Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (021-01058)

von Ferdinand Blumentritt

an Hugo Schuchardt

Leitmeritz

27. 01. 1883

language Deutsch

Schlagwörter: Fragebogenversand Sprachprobelanguage Spanisch (Philippinen)language Portugiesischbasierte Kreolsprache (Macao)language Chinesische Sprachenlanguage Kantonesischlanguage Spanischbasierte Kreolsprache (Philippinen)language Tagalog Goa Blumentritt, Ferdinand (1879) Blumentritt, Ferdinand (1882) Mattes, Veronika (2007)

Zitiervorschlag: Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (021-01058). Leitmeritz, 27. 01. 1883. Hrsg. von Veronika Mattes (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.410, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.410.

Printedition: Mattes, Veronika (2010): "Sa Profesor Schuchardt munting alay ni F. Blumentritt": Die Briefe Ferdinand Blumentritts an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 74., S. 63-237.


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Leitmeritz den 27. Januar 1883

Hochverehrter Herr Professor!

Der mejicanische Caballero hat in der That auch mir den Fragebogen zugeschickt und ich bin auch bereits thätig die von ihm gewünschten Daten zu verschaffen, so dass Sie nicht erst Ihre Zeit dadurch zu verlieren brauchen.

Was die Portugiesen v. Macao1 anbelangt, so kann ich über deren Beziehungen zu den Philippinen kurz folgendes berichten, bemerke aber vorher, dass ich erwarte, dass falls Sie noch weitere datailliertere Aufschlüsse wünschen Sie es mir schreiben, da ich dazu mit um so größerer Bereitwilligkeit Ihnen zur Verfügung stehe, als ich über diese Materie ziemlich viele Notizen mir aufgezeichnet habe:

Vor der Personal-Union der Kronen Spaniens und Portugals fand kein regelmäßiger Handelsverkehr zwischen Manila u. Macao (damals Macan von den Spaniern bis in’s XVIII. Jhdt. hinein geheissen) statt, selbst die Landung spanischer Mönche wurde von den port. Gobernatoren nicht geduldet. Dasselbe Verhältnis hielt auch in den ersten Zeiten der Union an, Noch im Jahre 1595 confiscierten die Portugiesen ein spanisches Schiff, welches der Vicekönig von Perú ausgerüstet hatten, indem sie sich beriefen auf Cedulas Reales provisiones, en que se vedaba el comercio de el Perú con China y Philipinas. Obwohl also direct der Verkehr zwischen Manila u. Macao nicht verboten war, so unterblieb doch jeder Verkehr, da die spanischen Kaufleute die chinesischen Waaren billiger in Manila selbst von der jährlich anlangenden Dschonkenflotte2 aus Amoy3 (Emuy der Spanier) erhielten, während die Portugiesen von Macao den Handel Chinas mit Lissabon allein vermittelten.

Das Erscheinen der Holländer in den ostindischen Gewässern änderte die Sachlage.4 Die Kreuzer derselben blockierten die Malacca-5 u. Prinzenstrasse und unterbrachen auf diese Weise den directen Verkehr zwischen Macao und Goa6, während der Verkehr zwischen Manila und Neuspanien zwar öfter aber nicht constant durch das Erscheinen holländischer Caper in den philippinischen Gewässern gestört wurde. Eine Folge hievon war, dass die portugieseischen Kaufleute von Macao ihre Schiffe (meist kleine Pataches7, öfter aber auch chinesische Dschonken) nach Manila segeln ließen. Der Verkehr zwischen diesen beiden Häfen wurde ein um so regerer, als der Vicekönig von Goa nicht mehr in der Lage war Macao militärisch zu schützen, weshalb die Generalcapitäne der Philippinen dieses Amt übernah[men].

