Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (041-04067)

von Gustav Gröber

an Hugo Schuchardt

Straßburg

08. 03. 1883

language Deutsch

Schlagwörter: Sprachen im Pazifik Artikulation artikulatorische Phonetik Zeitschrift für romanische Philologielanguage Provenzalischlanguage Französisch Wolf, Michaela (1993) Meyer, Gustav/Schuchardt, Hugo (1882)

Zitiervorschlag: Gustav Gröber an Hugo Schuchardt (041-04067). Straßburg, 08. 03. 1883. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.5861, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.5861.


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[Poststempel: STRASSBURG ELSASS RUPRECHTSAU 8-3-83]1

Verehrtester Herr Coll.

Das 4. Heft des VI. Bds. der Zeitschrift wird dieser Tage ausgegeben; die Abzüge der Besprechung der Sittl’schen Schrift2 müssen Ihnen in Kürze zugehen. – Entschuldigen Sie, dass ich nicht schon früher auf Ihre Karte geantwortet habe, mit der Sie mir einige Bedenken bez. meiner Notiz über lz ng= ls ns mitheilten.3 1) lz nz bringt auch ns stets hervor statt beabsichtigtem ls ns, wenn ich l u. n energisch artikulire, d. h. die Zunge fest anstemme (also ihr die für die t-Articulation nöthige Stellung gebe) an die Zahnreihe oder an den festen Gaumen; ich bringe dagegen ohne Mühe ls u. ns hervor, wenn ich n u. l schwach articulire, den Vorschluß also so unfest mache, daß das Explosiv-tnicht möglich, vielmehr die Zunge die Stellung für s bei der l u. n-Articulation schon beinahe einnimmt u. nur eine kleine Erweiterung noch nöthig ist um sertönen zu lassen. Jenes unfest articulirte l scheint mir verbürgt 1) durch die Unterscheidung von l suau u. l fort in den Leys d’amors 2) durch die verschiedene Entwicklung von a) ls in l + s gegenüber b) ll + s im Provenzalischen:  a wird zu us, b) wird zu lfs). – Eine doppelte Articulation des n hat im Frz. u. Prvz. aber auch bei Voc[al] n u. Cons (+ s) stattgehabt ( cfr. manum, manus : pr.  mamas, frz. main mains; u. annum annos : pr. an(z) fz. an(z)); die Natur des intervocalen lat. n, das n suau nennen möchte, wage ich nicht genauer zu bestimmen; nöthig ist dies auch nicht, da n unter Mundrundverschluss gebildet werden kann; die für explos. t nicht mehr geeignet sind. – 2) Die Schwierigkeiten bei Annahme von Īts, ñts erkenn ich bereitwillig an, wenn ich die t-Epenthese auf Ī ñ für möglich erklärte, so stützte ich mich a) auf die provzal. Reimtrennung bei soltz (solidus) u. olhz (oculos) und bes. darauf, daß ich Īts, ñts hervorbringen kann, wenn ich das y-Element hinter l n sehr verkürzt articulire u. nur, immerhin hörbar, andeute. Spreche ich dagegen y hinterin il völlig deutlich aus, so komme ich ohnet direct zu s.

Genußreiche Ferien wünschend

Ihr ergebenster

GGröber.

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1 Die Postkarte stammt vom Jahr 1883, denn warum sollte Gröber fünf (!) Jahre später die Sonderabzüge zustellen? Allerdings hat Wolf, Nachlaß, 197 richtig gelesen. Der Stempelabdruck 1888 kann jedoch nicht stimmen; vgl. Lfd.Nr. 40-04039, wo es um die Sittl’sche Rezension geht.

2 Gustav Meyer / Hugo Schuchardt, „[Rez. von:] Dr. Karl Sittl, Die lokalen Verschiedenheiten der lateinischen Sprache mit besonderer Berücksichtigung des afrikanischen Lateins“, ZrP VI, 1882, 608-628.

3 Bezug nicht geklärt!

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 04067)