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Viktor Karlovič Poržesinskij

URI: https://gams.uni-graz.at/o:hsa.persons#P.2436
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Zitiervorschlag: Swiggers, Pierre; Seldeslachts, Herman (2014): Viktor Karlovič Poržesinskij. In Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.person.2436, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.2.2436.


Einleitung

Die Korrespondenz zwischen Wiktor Porzeziński und Hugo Schuchardt wurde von Pierre Swiggers und Herman Seldeslachts bearbeitet, kommentiert und eingeleitet.

Bedeutung

Im Schuchardt-Nachlass1 (Schuchardt-Archiv, Universitätsbibliothek Graz) befindet sich eine Briefkarte von Wiktor Porzeziński (1870-1929)2 an Hugo Schuchardt3. Der Brief datiert aus dem Jahr 1912 und ist der einzige Hinweis auf wissenschaftliche Kontakte zwischen Hugo Schuchardt und dem polnisch-russischen Indogermanisten und allgemeinen Sprachwissenschaftler. In seinem Schreiben reagiert Porzeziński auf die Zusendung einiger Publikationen durch Schuchardt („Ihre freundlichen Sendungen“) und verspricht seinerseits einige der eigenen Arbeiten an den Grazer Gelehrten zu schicken. Offenbar hatte Schuchardt an Porzeziński geschrieben, dass er bei einer Durchreise in Graz (oder überhaupt in Österreich) bei ihm sehr willkommen sei, da Porzeziński angibt, bei der ersten Gelegenheit „diese schöne Stadt“ besuchen zu wollen (wo er, wie man annehmen darf, Schuchardt aufzusuchen gedachte, der in dieser Stadt, in der er von 1876 bis 1900 Professor für Romanische Philologie war, bis zu seinem Tod im Jahr 1927 gewohnt hat4).

Der Brief stammt aus der Zeit, als Porzeziński Professor für indogermanische Sprachwissenschaft5 an der Moskauer Universität war, wo er unter seinen Schülern Roman Jakobson und Nikolaj Trubetzkoy zählte. Porzeziński war vor allem auf dem Gebiet der Baltistik und Slavistik tätig6 — er sollte ja auch in den folgenden Jahren eine unvollständig gebliebene vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen veröffentlichen (Porzeziński 1914) —, aber er hatte auch seine Universitätsvorlesungen über allgemeine Sprachwissenschaft unter dem Titel „Einleitung in die Sprachwissenschaft“ in Buchform herausgegeben (Porzeziński 1907). Das Buch wurde einige Male neu aufgelegt und sogar ins Deutsche übersetzt (Porzeziński 1910), wodurch es einen größeren Leserkreis erreichte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass infolge des Erscheinens der deutschen Übersetzung (bei Teubner in Leipzig7, also eben dort, wo Schuchardt seinerzeit seine bekannte Dissertation über den Vocalismus des Vulgärlateins [1866-1868] publiziert hatte) Schuchardt sich mit Porzeziński in Verbindung gesetzt hatte. Es ist wohl denkbar, dass Schuchardt seinem Moskauer Kollegen diejenigen seiner Schriften zugeschickt hatte, von denen er meinte, dass sie etwa in der Einleitung in die Sprachwissenschaft hätten verwendet werden können. Auffällig ist ja, dass in diesem Buch Schuchardts Name nie erwähnt wird, weder dort, wo die Lautgesetze behandelt werden (Porzeziński 1910: 151-158), noch bei der Kritik an August Schleichers Stammbaumtheorie, wo indessen Johannes Schmidt ein wichtiger Platz eingeräumt wird (Porzeziński 1910: 209-211)8. Es ist also sehr wohl möglich, dass Schuchardt je ein Exemplar des Pamphlets Über die Lautgesetze (Schuchardt 1885) und der Abhandlung Über die Klassifikation der romanischen Mundarten (Schuchardt 1900) wie auch des Werkchens Slawo-deutsches und Slawo-italienisches (Schuchardt 1884 [1971: 23-162]) an Porzeziński geschickt hat; vielleicht hat er ihm zudem Aufsätze und Buchrezensionen, die sich auf die Kontroverse um die Lautgesetze oder den Fragenkomplex der Misch- und Kreolsprachen bezogen, zukommen lassen.

