Otto von Reinsberg-Düringsfeld an Hugo Schuchardt (01-09357)

von Otto von Reinsberg-Düringsfeld

an Hugo Schuchardt

Altenburg

20. 04. 1869

language Deutsch

Schlagwörter: Publikationsversand an Dritte Sendung unter Kreuzband (Drucksachen) Magazin für die Literatur des Auslandes Literarische Übersetzung L'Umbria e le Marche Privatbibliotheken Literaturhinweise / bibliographische Angaben Lexikographie Wörterbücher Canti Sprichwörterlanguage Italienische Dialektelanguage Süditalienische und extrem süditalienische Dialektelanguage Mittelitalienische Dialektelanguage Umbrische Dialektelanguage Apulische Dialektelanguage Germanische Sprachenlanguage Romanische Sprachen Reinsberg-Düringsfeld, Ida von Morandi, Luigi Imbriani, Vittorio Tommaseo, Niccolò Morri, Antonio Reinsberg-Düringsfeld, Ida von/Reinsberg-Düringsfeld, Otto von (1872–1875) Campiani, Raffaele (1944) Tommaséo, Niccolò (1842) Reinsberg-Düringsfeld, Ida von (Hrsg.) (1854–1859) Morri, Angelo (1840)

Zitiervorschlag: Otto von Reinsberg-Düringsfeld an Hugo Schuchardt (01-09357). Altenburg, 20. 04. 1869. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4287, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4287.


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Altenburg 20.4.69

Sehr geehrter Herr!

Um Ihnen zu zeigen, wie gern ich bereit sein würde, Ihren Wunsch zu erfüllen, sende ich sogleich 1 Ex. von Saggio di proverbi Umbri1 unter Kreuzband an Sie ab, mit der Bitte, sie mir nach der Benutzung zurückzuschicken, da es mein letztes Exemplar ist. Die „Canti“2 besitze ich nicht, da sie übrigens auch noch nicht erschienen sind. Der Verf. hat sie mir versprochen, aber bis jetzt warte ich noch vergeblich darauf.

Ein Theil derselben, von denen meine Frau auch einige (im M. f. L. d. A.)3 übersetzt und eingeleitet hat, standen in einer Nummer der |2|L’Umbria e le Marche vom vorigen Jahr, aber leider habe ich diese Zeitschrift, von der schon seit einigen Monaten keine Nummer mehr erschienen ist, bei meiner Bibliothek im Lagerhaus zu Leipzig, und die einzige Nummer des Magazins f. L. d. A., die wir besaßen, haben wir an Prof. Morandi gesandt. Sobald ich wieder an ihn schreibe, werde ich ihn bitten, mir 2 Ex. seiner Canti zu schicken, damit ich Ihnen eines davon zur Verfügung stellen kann, doch dürfte dies wohl noch etwas lange dauern. In Italien geht, wie Sie erfahren haben werden, nichts rasch, und was man nicht an Ort und Stelle erhält, bleibt leider meist „Versprechen“.

Ein Sig. Desimon4, der bereits im Herbst ein Werk über die terra d’Otranto herausgeben wollte, in dem er den apulischen Dialekt ausführlichst behandelt hat, erbot sich mir die Aushängebogen zu schicken, damit ich sie noch zu unserem Sprichwörterlexikon der |3|germanischen und romanischen Sprachen5 benutzen könne, aber ich habe noch keinen Bogen gesehen.

Ebenso hat Dr. Bruni zu Neapel ein großes Buch über den Dialekt der Abruzzen bearbeitet, das seit – 1850 gedruckt werden „soll“.6

Die größte Sammlung italienischer Volkslieder aus allen Dialekten besitzt Prof. V. Imbriani7, der in Berlin studirt hat und sehr sehr gut Deutsch spricht, seiner Zwecke wegen aber seine Professur in Neapel aufgegeben hat, um bald da, bald dort zu leben. Ich traf ihn zuletzt in Florenz, wo auch der blonde8Tommaseo, der Herausgeber der Canti corsi, toscani etc.9 wohnt. Letztere hat meine Frau bereits 1854 übersetzt (2. Aufl. Prag 1860)10, die Originale sind in Weimar11.

