Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (040-01077)

von Ferdinand Blumentritt

an Hugo Schuchardt

Leitmeritz

24. 07. 1883

language Deutsch

Schlagwörter: Biographisches Sprachkontakt (allgemein)language Küchenböhmischlanguage Deutschlanguage Tschechischlanguage Küchendeutsch Labhart-Lutz, Johann Conrad Peters, Ignaz Schuchardt, Hugo (1884) Petters, Ignaz (1864)

Zitiervorschlag: Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (040-01077). Leitmeritz, 24. 07. 1883. Hrsg. von Veronika Mattes (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.431, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.431.

Printedition: Mattes, Veronika (2010): "Sa Profesor Schuchardt munting alay ni F. Blumentritt": Die Briefe Ferdinand Blumentritts an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 74., S. 63-237.


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Leitmeritz den 24. Juli 1883

Hochverehrter Freund!

Zuerst meinen Dank für die frdl. Beantwortung meiner casero- u. mantequero-Anfrage, ich habe diesfalls Labhart geschrieben, vermute aber schon jetzt, dass es Schweinearten sind.

Bezüglich des Küchenböhmisch1 verweise ich auf meinen Collegen Ignaz Petters2 (d.h. er schreibt sich jetzt Peters). Prof. am hiesigen k.k. Gymnasium. Sie dürften seinen Namen als Germanisten (gotische Conjecturen, Dialect-Forschung, Namensforschung) bereits kennen, ja wahrscheinlich mit ihm bereits persönlich auf irgend einem gelehrten Congresse zusammengekommen sein, da er Sie mir beschrieb, als er Ihre gütige Recension meines Vocabulars gelesen hatte.

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Peters ist hier im Mittelgebirge aufgewachsen, um dann seine Gymnasialstudien 1845-56 in der Czechenstadt Pisek zurückzulegen. Er antwortet etwas langsam.

Wenn es nicht ein lapsus calami ist, dass Sie in Ihrem Briefe mir von Neumann statt Niemann3 schreiben, dann ist es leicht möglich, dass er Ihr Schreiben gar nicht erhalten, ich schreibe ihm sofort, er ist sehr liebenswürdig.

Ich bleibe die Ferien hier, da ich an der Peripherie der Stadt in einem villaartigen Gebäude mit Garten wohne (mit Aussicht ins Grüne). Der Wald ist nicht 3 Kilometer entfernt, welche Entfernung meiner Hartleibigkeit sehr wohl thut, indem ich so gezwungen bin tüchtig auszugreifen.

Mit herzl. Grüssen

Ihr ganz ergebener

F. Blumentritt

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Küchendeutsch der Čechen. (plebs)4

1. Wir haben sich sehr gut unterhalten

2. sulche, sulichene = solche

3. Kuchel = Küche

4. Gruß, grußmechtig = groß, großmächtig (letzteres meist für "groß" gebraucht)

5. Wir håb'me = Wir haben

6. Ihr habte = Ihr habetSie håben, hobn = Sie haben

7. Plummen = Blumen

(Plummentritt = Blumentritt)

8. Wos hot er gsogt = was er gesagt hatte, was

9. hat er gesagt?

10. fluchte Kedl = verfluchter Kerl

11. Tylor = Tyrol (im Schriftčechisch Tyrol)

12. Ellent = Elend

13. Mei Suhn ise sich Professer = Mein Sohn ist Professor(authentisch)

14. Fehlwebl = Feldwebel

15. Káprahl = Corporal

16. Obrscht = Oberst

17. Fraitr = Gefreiter


1 Mit diesem Brief beginnt eine ausgedehnte Korrespondenz über die deutsch-tschechische Sprachmischung („ Küchendeutsch“/ „Küchenböhmisch“). Blumentritt, in Böhmen, sammelt Beispiele für Schuchardt. Dieser arbeitet gerade an seiner Abhandlung über das Slawo-Deutsche, das 1884 erscheint: Dem Herrn Franz von Miklosich zum 20. November 1883 Slawo-deutsches und Slawo-italienisches, in das die meisten der von Blumentritt gelieferten Beispiele einfließen. In der Einleitung bedankt sich Schuchardt für die Unterstützung Blumentritts (Schuchardt 1884a: 18).

2 Ignaz Peters (Petters), Lehrer für Latein und Deutsch am Staats-Obergymnasium von Leitmeritz, Ortsnamen- und Mundartforscher. Von Ignaz Petters stammt (1864) Andeutungen zur Stoffsammlung in den deutschen Mundarten Böhmens. Schuchardt erwähnt Ignaz Petters in Schuchardt (1884a) und bedauert, dass dieser seine Arbeiten zu den böhmischen Mundarten nicht fortgesetzt habe (1884: 64).

3 Der erste Brief Niemanns an Schuchardt ist mit 20.07.1883 datiert und war damit zu der Zeit des vorliegenden Briefwechsels zwischen Schuchardt und Blumentritt gerade auf dem Postweg. Schuchardt hat sich vermutlich dazu geäußert, dass er noch keine Antwort erhalten habe. Da Schuchardt eine sehr umfangreiche Korrespondenz mit Fritz Neumann (1854-1934, deutscher Romanist) führte, hat er sich in dem Brief an Blumentritt wohl verschrieben.

4 Der folgende Abschnitt ist von Schuchardt durchgestrichen, vermutlich um ihn als „bereits bearbeitet“ zu markieren.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01077)