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Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Gattung: Lyrik
Genre:
Autoren:
Zeitraum Entstehung: 1775 +/- 3
Hauptvariante (Text):
Textvarianten:
Kommentar:

Neben dem Neukirchener Meierhofverwalter Joseph Stainer und Achaz Wimmer, Mesner zu Stadl-Paura, ist der Glasermeister Johann Ferdinand Kastl das dritte Original aus dem Lambacher Umfeld, dem Lindemayr eines seiner gefürchteten Spottlieder widmete. Geboren wurde er am 1. Oktober 1746 als Sohn des Lambacher Hofglasers Philipp Erasmus Kastl. Wie sein älterer Bruder Franz Xaver, der Glasermeister in Wels wird, lernt auch Johann Ferdinand das Handwerk des Vaters und tritt nach seiner Gesellenreise in die Werkstätte seines Vaters ein, die er nach dessen Tod übernimmt. Am 17. August 1772 heiratet er Anna Maria Mühlnerin, die Tochter des wohlhabenden Schlierbacher Hofwirts Mathias Mühlner; soweit aus den Matrikeln ersichtlich, bleibt die Ehe kinderlos. Seinen poetischen Widersacher überlebt Kastl um ein halbes Jahrhundert: 86-jährig stirbt er am 17. Mai 1833.

Wodurch er sich den Unmut Lindemayrs zugezogen hat, ist nicht bekannt und die vielfältigen Vorwürfe des um 1775 entstandenen Spottlieds sind heute nicht mehr auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Nur mit Prügeln sei der Taugenichts dazu zu bringen gewesen, ein Handwerk zu erlernen, das er auch nach der Lehrzeit noch nicht zur Zufriedenheit beherrschte. So habe es ihn auf seiner Walz, die sich jedoch auf die nähere Umgebung beschränkte, nirgends lang gehalten. Gleichwohl soll er nach seiner Heimkehr – sogar mithilfe von gefälschten Dokumenten – vorgegeben haben, weit in der Welt herumgekommen zu sein und sogar seine Muttersprache vergessen zu haben. (Ein Topos der Lach- und Spottliteratur übrigens, der uns bereits im Meier Helmbrecht Wernhers des Gartenære begegnet und den Lindemayr später u.a. auch in seinem Lustspiel Der heruntergesetzte Herr von Hochaus verarbeitet.) Trotz seiner Ungeschicklichkeit, die zu langen Wartezeiten führt, ließe Kastl keine Konkurrenz in Lambach zu, er selbst aber würde zum Unmut seiner Zunftkollegen aus Habgier durchaus auch auswärts, an außerhalb seiner Befugnis liegenden Orten Aufträge annehmen. Selbst familiäre Bereiche bleiben nicht vom ätzenden Hohn verschont: Recht derb wird dem Glaser die Schuld an der Kinderlosigkeit der Ehe zugesprochen. Aber auch Kastls Frau bleibt nicht ungeschoren: Lüstern sei sie, stets bereit zum Ehebruch mit den einquartierten Soldaten und kirchenscheu obendrein.

Von einem der beiden Spottlieder auf Achaz Wimmer (Auf Ebendenselben) übernimmt Lindemayr nicht nur die Eingangsphrase. Auch in der einfachen formalen Gestaltung als trochäisch struktuierte, paargereimte Vierheber mit Auftakt und klingender Kadenz ähneln sich die Lieder. Wie in der Mesnerverhöhnung ist auch hier der Konnex zur wichtigsten Ansingform der damaligen Zeit, zum Schnaderhüpfl nicht zu übersehen; wie dort ist die vierzeilige Strophenform oft nicht im Einklang mit dem Sinnzusammenhang. So dürfte auch hier die Vierer-Gliederung ein nachträglicher Versuch sein, die einzelnen, hier in zweiteiligen Langstrophenpaaren wiedergegeben Sinneinheiten in eine Liedform zu transformieren. Da nach heutigem Quellenstand keine Melodie überliefert ist, könnten die Verse zur Melodie von "Auf Ebendenselben" oder auch zu einer geläufigen Schnaderhüpflweise gesungen worden sein.

Literatur:
Permalink: http://hdl.handle.net/11471/510.15.320
Zuletzt geändert: am: 5.9.2016 um: 20:45:39 Uhr