KONDE - Kompetenznetzwerk Digitale Edition

Weißbuch

Distant Reading, Close Reading, Scalable Reading TEI Download PDF Download

Zeppezauer-Wachauer, Katharina; katharina.wachauer@sbg.ac.at

“Difficult; but too interesting not to give it a try.”(Franco Moretti 2013, S. 165)

Der mittlerweile zum Standard­repertoire der Digital Humanities zählende Begriff des Distant Reading wurde erstmals im Jahr 2000 von Franco Moretti verwendet. Ursprünglich war er von Moretti als pointierte Polemik gegen das Close Reading konzipiert worden (“we know how to read texts, now let’s learn how not to read them“ (Moretti 2000, S. 57)), weil sich ein Vorurteil der Geistes­wissenschaften hartnäckig hielt und hält: dass wissenschaftliche Analy­sen, die mithilfe des Computers generiert würden, von minderem Wert seien. Primäres Ziel des Zugangs von Moretti ist es zum einen, althergebrachte kanonische Überlegungen und Theorien unter Berücksichtigung einer größeren Anzahl an Vergleichsdaten zu überprüfen, zum anderen sollen textimmanente Gegebenheiten mittels quantitativer Erhebung neu bewertet werden. Auch Matthew L. Jockers beschreibt in seinem Buch Macroanalysis, “how a new method of studying large collections of digital material can help us to understand and contextualize the individual works within those collections (Jockers 2013, S. 32).

Weder Moretti noch Jockers noch die gegenwärtigen Digital Humanities wollen die sorgfältige Lektüre, das Close Reading, ersetzen. Vielmehr ist es ihre Absicht, einen zusätzlichen Blick auf Sachverhalte zu gewähren, die ohne eine objektive ‘Draufsicht‘ auf die Quellen vielleicht nie erkannt werden wür­den.

Zentral für die interdisziplinäre Vernetzung von Daten und Forschenden ist es, die quantitative Methode des Distant Reading auch für andere, nicht textbasierte Disziplinen gangbar zu machen. Überlegungen zum Bereich der Bild- und Kunstwissenschaften liefert etwa Isabella Nicka, die analog dazu die Methode des Distant Viewing postuliert und den Distant Reading-Ansatz auch für Untersuchungen von Bildern anregt. (Nicka 2019, S. 100–103)

Dem Switchen zwischen hermeneutischen und empirischen Verfahren wurde durch Martin Mueller programmatischer Charakter verliehen. Mueller fordert dazu auf, zwischen Nah- und Fernsicht, zwischen Mikro- und Makroanalyse, zwischen Close- und Distant Reading umzuschalten, wann immer es notwendig ist, und die neuen quantitativen Methoden mit erprob­ten hermeneutischen zu kombinieren. Er bezeichnet diese Strategie als Scalable Reading. (Mueller 2010)

Literatur:

  • Jockers, Matthew Lee. 2013. Macroanalysis. Digital methods and literary history. Urbana, Chicago.
  • Moretti, Franco. 2000. Conjectures on World Literature. In: New Left Review 1, S. 54–68.
  • Moretti, Franco. 2013. Distant Reading. London, New York.
  • Mueller, Martin. Scalable Reading dedicated to DATA: digitally assisted text analysis. URL:
  • Nicka, Isabella. 2019. Object Links in/zu Bildern mit REALonline analysieren. In: Object Links – Dinge in Beziehung (Formate – Forschungen zur Materiellen Kultur. Hrsg. von Institut für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Wien, S. 95–126.

Zitiervorschlag:

Zeppezauer-Wachauer, Katharina. 2021. Distant Reading, Close Reading, Scalable Reading. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.71. PID: o:konde.71