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Weißbuch

Paläographie TEI Download PDF Download

Rieger, Lisa; lrieger@edu.aau.at

Unter Paläographie versteht man die „Wissenschaft bzw. Lehre von den Formen und Mitteln der Schrift“ (Best 1991, S. 359), was neben den Schriftformen auch die Beschreibstoffe, Schreibmittel, Schreibgewohnheiten und Buchformen als Untersuchungsgegenstände miteinschließt. Sie nahm ihren Ursprung bei den Benediktinern von St. Maur, die anhand von Schriftmerkmalen versuchten, Herkunftsort und Entstehungszeit von Handschriften zu bestimmen. (Debes 1986, S. 384) Als Begründer der modernen wissenschaftlichen Paläographie gelten Wilhelm Meyer, Paul von Winterfeld und Ludwig Traube. (Bruckner 1967, S. 218)

Um die Entwicklung der Schrift in den Schriftdenkmälern im Detail nachvollziehen zu können, dienen datierbare und lokalisierbare Schriftstücke als Gerüst. Die dazu angewandte vergleichende Methode zielt auf das Erkennen von Zusammenhängen und regionalen Stilarten ab, u. a. helfen Veränderungen bestimmter Formen in der Schrift bei der zeitlichen Einordnung. Während früher v. a. das frühe und das hohe Mittelalter im Interesse der Forschung standen, findet in der heutigen Forschung auch zunehmend das Spätmittelalter Beachtung, aus dem sich auch wesentlich mehr Handschriften bis heute erhalten haben. Eine Darstellung der deutschen Paläographie kann nicht unabhängig vom lateinischen Schriftwesen erfolgen, dennoch bedingen die Spezifika deutschsprachiger Handschriften eine Reihe von eigenen Hilfsmitteln, der sich Germanisten bedienen. Bedeutendes Studienmaterial zu deutschen Handschriften inklusive fundierter Schriftanalysen bietet dabei z. B. die Sammlung von Petzet und Glauning „Deutsche schrifttafeln des IX. bis XVI. jahrhunderts aus handschriften der Bayerischen staatsbibliothek in München”, die von 1910 bis 1930 in fünf Bänden erschienen ist. (Schneider 2014, S. 13–16)

Neben den Buchschriften zählen zum Forschungsgegenstand auch die Urkunden-, Kanzlei- und Geschäftsschriften. Während in Früh- und Hochmittelalter für Erstere ausschließlich die kalligraphische, geformte Schrift verwendet wurde, wurden Letztere in verschiedenen stilistischen Formen der zusammenhängend geschriebenen Kursivschrift verfasst. Im Spätmittelalter kam es immer stärker zur gegenseitigen Beeinflussung der beiden Grundtypen, durch die auch zahlreiche Mischformen entstanden. Abgesehen von der Komplexität des Schriftbildes muss beachtet werden, dass aufgrund von individuellen, unabwägbaren Faktoren eine exakte Datierung und/oder räumliche Einordnung eines handschriftlichen Textes in vielen Fällen trotz paläographischer Analysen nicht immer möglich ist. (Schneider 2014, S. 16–19)

Während früher vor allem mit Fotografien und optischen Reproduktionen in Bildarchiven gearbeitet wurde, wird heute dank Digitalkameras und Scanner mit digitalen Bildern gearbeitet. (Jannidis/Kohle/Rehbein 2017, S. 187 f.) Zu Beginn des 21. Jahrhunderts entstanden im Bereich der Paläographie neben digitalen Archiven auch einige digitale Projekte, welche die Arbeit mit Bleistift und Fotokopien allmählich überflüssig machen sollten. (Hodel/Nadig 2019, S. 144 f.) Wie bei vielen verwandten Disziplinen konnte man sich auch in der Paläographie bis auf wenige Bereiche noch auf keine einheitliche Terminologie einigen. (Schneider 2014, S. 16)

Literatur:

  • Best, Otto. 1991. Handbuch literarischer Fachbegriffe. Definitionen und Beispiele. Überarbeitete und erweiterte Ausgabe Handbuch literarischer Fachbegriffe. Frankfurt am Main.
  • Bruckner, Albert. 1967. Zur Paläographie und Handschriftenkunde. In: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte/Revue suisse d'historie/Rivista storica svizzera 17, S. 218–221.
  • Debes, D. 1986. Paläographie. In: Wörterbuch der Literaturwissenschaft. Hrsg. von Claus Träger. Leipzig, S. 384.
  • Jannidis, Fotis; Kohle, Hubertus. 2017. Digital Humanities. Eine Einführung. Mit Abbildungen und Grafiken Digital Humanities. Stuttgart.
  • Hodel, Tobias; Nadig, Michael. 2019. Grundlagen der Mediävistik digital vermitteln: 'Ad fontes', aber wie. In: Das Mittelalter 24.
  • Schneider, Karin. 2014. Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Eine Einführung Paläographie und Handschriftenkunde für Germanisten. Berlin, Boston. URL: https://www.degruyter.com/view/title/304681?tab_body=toc.

Zitiervorschlag:

Rieger, Lisa. 2021. Paläographie. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.155. PID: o:konde.155