Hugo Schuchardt an Vatroslav Ignaz Jagič (55-s.n.)

von Hugo Schuchardt

an Vatroslav Ignaz Jagič

Graz

09. 12. 1899

language Deutsch

Schlagwörter: language Deutschlanguage Slowenischlanguage Bulgarisch Bartoli, Matteo Miklosich, Franz von Florenz Palermo Ragusa

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Vatroslav Ignaz Jagič (55-s.n.). Graz, 09. 12. 1899. Hrsg. von Claudia Mayr und Helena Reimann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4859, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4859.


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Graz 9 Dez 99.

Verehrter Herr Kollege,

Der von Ihnen unserer Klasse vorgelegte höchst interessante Bericht Dr. Bartolis veranlasst mich zu einer Bemerkung die Sie vielleicht die Güte haben ihm zu eventueller Berücksichtigung bei Herstellung der endgültigen Arbeit mitzutheilen.

Wir haben leider im Deutschen die Gewohnheit wenn wir von romanischen (und auch anderen) Ortsnamen Adjektive oder Bewohnernamen bilden, die romanischen Endungen mitherüberzunehmen, z. B. um mich auf italienische Fälle zu beschränken

Asti – Astig - ian-isch

Bergamo – bergam- ask-isch

Florenz – florent – in – isch

Padua – padu – an – isch

Palermo – palerm – itan – isch

Ragusa – ragus – ä – isch

Pavia – pav – es – isch

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Man bekommt den Eindruck einer Redoute mit allen möglichen Nationalkostümen Wir sollten uns hier die Magyaren und Slawen zum Beispiel nehmen. Ich für meinen Theil sage nun schon seit geraumer Zeit bergamosch, vegliasch u.s.w., und zwar nicht aus chauvinistischem Purismus, sondern um der wissenschaftlichen Konsequenz und Klarheit willen; wer weiss denn z. B. dass nach jenem Prinzip das Adj. von Macao macaistisch lautet oder umgekehrt das Subst. zu Burgalesisch Burgos? Ich verlange nicht, dass man mir nachfolge, allmählich wird das schon geschehen, man sagt manches nicht mehr, was man früher sagte, wie Persianer, Japanesen u.s.w. _ Wünschenswerth wäre es aber dass wo einmal |3| die einfachen deutschen Formen schon gebräuchlich oder geradezu herrschend geworden sind, man nicht mehr zu jenen barocken zurückkehre: also albanisch (wie schon Miklosich schrieb), istrisch u. a. B. selbst schreibt ganz gut dalmatisch statt dalmatinisch. Und warum tergestinisch statt triestinisch oder triestisch? Muglizanisch aber ist ein Ungeheuer wie es in deutschen Gewässern noch nie gesehen worden ist.

Was ist Ihre Meinung bez. des serbo-kr. na krkače? Es kommt auch im Slowenischen vor, sonst, so viel ich sehe (bezüglich des Bulg. bin ich nicht sicher) in keiner andern slaw. Sprache. Gibt es wirklich ein ursprüngliches |4|krkača, "Rücken“ “Nacken“? Ich möchte meinen, der präpositionale Ausdruck sei der ursprüngliche, wie wir im Romanischen im gleichen Sinne (huckepack) haben: a coccoloni, de cócoras en carcalh u. s. w., ja vielleicht stammt es aus dem Romanischen und hat sich an das slaw. krk angelehnt.

Mit verbindlichstem Gruß

Ihr ganz ergebener

H. Schuchardt

Ich schreibe dies kurz vor unserem (um 5 Uhr stattfindenden) grossen Hartel-diner, ausgehungert und furchtbar schläfrig.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Universitätsbibliothek Zagreb. (Sig. s.n.)