Ödön von Horváth

Historisch-kritische Ausgabe – Digitale Edition

Über die digitalen Editionen


Das Projekt

Die digitale Edition der Werke Ödön von Horváths wurde 2017 mit einer Einzeledition von Horváths berühmtestem Stück Geschichten aus dem Wiener Wald begonnen und 2021 um eine vollständige Edition der gemeinfreien Stücke des Autors erweitert. Ziel beider Editionen ist die Ergänzung der als klassische Buchausgabe konzipierten und durchgeführten historisch-kritischen Wiener Ausgabe sämtlicher Werke Ödön von Horváths (Berlin: de Gruyter 2009ff.), die damit für neue, digital unterstützte Lektüreweisen geöffnet wird. Ausgangspunkt sind die mit der historisch-kritischen Ausgabe gegebenen, emendierten Endfassungen der Texte Horváths, die nach etablierten Standards (XML; TEI:P5) maschinenlesbar codiert und in einem frei zugänglichen Repositorium abgelegt werden. Die Codierungen sind unter einer Creative Commons-Lizenz (CC BY-NC-SA) für eine Weiterverwendung freigegeben.

Digitales Dramenkorpus Ödön von Horváth

Das Digitale Dramenkorpus versammelt alle zum jetzigen Zeitpunkt gemeinfreien Stücke Ödön von Horváths (zu Glaube Liebe Hoffnung und Niemand bestehen noch urheberechtliche Ansprüche), basierend auf dem Textbestand, der mit den emendierten Endfassungen der historisch-kritischen Wiener Ausgabe sämtlicher Werke gegebenen ist. Der jeweilige Stücktext wurde mit einem einheitlichen, spezifisch dafür entwickelten Datenmodell nach transparenten, präzisen Kriterien erfasst. Jedes Stück wird dabei in denselben interaktiven Ansichten (Leseansicht / Netzwerkansicht / Datenansicht) aufbereitet, womit direkte, datenbasierte Vergleiche zwischen den Stücken möglich sind. Ein besonderer Schwerpunkt des digitalen Dramenkorpus liegt auf der Darstellung von Dramennetzwerken sowie auf dem Interface, das Textsegmente über mehrere Ansichten hinweg weitervermittelt und Textstrukturen so von verschiedenen Seiten beleuchten lässt.

Datenmodell

Das der Codierung des Dramenkorpus zugrundeliegende Datenmodell geht auf die Einzeledition von Geschichten aus dem Wiener Wald (2017) zurück. Es wurde in XML unter Zuhilfenahme des Vokabulars der Text Encoding Initiative (TEI:P5) entwickelt, das als international etablierter Standard digitaler Edition gelten kann. Innerhalb der vom Text vorgegebenen Makrostruktur (Bilder, Teile; <div>) wird der Text in eine Reihe von Ereignissen sequenziert, die den jeweiligen Figurenreden bzw. Bühnenanweisungen entsprechen (<sp>). Diese sind jeweils mittels xml:id mit einem eigenen Identifier versehen und referenzierbar. Die unterschiedlichen Textstrukturen (etwa Sprechtext <p>, Bühnen-/Szenenanweisung <stage>) sind darin entsprechend annotiert und mittels xml:id eindeutig auf die jeweiligen Figuren bezogen. Mittels eines eigenen Attributes sind darüber hinaus figurenbezogene Bühnenanweisungen und figurenunabhängige Szenenbeschreibungen differenziert. Explizit werden die Auf- wie Abtritte der Figuren verzeichnet (<move>), die die Grundlage der Netzwerkdarstellung der Stücke bilden. Die im Datenmodell abgebildete Struktur nimmt darüber hinaus besondere Rücksicht auf Eigenheiten von Horváths Poetik und die jeweils besonderen Eigenschaften der einzelnen Texte. So ist die für Horváth typische „Stille“ als konstitutiver Bestandteil seiner Dramatik gesondert gekennzeichnet. [Codierungsrichtlinien]

Features

Die digitale Edition des Dramenkorpus verfügt über drei verschiedene Ansichten, die unmittelbar aus den modellierten Daten erzeugt werden und eng miteinander verzahnt sind. Zu einigen Grundlagen der Codierung und genauen Hinweisen zur Benutzung siehe die Benutzungshinweise.

