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VERFOLGUNG UND WIDERSTAND
IM NATIONALSOZIALISMUS
DOKUMENTIEREN UND VERMITTELN

Digitale Erinnerungslandschaft



Geisteswissenschaftliches Asset Management System



Bahnhofstraße 3, 8330 Feldbach
Beschreibung: Die SchülerInnen setzen sich vertieft mit einem so genannten Endzeitverbrechen auseinander und erarbeiten sich dadurch eine weitere Perspektive auf den Kontext Verfolgung und Massenmord.
Ort: Feldbach (8330)
Zeitbedarf: 30–45 Minuten, eignet sich für Supplierstunde
Alter: 13–18 Jahre
Vermittlungsort: Klassenraum




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Im Jahr 2020 wurde vor dem Bahnhofsgebäude der Stadt Feldbach ein Denkmal in Erinnerung an die 1945 dort und in der Nähe ermordeten ungarisch-jüdischen Zwangsarbeiter errichtet. Die Tat Am 25 März 1945, es war ein Palmsonntag, kam es zu einem Luftangriff auf Feldbach. Konkret wurde ein mit ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern besetzer Zug, der gerade in den Bahnhof einfuhr, angegriffen. Daraufhin spielten sich turbulente Szenen ab. Einzelne Menschen waren verletzt, andere suchten Schutz, wieder andere versuchten den Verletzten zu helfen und die anwesenden Wachmannschaften – u.a. der SS – wollten die Lage wieder unter Kontrolle bringen. Das Ganze führte schließlich dazu, dass einzelne Verwundete sowie weitere Zwangsarbeiter hinter dem Bahnhof auf einen LKW verfrachtet und unter Begleitung von NS-Führern sowie SS-Männern zum nahe gelegenen „Russenfriedhof“ – Friedhof eines Kriegsgefangenlagers des Ersten Weltkrieges, der 1915 angelegt wurde – gebracht wurden. Dort mussten die noch lebenden eine Grube ausheben und nachdem sie die Leichen der bereits Verstorbenen hineingeworfen hatten, wurden sie selbst erschossen. Eine alliierte Untersuchungskommission öffnete 1947 dieses Massengrab und fand darin 27 Leichen, wovon bei 16 von ihnen Kopfschüsse festgestellt wurden und bei 11 die Todesursache nicht mehr eindeutig festgestellt werden konnte. Die Opfer dieses so genannten Endphase-Verbrechen waren ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter, die beim Bau der sogenannten „Reichsschutzstellung“, dem sogenannten „Südostwall“ eingesetzt waren. Die Vorgeschichte, der historische Kontext Im Sommer 1944 beschloss die Reichsleitung zur Abwehr der vorrückenden Roten Armee die Errichtung einer „Reichsschutzstellung“, den sogenannten Südostwalls zu errichten. Dabei handelte es sich um eine Verteidigungslinie vom Baltikum bis zur Adria. Für die Umsetzung waren die betroffenen Gauleiter, in der Steiermark Gauleiter Uiberreither und das Wehrkreiskommando XVIII verantwortlich. Beim Südostwall handelte es sich um eine Befestigungsanlage aus zwei Linien mit Panzergräben und Stellungen, die in einzelne Abschnitte unterteilt war. In den Kreisen Oberwart, Fürstenfeld, Feldbach und Radkerburg-Mureck begannen die Arbeiten Mitte Oktober 1944. Als Arbeitskräfte waren notverpflichteten Zivilisten aus dem gesamten Reichsgau, Arbeitskräften aus Bayern, der Hitlerjugend , Wehrmachts- und SS-Angehörige sowie jüdische ZwangsarbeiterInnen aus Ungarn vorgesehen. In Ungarn blieben nach den Deportationen im Sommer 1944 zunächst nur noch die Jüdinnen und Juden in Budapest und jene die für die ungarische Armee Zwangsarbeit verrichten mussten. Als schließlich die Deutsche Führung den Bau der Reichsschutzstellung, des „Südostwalls“ beschloss, wurden in einem Abkommen die Jüdinnen und Juden dem Deutschen Reich als Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt. Zwischen 2. und 11. November 1944 wurde so 75.000 Menschen in Gewaltmärschen von Budapest nach Nickelsdorf getrieben und dann anschließend auf die einzelnen Bauabschnitte entlang des Südostwalls verteilt. 