Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (71-10833)

von Leo Spitzer

an Hugo Schuchardt

Wien

13. 04. 1917

language Deutsch

Schlagwörter: language Englisch

Zitiervorschlag: Leo Spitzer an Hugo Schuchardt (71-10833). Wien, 13. 04. 1917. Hrsg. von Bernhard Hurch (2014). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.1658, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.1658.

Printedition: Hurch, Bernhard (2006): Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt. Berlin: Walter de Gruyter.


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Wien, Freitag

Verehrter Herr Hofrat,

Über engl. crow weiß ich nur das, was bei Riegler S. 156 (to eat crow) steht.

Mein Ausdruck "philologische Begabung" ist doch Karikatur, Übertreibung, Überschwang! Ich meinte an der betr. Stelle etwas Ähnliches wie unser geläufiges "dazu gehört schon Talent" oder derlei! – Wenn sich nach Ihrer Annahme das Seelische verändert und daher auch äußerlich, d.h. sprachlich, ausdrückt, so verstehe ich nicht, wieso désirer plötzlich eine andere "seelische" Beschaffenheit bekommen sollte. Das Seelische am Begehren bleibt doch wohl für alle Zeiten gleich – womit ich natürlich nicht meine, daß die Nuancen des Begehrens immer gleich seien. Der "Trieb" ist natürlich nicht im Wort, sondern im Sprechenden!

Der Ausdruck "Sprachminderung" hat auch bei den Hörern des Vortrags Befremden erregt. Es zeigte sich allerdings dabei, daß die wenigsten unter den Hörenden (darunter greise Professoren) v. d. Gabelentz gelesen hatten... Übrigens klatschten alle, die gekommen waren, um mich zu "verspeisen", nachher Beifall!

Ergebenste Grüße
Spitzer

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Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10833)