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libri ordinarii of the Salzburg metropolitan province

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Klosterneuburg

Der Liber Ordinarius des Augustinerchorherrenstifts Klosterneuburg

Die mittelalterliche Geschichte der liturgischen einstimmigen Musik des Augustinerchorherrenstifts Klosterneuburg wurde von verschiedenen Forschern umfassend behandelt (v.a. Robert Klugseder, Debora Lacoste, Michael L. Norton und Franz Karl Praßl). Die Quellenlage ist für dieses bedeutende österreichische Kloster sehr erfreulich. Neben zahlreichen Codices, die heute in der Stiftsbibliothek aufbewahrt werden (u.a. die Antiphonare A-KN 1012 und 1013), haben sich einige Zeugnisse Klosterneuburger liturgischer Musik in der Universitätsbibliothek Graz (Graduale A-Gu 807) und der Österreichischen Nationalbibliothek (u.a. Graduale-Sakramentar A-Wn cod. 13314) erhalten.


Die Klostertradition geht von einer Gründung des Stiftes durch Leopold III. und seine Frau Agnes im Jahr 1114 aus. Das Datum der Grundsteinlegung am 12. Juni 1114 galt lange Zeit als Gründungstag des Klosters. Die eigentliche Weihe der Marienkirche (Patrozinium Mariae Geburt) fand am 29. September 1136 statt. Im gleichen Jahr wurde das Stift in eine Niederlassung für Augustinerchorherren umgewandelt. Die Kanoniker der Gründungsgemeinschaft sollen aus dem Domkapitel in Salzburg, aus dem Kloster Chiemsee, Rottenbuch und aus St. Nikola in Passau gekommen sein. Ein wichtiger Gesichtspunkt für die Beurteilung der liturgischen Tradition ist der Umstand, dass es in Klosterneuburg zwei, teilweise sogar drei Klöster des hl. Augustinus gleichzeitig gab. Neben dem Chorherrenkloster St. Maria bestand, vermutlich von 1136 bis 1568, ein Chorfrauenkloster St. Magdalena sowie von 1261 bis 1432 das Kanonissenkloster St. Jacob.

Bezugnehmend auf die bisherige Forschung kann man davon ausgehen, dass die hochmittelalterlichen Quellen mit linienloser Neumennotation in St. Maria, also dem Männerkloster in Gebrauch waren, die Handschriften mit früher Liniennotation in St. Magdalena. Die ältere Forschung bezeichnete diese sehr spezifische Liniennotation als „Klosterneuburger Notation“, Forschungen von Robert Klugseder legen nahe, den Ursprung dieser Notation in Augsburg der 1120er Jahre zu suchen. Klosterneuburg ist lediglich der Ort mit dem umfangreichsten Quellenkorpus, der diese besondere Notation verwendet.

Die erhaltenen Libri ordinarii Klosterneuburgs beinhalten die liturgische Tradition der Chorherren und weisen nur an gemeinsam begangenen Feiern Hinweise auf die Beteiligung der Chorfrauen auf. Grundsätzlich sind diese Ordinarii als lokale Adaptionen und Weiterentwicklungen der Passauer Diözesanliturgie einzustufen, nicht aber als direkte Abschriften des Passauer Liber ordinarius. Die Ordinarii enthalten zahlreiche Hinweise auf lokale Feiern, Prozessionen, Kirchen, Kapellen und handelnde Personen, sie stellen somit eine außerordentlich wertvolle historische Quelle dar. Der älteste dieser Ordinarii, Cod. 1213 der Stiftsbibliothek (KNB2), ist um 1325, also relativ spät, entstanden. Cod. 635 (KNB1) wurde wenige Jahre später, Cod. 983 (KNB3) etwa im Jahr 1393 kopiert. Der jüngste Ordinarius Cod. 1014 (KNB4) entstand um das Jahr 1500 und enthält zahlreiche liturgische Neuerungen, die auf verschiedene Ursachen zurückgehen: Zum einen wurde die Passauer Diözesanliturgie im Laufe des 15. Jahrhunderts mehrfach umgestaltet und um neue Feste erweitert. Diese Neuerungen wurden zum Teil auch in Klosterneuburg berücksichtigt. Die aufstrebenden Habsburger Kaiser betrieben im 15. Jahrhundert die Kanonisation des Babenberger Markgrafen Leopold III. Der bereits 1136 verstorbene und in seiner Gründung Klosterneuburg begrabene Leopold wurde 1485 heiliggesprochen. Dieses Ereignis hatte Einfluss auf die liturgische Praxis Klosters, nicht zuletzt durch die Einführung einer eigens kompilierten Leopold-Historia. Eine weitere Auffälligkeit in KNB4 ist eine umfassende sprachliche Überarbeitung des Lateins in den Rubriken, die als Folge des Klosterhumanismus zu sehen ist.

von Gionata Brusa

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