Die Leseansicht „Text“ der Edition bietet eine reguläre Lektüre des jeweiligen Stücktextes. Verschiedene Lesetools erlauben die Hervorhebung diverser, in der Codierung ausgewiesener Textstrukturen. Grundlegend wird hier zwischen makrostrukturellen Dramenstrukturen und figurenbezogenen Aspekten unterschieden. Die Ergebnisse werden farbcodiert angezeigt und können via Trefferliste im Interface navigiert werden. Die Suchfunktion ermöglicht die Suche nach Volltextbegriffen sowie nach spezifischen Textelementen via ihres je eigenen XML-Identifiers (siehe Benutzungshinweise). Weitere Bedienelemente erlauben die manuelle Auswahl von Textelementen, die über den Identifier auch direkt als Hyperlink zitiert werden können. Erfahrene Benutzer*innen können sich hier auch mittels Codierungsansicht die genaue Codierung einer Textstelle anzeigen lassen. Die ausgewählten Textsegmente können in dieser Ansicht auch als PDF ausgegeben werden, um eine Weiterarbeit abseits der Web-Präsenz zu ermöglichen.

Die Netzwerkansicht „Netzwerk“ zeigt interaktive Visualisierungen des Dramennetzwerkes des ausgewählten Stückes sowie der dieser Visualisierung zugrundeliegenden Figurenmatrize, die aus der Abfolge der Auf- und Abtritte der einzelnen dramatis personae gebildet wird. Wie die Leseansicht, werden Daten und Visualisierung unmittelbar und jeweils neu aus dem gemäß Datenmodell codierten Text erzeugt. Die Darstellung von Netzwerken und Matrizen begleitet die Literaturwissenschaft und insbesondere die Analyse von Dramen bereits seit längerem. Visualisierungen wie diese helfen etwa, Strukturen zu veranschaulichen, waren aber bisher v.a. durch die Restriktionen ihrer Abbildung in Form von (Buch-)Drucken und die analogen Reproduktions- und Weiterverwendungsmöglichkeiten begrenzt. Die Formen der Datenvisualisierungen, wie sie die Techniken der Digitalen Geisteswissenschaft mit der Erzeugung basierend auf digitalen Datenmodellen möglich machen, sind demgegenüber ein verbesserter Ansatz. Durch sie werden große Textmengen einfach vergleichbar, wodurch neue Einsichten in bekannte Texte als auch die Prüfung bestehender Forschungsthesen möglich werden. Entlang der Auf- und Abtritte der einzelnen Figuren werden dafür die jeweiligen Konstellationen (Szenen) eruiert, die durch das gleichzeitige Vorhandensein von Figuren auf der Bühne bestimmt sind. Diese distinkten, von einem Wechsel in der Figurenkonstellation definierten Szenen, die nicht mit den von einzelnen Stücken als Struktureinheit ausgewiesenen Szenen (etwa in Kasimir und Karoline) zu verwechseln sind, bilden als Raster die Matrizen, die der Ausgangspunkt für die Berechnung der Netzwerkgraphen sind. Zugleich lassen sich über das Interface auch die spezifischen Werte von Dramenstruktur bzw. Figuren in der Matrize abbilden, womit sich etwa der Umfang einzelner Szenen oder die Verteilung von Redeanteilen einzelner Figuren über die Szenenstruktur des Stückes hinweg anzeigen lassen. Die Netzwerkgraphen, die sich über das Interface auch auf die einzelnen Struktureinheiten der Stücke (Akte, Bilder etc.) begrenzten lassen, bilden die Zusammenhänge zwischen den Figuren mittels Methoden und Techniken der Sozialforschung ab und erlauben damit teils überraschende neue Erkenntnisse über die Stellung einzelner Figuren wie die strukturalen Machtverhältnisse in den untersuchten Texten (siehe zu weiteren Details und Begriffsexplikationen die Benutzungshinweise).