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Dieser freundliche Verkehr zwischen beiden Häfen blieb selbst nach der Trennung Portugals von Spanien aufrecht und zwar aus folgenden Gründen: Portugal verwickelte sich in einen Krieg mit Holland u. so war es ihm wieder unmöglich direct mit dem Mutterlande in Verkehr zu treten, andererseits hatten auch die Spanier es nöthig direct mit China in Verkehr zutreten, denn der Bedarf an chinesischen Waaren war größer als der Import durch chinesische Fahrzeuge, denn die Zahl der einlaufenden Dschonken verringerte sich und noch mehr die relative Quantitaet der Waaren, und zwar aus dem Grunde, weil einestheils Batavia auf die Chinesen eine ungemein große Anziehungskraft auszuüben anfing und weil anderntheils nach der Bewältigung des Chinesen-Aufstandes v. J. 1639 die “Himmlischen” von den spanischen Behörden außerordentlich chicaniert wurden.8 Gegen das Ende des XVII. Jahrhundertes nahm dieser Handelsverkehr, es kamen jährlich nur 1-3 Macao-Schiffe nach Manila, während aus diesem Hafen keine Fahrzeuge Macao anliefen. Diejenigen Worte, welche der Macao-Lenguaje mit dem philippinischen gemein hat, dürften nach meiner Ansicht von den Philippinen nach jener Portugiesenstadt gebracht worden, insoferne es nicht solche Worte sind, welche im gesammten Archipel Ostasiens bräuchlich wären, wie z.B. Cambaya ó Cabaya, Sagú, Cotta etc. Dass diese den beiden Lenguajes gemeinsamen Worte nicht über Macao nach den Philippinen kamen sondern umgekehrt, schließe ich aus folgenden Gründen: 1.) Es haben sich keine Colonisten oder Kaufleute aus Macao in Manila niedergelassen. 2) Die portug. Schiffe, welche von Macao nach Manila kamen, waren nie zahlreich höchstens 10-12 im Jahre in den Zeiten der größten Blüte. Ihre Bemannung bestand aus Malayen, Laskaren9, Chinesen und Negersclaven, nur der Capitan, piloto, maestre, und contra-maestre waren Portugiesen. 3.) Von circa 1603 an bis 1642 besassen die spanischen Augustiner und Dominicaner in Macao trotz der Proteste des Municipiums in Macao Ordenshäuser, von welchen aus die Missionäre nach den benachbarten chinesischen Provinzen Canton und Chincheo (heute: FO-kien10) abgiengen. Der Lebensgang dieser Missionäre war folgender: Von Spanien oder Amerika angekommen, wurden sie zunächst in Manila ]in Manila[ in dem Kloster des betreffenden Ordens in einer der Sprachen des Archipels unterrichtet, hatten sie sich die Rudimente angeeignet, so kamen zu einem Pfarrer auf das Land, wo sie sich im Gebrauche der diesbezgl. Sprache befestigten.

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Erst nach geraumer Zeit wurden sie den Missionären, welche auf den Philippinen selbst mit der Christianisierung der noch ununterworfenen oder erst kürzlich unterworfenen Heiden sich beschäftigten, zugetheilt. Nachdem sie in diesen Eigenschaften mehr als ein Decennium hindurch ihrem Orden gedient (Ausnahmen fanden nur selten statt, da auf den Philippinen oft trotz der großartigen Mönchsimportation sich ein Mangel an Priestern fühlbar machte), wurden sie nach Manila zurückberufen, um zunächst in den Sangleyes11 cristianos die chinesische Sprache (Canton od. Amay-Dialect) zu erlernen, hatten sie einigermaßen sich dieselbe geläufig gemacht, so suchten sie die zu Manila angesiedelten heidnischen Chinos zu bekehren, dies war aber nur bei den Dominicanern die Regel, weil dieselben eine bessere Gelegenheit hiezu dadurch besassen, dass ihnen die chinesische Pfarre von Binondo12 zugetheilt worden war. Dann erst giengen die Missionäre nach Macao, um dort die Sitten und Bräuche etc. der Chinos sich besser aneignen zu können, erst dann giengen sie nach dem eigentlichen China ab. Ich glaube dass diese Mönche wohl einiges von dem Lenguaje filipino nach Macao gebracht, zumal auch späterhin jene beiden Orden freilich nur zeitweilig Niederlassungen oder wenn man will Filialen in Macao besassen. Auch ist nicht zu vergessen, dass wenn auch nicht oft, so doch spanische Truppen nach Macao geschickt wurden, um daselbst ihre ganze Dienstzeit zu verbringen, denn zurückgezogen wurden diese destacamentos nicht (aber auch nicht ergänzt: eine Art Austerbeetat [sic]). Es wäre sehr interessant zu erfahren, ob nicht durch diese spanischen Soldaten (welche zu großen Theilen Mejicaner waren) nicht auch mejicanische Worte sich in den Lenguaje dieser portugiesischen Colonie eingschlichen haben. –

Soll ich nicht Ihnen auch die Ergänzungen und Berichtigungen Labharts13 senden? Heute will ich Ihnen nur einiges, was ich noch nachgesammelt mittheilen.

