Richard Riegler an Hugo Schuchardt (03-09590)

von Richard Riegler

an Hugo Schuchardt

Klagenfurt

06. 04. 1911

language Deutsch

Schlagwörter: Andere Folklore Onomastik Portugiesischsprachige Literatur Etymologie Bedeutungswandellanguage Baskisch Schuchardt, Hugo (1912)

Zitiervorschlag: Richard Riegler an Hugo Schuchardt (03-09590). Klagenfurt, 06. 04. 1911. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4338, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4338.


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Klagenfurt, 6.4.1911.

Hochgeehrter Herr Professor,

Es tut mir leid, daß ich Herrn Hofrat nicht überzeugt habe.1 Ich tat mir etwas darauf zu Gute, daß ich dem großen Sprachforscher, der mir während meiner Studienzeit und auch später noch aus tausend linguistischen Nöten geholfen, auch einmal mit meinem Tierfolklore zu Hilfe kommen konnte. Da ich mich seit nunmehr sechs Jahren nahezu ausschließlich mit dieser Materie beschäftigte, so traute ich mir zu, das Rätsel von der „Hasenamme“ zu lösen.2 Vielleicht habe ich aber meinen Artikel3 zu sehr mit Details überladen, |2| so daß der Hauptgedanke nicht ganz klar hervortritt. – Nach meiner Meinung bietet das Wort gar keine Schwierigkeiten, wenn wir es nicht in seiner ursprünglichen etymologischen Bedeutung, sondern in der verallgemeinerten von „Hexe“ auffassen. Diesen Sinn hat ganz sicher mother of the mawkins = Lappentaucher. Das Hexenartige dieses Vogels liegt nicht nur in seinem fabelhaft schnellen Untertauchen, sondern wie ich nachträglich hinzufüge, in der merkwürdigen Verdickung des Kopfes, die an die Hexenhaube erinnert. Die Bedeutungsentwicklung scheint mir nun ganz einfach die: Hasenmutter, bzw. Hasenamme ist eine Bezeichnung der Holle (nach Wuttke-Meyer), die Holle wurde durch das Christentum zur Hexe, daher auch Hasenamme = Hexe. |3| Es handelt sich hier lediglich um das Vergessen der ursprünglichen Bedeutung, was man früher – glaub‘ ich – Katechrese nannte. Somit ist „Hasenamme“ nicht unlogischer als etwa das blechene Hufeisen oder Silbergulden. Wiesel = Hexe fügt sich treffend in die lange Reihe von Wieselnamen, die „Fee“ „dämonisches Wesen“ bedeuten. Ich meine, an dieser einfachen Bedeutungsentwicklung gibt es nichts zu beanstanden. – Auf einen Augenblick kam mir der Gedanke, die Erklärung des Namens in einer Stelle der alten Gesner’schen Naturgeschichte zu finden, wo es vom Wiesel heißt, daß es mit dem Hasen spielt und scherzt, bevor es ihn auffrißt. Es würde also in der Bedeutung „Amme“ eine grausame Ironie liegen. Allein es will mir nicht in den Sinn, daß die baskische |4| „Hasenamme“ von der schottischen „Hasenmutter“ zu trennen sei.

Damit will ich Sie, hochgeehrter Herr Hofrat, zum letzten Male mit der „Hasenamme“, die mir schon zum Incubus wird, belästigt haben.

Mit dem Ausdrucke

vorzüglicher Hochachtung

Ihr dankschuldiger

Riegler.


1 Zur Diskussion vgl. auch Schuchardts Brief vom 22.4.1911 an Georges Lacombe (HSA, Lfd.Nr. 115-074).

2 Schuchardt führt in ZrP 32, 215, unter anderen Wieselnamen auch baskisch erbiñdi (erbindori)an und fragt nach dem Sinn dieses Namens, den Riegler in seinem kurzen Aufsatz zu erklären sucht.

3 Riegler, „ Zwei mythische Tiernamen . Baskisch erbiñdi (erbindori) ,Wieselund schottisch mither o’the mawkins ,kleiner Lappentaucher‘, Wörter und Sachen 2, 1910, 186-189.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09590)