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Weißbuch

Benutzerschnittstelle (Fokus: Literaturwissenschaft – Bsp. Musil) TEI Download PDF Download

Fanta, Walter; walter.fanta@aau.at / Boelderl, Artur R.; artur.boelderl@aau.at

Mit Blick auf die Modellierung der Daten zur bestmöglichen Vermittlung derselben an die Nutzerinnen und Nutzer auf einer nicht weiter vorab spezifizierten Oberfläche (= Benutzerschnittstelle) wird das Prinzip annotation first empfohlen – es besagt, dass der prozedurale Zweck von Textauszeichnungen hintangestellt wird. Annotationen werden in erster Linie nicht dazu verwendet, um spezifische optische Lösungen für die Präsentation von Textdokumenten in User-Interfaces zu generieren, sondern um eine langlebige, interoperable Nachnutzung der Daten zu garantieren. Die Verschmelzung von Repräsentation und Präsentation in Digitalen Editionen – wie etwa in der DVD-Edition der Klagenfurter Ausgabe – wird für überwunden erklärt, da das Markup der Daten in dieser ungetrennten Ausgabe über kurz oder lang unlesbar wird. Dagegen setzt sich Musilonline aus getrennten Komponenten für die digitale Repräsentation in Form von XML/TEI-Dokumenten und verschiedenen weiteren Präsentationsweisen zusammen, die erst zu entwickeln sind. Für das Processing sind zu unterscheiden: a) transkriptive Annotationen, die bestimmte Transformationsszenarien nahelegen, z. B. für HTML-Codierungen; b) spezielle, erst in einem zweiten Schritt eingeführte prozedurale Annotationen für bestimmte Präsentationsformen.

Grundsätzlich stellt Musilonline die Daten sowohl als XML/TEI im Open-Access-Download für die automatisierte Nachnutzung als auch als html-basierte Schnittstellenlösung zur Verfügung. Letztere leitet sich nicht zwingend aus den TEI-Annotationen ab. Optionale Lösungen führen zu Derivaten als Datenbanken, Animations-Grafiken und den emendierten Lesetexten der Buchausgabe (s. Stichwort Hybridedition). Als Zielobjekte für Transformationsszenarien kommen für die mikrogenetische Ebene Schriftarten, für die Darstellung der Mesogenese Tabellen, Grafiken, Animationen und für die Makrogenese Datenbanken und deren Ausgabe-Optionen in Frage.

Als Beispiel für die Vermeidung von prozeduralen Annotationen im TEI-Auszeichnungsschema für die Transkription des Musil-Nachlasses sei die Verwendung des Elements <note> angeführt.

Bsp. 1: Musil, Nachlass, Mappe I/4, S. 10

<p>Zusammenfassung der beiden Träume: <note place="margin" resp="author">Besser: den 
nicht allzu interessanten Traum als unklare Erinnerung schildern.</note> Leib 
Verlassen u. doch Leib haben – Ihr Leib ist der ihres Bruders – … </p>

Mit dem Attribut @resp wird geklärt, dass es sich um ein Autornotat handelt. Für alle Randbemerkungen Musils in seinen Kapitelentwürfen wird diese Annotation verwendet.

Bsp. 2a: Musil, Nachlass, Mappe V/4, S. 1

<p>Oft dachte Ulrich, daß alles, was er mit Agathe erlebe, eine <note place="margin" 
resp="author"><seg xml:id="NP_83_1">1) U. nimmt das Nachdenken wieder auf.</seg>
<note resp="editor" target="#NP_83_1" n="1">Bleistift.</note></note> wechselseitige
Suggestion und nur unter dem Einfluß der … </p>

Mit dem Attribut @resp wird geklärt, dass es sich beim ersten <note> um ein Autornotat und beim zweiten um eine editorische Information handelt. Die hier gezeigte Annotationspraxis entspricht dem Ergebnis der Datenmigration aus der Klagenfurter Ausgabe. Um die Vermengung von transkriptiver und prozeduraler Annotation zu vermeiden, wird wie folgt umgeformt:

Bsp. 2b: Musil, Nachlass, Mappe V/4, S. 1

<p>Oft dachte Ulrich, daß alles, was er mit Agathe erlebe, eine <note place="margin" 
resp="author" hand="#hn_1">1) U. nimmt das Nachdenken wieder auf.</note> 
wechselseitige Suggestion und nur unter dem Einfluß der … </p>

Dieser Beitrag wurden im Kontext des FWF-Projekts "MUSIL ONLINE – interdiskursiver Kommentar" (P 30028-G24) verfasst.

Literatur:

  • Fanta, Walter. 2020. Ein Schema für das Schreiben. Musils Nachlass als Modell. In: Annotations in Scholarly Editions and Research. Functions, Differentiation, Systematization. Hrsg. von Julia Nantke und Frederik Schlupkothen. Berlin, Boston, S. 55–83.
  • Fanta, Walter. 2019. Musil online total. In: Forschungsdesign 4.0. Datengenerierung und Wissenstransfer in interdisziplinärer Perspektive. Hrsg. von Jens Klingner und Merve Lühr. Dresden, S. 149–179.
  • Lukas, Wolfgang. 2019. Archiv – Text - Zeit. Überlegungen zur Modellierung und Visualisierung von Textgenese im analogen und digitalen Medium. In: Textgenese in der digitalen Edition. Hrsg. von Anke Bosse und Walter Fanta. Berlin, Boston, S. 23–50.
  • Sahle, Patrick. 2013. Digitale Editionsformen. Zum Umgang mit der Überlieferung unter den Bedingungen des Medienwandels. Teil 3: Textbegriffe und Recodierung. Norderstedt.

Zitiervorschlag:

Fanta, Walter; Boelderl, Artur R. 2021. Benutzerschnittstelle (Fokus: Literaturwissenschaft – Bsp. Musil). In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.18. PID: o:konde.18