Dialect Cultures

Datenbank bairisch-österreichischer Mundartkunst vor 1800

Typus: Handschrift
Herausgeber: Initiator: Joseph Sonnleithner
Entstehungsjahr: 1819
Entstehungsort: Habsburger-Monarchie
Standort: GdMfW
Varianten:
Kommentar:

Als direkte Folge eines seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert stetig steigenden Interesses für das volksmusikalische Erbe ist die Sammlung der ‚Gesellschaft der Musikfreunde in Wien’ zu sehen, die 1819 auf Initiative ihres ersten Sekretärs Joseph von Sonnleithner (1776-1835) in weiten Gebieten der österreichischen Monarchie durchgeführt wurde. Versehen mit der Unterschrift des Präses der Gesellschaft, des niederösterreichischen Landmarschalls Joachim Egon von Fürstenberg, die dem Aufruf den nötigen offiziösen Nachdruck verleihen sollte, wurden den Kreisämtern der Kronländer und Provinzen Oberösterreich und Salzburg, Niederösterreich, Steiermark, Böhmen, Mähren, Schlesien, Tirol und Illyrien (mit Kärnten, Krain, Dalmatien und Triest) die Richtlinien der Aktion zugesandt. Gesammelt werden sollten profane Volksgesänge und Kirchenlieder mit möglichst vollständigem Text und vorzugsweise aus älteren Zeiten sowie die „Melodien der Nationaltänze“ , die vor allem bei Festlichkeiten, Hochzeiten und Begräbnissen aufgeführt wurden. Zudem erbat man sich Informationen zum Verbreitungsgebiet und zu repräsentativen Trägern dieser Volksmusik, um sie in weitere Untersuchungen einbinden zu können.
Die Ergebnisse dieses sehr kurzfristig anberaumten Sammelprojekts waren reichlich heterogen, nicht zuletzt aufgrund des Zeitdrucks, der den regionalen Sammlern, zumeist Schullehrer, Chorregenten und Pfarrer, auferlegt worden war. Zum Teil hatten sie nur 14 Tage Zeit, das Material zu recherchieren und zu kopieren, und so begnügte man sich nicht selten damit, unbrauchbar gewordenes Notenmaterial zu entsorgen, wenn man nicht völlig (wie ein Großteil der Zielgruppe) auf Beiträge verzichtete. Auf diese Weise mag der Rücklauf aus vielen Gebieten qualitativ wie quantitativ unter den Erwartungen der Initiatoren geblieben sein. Damit allein aber ist die unterbliebene Weiterbearbeitung des Bestands nicht zu erklären, der erst ein Jahrhundert später das Interesse der Wissenschaft fand und bis heute nur unvollständig ausgewertet ist.
Obwohl die Einsender aufgrund des recht vage formulierten Sammelprofils mehr oder weniger willkürlich nach eigenem Gutdünken und individuellen Vorlieben Notenmaterial auswählten, das darüber hinaus von den Kreisämtern noch einer Zensur unterzogen wurde (über deren Umfang man nur mutmaßen kann), ergibt sich doch ein einigermaßen aufschlussreicher Überblick über die Volksmusikkultur der damaligen Zeit. Im Zusammenhang dieser Arbeit bemerkenswert ist dabei, wie vergleichsweise stark das Werk Maurus Lindemayrs im Sammlungskorpus noch vertreten ist. Immerhin vierzehn seiner zum Teil mehrfach überlieferte Lieder finden sich in den Einsendungen; hauptsächlich aus Oberösterreich stammend, aber auch aus Niederösterreich, Salzburg und der Steiermark.

(zitiert nach Neuhuber 2008, S. 391 f.)

Literatur:
Zuletzt geändert:am: 18.6.2015 um: 13:33:44 Uhr