Vom Romagnuolo gibt es ein treffliches Lexicon von Morri12, das Ihnen jedenfalls bekannt sein wird.

Ein in der Mark sehr beliebter Volksdichter, den ich in Rimini persönlich kennen lernte, versprach mir eine Abschrift seiner Lustspiele im Dialekt, die er auf |4| meine Kosten machen lassen sollte, aber – ich soll sie noch erhalten.

Sie sehen, es ist uns nicht besser gegangen, als es Ihnen ergangen zu sein scheint.

Indem ich nochmals bedaure, Ihnen nicht dienen zu können, schließe ich mit der Versicherung hochachtungsvoller Ergebenheit
Frh. v. Reinsberg-Düringsfeld


1 Luigi Morandi, Saggio di proverbi umbri raccolti ed illustrati, Sanseverino-Marche 1869. Der Verfasser (1844-1922) war Schriftsteller und Sprachlehrer; Schuchardt korrespondierte mit ihm von 1870-75 (HSA, Lfd.Nr. 07466-07496).

2 Nicht nachweisbar, daher wohl nicht erschienen. Die Korrespondenz des Ehepaars Reinsberg-Düringsfeld mit Morandi findet sich in Florenz, Biblioteca Nazionale Centrale, Fondo Luigi Morandi 024/046, 024/047, 051/007.

3 Magazin für die Literatur des Auslandes 18, N° 2, 1869, 24: „Seit dem 15. Mai 868 erscheint zu Spoleto, herausgegeben von Professor Luigi Morandi, eine Rivista letteraria e scientifica unter dem Titel: L’Umbria e le Marche. Ihr Inhalt ist, wie der Titel sagt, halb literarisch, halb wissenschaftlich. […] Den werthvollsten Beitrag hat sie im Novemberheft 1868 in einer Anzahl ,Umbrischer Volkslieder‘ gebracht, deren Fortsetzung verheißen wird. Einige der originellsten theilen wir nachstehend in Original und Uebersetzung mit, indem wir nur bemerken, daß wir uns erlaubt haben, in der letzteren die pikante Naivität der ersteren an einer Stelle ein wenig zu dämpfen“. (Es folgen fünf Gedichte im umbrischen Dialekt in hochdeutscher Übertragung).

4 Vermutlich ist Luigi G. De Simone gemeint, der in dieser Zeit verschiedentlich über die Geschichte von Otranto publiziert hat.

5 Ida von Düringsfeld / Otto Freiherr von Reinsberg-Düringsfeld, Sprichwörter der germanischen und romanischen Sprachen, Leipzig 1872-75. Im ersten Band, der „Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser Wilhelm dem Siegreichen, ihrem Heldenkönige“ gewidmet ist und eine wichtige Einleitung (S. V-XII) enhält, wird auch Schuchardt gedankt (S. XII).

6 Nicht identifiziert.

7 Vittorio Imbriani (1840-1886) war ein italienischer Romanist und Autor, der in Berlin bei Karl Ludwig Michelet und Friedrich Adolf Trendelenburg Philosophie studiert hatte.

8 Vgl. sein Selbstporträt: „Entro due giorni io partirò per Ancona … Sette giorni farò di contumacia in Ancona, quindi colla diligenza partirò per Firenze; ed allora voi vedrete: un ometto di capel biondo, di occhi languenti, di muso goffo, di parlar grave, di andar grave, nemico dei complimenti, di beaux-mots, pio, severo, all’antica. Armatevi di pazienza e d’amore“ (zit. nach Raffaele Ciampini, Studi e ricerche su Niccolò Tommaseo, Rom 1944, 75).

9 Canti popolari toscani, corsi, illirici, greci, Venedig 1842 (insges. 4 Bde.).

10 Lieder aus Toskana. Hrsg. von Ida von Düringsfeld, Dresden 1855 (nicht 1854).

11 In Weimer, GSA findet sich nur 1 Bl. mit vier eigenen Gedichten (Sign. 96/563).

12 Antonio Morri, Vocabolario romagnolo-italiano, Faenza 1840.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09357)