Für eine Philosophie der Fotografie
All diese Fragen, obwohl es „gute Fragen“ sind, scheinen nicht das
für Apparate Wesentliche zu treffen. Gewiß:
Der
Betrachtet man den
Mit jeder (informativen)
Eine solche Tätigkeit ist der des Schachspielens vergleichbar. Auch
der Schachspieler sucht nach neuen Möglichkeiten im Schachprogramm, nach neuen
Zügen. So wie er mit den Steinen spielt, spielt der Fotograf mit dem Apparat.
Der Fotoapparat ist kein Werkzeug, sondern ein Spielzeug, und der Fotograf kein
Arbeiter, sondern ein Spieler: nicht „Homo faber“, sondern „Homo ludens“. Nur
spielt der Fotograf nicht mit, sondern gegen sein Spielzeug. Er kriecht in den
Apparat hinein, um die darin verborgenen Schliche ans Licht zu bringen. Anders
als der vom Werkzeug umgebene Handwerker und der an der Maschine stehende
Arbeiter ist
Das Apparatprogramm muß reich sein, sonst wäre das Spiel bald aus. Die in ihm enthaltenen Möglichkeiten müssen die Fähigkeit des Funktionärs, sie zu erschöpfen, übertreffen, das heißt, die Kompetenz des Apparates muß größer sein als die seiner Funktionäre. Kein richtig programmierter Fotoapparat kann zur Gänze von einem Fotografen, und auch nicht von der Gesamtheit aller Fotografen, durchschaut werden. Er ist eine Black Box.
Und gerade die Schwärze der Kiste ist für den Fotografen das Motiv
zum Fotografieren. Er verliert sich zwar im Inneren des Apparates bei seiner
Suche nach Möglichkeiten, aber er kann die Kiste doch beherrschen. Denn er weiß,
wie er den Apparat zu füttern hat (er kennt den Input der Kiste), und er weiß
ebenso, wie er ihn zum Speien von Fotografien bringen kann (er kennt den Output
der Kiste). Daher tut der Apparat, was der Fotograf von ihm will, obwohl der
Fotograf nicht weiß, was im Inneren des Apparates vor sich geht. Eben dies ist
für alles apparatische Funktionieren charakteristisch: Der Funktionär beherrscht
den Apparat dank der Kontrolle seiner Außenseiten (des Input und Output) und
wird von ihm beherrscht dank der Undurchsichtigkeit seines Inneren. Anders
gesagt: Funktionäre beherrschen ein Spiel, für das sie nicht kompetent sein
können.
Wie noch gezeigt werden wird, bestehen die Programme der Apparate
aus Symbolen. Funktionieren heißt dann, mit Symbolen spielen und diese
kombinieren. Ein anachronistisches Beispiel mag das illustrieren: Der
Aber es gibt Apparate, die zu ganz anderen Spielen fähig sind. Während Schriftsteller und Word Processors statisch informieren (die Symbole, die sie auf Seiten drücken, bedeuten konventionalisierte Laute), gibt es auch Apparate, die dynamisch informieren: Die Symbole, die sie auf Gegenstände drücken, bedeuten spezifische Bewegungen (zum Beispiel Arbeitsbewegungen), und die derart informierten Gegenstände entziffern diese Symbole und bewegen sich laut Programm. Diese „intelligenten Werkzeuge“ ersetzen die menschliche Arbeit und emanzipieren den Menschen vom Arbeitszwang: Von nun ab ist er frei, zu spielen.
Der Fotoapparat illustriert diese Robotisierung der Arbeit und diese Befreiung des Menschen fürs Spiel. Er ist ein intelligentes Werkzeug, denn er erzeugt Bilder automatisch. Der Fotograf muß sich nicht mehr, wie der Maler, auf einen Pinsel konzentrieren, sondern kann sich ganz dem Spiel mit der Kamera widmen. Die zu leistende Arbeit, das Drücken des Bildes auf die Fläche, geschieht automatisch: Die Werkzeugseite des Apparates ist „erledigt“, der Mensch ist nur noch mit der Spielzeugseite des Apparates beschäftigt.
Jedes Programm funktioniert in Funktion eines Metaprogramms, und die Programmierer eines Programms sind Funktionäre dieses Metaprogramms. Folglich kann es keinen Besitzer von Apparaten geben in dem Sinne, daß Menschen Apparate für ihre eigenen, privaten Zwecke programmieren. Denn Apparate sind keine Maschinen. Der Fotoapparat funktioniert für die Fotoindustrie, diese für den Industriepark, dieser für den sozio-ökonomischen Apparat, und so fort. Die Frage nach einem Apparatbesitzer ist somit sinnlos. Nicht wer ihn besitzt, sondern wer sein Programm erschöpft, steht zur Frage. Und nicht zuletzt hat es aus folgendem Grund wenig Sinn, einen Apparat wie einen Gegenstand besitzen zu wollen.
Zwar sind viele Apparate harte Gegenstände: Der Fotoapparat ist aus
Metall, Glas, Plastik u. a. gebaut. Aber nicht diese Härte ist es, die sie zum
Spielen befähigt, nicht das Holz des Schachbretts und der Schachfiguren
ermöglicht das Spielen, sondern die Regeln des Spiels, das Schachprogramm. Was
man beim Kauf eines Fotoapparates bezahlt, sind nicht so sehr das Metall oder
Plastik, sondern das Programm, das den Apparat erst befähigt, Bilder zu erzeugen
– so wie allgemein das Harte der Apparate, die „Hardware“, ständig billiger, das
Weiche an ihnen, die „Software“, ständig teurer wird. An den weichsten unter den
Apparaten, zum Beispiel den
Die Macht ist vom Besitzer der Gegenstände auf den Programmierer und Operator übergegangen. Das Spiel mit Symbolen ist Machtspiel geworden – ein hierarchisches Machtspiel: Der Fotograf hat Macht über die Betrachter seiner Fotografien, er programmiert ihr Verhalten; und der Apparat hat Macht über den Fotografen, er programmiert seine Gesten. Diese Umlenkung von Macht vom Dinglichen auf das Symbolische ist das eigentlich Kennzeichnende dessen, was wir „Informationsgesellschaft“ und „nachindustriellen Imperialismus“ nennen. Siehe Japan: Es besitzt weder Rohstoffe noch Energie – seine Macht beruht auf Programmierung, „Data Processing“, Informationen, Symbolen.
Diese Überlegungen erlauben, nunmehr folgende Definition des Begriffs „Apparat“ zu versuchen: Er ist ein komplexes Spielzeug, so komplex, daß die damit Spielenden es nicht durchblicken können; sein Spiel besteht aus Kombinationen der in seinem Programm enthaltenen Symbole, wobei dieses Programm von einem Metaprogramm eingetragen wurde und das Spielresultat weitere Programme sind; während vollautomatisierte Apparate auf menschliche Interventionen verzichten können, erfordern viele Apparate den Menschen als Spieler und Funktionär.
Apparate wurden erfunden, um spezifische Denkprozesse zu
Kurz: Apparate sind Black Boxes, die das Denken im Sinne eines Kombinationsspiels mit zahlenähnlichen Symbolen simulieren und dabei dieses Denken so mechanisieren, daß künftig Menschen dafür immer weniger kompetent werden und es immer mehr den Apparaten überlassen müssen. Es sind wissenschaftliche Black Boxes, welche diese Art von Denken besser leisten als Menschen, weil sie mit den zahlenähnlichen Symbolen besser (schneller und fehlerfreier) spielen als sie. Selbst nicht vollautomatisierte Apparate (jene, welche Menschen als Spieler und Funktionäre benötigen) spielen und funktionieren besser als die von ihnen benötigten Menschen. Davon ist bei jeder Betrachtung der fotografischen Geste auszugehen.
IV DIE GESTE DES FOTOGRAFIERENS
Betrachtet man die Bewegungen eines mit einem Fotoapparat versehenen Menschen (beziehungsweise eines mit einem Menschen versehenen Fotoapparates), dann gewinnt man den Eindruck eines Lauerns: Es ist die uralte pirschende Geste des paläolithischen Jägers in der Tundra. Nur verfolgt der Fotograf sein Wild nicht im offenen Grasland, sondern im Dickicht der Kulturobjekte, und seine Schleichwege sind von dieser künstlichen Taiga geformt. Die Widerstände der Kultur, die kulturelle Bedingtheit, ist der fotografischen Geste anzusehen, und sie müßte, in der These, aus den Fotografien herausgelesen werden können.
Das fotografische Dickicht besteht aus
Eine derartige Entzifferung der Kulturbedingung des Fotografen ist
aber beinahe unmöglich. Denn was in der Fotografie erscheint, sind die
Kategorien des Fotoapparates, die wie ein Netz die Kultur
Die Kategorien des Fotoapparates sind auf dessen Außenseite eingetragen und können dort manipuliert werden, das heißt, solange der Apparat nicht voll automatisiert ist. Es sind dies die Kategorien der fotografischen Raumzeit. Sie sind weder newtonisch noch einsteinisch, sondern teilen die Raumzeit in ziemlich deutlich voneinander getrennte Regionen. Alle diese Raumzeit-Regionen sind Abstände vom zu schnappenden Wild, Sichten auf das „fotografische Objekt“, das im Zentrum der Raumzeit steht. Etwa: eine Raumregion für hautnahe, eine für nahe, eine für mittlere, eine für sehr weite Sicht; eine Raumregion für Vogel-, eine für Frosch-, eine für Kleinkindperspektive; eine für direktes Starren mit archaisch geöffneten Augen, eine für seitliches Schielen. Oder: eine Zeitregion (Verschlußzeit) für blitzschnelles Sehen, eine für rasches Hinblicken, eine für geruhsames Ansehen, eine für grübelndes Schauen. – In dieser Raumzeit bewegt sich die fotografische Geste.
Während seines Pirschens wechselt der Fotograf von einer Raumzeitform in eine andere, wobei er die Raum- und Zeitkategorien kombinatorisch aufeinander abstimmt. Sein Schleichen ist ein Kombinationsspiel mit den Kategorien des Apparates, und es ist die Struktur dieses Spiels – und nicht unmittelbar die Struktur der Kulturbedingung selbst –, die wir aus der Fotografie herauslesen können.
Der Fotograf wählt eine Kategorien-Kombination aus, das heißt, er
stellt den Apparat beispielsweise so ein, daß er sein Wild mit ei
Die gleiche Verzahnung der Funktion des Fotografen und des
Apparates kann aus der Wahl des zu fotografierenden „Objekts“ ersehen werden.
Der Fotograf kann alles aufnehmen: ein Gesicht, eine Laus, die Spur eines
Atompartikels in der Wilsonkammer, einen Spiralnebel, seine eigene Fotogeste im
Spiegel. Doch in Wirklichkeit kann er eben nur Fotografierbares aufnehmen, das
heißt: alles, was im Programm steht. Und fotografierbar sind nur Sachverhalte.
Was immer der Fotograf aufnehmen will, er muß es in Sachverhalte
Bei der Wahl seiner Kategorien mag der Fotograf meinen, eigene
ästhetische, erkenntnistheoretische oder politische Kriterien ins Spiel zu
bringen. Er mag sich vornehmen, künstlerische, wissenschaftliche oder politische
Bilder zu machen, bei denen ihm der Apparat nur Mittel ist. Aber seine scheinbar
außer-apparatischen Kriterien bleiben dennoch dem Apparatprogramm unterworfen.
Um die Apparat-Kategorien, so wie sie auf der Außenseite des Apparates
programmiert sind, wählen zu können, muß der Fotograf den Apparat „einstellen“,
und das ist eine technische Geste, genau
Die im Apparatprogramm enthaltenen
Die Fotogeste gliedert sich in eine Sequenz von Sprüngen, mit denen der Fotograf die unsichtbaren Hürden der einzelnen Raumzeit-Kategorien überwindet. Stößt er an eine solche Hürde (zum Beispiel an die Grenze zwischen Nahaufnahme und Totale), dann stutzt er und steht vor der Entscheidung, wie er den Apparat einzustellen hat. (Bei vollautomatischen Kameras ist dieses Springen, dieser quantische Charakter des Fotografierens vollends unsichtbar geworden – die Sprünge gehen hier im mikroelektronischen „Nervensystem“ des Apparats vor sich.) Diese Art von sprunghaftem Suchen heißt „Zweifel“. Der Fotograf zweifelt, aber nicht in der Art eines wissenschaftlichen, religiösen oder existentiellen Zweifels, sondern im Sinne einer neuen Art von Zweifel, bei welchem Stutzen und Entscheidung zu Körnern zerrieben werden – eines quantelnden, atomisierten Zweifels. Jedesmal, wenn der Fotograf auf eine Hürde stößt, entdeckt er, daß der von ihm eingenommene Standpunkt aufs „Objekt“ konzentriert ist und daß ihm der Apparat unzählige andere Standpunkte gestattet. Er entdeckt die Vielzahl und Ebenbürtigkeit der Standpunkte seinem „Objekt“ gegenüber. Er entdeckt, daß es nicht darum geht, einen vorzüglichen Standpunkt einzunehmen, sondern darum, so viele Standpunkte wie möglich zu realisieren. Seine Wahl ist also nicht qualitativer, sondern quantitativer Art. „Vivre le plus, non pas le mieux.“
Die Fotogeste ist die des „phänomenologischen Zweifels“, insofern
sie versucht, sich den Phänomenen von zahlreichen Standpunkten aus zu nähern.
Aber die „Mathesis“ dieses Zweifels (ihre tiefere Struktur) ist vom
Apparatprogramm vorgezeichnet. Zwei Aspekte sind für diesen Zweifel
entscheidend. Erstens: Die Praxis
Schließlich wird in der Fotogeste eine letzte Entscheidung getroffen: der Druck auf den Auslöser – wie schließlich der amerikanische Präsident auf den roten Knopf drückt. In Wirklichkeit aber sind diese letzten Entscheidungen nur die letzten einer Serie von sandkornartigen Teilentscheidungen: im Fall des amerikanischen Präsidenten der letzte Strohhalm, der dem Kamel den Rücken bricht; eine Quantum-Entscheidung. Da folglich keine Entscheidung wirklich „entscheidend“ ist, sondern Teil einer Serie von klaren und distinkten Quanta-Entscheidungen, kann auch nur eine Serie von Fotografien die Absicht des Fotografen belegen. Denn keine einzelne Fotografie ist tatsächlich entscheidend, selbst die „letzte Entscheidung“ findet sich in der Fotografie zerkörnert.
Der Fotograf versucht, dieser Zerkörnerung zu entgehen, indem er aus seinen Bildern einige auswählt, etwa wie der Filmregisseur das Filmband schneidet. Aber auch dann ist seine Wahl quantisch, denn er kann nicht umhin, aus einer Serie von klaren und distinkten Flächen einige herauszuheben. Selbst in dieser scheinbar nachapparatischen Situation der Fotografiewahl ist die quantische, atomistische Struktur alles Fotografischen (und alles Apparatischen schlechthin) ersichtlich.
Das Resultat der fotografischen Geste sind Fotografien, so wie sie uns gegenwärtig von allen Seiten her angehen. Daher kann die Betrachtung dieser Geste als Einführung zu diesen überall gegenwärtigen Flächen dienen.
V DIE FOTOGRAFIE
Fotografien sind allgegenwärtig: in Alben, Zeitschriften, Büchern,
Vitrinen, auf Plakaten, Einkaufstüten, Konservenbüchsen. Was bedeutet das? Die
vorangegangenen Überlegungen haben die noch zu untersuchende These
vorgeschlagen, daß diese Bilder Begriffe in einem Programm bedeuten und daß sie
die Gesellschaft für ein sekundär magisches Verhalten programmieren.
Ein solcher Betrachter nimmt stillschweigend an, daß er durch die
Fotos hindurch die Welt dort draußen ersieht, und daß daher das Universum der
Fotografie sich mit
Schwarz-weiße Sachverhalte kann es in der Welt nicht geben, weil
Schwarz und Weiß Grenzfälle, „Idealfälle“ sind: Schwarz ist totale Abwesenheit
aller im Licht enthaltenen Schwingungen, Weiß totale Gegenwart aller
Schwingungselemente. Schwarz und Weiß
Schwarz und Weiß gibt es nicht, aber es sollte sie geben, denn könnten wir die Welt in Schwarz-weiß sehen, wäre sie logisch analysierbar. In so einer Welt wäre alles entweder schwarz oder weiß oder eine Mischung aus beidem. Der Nachteil einer solchen schwarz-weißen Weltanschauung wäre freilich, daß diese Mischung nicht farbig, sondern grau ausfiele. Grau ist die Farbe der Theorie: was zeigt, daß man aus einer theoretischen Analyse die Welt nicht mehr rücksynthetisieren kann. Die schwarz-weißen Fotos zeigen diesen Umstand: Sie sind grau, Bilder von Theorien.
