Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (002-005)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

07. 03. 1907

language Deutsch

Schlagwörter: Dialektelanguage Baskisch

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (002-005). Graz, 07. 03. 1907. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3785, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3785.


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Graz 7. 3. '7.

Sehr geehrter Herr,

Auf Ihre Anfrage in betreff der Form dauntza erlaube ich mir folgendes zu antworten, indem ich die in meiner Einleitung zu Leiçagarra S. LXXIII gegebene Andeutung weiter ausführe.

Die Unregelmässigkeiten in der Konjugation von etzan erklären sich durch den Einfluss von egon, dem es in der Bedeutung nahe steht. Und zwar zeigt sich die Wirkung auf doppelter Stufe.

1)dautza. Während das Bizcaische regelrecht datzaz hat (wie dagoz, dabiltz, doaz), scheint man in den andern Mundarten zunächst das stammhafte -tza- mit dem |2| pluralischen -tza (vgl. doatza, dabiltza) verwechselt und datza im Sinne von „sie liegen“ gesagt zu haben, dann aber, da datza auch „er liegt“ bedeutete, würde man um es von diesem zu unterscheiden, als Pluralzeichen das -u- eingeführt haben, welches in daude enthalten ist und hier allerdings den Stamm selbst darstellt (da-go-de), nicht die 3.P.Pl. Also, kurz gesagt, guip. dautza, gautza, zautza folgen der Analogie von daude, gaude, zaude.

2)dauntza. Der Ursprung des -n- ist in der 1.P.Pl.Imp. von egon zu suchen, welche im Bizc. regelrecht lautet: gengozan (ebenso gentzazan von etzan), im Guip. aber geunden (unter Einfluss des Präs. gaude). Das Lab. hat aus der Vermischung von geunden mit gineude(zi)n die Form gineunden gewonnen (sie findet sich auch bei Leiç.), welcher die soul. ginaundan entspricht. Im Einklang mit diesem |3|gineunden von egon steht nun das lab. ginauntzan von etzan. Die weiteren Schritte hat aber etzanauf eigene Hand getan. Zunächst ist zu ginauntzan die 3.P.Pl.: zeuntzan gebildet worden, während von egon im Lab. (wie im Guip.) nur die Form ohne -n- zeuden (zeudezin) belegt ist. Aus dem Imperfekt ist schliesslich das -n- in das Präsens eingedrungen: wie ginauntzan, zinauntzan, zeuntzan, so gauntza, zauntza, dauntza. Denn die Pluralformen des Präs. und des Imperfekts pflegen sich miteinander in Übereinstimmung zu setzen, gewöhnlich allerdings ist das Präsens das Tonangebende.

Mit hochachtungsvollstem Gruss Ihr ergebener
H. Schuchardt

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Unsere Briefe haben sich gekreuzt. Ich danke Ihnen bestens für Ihre Mitteilungen. Ich glaube dass dauntza so erklärt werden muss wie ich umstehend auseinandergesetzt habe. Einfach ist die Erklärung freilich nicht, aber sie kann es auch keinesfalls sein. Wenn Sie sie in Übersetzung veröffentlichen wollen, ist es mir recht; bei dieser Gelegenheit könnte auch meine Bemerkung über die Schreibung Leiçagarra angebracht werden.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 005)