unerbittlichen Gebilde. Durch den Primat des ästhetischen Objekts als eines rein Durchgebildeten ist aber nicht doch wieder der Konsum, und damit das schlechte Einverständnis, auf einem Umweg eingeschmuggelt. Denn während jenes Moment, wäre es auch aus der Wirkung exstirpiert, stets in ihr wiederkehrt, ist der Wirkungszusammenhang nicht das Prinzip, dem die autonomen Werke unterstehen, sondern ihr Gefüge bei sich selbst. Sie sind Erkenntnis als begriffsloser Gegenstand. Darin beruht ihre Würde. Nicht haben sie die Menschen zu ihr zu überreden, weil sie in ihre Hand gegeben [429] sei. Darum ist es heute in Deutschland eher an der Zeit, fürs autonome Werk zu sprechen als fürs engagierte. Allzu leicht rechnete dieses sich selbst alle edlen Werte zu, um mit ihnen umzuspringen. Auch unterm Faschismus wurde keine Untat verübt, die nicht moralisch sich herausgeputzt hätte. Die heute noch auf ihr Ethos und die Menschlichkeit pochen, lauern nur darauf, die zu verfolgen, die nach ihren Spielregeln verurteilt werden, und in der Praxis die gleiche Unmenschlichkeit zu betreiben, die sie theoretisch der neuen Kunst vorwerfen. In Deutschland läuft vielfach das Engagement auf Geblök hinaus, auf das, was alle sagen, oder wenigstens latent alle gern hören möchten. Im Begriff des „message“, der Botschaft von Kunst selbst, auch der politisch radikalen, steckt schon das weltfreundliche Moment; im Gestus des Anredens heimliches Einverständnis mit den Angeredeten, die doch allein dadurch noch aus der Verblendung zu reißen wären, daß man dies Einverständnis aufsagt.

Literatur, die wie die engagierte, aber auch wie die ethischen Philister es wollen, für den Menschen da ist, verrät ihn, indem sie die Sache verrät, die ihm helfen könnte nur, wenn sie nicht sich gebärdet, als ob sie ihm hülfe. Was aber daraus die Konsequenz zöge, absolut sich selbst zu setzen, nur um seiner selbst willen da zu sein, verkäme ebenso zur Ideologie. Über den Schatten von Irrationalität: daß Kunst, die noch in ihrem Gegensatz zur Gesellschaft ein Moment von ihr bildet, dagegen Augen und Ohren verschließen muß, kann sie nicht springen. Aber wenn sie selbst darauf sich beruft, willkürlich den Gedanken an ihre Bedingtheit bremst, und daraus ihre raison d'être folgert, so fälscht sie den Fluch über ihr um in ihre Theodizee. Noch im sublimiertesten Kunstwerk birgt sich ein Es soll anders sein; wo es nur noch sich selbst gliche, wie bei seiner reinen verwissenschaftlichten Durchkonstruktion, wäre es schon wieder im Schlechten, buchstäblich Vorkünstlerischen. Vermittelt aber ist das Moment des Wollens durch nichts anderes als durch die Gestalt des Werkes, dessen Kristallisation sich zum Gleichnis eines Anderen macht, das sein soll. Als rein gemachte, hergestellte, sind Kunstwerke, auch literarische, Anweisungen auf die Praxis, deren sie sich enthalten: die Herstellung richtigen Lebens. Solche Vermittlung ist kein Mittleres zwischen Engagement und Auto[430]nomie, keine Mixtur etwa von avancierten Formelementen und einem auf wirklich oder vermeintlich progressive Politik abzielenden geistigen Gehalt; der Gehalt der Werke ist überhaupt nicht, was an Geist in sie gepumpt ward, eher dessen Gegenteil. Der Akzent auf dem autonomen Werk jedoch ist selber gesellschaftlich-politischen Wesens. Die Verstelltheit wahrer Politik hier und heute, die Erstarrung der Verhältnisse, die nirgendwo zu tauen sich anschicken, nötigt den Geist dorthin, wo er sich nicht zu encanaillieren braucht. Während gegenwärtig alles Kulturelle, auch die integren Gebilde, zu ersticken droht im Kulturgewäsch, ist doch, zur gleichen Stunde, den Kunstwerken aufgebürdet, wortlos festzuhalten, was der Politik versperrt ist. Sartre selbst hat das an einer Stelle, die seiner Lauterkeit Ehre antut, ausgesprochen7. An der Zeit sind nicht die politischen Kunstwerke, aber in die autonomen ist die Politik eingewandert, und dort am weitesten, wo sie politisch tot sich stellen, so wie Kafkas Gleichnis von den Kindergewehren, in dem die Idee der Gewaltlosigkeit mit dem dämmernden Bewußtsein von der heraufziehenden Lähmung der Politik fusioniert ist. Paul Klee, der in die Diskussion über engagierte und autonome Kunst hineingehört, weil sein Werk, écriture par excellence, seine literarischen Wurzeln hatte und ebensowenig wäre, wenn es diese nicht gäbe, wie wenn es sie nicht aufgezehrt hätte – Paul Klee hat im ersten Weltkrieg oder kurz danach Karikaturen gegen den Kaiser Wilhelm als unmenschlichen Eisenfresser gezeichnet. Aus diesen ist dann – es wäre wohl genau nachzuweisen – im Jahr 1920 der Angelus novus geworden, der Maschinenengel, der von Karikatur und Engagement kein offenes Emblem mehr trägt, aber beides weit überflügelt. Mit rätselhaften Augen zwingt der Maschinenengel den Betrachter zur Frage, ob er das vollendete Unheil verkünde oder die darin verkappte Rettung. Er ist aber, nach dem Wort Walter Benjamins, der das Blatt besaß, der Engel, der nicht gibt sondern nimmt.

1 Jean-Paul Sartre, Was ist Literatur? Ein Essay, übertr. von Hans Georg Brenner, Hamburg 1958, S. 10.

2 parce qu'il est homme, Situations, II, Paris 1948, p. 51.

3 Jean-Paul Sartre, Bei geschlossenen Türen, in: Dramen, Hamburg 1960, S. 97.

4 Sartre, Was ist Literatur?, a. a. O., S. 41.

5 a. a. O., S. 31.

6 „Man weiß genau, daß reine Kunst und leere Kunst ein und dasselbe sind und daß der ästhetische Purismus im letzten Jahrhundert nur ein brillantes Defensivmanöver der Bürger war, die sich lieber als Philister angeprangert sahen denn als Ausbeuter.“ (a. a. O., S. 20)

7 Vgl. Jean-Paul Sartre, L'existentialisme est un humanisme, Paris 1946, p. 105.

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Theodor W. Adorno: Engagement, 1965

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