Kunst halte
ich für etwas ungeheuer Großes, Ausgedehntes. Ich glaube,
Schnellstraßensysteme stürzen deswegen ein, weil sie keine Kunst sind. Die
heutige Kunst ist Briefmarkenkunst. […] Wenn ich an Kunst denke, dann in
einem öffentlichen Kontext, nicht im Sinne von transportablen Werken. Kunst
ist einfach da. […]
Als ich Anfang der
fünfziger Jahre an der Cooper Union unterrichtete, erzählte mir jemand, wie
ich auf den noch unfertigen New Jersey Turnpike kommen könnte. Ich nahm drei
Studenten mit und fuhr von irgendwo in den Meadows nach New Brunswick. Es
war stockfinstere Nacht, und es gab keine Beleuchtung, keine Fahrbahn- oder
Randmarkierungen, überhaupt nichts außer dem dunklen Asphalt, der durch
flaches Land führte, das in der Ferne von Hügeln gesäumt und durch
aufragende Bauwerke, Rauch und farbige Lichter unterbrochen wurde. Diese
Fahrt war eine aufschlußreiche Erfahrung. Die Straße und vieles an der
Landschaft war künstlich, und doch konnte man sie nicht ein Kunstwerk
nennen. Andererseits gab sie mir etwas, was mir die Kunst nie gegeben hatte.
Zuerst wußte ich nicht, was, aber die Wirkung war, daß es mich von vielen
Ansichten befreite, die ich über Kunst gehabt hatte. Da gab es
offenbar eine Wirklichkeit, die in der Kunst bisher
keinen Ausdruck gefunden hatte.
Die Erfahrung auf der
Straße war etwas planhaft Strukturiertes, aber nicht gesellschaftlich
Anerkanntes. Ich dachte damals: Es dürfte wohl klar sein, daß dies das
Ende der Kunst ist. Nach einer derartigen Erfahrung kommt einem
die meiste Malerei ganz schön bildhaft vor. Es gibt keine Möglichkeit, diese
Erfahrung einzurahmen, man muß sie einfach machen. Später entdeckte ich in
Europa ein paar verlassene Flugzeugrollbahnen – aufgegebene Arbeiten,
surrealistische Landschaften, etwas, dem jede Funktion fremd ist, erschaffene Welten ohne
Tradition. Eine künstliche Landschaft ohne Beispiel in der Kultur
tat sich mir auf. In Nürnberg gibt es einen Exerzierplatz, der groß genug
ist, um zwei Millionen Menschen Platz zu bieten. Das ganze Gelände wird von
hohen Einfassungen und Türmen umschlossen. Der Zugang besteht aus drei
Betonstufen, jede vierzig Zentimeter hoch, die sich ungefähr anderthalb
Kilometer weit erstrecken.[…]