10.000 von ihnen starben bereits am Weg zur Grenze. Im Gau Steiermark entstanden in weiterer Folge rund 34 Lager mit rund 12.000 ungarisch-jüdischen ZwangsarbeiterInnen (Höchststand 25.000). Diese mussten in den folgenden Monaten unter menschenunwürdigen Bedingungen Zwangsarbeit leisten, und viele starben an Entkräftung, Unterernährung, Seuchen und Krankheiten oder wurden ermordet. Die Stadt Feldbach war insofern direkt in den Bau des Südostwall involviert, als jüdische ZwangsarbeiterInnen hier untergebracht worden waren und jeden Tag mit dem Zug zu ihren Arbeitsstätten gebracht wurden. Als klar war, dass die Front zusammenbrechen würde, erging Ende März 1945 der Befehl zur „Evakuierung“, wie das genannt wurde, nach Mauthausen. Die Nachgeschichte Im Fokus der gerichtlichen Ahndung der NS-Verbrechen durch die Volksgerichte und alliierte Gerichte standen nach dem Krieg auch die „Endphase-Verbrechen“, wie jenes in Feldbach. So wurde das Massaker von Feldbach gerichtlich untersucht und 1951 kam es zu einem Prozess gegen den ehemaligen politischen Leiter Anton Rößle aus Bayern, der die jüdischen Schanzarbeiter damals befehligte und laut Zeugenaussagen auch beim Abtransport zum Russenfriedhof ebenso dabei war wie der Kompanieführer des Volkssturms Josef Tomaschitz. Will man den Prozess gegen Rößle in knappen Worten zusammenfassen, so kann man als Ergebnis festhalten: Alle waren dabei, jeder hat es gesehen, doch niemand hat es getan. Rößle wurde letztlich aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Die Prozessakten zeigen, dass das Verbrechen in vielen Zeugenaussagen klar dokumentiert und nachgezeichnet werden konnte, doch niemand konnte oder wollte bezeugen, wer tatsächlich für die Erschießung und Ermordung verantwortlich war. Dementsprechend wurde auch nie jemand für die Ermordung der 27 ungarischen jüdischen Zwangsarbeiter zur Rechenschaft gezogen. Das Massengrab selbst wurde 1947 von einer alliierten Untersuchungskommission geöffnet und die sterblichen Überreste wurden auf den 1938 verwüsteten und wieder in Stand gesetzten jüdischen Friedhof nach Trautmannsdorf gebracht. Dort hat man sie in einem Massengrab mit weiteren rund 50 jüdischen Opfer der Endphase-Verbrechen in dieser Region beigesetzt. 1949 wurde dieses Grab erneut geöffnet, die Überreste der einzelnen Leichen wurden in Särge gelegt und nach Budapest überstellt. 1954 errichtete die Grazer jüdische Gemeinde über dem Massengrab einen Gedenkstein , der über viele Jahre eines der wenigen Zeichen der Erinnerung an die jüdischen Opfer der letzten Kriegsmonate war.



Literatur

  • Eleonore Lappin-Eppel, Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45 : Arbeitseinsatz, Todesmärsche, Folgen, Wien 2010.
  • Rudolf Grasmug, Der Mann mit dem steifen Bein. Die NS-Zeit im Raum Feldbach und die Judenerschießung am 25. März am „Russenfriedhof“ am Fuße des Steinbergs, in: Wolfram Dornik, Rudolf Grasmug, Peter Wiesflecker (Hg.), Projekt Hainfeld. Beiträge zur Geschichte von Schloss Hainfeld, der Familie Hammer-Purgstall und der gesellschaftspolitischen Situation der Südoststeiermark im 19. und 20. Jahrhundert, Innsbruck-Wien-Bozen 2010, 208–229.