Die Datenansicht „Tabelle“ bereitet die codierten Textstrukturen tabellarisch auf, auch hier unterschieden zwischen der Dramenstruktur und einer auf die Figuren bezogenen Darstellung. Hinsichtlich der Dramenstruktur werden, je nach den Gegebenheiten des einzelnen Stückes, separate tabellarische Übersichten zu den Schauplätzen – zusammenhängenden Bilder an einem Ort – und mehreren Schauplätzen umfassenden Akten ausgegeben; diese Bezeichnungen sind von denen Horváths unabhängig zu sehen, da der Autor keine konsequente Begriffsverwendung pflegte (siehe dazu die Benutzungshinweise). Die grafische Abbildung mittels Balkendiagrammen ermöglicht eine schnelle Übersicht über die spezifischen Profile der Dramenstrukturen wie z.B. das Verhältnis von Redeanteilen und Figurenpräsenzen. Die Auswahl erfolgt vornehmlich über das Interface, die Tabellen wie die Diagramme sind aber auch interaktiv gestaltet. Spezifische Angaben – etwa die stückspezifische Bezeichnung für ein bestimmtes Segment – in den Tabellen sind über Tooltips (Mouse-over) verfügbar. Die Werte in den Tabellen können dabei in absoluten Zahlen als auch relativ in Prozent angezeigt werden. Sämtliche Tabellen lassen sich überdies als .xlsx-Datei für eine Weiterbearbeitung offline exportieren.

Geschichten aus dem Wiener Wald (2017)

Die Einzeledition von Geschichten aus dem Wiener Wald diente als Prototyp für die Entwicklung der Edition des Dramenkorpus, die die Einzeledition in vielen Belangen ablöst. Da die Einzeledition von Geschichten aus dem Wiener Wald jedoch über einige zusätzliche Features verfügt, wird sie hier für eine mögliche weitere Auseinandersetzung bereitgestellt. Das Datenmodell der Einzeledition wurde ebenfalls in XML (TEI:P5) entwickelt und entspricht in seinen wesentlichen konzeptionellen Grundlagen dem der Edition des Dramenkorpus, unterscheidet sich neben einigen strukturellen Aspekten aber vor allem im Detailgrad. So wird hier noch genau zwischen (figurenbezogener) Regieanweisung und (figurenunabhängigen) Szenenanweisung unterschieden und werden die Regieanweisungen nochmals mittels Attribute differenziert. Darüber hinaus wurden die für die Struktur des Stückes besonders wichtigen Musikstücke separat verzeichnet, womit etwa die mit Musik hinterlegten Passagen hervorgehoben werden können. Die Einzeledition umfasst neben dem Text der Endfassung in drei Teilen auch den Text der ersten abgeschlossenen Fassung in sieben Bildern. Neben der interaktiven Leseansicht mit einem an den höheren Detailgrad der Codierung angepassten Auswahlwerkzeug, verfügt die Einzeledition über eine ältere Darstellung der Netzwerkgraphen sowie der zugrundeliegenden Figurenmatrizen für beide Fassungen des Stückes bzw. deren Struktureinheiten. Ein gesondertes Feature der Einzeledition ist der in die interaktive Leseansicht integrierte Fassungsvergleich: Hier kann der Text der beiden Stückfassungen verglichen und direkt von der einen in die andere Fassung gewechselt werden.

Projektteam

Projektleitung

  • Klaus Kastberger (Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung / Universität Graz)
  • Johannes Stigler (Zentrum für Informationsmodellierung / Universität Graz)

MitarbeiterInnen

  • Hans Clausen (Zentrum für Informationsmodellierung / Universität Graz)
  • Martin Vejvar (Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung / Universität Graz)
  • Caroline Spielhofer (studentische Mitarbeiterin)

Kooperationspartner

Fördergeber