Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Gattung: Lyrik
Genre:
Autoren:
Komponisten:
Zeitraum Entstehung: 1755 +/- 5
Hauptvariante (Text):
Musikvarianten:
Kommentar:

Das Bauerngesinde zählte neben Kleinhäuslern, Tagwerkern und Inleuten zur untersten Schicht der ländlichen Bevölkerung und war in der patriarchalisch strukturierten bäuerlichen Welt ständig von Ausbeutung und Übergriffen bedroht. Schon 1680 kritisiert der Steyregger Pfarrer und Jesuitenpater Franz Settelin in seiner Agricultura spiritualis die vielen „Herren und Frauen, welchen leider ist und härter verschmerzen, wenn ihnen ein Pferd oder Vieh, ein Hund oder Katz verreckt, als wann ihnen ein Ehehalt stirbt.“ Daran änderten auch die zahlreichen Dienstbotenordnungen nur wenig, die vorrangig die Interessen der Arbeitgeber, nicht der Arbeitnehmer verfolgten. Noch die Dienst-Botten-Ordnung für das Land Österreich ob der Enns von 1756 wendet sich vor allem gegen Dienstboten, die zu früh aus ihrem Dienst austreten, und verstärkt noch die Druckmittel der Arbeitgeber durch die Verpflichtung der Dienstnehmer, mit Kundschaften (Arbeitsnachweisen) ihre Anstellungen zu dokumentieren. Erst der u.a. kriegsbedingte Arbeitskräftemangel verbesserte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Arbeits- und Lebensbedingungen des bäuerlichen Gesindes und ermöglichte ein freieres Arbeitsverhältnis.

Ist der erste Teil dieses frühen, wohl um 1755 entstandenen Gedichts Lindemayrs eine durchaus sozialkritische, komisch nicht gebrochene Schilderung des authentischen Arbeitsalltags eines Bauernknechts mit extrem langen Tätigkeitszeiten und harten Arbeitsbedingungen bei unzureichender Kost und schmalem Lohn, so zeigt sich der zweite Teil in der Tradition des Bauern- bzw. Knechtspotts, wie er uns in recht ähnlicher Form etwa aus Rollenliedern des 17. Jahrhunderts bekannt ist. Verlacht wird in erster Linie nicht die realistisch geschilderte ökonomische Notlage, sondern der Umgang des Betroffenen mit dieser Situation. Lächerlich wird der Bauernknecht durch seinen naiven Glauben, in der Stadt Karriere machen und in einen höheren Stand wechseln zu können. Diese nach konservativer Vorstellung sündhafte Verkennung der gottgewollten ordo der Stände wird in einer Klimax der irrealen Perspektiven dargestellt: Ohne Empfehlungen eine adäquate Lehrstelle in der fernen Residenzstadt zu bekommen, ist schon schwer genug, ohne Geld das großspurige Leben eines Studenten zu führen, wäre schlichtweg Betrug und als mittelloser Landflüchtiger eine fehlerlose, ebenso schöne wie reiche Braut zu finden, ein unglaublicher Zufall. Weitaus realistischer ist – so weiß der Zuhörer – die Aussicht für den ambitiösen Knecht, als beschäftigungsloser Vazierender aufgegriffen und nach der herrschenden Gesetzeslage zum Militärdienst zwangsrekrutiert zu werden.

Literatur:
Permalink: http://hdl.handle.net/11471/510.15.381
Zuletzt geändert: am: 6.9.2016 um: 11:50:06 Uhr