Urkundenbuch des Herzogtums Steiermark

Zur Geschichte des Urkundenbuchs

Inhalt:

Die gedruckten Ausgaben

Nach verschiedenen Vorläufern sind in den Jahren 1875, 1879 und 1903 unter der Ägide des Historischen Vereines für Steiermark die drei von Josef (von) Zahn bearbeiteten Bände des Urkundenbuchs des Herzogtums Steiermark (StUB) erschienen. Mit diesem Werk war der Zeitraum von 798 bis 1260 erfasst. Zahns Urkundenbuch war eine sehr beachtliche Leistung, obwohl das Urkundenbuch von Anfang an auch seine Kritiker gefunden hat. Aber die Urkundenwissenschaft hat sehr bald nach dem Erscheinen der beiden ersten Bände einen gewaltigen Aufschwung genommen, und mit fortschreitender Zeit konnte Zahns Werk daher – entsprechend der Weiterentwicklung der Diplomatik – den mittlerweile gestiegenen wissenschaftlichen Ansprüchen immer weniger genügen. Im Jahre 1946 machte sich die Historische Landeskommission für Steiermark (HLK) die Fortsetzung des Urkundenbuchs zur Aufgabe. In der Folge erschien 1949 zunächst ein Ergänzungsheft zu den ersten drei Bänden mit zahlreichen Verbesserungen und Ergänzungen. Die editorisch relevanten Teile dieses Ergänzungsheftes sind Hans Pirchegger zu verdanken. Noch in demselben Jahr 1949 begannen auch die Vorarbeiten für die Fortsetzung des Urkundenbuchs. Dessen vierter Band sollte die Zeit der Herrschaft König Ottokars von Böhmen über die Steiermark (1260–1276) umfassen. Heinrich Appelt wurde mit der Leitung des Editionsunternehmens betraut, um dessen Verwirklichung sich zunächst Berthold Sutter und dann als der eigentliche Bearbeiter Gerhard Pferschy verdient machten. Die Texte dieses vierten Bandes sind in drei Lieferungen von 1960 bis 1967 erschienen; 1975 fand dieser Band mit dem Register seinen Abschluss.

Die „Sammlung Hausmann“ und die Neubearbeitung von Band 1

Das Jahr 1967 brachte aber nicht nur die vollständige Publikation aller Texte des 4. Bandes. In eben diesem Jahr beschloss die HLK in ihrer Vollversammlung, die Neubearbeitung der ersten drei Bände und die Fortsetzung des Urkundenbuchs Friedrich Hausmann zu übertragen, dem Nachfolger von Heinrich Appelt auf dem mediävistisch-hilfswissenschaftlichen Lehrstuhl an der Universität Graz. Mit der Fortsetzung sollte der Zeitraum von 1276 bis 1308 durch die neu zu erarbeitenden Bände StUB 5 ff. abgedeckt werden. Für die Folgezeit ab 1308 hatte die HLK bereits 1965 ein Regestenwerk beschlossen gehabt.

Friedrich Hausmann baute in den folgenden Jahrzehnten, ungeachtet vielfacher anderer Verpflichtungen, die imponierende „Sammlung Hausmann“ auf. Er erfasste das weit verstreute Archivgut in fast allen österreichischen Bundesländern und dazu in Deutschland , in Liechtenstein, in Italien sowie in der damaligen Tschechoslowakei und im damaligen Jugoslawien, was unter den politischen Verhältnissen der 1970er und 1980er Jahre bisweilen auch mit Schwierigkeiten verbunden war, von denen man sich heute keine rechte Vorstellung mehr macht. Die gesammelten Mikrofilme und Fotokopien und die dazu erarbeiteten Erschließungsbehelfe erstrecken sich zeitlich weit über 1308 hinaus (überwiegend bis etwa 1500) und kamen dadurch auch dem Regestenwerk zugute, als dessen bisheriges Ergebnis zwei von Annelies Redik bearbeitete Bände vorliegen; diese sind 1976 und 2008 erschienen und decken die Zeit von 1308 bis 1330 ab. Die editorische Arbeit am Urkundenbuch hingegen konnte mit der Intensität der Materialsammlung nicht Schritt halten, was vor allem auf zwei Ursachen zurückgeführt werden muss: Zum einen galten jetzt – gegenüber Zahn – wesentlich großzügigere Aufnahmekriterien, und zum zweiten war Friedrich Hausmann auch durch andere Verpflichtungen in vielfacher Weise beansprucht, insbesondere als Dekan und als Rektor. Daher kam es im Jahre 2001 zu einer Arbeitsteilung. Friedrich Hausmann behielt (bis zu seinem Tod am 10. Juli 2009) die Gesamtleitung und widmete sich fortan vor allem der Neubearbeitung von Band 1 von Zahns Ausgabe. Reinhard Härtel übernahm die Neubearbeitung von Band 2. Es gab durchaus Stimmen, welche den Lückenschluss zwischen den Jahren 1278 und 1308 (also Band 5 ff.) für dringender hielten als die Neubearbeitung der ersten drei Bände bis zum Jahre 1260. Die schließlich getroffene Entscheidung war jedoch weniger eine Folge prinzipieller Erwägungen, sondern mehr arbeitsökonomischen Überlegungen geschuldet.