28. Jan. 1883

ALMÁCIGA ... resina que benefician (los Mandayas) del árbol llamado Barú.

AMAÑAR + = amainar, esto es bajar ó recoger las velas paraque no se caminase

tanto

BACALAN Las tierras recien abiertas para el cultivo de arróz.

BANBAN14 = canal

BARRACHEL + lo mismo que jefe de los alguaciles

BOCACI +, telo [sic] de lino engomada, más gorda y basta que la “holandesa”.

BOTLOC, la persona que padece la enfermedad Berber.

CAMEAPE, cama

CORREDORES ... hay en todas las cosas [sic] los llamados

corredores que sobresalen de la edificacion á partir del piso

superior, de 4 á 5 piés, y estan formados de madera, por medio de ventanas .........

DESPENSERA Pfarrersköchin

FRANCISCANO ... el llamado F. por ser exclusivo de los religiosos

de esta órden es el mejor (Tejido) en la clase de guingones

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GARROFA, especie del mero

GORGORETA botijo para agua.

GUINUMIT Tejido de algodon que se usa para trajes, si bien su

mayor aplicacion es para cortinas.

ILONGO, Bewohner von Ilo-ilo

LACERIA +, miserias, trabajos

LAMON, Lansium domesticum

LANTACA, especíe de cañon de 40’6 centímetros de calibre.

MAMON, especie de confitería

NEGRETE, Bewohner der Insel & Prov. Negros

ÑOR, señor

PALMERO nennt manjede große schön gewachsene Palme (Labhart)

PANCA, Windschirm

PANCADA +, y se les (vecinos de Manila) permite el venderlas (mercaderias

chinas) por junto y conforme á la órden que dejó introducido [sic] el Gobernador ... Dasmariñas. Se les tasa en monton por personas diputadas para ello y luego se reparten y distribuyen entre los vecinos, paraque todos participen del comercio; modo que está aprobado por carta acordada del 17 de enero de 593 y es lo que llaman la pancada.

PATANDION, visaya-Form von patadón.

QUÍZAME, la tabla delgada de los techos

RAYADILLO, tejido blanco y azul (de algodon)

RECARGO, Steuerzuschlag als Ersatz für das abgeschaffte Branntweinmonopol.

SAGURAN de las pencas del Burí se construyen tambien una especies de esteras

llamadas S.

SARI-SARI15 Garküche für Indier u. Chinos á Manila.

Ich schicke Ihnen lieber die Labhartschen Zusätze gleich mit16.

Mit herzlichen Grüssen

Ihr

ganz ergebener

F. Blumentritt


1 Portugiesische Kolonie unter chinesischer Souveränität, portugiesisches Zentrum in Asien.

2 Dschonken: alte Schiffsform der Chinesen.

3 Xiamen, Provinz Fujian, China.

4 1622 wurde ein Eroberungsversuch Macaos durch die Niederländer erfolgreich abgewehrt.

5 Straße von Malakka: zwischen Sumatra und malaiischer Halbinsel, verbindet die Andamanensee mit dem Südchinesischen Meer.

6 Portugiesische Kolonie 1510-1961.

7 Als Pataches wurden bestimmte Versorgungsschiffe bezeichnet.

8 Blumentritt hatte 1879 eine Abhandlung über Die Chinesen auf den Philippinen geschrieben.

9 Indische Matrosen oder Kanoniere.

10 Fokien oder Fu-kian, chinesische Provinz an der Küste.

11 Sangley: philippinische Bezeichnung für chinesische Einwanderer (von Hokkien Chin. seng-di: business); hier sind vermutlich christliche chinesische Gemeinden gemeint.

12 Viertel in Manila, in dem die christianisierten Chinesen angesiedelt waren.

13 Vermutlich zu Blumentritts Vocabular (1882d).

14 C1V1C2C1V1C2 ist im Philippinischen eine häufig vorzufindende Silbenstruktur bei Lexemen für Bezeichnungen aus der Natur, wie Pflanzen, Tiere, Gewässer, etc. (s. Mattes 2007: 58-64).

15 Tag. sari-sari „Verschiedenes, Gemischtes“; heute z.B. in Sari-sari Store im Sinne von „Gemischtwaren“ gebräuchlich.

16 Diese konnten im Nachlass leider nicht ausfindig gemacht werden.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01058)