Josef Priebsch an Hugo Schuchardt (08-09019)

von Josef Priebsch

an Hugo Schuchardt

London

11. 10. 1893

language Deutsch

Schlagwörter: Literaturhinweise / bibliographische Angabenlanguage Spanischlanguage Galicisch

Zitiervorschlag: Josef Priebsch an Hugo Schuchardt (08-09019). London, 11. 10. 1893. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3715, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3715.


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29 Bloomsburystreet W.C. London 11./X.93.

Hochverehrter Herr Professor!

Erlauben Sie mir, mit diesen Zeilen Ihnen eine ergänzende Mittheilung zu meinem letzten Schreiben zu machen. Soeben habe ich das bewußte glossirte Poenit. in gekürzter Gestalt bei Wasserschleben, Die Bussordn. d. alten Kirche, Halle 1851, wiedergefunden, welcher es unter dem Namen: Poenit. Vigilianum aus einem ms des Escurial abgedruckt hat.1 Der Cod. stammt aus dem Jahr 976 nach  Ballerini (De ant. can. coll. p. 207). Im Interesse der Glosse: mala magatia u. der wunderlichen Strafbestimmung, welche sie enthält, citire ich zu der Stelle Wass. p. 71: „Auf eigenthüml. span. Sitten u. Gebräuche weist c. 84 hin: „Qui in saltatione femineum habitum gestiunt et monstruose se fingunt et majas et orcum et pelam et his similia exercent“. Offenbar ist hier von Verkleidungen u. wunderl. Darstellungen die Rede: orcum bedeutet zuverlässig den orco der älteren spanischen Nonnen, den O gr(sic!) der Franzosen; es ist der wilde Mann unserer Kindermärchen, ein meist einäugiges zykl.artiges Ungeheuer; maja hängt wahrscheinlich mit dem span.majo u. maja zusammen, womit junge Leute auf dem Lande bez. werden, welche durch eine affekt. u. übertriebene Eleg. der Kleidung …. sich auszeichnen … pela bed. Im Span. einen reich gekleideten Knaben, welcher am Frohnleichnamsfeste auf den Schultern eines Mannes tanzend getragen wird …?!!! (Mittheil. von Prof. Blanc)“. Beides aber sind moderne Worte u. können nicht in einem Cod. d. X. s. vorkommen; pela ist gallic. Es sind also Schreibefehler wie aus den Var. des Cod. Lond. hervorgeht; wo ich lese: malas, arcum, palam ersteres Wort ist mir aber unverständlich.

Gestatten Sie mir noch, hochgeehrter Herr Professor, Ihnen von der Veränderung meiner Wohnung Nachricht zu geben. Ich wohne: 29 Bloomsburystr. W.C.

Mit der Bitte, diese abermalige Belästigung von meiner Seite gütigst entschuldigen zu wollen, verbleibe ich

Ihr ganz ergebener
Josef Priebsch


1 Friedrich Wilhelm Wasserschleben (Hrsg.), Die Bussordnungen der abendländischen Kirche nebst einer rechtsgeschichtlichen Einleitung, Halle 1851, 527f.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09019)