Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Gattung: Lyrik
Genre:
Autoren:
Komponisten:
Zeitraum Entstehung: 1750 +/- 5
Hauptvariante (Musik):
Musikvarianten:
Textvarianten:
Kommentar:

Die beiden Lieder 'So bhiet dich Gott du eitli Welt' und 'Nu schauts ih bin halt doirtä gwöst' sind thematisch im engen Zusammenhang mit dem rusticus-imperans-Motiv zu sehen, wie es auch in 'Ferten in Hörist, hibsch spat um Martini' ausgestaltet ist.

Als Schwankstoff war die Himmelsfahrt einer Figur aus der bäuerlichen Lebenswelt nachweislich bereits im ausgehenden Mittelalter bekannt und erfreute sich in der Volksdichtung offenbar großer Beliebtheit. So nimmt etwa Johannes Bolte in seine frühe Sammlung von Bauernliedern das Mundartlied 'Ju hai, sä sä, es ist schon khrodn' [Der bairische Bauer im Himmel] auf, das in einem um 1685 geschriebenen Codex mit Melodie überliefert ist. Anders als in Lindemayrs Lied ist dort (wie zumeist) die Szenerie in himmlische Gefilde verlagert, deren Vorzüge das bäuerliche Ich in komischen Kontrast zum tristen Erdendasein setzt. Lindemayr dagegen setzt an beim Entschluss des Bauern, in den Himmel zu reisen, ein Thema, wie es etwa auch der Chorregent Joseph Hölzl für seinen Faschingsschwank 'Lächerliche Heiligkeit' wählt, der 1751 im Refektorium der Professoren der Salzburger Benediktineruniversität aufgeführt worden war. Eine nähere Beziehung zwischen diesem Werk und dem besprochenen Lied ist durch die guten Lambacher Beziehungen zu Universität und Hof nicht auszuschließen, zumal Lindemayrs Arbeit in einem ähnlichen Zeitraum entstanden sein dürfte. Dass dieses Lied zumindest in Salzburg auch noch Jahrzehnte später bekannt war, belegt die (leicht zersungene) Fassung im Sammelband des Weingartener Benediktiners Meingosus Gaelle.

In durchaus traditionellen Bildern des barocken Bauernspotts gibt das Ich eine sehr irdische Interpretation der Himmelsfreuden, die ihn der Welt entsagen lassen. De facto aber projiziert er bloß die zeitlichen Freuden eines Herrenlebens, deren Nichtigkeit er selbst im Stil einer Vanitas-Klage anprangert, in höhere Sphären, wo sie als Ausgleich für das schlechte Erdendasein zu erwarten sind. Diese lächerliche Trivialisierung von Transzendenz – die ja u.a. bedingt ist durch die Ausblendung des Todes als empirische Voraussetzung – wird in der letzten Strophe noch intensiviert, wenn er seinen Gläubigern Schuldentilgung auf dem Postweg in Aussicht stellt – durch Himmelslohn.

Das Lied weist einen selbst für Lindemayr auffällig komplexen Strophenbau auf mit leichten Variationen von Reimschema und Metrik im Verlauf der Dichtung. Der erste Strophenteil, zwei kreuzgereimte geteilte (und durch die Wiederholungsfigur erweiterte) Vagantenzeilen, wird abgelöst von auftaktigen vierhebigen Kurzversen mit klingender Kadenz, teils alternierend, teils dynamisiert durch Doppelsenkungen; dann folgen zwei Dreiheber (in der vorliegenden Fassung graphisch zu einer Langzeile mit Binnenreim zusammengefasst) und zwei zumeist alternierende Vierheber mit stumpfer Kadenz, so dass es zu einem Hebungsprall mit dem Versanfang der auftaktlosen abschließenden Zeile kommt, deren fünfhebige Alternation mit Binnen- bzw. Schlagreimen noch akzentuiert ist. Zuweilen irritieren unerzwungene metrische Holprigkeiten, die für lindemayrsche Arbeiten ungewöhnlich sind. Sollten sie nicht der Überlieferung geschuldet sein, könnten sie auch auf eine recht frühe Entstehungszeit, noch in den 1740er Jahren hindeuten.

Literatur:
Permalink: http://hdl.handle.net/11471/510.15.380
Zuletzt geändert: am: 6.9.2016 um: 11:46:52 Uhr