<quote>Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus</quote> <date>1796</date> Hegel, G. W. Fr.; Schelling, Friedrich W. J.; Hölderlin, Friedrich o:reko.hege.1917 Georg Wilhelm Friedrich Hegel/Friedrich Wilhelm Joseph Schelling/Friedrich Hölderlin: "Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus", in: Walter Jaeschke (Hrsg.): Der Streit um die Grundlagen der Ästhetik (1795-1805). Mit Texten von Humboldt, Jacobi, Novalis, Schelling, Schlegel u.a. Philosophisch-literarische Streitsachen. Bd. 1. Hamburg: Felix Meiner Verlag 1999, S. 97-98. ISBN: 3-7873-1390-7. "Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus" [verm. 1795/96] (Titel von Franz Rosenzweig; in Hegels Handschrift überliefert und von Schelling formuliert), in: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Heidelberg: Franz Rosenzweig 1917. Genre Manifest Media Literatur

eine Ethik. Da die ganze Metaphysik künftig in die Moral fällt – wovon Kant mit seinen beiden praktischen Postulaten nur ein Beispiel gegeben, nichts erschöpft hat) so wird diese Ethik nichts anders als ein vollständiges System aller Ideen, oder, was dasselbe ist, aller praktischen Postulate seyn. die [sic] erste Idee ist natürlich die Vorstellung von mir selbst, als einem absolut freien Wesen. Mit dem freyen, selbstbewußten Wesen tritt zugleich eine ganze Welt – aus dem Nichts hervor – die einzig wahre und gedenkbare Schöpfung aus Nichts – Hier werde ich auf die Felder der Physik herabsteigen; die Frage ist diese: Wie muß eine Welt für ein moralisches Wesen beschaffen seyn? Ich möchte unsrer langsamen an Experimenten mühsam schreitenden – Physik, einmal wieder Flügel geben.

So – wenn die Philosophie die Ideen, die Erfahrung die Data angibt, können wir endlich die Physik im Großen bekommen, die ich von spätern Zeitaltern erwarte. Es scheint nicht daß die jezige Physik einen schöpferischen Geist, wie der unsrige ist, oder seyn soll, befriedigen könne.

Von der Natur komme ich aufs Menschenwerk, die Idee der Menschheit voran – will ich zeigen, daß es keine Idee vom Staat gibt, weil der Staat etwas mechanisches ist, so wenig als es eine Idee von einer Maschine gibt. Nur was Gegenstand der Freiheit ist, heist Idee. Wir müßen also auch über den Staat hinaus! – Denn jeder Staat muß freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; und das soll er nicht; also soll er aufhören. Ihr seht von selbst, daß hier alle die Ideen, vom ewigen Frieden u.s.w. nur untergeordnete Ideen einer höhern Idee sind. Zugleich will ich hier die Principien für eine Geschichte der Menschheit niederlegen, und das ganze elende Menschenwerk von Staat, Verfaßung, Regierung, Gesezgebung – bis auf die Haut entblösen. Endlich kommen die Ideen von einer moralischen Welt, Gottheit, Unsterblichkeit – Umsturz alles Afterglaubens, Verfolgung des Priesterthums, das neuerdings Vernunft heuchelt, durch die Vernunft selbst. – absolute Freiheit aller Geister, die die intellektuelle Welt in sich tragen, und weder Gott noch Unsterblichkeit ausser sich suchen dürfen.

Zulezt die Idee, die alle vereinigt, die Idee der Schönheit, das Wort in höherem platonischem Sinne genommen. Ich bin nun überzeugt, daß der höchste Akt der Vernunft, der, indem sie alle Ideen umfast, ein ästhetischer Akt ist, und daß Wahrheit und Güte, nur in der Schönheit verschwistert sind – Der Philosoph muß eben so viel ästhetische Kraft besizen, als der Dichter, die Menschen ohne ästhetischen Sinn sind unsre BuchstabenPhilosophen. Die Philosophie des Geistes ist eine ästhetische Philosophie. Man kan in nichts geistreich seyn selbst über Geschichte kan man nicht geistreich raisonniren – ohne ästhetischen Sinn. Hier soll offenbar werden, woran es eigentlich den Menschen fehlt, die keine Ideen verstehen, – und treuherzig genuggestehen, daß ihnen alles dunkel ist, sobald es über Tabellen und Register hinausgeht.

Die Poësie bekömmt dadurch eine höhere Würde, sie wird am Ende wieder, was sie am Anfang war – Lehrerin der Menschheit; denn es gibt keine Philosophie, keine Geschichte mehr, die dichtkunst [sic] allein wird alle übrigen Wissenschaften und Künste überleben. Zu gleicher Zeit hören wir so oft, der große Hauffen müße eine sinnliche Religion haben. Nicht nur der große Hauffen, auch der Philosoph bedarf ihrer. Monotheismus der Vernunft und des Herzens, Polytheismus der Einbildungskraft und der Kunst, dis ists, was wir bedürfen!

Zuerst werde ich hier von einer Idee sprechen, die so viel ich weiß, noch in keines Menschen Sinn gekommen ist – wir müßen eine neue Mythologie haben, diese Mythologie aber muß im Dienste der Ideen stehen, sie muss eine Mythologie der Vernunft werden.

Ehe wir die Ideen ästhetisch d.h. mythologisch machen, haben sie für das Volk kein Interesse und umgekehrt ehe die Mythologie vernünftig ist, muß sich der Philosoph ihrer schämen. So müssen endlich aufgeklärte und Unaufgeklärte sich die Hand reichen, die Mythologie muß philosophisch werden, und das Volk vernünftig, und die Philosophie muß mythologisch werden, um die Philosophen sinnlich zu machen, dann herrscht ewige Einheit unter uns. Nimmer der verachtende Blik, nimmer das blinde Zittern des Volks vor seinen Weisen und Priestern, dann erst erwartet uns gleiche Ausbildung aller Kräfte, des Einzelnen sowohl als aller Individuen. Keine Kraft wird mehr unterdrükt werden, dann herrscht allgemeine Freiheit und Gleichheit der Geister! – Ein höherer Geist vom Himmel gesandt, muß diese neue Religion unter uns stiften, sie wird das lezte, gröste Werk der Menschheit seyn.