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libri ordinarii of the Salzburg metropolitan province

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Regensburg

Ein Liber Ordinarius für die Kathedralkirche und die Diözese Regensburg

Die Handschrift München Bayerische Staatsbibliothek Clm 26947 beinhaltet neben einem Kalendar einen Liber Ordinarius für den Gebrauch in der Regensburger Bischofskirche. Das Incipit verweist eindeutig auf Regensburg: Incipit breviarium secundum ordinem Ratisbonensem. Es handelt sich hier um die einzige erhaltene und vollständige Kopie des Regelbuchs. Der Codex wurde bis 1876 in der Biblioteca Publica Ratisbonensis aufbewahrt und kam erst in dem genannten Jahr an die Hofbibliothek in München


Die im Liber Ordinarius genannten Örtlichkeiten, Altäre und sonstigen Einrichtungsgegenstände beziehen sich eindeutig auf die Kathedralkirche St. Peter und die benachbarten Sakralräume des Dombezirks (Kollegiatkirche St. Johannes, Kreuzgang, Domkloster, Kapelle des hl. Stephanus, Allerheiligenkapelle etc.). Bis auf wenige Ausnahmen war die hier tradierte liturgische Tradition auch in der Diözese üblich. Die verschiedenen Ortsangaben hatten für andere Kirchen natürlich keine konkrete Bedeutung. Der Dom befand sich zur Zeit der Niederschrift des Ordo noch im Bau. Durch die Rekonstruktion von Prozessionswegen und den Vergleich mit bekannten Phasen des Kathedralbaus lässt sich der Zeitraum der Kompilation des Codex in etwa mit den Jahren 1340 und 1380 eingrenzen.

Neben vielen liturgischen Besonderheiten ragen vor allem die rituellen Handlungen am 1320 erbauten Lettner der Domkirche heraus. Im Mittelpunkt standen hier die beiden Lettneraltäre zu Ehren des Heiligen Kreuzes und Marias. Hier fand am Karfreitag auch der Planctus Mariae statt. Diese Lamentatio wurde vermutlich auf Veranlassung des Domkanonikers Konrad von Megenberg (1309-1374) eingeführt, der diesen Brauch bei seinen Aufenthalten in Frankreich kennenlernen konnte. Megenberg ist zudem Autor von liturgischen Abhandlungen sowie einer Vita und einer Historia für den Regensburger Heiligen Erhard (die im Liber Ordinarius keine Berücksichtigung fanden). Am Festtag des Diözesanpatrons Wolfgang sind zwei Messen vorgesehen, die Historia von Hermannus Contractus für das Stundengebet war hier jedoch ebenso unüblich wie die für den hl. Emmeram. Neben dem Dompatron Petrus nimmt Stephanus eine besondere Bedeutung ein, er wird wie ein zweiter Patron behandelt (vgl. Stephanus-Kapelle im Kreuzgang). Ungewöhnlich ist die hohe Anzahl an liturgischen Funktionsträgern: Bischof, Kanoniker, Domprobst, Domdekan, Chor, Schola, Kantoren etc., auch: ad minus duodecim canonicis sancti Ioannis. Interessant ist die Erwähnung eines hölzernen Behelfstabernakels (truca) in der Sakristei für die Zeit von Gründonnerstag bis Karsamstag. Anstelle der allgemein üblichen Armenfußwaschung am Gründonnerstag trat im Regensburger Dom die von Domkanonikern, ehrwürdigen Laien und Bürgern, denen als Geschenk unter anderen Wein und Met überreicht wurde: … Deinde iterum veniat cellerarius cum iunioribus adultis et portent in novis scutellis primo seniori, deinde omnibus canonicis clericis ibi sedentibus et laicis honestis et civibus quattuor poma et duas oblatas et picarium vini et medonis

Die Tätigkeit des Dominikaners Albertus Magnus als Bischof von Regensburg (reg. 1260-1262) ist vermutlich die Ursache, weshalb man Feiern für Heilige des Ordens in die Liturgie der Domkirche aufnahm. Zudem war ein Sonderoffizium für den hl. Blasius, den Patron der Regensburger Dominikanerkirche, üblich. Weitere liturgische Besonderheiten sind Sondergesänge für den hl. Florinus aus dem Vintschgau, dessen Reliquien bereits im 10. Jahrhundert nach Regensburg kamen. Zudem jeweils zwei Festtage für die Visitatio Mariae (28. April und 2. Juli) und für den hl. Bischof Thomas Canturiensis (28. Dezember und die Translatio am 14. Juli). Vorhanden ist natürlich auch das Fest der Domkirchweihe am 30. Juni. Sowohl für die Dom- als auch für die Diözesanliturgie charakteristisch ist eine umfangreiche Sammlung von Prozessionsgesängen (ad suffragium) an Trinitatis. Liturgieprägend ist die außergewöhnliche Zusammenstellung der Nocturnantiphonen für Johannes Ev. (27. Dezember) und den Octavtag.

Der Kompilator des Liber Ordinarius hat sich mit folgendem Schlusssatz verewigt: Explicit breviarius per manus et non per pedes. Vermutlich möchte er damit die anstrengende Arbeit eines Schreibers herausheben, die man nicht einfach „im Vorbeigehen“ oder nebenher erledigen konnte.

von Robert Klugseder

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