Zweifellos war es Schuchardts Absicht, Porzeziński auf einige wichtige methodologische Erkenntnisse hinzuweisen, die in der Einleitung in die Sprachwissenschaft hätten Aufnahme finden können. Was Porzezińskis Gegengabe betrifft, so scheint es sich hauptsächlich um Aufsätze zu handeln, da von „Sonderabzügen“ die Rede ist9. Vielleicht hatte Schuchardt von Porzeziński eine andere Reaktion erwartet, etwa die Anerkennung, dass einige seiner Arbeiten oder Ideen in der Einleitung eine Erwähnung verdient hätten. Offenbar wurde der Briefwechsel (und Publikationsaustausch) nicht fortgesetzt10. Es scheint somit ein möglicherweise vielversprechender Dialog zwischen dem Moskauer Hochschullehrer und dem Grazer Meister im Keim erstickt worden zu sein.

Bibliographie

Doroszewski, Witold. 1930. 'Wiktor Porzeziński'. In Indogermanisches Jahrbuch 14: 371-374.

Kaczmarkowski, Michał. 1996. 'Porzeziński, Wiktor Jan'. In Harro Stammerjohann (ed.), Lexicon grammaticorum. Tübingen: Niemeyer, 745-746.

Nitsch, K[azimierz]. 1929. 'Wiktor Porzeziński'. In Język polski 14: 58-61.

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Poržezinskij, Viktor [Porzeziński, Wiktor]. 1910. Einleitung in die Sprachwissenschaft. Autorisierte Übersetzung von E. Boehme. Leipzig: Teubner. [Deutsche Übersetzung von Porzeziński 1907.]

Poržezinskij, Viktor [Porzeziński, Wiktor]. 1914. Сравнительная грамматика славянскихъ языковъ. Вып. I: Введенie. Общеславянскiй языкъ въ свете данныхъ сравнительноисторической грамматики индоевропейскихъ языковъ (Фонетика. Формы склоненiя). Moskau. [Neudruck: Мoskau: УРСС, 2004.]

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Safarewicz, Jan. 1983. 'Porzeziński, Wiktor Jan (1870-1929)'. In Polski Słownik Biograficzny, XXVII: 676-677.

Schuchardt, Hugo. 1884. Dem Herrn Franz von Miklosich zum 20. Nov. 1883. Slawo-deutsches und Slawo-italienisches. Graz: Leuschner & Lubensky. [= 1971: 23-162.]

Schuchardt, Hugo. 1885. Über die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin: Oppenheim.

Schuchardt, Hugo. 1900. Über die Klassifikation der romanischen Mundarten. Probe-Vorlesung gehalten zu Leipzig am 30. April 1870 von Dr. Hugo Schuchardt. Graz [Im Selbstverlag].

Schuchardt, Hugo. 1971. Slawo-deutsches und Slawo-italienisches. Mit Schuchardts übrigen Arbeiten zur Slawistik und mit neuen Registern. Herausgegeben und eingeleitet von Dieter Gerhardt. München: Fink.

Szober, Stanisław. 1929a. 'Wiktor Porzeziński'. In Biuletyn Polskiego Towarzystwa Językoznawczego 2: 69-77.

Szober, Stanisław. 1929b. 'Publications scientifiques'. In Biuletyn Polskiego Towarzystwa Językoznawczego 2: 77-81.

Szober, Stanisław. 1929c. 'Wiktor Porzeziński: życie i praca (1870-1929)'. In Prace filologiczne 14, 7-24; 29-33.

Wolf, Michaela. 1993. Hugo Schuchardt Nachlaß. Schlüssel zum Nachlaß des Linguisten und Romanisten Hugo Schuchardt (1842-1927). Graz: Leykam.

Herkunft der Digitalisate

Die von Viktor Karlovič Poržesinskij an Hugo Schuchardt verschickten Briefe befinden sich in:

Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen