Zitiervorschlag: Anonymus (Hrsg.): "III.", in: Leipziger Spectateur, Vol.2\003 (1723), S. 68-75, ediert in: Ertler, Klaus-Dieter / Doms, Misia Sophia / Hahne, Nina (Hrsg.): Die "Spectators" im internationalen Kontext. Digitale Edition, Graz 2011- . hdl.handle.net/11471/513.20.2560 [aufgerufen am: ].


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III.

Zitat/Motto► Vox est Jacobi, sed manus sunt Esaui. ◀Zitat/Motto

Gen. 27. v. 22.

[69] Zitat/Motto► Ja, ja es ist wohl gut gemeynt!
Die Freundschafft will sich hier gar deutlich hören lassen,
Die Pflicht bemühet sich, die Sache kurtz zu fassen,
Die Ehrlichkeit hat nicht zu falscher Schmincke Lust,
Und die Ergebenheit eröffnet Brief und Brust.
Daß also alles hier wie
Jacobs Stimme scheint.
Ja, ja es ist wohl gut gemeynt!
Doch läst Unwissenheit und unverständges Wesen
Nur wilde Rancken, Schlehn, und tolle Worte lesen,
Daß man des
Esaus Hand und wilden Sinn beweint,
Obs noch so schön und gut gemeynt.
◀Zitat/Motto

Ebene 2► JCh verwundere mich zum öfftern, daß Leute, die Zeit, Gelegenheit, Geld, Geschicklichkeit, und sonst viel Gutes an sich haben, auch sich für andern breit machen, dennoch so nachlässig sind in ihrem Brief-Schreiben, und weder mit einer rechten Connexion, noch Orthographie, noch behöriger Annehmlichkeit ihre Briefe einzurichten sich Mühe geben, da doch meistentheils von einem Menschen, der in der Welt sein Glück zu machen gedencket, diese drey Stücke erfodert werden: .) seinem GOtt vertrauen, .) sich Geld erwerben, und .) einen guten Brief schrei-[70]ben. Von einigen wird es zwar nicht erfodert, daß sie dieses letztere können, und man hält ihnen vieles zu gute, weil sie die Fähigkeit, Gelegenheit und was dazu gehöret nicht bey sich finden. Von einigen wird es wohl mit Recht erfordert, daß sie einen guten Brief schreiben, aber sie sind, vermöge ihres Amtes, an einen gewissen Stilum gebunden, oder wegen ihres Alters, Ansehens und überhäufften Geschäffte schon in solchen Umständen, daß man ihnen die Fehler im Brief=Schreiben übersiehet. Aber daß Leute, die im Kriege ihr Glück suchen, und sich sonst über andere Studiæ moquiren, oder junge Herrn von Adel, Studenten und Frauenzimmer, denen weder Zeit, noch Kosten, noch Fähigkeit dazu fehlt, aus blosser Faulheit und wunderlichen Vorurtheilen sich nicht der Geschicklichkeit in Briefschreiben befleissigen, ist etwas einfältiges. Leute die den Kriegen nachgehen und mit der Zeit mehr als Mußquetirer bedeuten wollen, müssen doch von Rechtswegen etwas in der Fortification gethan haben, oder Rapport bringen, oder sonst mit Höhern und Niedrigern sich in Brief-Wechsel einlassen, da ihnen die Entschuldigungen, als wann es Schulfüchsereyen wären, vernehmlich und leserlich schreiben und stilisiren, oder als wann sie nöthigere Verrichtungen hätten, nicht zu statten kommen, falls sie durch ihren kauderwelschen Ausdruck und wunderliche Schreib-Art zu Unordnungen Anlaß geben. Das Frauenzimmer schreibt zwar wohl gerne Liebes-Briefe, wann sie einen Brief stilisiren können, wie jener Vater sagte, der des-[71]wegen seine Töchter nicht wolte schreiben lernen, aber wann sie Liebes-Briefe schreiben, so geben sie auch desto eher Gelegenheit, daß man hinter ihre Jntrigues kommt. Junge Herrn von Adel und Studenten sind nicht zu excusiren, wann sie im Brief-Schreiben Fehler begehen, denn jene wollen für den Bürgerlichen was sonderliches seyn, und es werden ihnen mit grossen Kosten Lehrer gehalten, so müssen sie dann auch sich hierinne zeigen, daß sie was sonderliches seyn, und daß sie Kosten, Zeit und Mühe nicht vergebens an sich wenden lassen, damit sie hierinnen nicht überall mit der Zeit den Bürger vorspannen müssen. Diese aber machen vom Studiren Profession, geben sich also dafür aus, daß sie wohl meditiren, und ihre Gedancken, so wohl mündlich als schrifftlich, von sich geben können, also solten sie sich schämen, daß sie hierinne schnitzerten. Jch will dem Leser eine Probe solcher schönen Briefe mittheilen, daraus er schliessen möge, ob ich ohne Noth zu der Geschicklichkeit im Brief-Schreiben, sowohl was die Redens-Arten, als die Orthographie anbetrifft, anmahne. Der erste ist eines Officierers an seinen Commandeur, welcher von solcher Geschicklichkeit, daß er wie jener, Raptim in des Obristen Land-Charte suchen würde. Der andere ist eines Frauenzimmers an ihren Vetter, einen Kauffmann, den dritten und vierdten haben zwey Studenten geschrieben, davon der eine von Adel bey nahe 20. Jahr Hofmeister gehabt, und dieser hat auch, in Meynung, sich an den andern eines vermeynten angethanen Unrechts wegen zu revangiren, die Uberschrifft weggelassen.

[72] Ebene 3► Brief/Leserbrief► . Wohlgebohrner Mannvester Demselben verbleiben meine schultigste Dienste iederzeit bevohr,

Und kan meinen hochgeöhrten Herrn N. N. nicht unberiecht lassen, wie das unser marsch gegen N. N. zu gehet, denn Feyndt zu besuchen, hat auch Hr. N. N. die neu geworpenen Soltaden, so zu N. und N. gelegen under die Prigate getheild, under Herrn N. 13. Man, wie den mein Hochgeöhrter Herr ein Lista mit allen nahmen zu ersehen hat, beinebenst auch eine Apschrifft, So Hr. General N. ein Bevelch an die Officier ergehen lassen, zu entpfangen, sonsten hetten mihr einen gueten Beitel mit Geld alhier vonnöten, den der Wein und Bier gahr deuer ist, und meine Capphithalien nicht hinreichen, der Fenderich . ist auch wiederumb bey dem Regiment, bevihle mich in meineß hochgeöhrten Herrn . Hohn gratiæ und favor, benebenst göttlicher prodektion; Actum N. den &c. ◀Brief/Leserbrief ◀Ebene 3

Ebene 3► Brief/Leserbrief► . Monsieur mon tres honoré Ami.

Ach wenn doch der Himmel diesen meinen geringen Zeihlen nicht möchte zuwider seyn, daß sie diesen meinen hohen Wohlthäter nebst seiner geliebten Ehgattin möchten noch bey guten Contentement befinden, so soll mir die erfreuliche Nachricht hiervon nicht eine geringe Freude und Frohlocken erwegen, was meine wiewohl sehr schlechte Person anlanget, so bin eine recht unglückliche Cleopatra. Jch habe schon vor etlichen Wochen einige Zeihlen an den Hochge-[73]schätzten Patron abgehen lassen, kan aber nicht wissen, ob derselbe in untreue Hände gerathen ist, weil auf demselben nicht ist respondiret worden, oder er Jhnen etwa aus denen werthesten Händen entkommen, und seyn sie also extra culpam. Und ich möchte nichts mehr von dem gütigen Himmel bitten, als nur dieß eintzige, daß wir dero angenehme Gegenwart mit ehesten erblicken möchten, welche angenehme gegenwart und mündliche Correspondence uns das Leben allerseits recht vergnügt machen wollte, wenn die fortuna uns darinnen gratificirete, oder wenn ich nur dasjenige könte von denen Göttern erhalten, daß meiner Schwester eine möchte zu wohnen kommen allda, daß wir alß denn einen rechten Zutritt zu Dero werthgeschätzten Person nehmen könnten, um als dann die alte gepflogene Freundschafft aufs neue wieder zu restruiren. Nun der Himmel nehme Jhn nebst seiner Vielwerthgeschätzten Ehegattin in dem Schutz des Allerhöchsten, damit sie mögen wachsen, grünen und blühen noch lange Jahre, und ich werde mich lebenslang biß zu der schwartzen Grufft nennen seine schuldigste und Gehorsamste Dienerin. N. ◀Brief/Leserbrief ◀Ebene 3


Ebene 3► Brief/Leserbrief► . Jch bin noch gar glücklich und gut hier angelanget, allein wäre es etwa . tage eher geschehen, so würde mit treflichen ungenädigen Augen angenommen worden seyn, indem meinen Vormund unterschiedene Sachen, die mir nie in Sinn kommen vorzunehmen, welche [74] Jhnen schon mündlich erzehlen will, ietzo leitet die Zeit nicht ein mehrers davon zu melden. Es hat sich der Hr. Vetter eine grosse Freude eingebiltet, sie zu vexiren, wenn sie ihm keine Machine zu tobackschneiden mitbrächten, ingleichen daß sie ihr Versprechen nicht gehalten, und die Land-Charte nicht gleich wieder geschickt. Und der Hr. Vetter sagt, er wunderte sich, daß sie ihn wolten Menachiren lernen in puncto des Schnuptobacks. Sie werden so güttig und meinen Brief excusiren in dem die Zeit ihm zu stilisiren ich verbleibe N. N.

Mon tres honoree Ami, Vôtre

Vcalegon. ◀Brief/Leserbrief ◀Ebene 3

Ebene 3► Brief/Leserbrief► . Vielgeliebte Eltern.

Nebst anerwünschung alles Göttlichen Seegens von dem höchsten Gute habe ich meinen lieben Eltern mit Kindlicher Observanz zu vernehmen geben und berichten wollen, daß mir es in Leipzig sehr vergnügt geht: Jch kam nicht nur glücklich an, sondern lebe auch noch gesund. Jch hatte nicht nur bey der Inscription . Gulden zum besten, sondern darff auch ein Collegium besuchen, daß sonst vor . Rthl. kostet, ob ich gleich nur . Rthl. gegeben habe. Jch habe . Stuben im Vorschlage, . auf der Nicolai-Straasse, da ich den Collegiis näher wohne, welche ich in der göldene Hand und etc. hören will. Doch sie sind etwas gesaltzen, weil eine 18. Rthl. des Jahres seyn soll. Jch muß sehn, ob ich leichter ankommen kan. Drum hurtig in das Fürsten- und Frauen-Collegium, da [75] giebts in den Universitäts-Gebäuden feine Stuben. Jm rothen Collegio sind auch . Stuben, die eine 12. die andere 10. Rthl. wenn ich einen zu mir nehme, kostet michs ohne Holtz und Aufwarte-Geld 2 ½ Rthl. wenn ich mich nicht anders zu versorgen wüste, müste ich schon ja sagen und den accord annehmen, doch ich will weiter nachsehen. Da finde ich, daß . Lands-Leute die Hr. M. S. an Hrn. Lic. T. recommendiret hat, ausziehen sollen, ich habe auch einige Bekanntschafft da. Die Stube, welche sie vor 12. Rthl. gehabt, soll mir vor . Rthl. gelassen werden, wir wollen schauen, was zu thun. Muß der Famulus noch fort, so kan wohl wöchentlich noch . Gr. ausser der freyen Wohnung haben, indessen bitte ich vor euch, und bleibe euer lieber Sohn

Stepphan Stumpax. ◀Brief/Leserbrief ◀Ebene 3 ◀Ebene 2 ◀Ebene 1