Friedrich Hausmann verfolgte das Konzept, zuerst jene Urkunden zu bearbeiten, deren Empfänger außerhalb der heutigen Steiermark ihren Sitz hatten. Denn hier schätzte Hausmann den „Nachholbedarf“ am höchsten ein. Hierbei berücksichtigte er – im Gegensatz zu dem für die Folgezeit unvermeidlichen Prinzip – auch jene Urkunden, welche die steirischen Markgrafen und der erste steirische Herzog für Empfänger außerhalb der Steiermark ausgestellt hatten. 2007 konnte er (an seinem 90. Geburtstag) eine Online-Publikation der (nach heutigen Maßstäben) nichtsteirischen Provenienzen bis 1192 vorstellen, durch welche diese Texte frei zugänglich gemacht wurden. Sein Tod im Sommer 2009 bedeutete das (vorläufige) Ende der Arbeit an StUB 1 und damit an jenem Teil des Gesamtwerks, der editorisch zweifellos die größten Herausforderungen stellt.

Die Neubearbeitung von Band 2

Die Neubearbeitung von Band 2 wurde zunächst mit Hilfe einer Förderung durch den FWF in Angriff genommen und danach mit Eigenmitteln der HLK fortgeführt. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden zunächst sukzessive (in Teil- und Sonderreihen) auf der Website der Historischen Landeskommission für Steiermark zugänglich gemacht; dort ist auch der Werdegang dieses Teil-Unternehmens eingehend dargestellt.

Weiterführende Literatur zur Geschichte des Urkundenbuches

Die ausführlichste Darstellung zur Geschichte des Urkundenbuchs des Herzogtums Steiermark hat Friedrich Hausmann selbst geboten; diese setzt bei ersten Vorläufern etwa um 1600 ein und reicht mit Hausmanns eigenen Arbeiten für die Neuausgabe bis zum Jahre 1992: Urkundenbuch der Steiermark und ihrer Regenten. Vorstufen, Vorgänger, Vorarbeiten. In: 100 Jahre Historische Landeskommission für Steiermark 1892–1992. Bausteine zur Historiographie der Steiermark, hg. von Othmar Pickl, red. Robert F. Hausmann (Forschungen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark 36, Graz 1992), 91–202.

Über die Fortsetzung der Arbeiten in der Folgezeit unterrichten Hausmanns Arbeitsberichte in: XXIV. Bericht der Historischen Landeskommission für Steiermark über die 19. Geschäftsperiode (1992–1994), hg. von Othmar Pickl, red. Robert F. Hausmann (Graz 1995), 54–61; XXV. Bericht der Historischen Landeskommission für Steiermark über die 19. Geschäftsperiode (1995–1999) und den Festakt sowie die Kepler-Gedenkfeier 2000, hg. von Othmar Pickl, red. Robert F. Hausmann (Graz 2000), 112-118; XXVI. Bericht der Historischen Landeskommission für Steiermark über die 20. Geschäftsperiode (2000–2004) und die Kommissionstätigkeit bis September 2005, hg. von Othmar Pickl, red. Meinhard Brunner (Graz 2005), 128–13; XXVI. Bericht der Historischen Landeskommission für Steiermark über die 21. Geschäftsperiode (2005–2006) mit einem Rückblick von Othmar Pickl auf seine 50-jährige Tätigkeit als Geschäftsführender Sekretär, hg. von Othmar Pickl, red. Meinhard Brunner (Graz 2007), 98; weiters der Bericht von Reinhard Härtel ebenda 99–101.

Reinhard Härtel, Graz, Februar 2021