Rezension von: Karl Diehl: P. J. Proudhon: Seine Lehre
und sein Leben. 2. Abt. Das System der ökonomischen Widersprüche, die Lehren
vom Geld, Credit, Capital, Zins, Recht auf Arbeit und die übrigen Theorien,
sowie die praktischen Vorschläge zur Lösung der socialen Frage. Jena 1890,
und: Arthur Mülberger: Studien über Proudhon. Ein Beitrag zum Verständnis
der socialen Reform. Stuttgart 1891, in: Deutsche Litteraturzeitung,
Jahrgang 1891, Nr. 35, S. 1283-1284.
[Rezension:] Karl Diehl: P. J. Proudhon. Seine Lehre und sein Leben. [und:]
Arthur Mülberger, Studien über Proudhon. Ein Beitrag zum Verständnis der
socialen Reform.
[… Diehl:] 2. Abt.
Das System der ökonomischen Widersprüche, die Lehren vom Geld, Credit, Capital,
Zins, Recht auf Arbeit und die übrigen Theorien, sowie die praktischen
Vorschläge zur Lösung der socialen Frage. (Sammlung nationalökon. und statist.
Abhandlungen des statswissenschaftl. Seminars zu Halle a. S. Herausg. von Joh.
Conrad. VI Bd., 3. Heft.) Jena, Fischer, 1890. XI u. 328 S. gr. 80. M. 6. [und: Mülberger:] Stuttgart, Göschen, 1891. 171 S. 80. M. 2,50.
[… Diehl:] 2. Abt.
Das System der ökonomischen Widersprüche, die Lehren vom Geld, Credit, Capital,
Zins, Recht auf Arbeit und die übrigen Theorien, sowie die praktischen
Vorschläge zur Lösung der socialen Frage. (Sammlung nationalökon. und statist.
Abhandlungen des statswissenschaftl. Seminars zu Halle a. S. Herausg. von Joh.
Conrad. VI Bd., 3. Heft.) Jena, Fischer, 1890. XI u. 328 S. gr. 80. M. 6. [und: Mülberger:] Stuttgart, Göschen, 1891. 171 S. 80. M. 2,50.
Die 2. Abteilung von
Diehls Arbeit über
Proudhon (über 1. Abteilung s. DLZ. Nr. 1889 Sp. 822 f.) hat einen Umfang
erreicht, den die 1. Abteilung nicht ahnen ließ. Verf. behandelt seinen Gegenstand
hier sehr ausführlich, auch muss anerkannt werden, dass sich das Niveau der Arbeit
im Vergleich mit jener Seminarabhandlung
1284
bedeutend erhöht hat. Wer
sich über Werke und Schriften
Proudhons
informieren will, findet hier hinreichendes Material. Ob
Proudhon nicht zu
unverdienter Ehre kommt, so ausführlich behandelt zu werden, ist eine andere Frage.
Proudhons bedeutendste Tat liegt auf dem Gebiete der
Dialektik; hier hat er in bestechender Weise den Nachweis zu führen
versucht, dass Eigentum „Fremdtum“ sein, wie das
Lassalle
übersetzte. Ob dieses Nachweises wurde er als Gegner des Privateigentums und daher
als Communist angesehen; als solchen bezeichnet ihn auch
Sudre in seiner
Geschichte des Communismus. Nun hat aber auch
Proudhon den
Communismus bekämpft und den Nachweis versucht, dass er kein Communist sei. Dieser
Ansicht schließt sich auch D. an, der „die Richtung des
Proudhonschen
Socialismus am passendsten als Mutualismus“ bezeichnet wissen will (S. 312). Darüber
lässt sich aus dem Grunde nicht streiten, weil aus der großen Masse
Proudhonscher Schriften alles Mögliche erwiesen und widerlegt werden
kann. Sagt doch D. selbst, dass „in dem Ideengange dieses geistvollen Denkers sich
so viele Schwankungen, oft ganz unvermittelte
Meinungsänderungen finden, dass die eine Eigentümlichkeit
Proudhons, seine
widerspruchsvolle Natur, in
augenfälligster Weise hervortritt“ (S. 144). Das ist vollkommen richtig und erklärt
es zur Genüge, dass uns D. in seiner sehr fleißigen Monographie
das nicht geben kann, was man von solchen Monographien über einzelne
„Denker“ verlangt: ein klares Bild ihrer geschlossenen Weltanschauung. Denn ein
solches scheint eben bei
Proudhon nicht
vorhanden gewesen zu sein, da er viel mehr
Dialektiker als
Denker war.
Mülberger, der
in der oben genannten Publication fünf teilweise schon veröffentlichte Abhandlungen
über
Proudhon, worunter auch eine Recension des Dschen Werkes, gibt, ist ein
großer Verehrer
Proudhons und
vermisst bei D., ebenso wie bei andern „
Proudhonforschern“, die Wiedergabe der „Einheit des Gedankens, des Ganzen der
Entwicklung, der Folgerichtigkeit der Grundanschauungen“
Proudhons (S.
170). Diese Ausstellung ist richtig; nur ist die Frage,
wer
an diesem Mangel Schuld trägt, die
Proudhonforscher
oder
Proudhon? Ref. ist
der letzteren Ansicht.