Schon lange vor Erfindung der Fotografie hat man versucht, sich die
Welt schwarz-weiß vorzustellen. Hier zwei Beispiele für diesen
vor-fotografischen Manichäismus: Man abstrahierte aus der Welt der Urteile die
„wahren“ und die „falschen“ und baute aus diesen Abstraktionen die
Aristotelische Logik mit ihrer Identität, Differenz und ausgeschlossenem
Dritten. Die auf diese Logik gegründeten modernen Wissenschaften funktionieren
tatsächlich, obwohl kein Urteil je vollkommen wahr oder falsch ist und obwohl
jedes wahre Urteil unter logischer Analyse auf Null reduziert wird. Das zweite
Beispiel: Man abstrahierte aus der
Die ersten Fotos waren schwarz-weiß und bezeugten ihren Ursprung
aus der Theorie der
Was für die Fotofarben gilt, gilt auch für alle übrigen Elemente des Fotos. Sie alle stellen transcodierte Begriffe dar, die vorgeben, sich automatisch aus der Welt her auf der Fläche abgebildet zu haben. Eben diese Täuschung muß entziffert werden – um die wahre Bedeutung der Fotografie, nämlich programmierte Begriffe, aufzuzeigen; um offenzulegen, daß es sich bei der Fotografie um einen Symbolkomplex von abstrakten Begriffen, um zu symbolischen Sachverhalten umcodierte Diskurse handelt.
Hier muß man sich darüber einigen, wie „
Stellt man die Frage so, dann gibt es für das Entziffern keine befriedigende Lösung. Man geriete in ein bodenloses Unterfangen, denn jede eben entzifferte Ebene würde sogleich eine noch zu entziffernde bloßlegen. Jedes Symbol ist nur die Spitze eines Eisbergs im Ozean des kulturellen Konsensus, und hätte man eine einzige Botschaft bis auf den Grund entziffert – die gesamte Kultur mit all ihrer Geschichte und Gegenwart läge zutage. So „radikal“ getrieben, würde sich die Kritik an jeder einzelnen Botschaft als Kulturkritik schlechthin erweisen.
Ebenso auf ein Minimum reduziert, ist das Apparatprogramm dieses:
Erstens, die in ihm enthaltenen Möglichkeiten ins Bild zu setzen. Zweitens, sich
dabei eines Fotografen zu bedienen, außer in Grenzfällen der völligen Automation
(etwa bei Satellitenfotografien). Drittens, die so entstandenen Bilder so zu
verteilen, daß die Gesellschaft sich in einem Feedback zum Apparat verhält, das
diesen befähigt, sich fortschreitend zu verbessern. Viertens, immer bessere
Bilder herzustellen. Kurz: Das Apparatprogramm sieht vor, seine Möglichkeiten zu
verwirklichen und dabei die Gesellschaft als Feedback für seine fortschreitende
Verbesserung zu verwen
Ein Vergleich der Absicht des Fotografen mit dem Apparatprogramm zeigt, daß es Punkte gibt, an denen beide konvergieren, und andere, an denen sie divergieren. An den konvergierenden Punkten wirken beide zusammen, an den divergierenden kämpfen sie gegeneinander. Jede einzelne Fotografie ist das Resultat zugleich der Zusammenarbeit wie des Kampfes zwischen Apparat und Fotograf. Folglich kann eine Fotografie als entziffert gelten, wenn es gelungen ist, festzustellen, wie sich in ihr Zusammenarbeit und Kampf zueinander verhalten.
Die von der Fotokritik an die Fotografie zu stellende Frage lautet
demnach: Inwieweit ist es dem Fotografen gelungen, das Apparatprogramm seiner
Absicht zu unterwerfen, und dank welcher Methode? Und umgekehrt: Inwieweit ist
es dem Apparat gelungen, die Absicht des Fotografen zugunsten des
Apparatprogramms umzuleiten, und dank welcher Methode? Auf der Grundlage dieses
Kriteriums ist jene Fotografie die „beste“, bei welcher der Fotograf das
Apparatprogramm im Sinn seiner menschlichen Absicht besiegt, das heißt, den
Apparat der menschlichen Absicht unterworfen hat. Selbstredend gibt es solche
„guten“ Fotografien, in denen der menschliche Geist über das Programm siegt.
Aber im Fotouniversum als Ganzem kann man erkennen, wie es den Programmen
bereits jetzt immer besser gelingt, menschliche Absichten auf Apparatfunktionen
umzuleiten. Daher müßte die Aufgabe einer jeden Fotokritik sein, aufzuzeigen,
wie sich der Mensch bemüht, den Apparat in den Griff zu bekommen, und wie
andererseits die Appara
(Dieses Kapitel ist zwar mit „Die Fotografie“ überschrieben, aber es handelt nicht von den für Fotografien spezifischen Aspekten, in denen sie sich von den übrigen technischen Bildern unterscheiden. Zur Erklärung sei gesagt, daß es die Absicht dieses Kapitels war, den Weg für ein sinnvolles Entziffern der Fotografien aufzuzeigen. Das folgende Kapitel wird versuchen, die Lücke zu füllen.)
Zusammenfassend: