Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (009-S.17-19)

von Hugo Schuchardt

an Reinhold Köhler

Gotha

15. 11. 1866

language Deutsch

Schlagwörter: language Rätoromanische Sprachenlanguage Romanische Sprachenlanguage Germanische Sprachen Schweiz Tirol Graubünden Schuchardt, Hugo (1885) Schuchardt, Hugo (1868)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Reinhold Köhler (009-S.17-19). Gotha, 15. 11. 1866. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2019). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6658, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6658.


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Gotha 15. Nov. 1866.

Lieber Herr Doctor!

[S. 17-19]

Meinen besten Dank für das übersandte Programm!

Und eine neue Anfrage: Haben Sie die im Centralbl. v. 20. Okt. d. J. angezeigte Schrift: Rösler Dacier und Romänen?1 Ich habe mich vergeblich bemüht, dieselbe zu bekommen und da Sie mit den von mir befolgten Ansichten im Widerspruch steht, so wäre mir Kenntnißnahme von ihr sehr erwünscht. Es werden jetzt nämlich gerade die Nachträge zum ganzen Buche gedruckt und zwar bin ich heute an die Stelle gekommen, wo eine Hinweisung auf jene Schrift am Platze wäre. –

Ich habe schon ein neues Projekt für meine schriftstellerische Thätigkeit. Nämlich eine Art Geschichte des Rhäto- |2| romanischen. Es würde darauf ankommen, die Sprachgrenze des Römischen und Romanischen gegen das Germanische in der Schweiz und Tyrol von frühester bis spätester Zeit zu bestimmen (kennen Sie Stricker, Die deutsch-welsche Sprachgränze vor 300 Jahren Frankfurt 1866?);2 die verschiedene Entwicklung, die das Romanische in Nachbargebieten, wie Wallis, Tessin, Graubünden nahm, aus Verschiedenartigkeit der Urbevölkerung, Isolierung u.s.w. herzuleiten, die Stellung des Churwälschen in der romanischen Sprach-Gruppe zu charakterisieren, seine Abstufungen gegen die oberit. Mundarten zu erläutern, und endlich die Beziehungen der einzelnen rhätoroman. Dialekte untereinander darzustellen. Ich hoffe, in nicht allzulanger Zeit Untersuchungen an Ort und Stelle vorzunehmen, wünsche mich aber darauf vorzubereiten. Hier fehlt es ziemlich an Werken über Geographie und Geschichte Graubündens. Es würde mich interessiren, vor der Hand zu wissen, ob Sie etwas Spezielles auf diesem Gebiete besitzen. Auch können Sie mir vielleicht |3| guten Rath im Allgemeinen geben.

Mit herzlichstem Gruße

Ihr ergebenster

Dr. H. Schuchardt.


1 A. v. G., Literarisches Centralblatt für Deutschland 43, 1866, 20. October, 567. Schuchardt setzt sich mit ihm an mehreren Stellen von Vokalismus des Vulgärlateins III, 1868 kritisch auseinander (S. 38, 42f.).

2 Nachweisbar nur: Wilhelm Stricker, „Die deutsche Sprachgrenze gegen Westen“, Unterhaltung und Belehrung IX, 1862, 248-250 ; vgl. auch Brief 05692.

Faksimiles: Die Verwendung dieses Exemplars im „Hugo Schuchardt Archiv” wurde von der Archivdatenbank des Goethe- und Schiller-Archivs gestattet. (Sig. S.17)