Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (350-187)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

19. 07. 1914

language Deutsch

Schlagwörter: language Saramakkanischlanguage Baskischlanguage Französisch Meillet, Antoine Eys, Willem Jan van Urquijo Ybarra, Julio de Darwin, Charles Köhler, Reinhold Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Wundt, Wilhelm Schuchardt, Hugo (1914) Schuchardt, Hugo (1893)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (350-187). Graz, 19. 07. 1914. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.6028, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.6028.


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19.7.’14

Lieber Freund

Für die Souler Almanache statte ich Ihnen meinen Dank ab, obwohl Sie sich ihn verbeten haben. Ich besitze nun alle Jahrgänge mit Ausnahme der von 1905, 1909, 1912 und 1913, einige sogar doppelt, was das Entzücken der Bibliophilen nach mir bilden wird. Es besteht nämlich ein Unterschied in den Titelblättern; es gibt offenbar eine Luxusausgabe für die Boulevardiers, die sich nicht nur durch teilweise rote Buchstaben (statt schwarzer) auszeichnet, sondern auch in der Angabe des Erscheinungsortes.

Parisenohne Angabe des Preises ; wie charakteristisch!
L. de Soulle-enianstärkeres Papier
Vaugirard-eko Karrikan, 58anLZ 1892
Saltzen da
MaulenAtharratzen
Detcheverry-enianMendiondo-Santzenian
Prezioa: Sos bat

|2| Es wäre mir sehr erwünscht gewesen wenn Meillet mit seinem Aufsatz über die hybridité linguistique noch meine ausführlichen Bemerkungen über Entstehung und Entwicklung der negerkreolischen Mundarten hätte berücksichtigen können. Der Druck meiner Arbeit über die Saramakkasprache (in den Schriften der Amsterdamer Akademie)1 wird voraussichtlich im September beendet sein. Es gewährt sicherlich einen Großen Vorteil, für die Verfasser wie für die Leser, wenn Sie sich über schwierige Probleme in Zeitschriften allgemeineren Charakters aussprechen; aber da das nur in mehr oder weniger dogmatischer Weise geschehen kann, so ist es für die die andrer Meinung sind, schwer zu Wort zu kommen.

Von meinem Standpunkt aus |3| bin ich sehr dafür daß die Randbemerkungen von van Eys das Licht erblicken; sie werden jedenfalls belehren und ich könnte wohl, wenn es notwendig erschiene, dazu ein und das Andere sagen. Ob es im Sinne von van Eys selbst wäre, wage ich nicht zu entscheiden. Ich selbst fühle mich unglücklich bei dem Gedanken daß man die Bleistiftnotizen die ich in manche Bücher eingetragen habe, nach meinem Tode überhaupt nur beachten könnte. Denn sie beruhen auf augenblicklichen Eingebungen, nebensächlichen Erwägungen usw., sind zum größten Teil geradezu unverständlich. Ich denke man müßte die Bemerkungen von van Eys mit Auswahl veröffentlichen (nicht bloß die zu meinen B. St. I), was Ihnen und Léons Bemühungen ja mit Zuversicht überlassen werden kann.

|4| Auf Ihre Frage (Jules de Urquijo) habe ich schon 1895 in einer Broschüre: Sind unsere Personennamen übersetzbar? geantwortet. Aber die Sachen haben sich seither sehr geändert. Auch unter den Deutschen verpönt man jetzt die fremden Taufnamen; ich glaube ein Louis Braun (so hieß mein Schulnachbar, der Sohn eines Bauern) wäre heute im Deutschen Reich nicht mehr möglich. Aber wir sprechen noch (auf wie lange?) von Charles Darwin, Jean Jacques Rousseau, Georges Lacombe (hier ist Schorschl sogar ganz volkstümlich) usw. Am Rücksichtslosesten sind immer die Italiener verfahren; wenn ich den Namen meines längst verstorbenen Freundes, des Märchenforschers Reinhold Köhler als Rinaldo K. gefunden habe, so ist mir das immer höchst lächerlich vorgekommen, denn es hat mich an den Räuber Rinaldo Rinaldini erinnert der unter den Deutschen durch ein gewisses Lied sehr populär geworden ist.

|5|Azkue hat mir kürzlich geschrieben; ich habe seinen Brief mit einem lachenden und einem weinenden Auge gelesen. Er will sich nun wieder der baskischen Sprachforschung zuwenden. Aber vom Wörterbuch sagt er nichts – er denke an eine baskische Akademie, an eine baskische Rhetorik, an eine allgemeine Grammatik des Bask., an Vorlesungen über Sprachw. mit Beziehung auf das Baskische. Und er verlangt von mir daß ich ihm litterarische Hilfsmittel (eher französische als deutsche – des Verständnisses halber) empfehle. Gütige Götter!

Auf solche Briefe zu antworten ist wirklich schwer, besonders für mich in meinen gegenwärtigen Umständen. Ich bin sehr abgespannt und angegriffen (wir haben bis jetzt abnormes Wetter gehabt) und |6| kann die größere Arbeit, die ich vor einiger Zeit begonnen habe, nicht zum Abschluß bringen. Habe in diesen Tagen Bekanntschaft mit Bergson (Einführung in die Metaphysik) gemacht und entdeckt daß ich immer ein ganz klein wenig Bergsonianer gewesen bin. Damit geht Hand in Hand die Lektüre von Fr. Mauthner dessen Werke (bes. die Kritik der Sprache) ich Ihnen empfehlen würde, wenn Sie nicht jetzt „andere Katzen zu peitschen“ hätten und jene Schriften weniger umfangreich wären.

Mit herzl. Gruß

Ihr erg.

H. Schuchardt

Ist von W. Wundts Sachen etwas ins Franz. übersetzt?


1 Druck Nr. 656: Die Sprache der Saramakkaneger in Surinam, Verh. d. K. Akad. v. Wet. te Amsterdam, Afd. Letterkunde. Nieuwe Reeks, Deel XIV N° 6, III-XXXV, 1-121.

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